Obwohl das Remake von Resident Evil 4 weltweit – und auch bei uns – exzellente Wertungen einheimste, wurde doch nahezu einhellig die Abwesenheit der beliebten Erweiterung Separate Ways bemängelt. Doch CAPCOM versprach, das Zusatzkapitel um Ada Wong später in ebenfalls rundum erneuerter Form nachzureichen. Pünktlich zum Release klärt unser Kurztest zum DLC über Stärken und Schwächen auf.
Die Jagd nach dem Bernstein
Während sich Leon S. Kennedy im Auftrag des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika im tiefsten Hinterland von Spanien auf die Suche nach dessen Tochter begibt und es dort kurz nach seiner Ankunft mit Horden infizierter Dorfbewohner aufnehmen muss, ist auch die allseits umtriebige Doppelagentin Ada Wong am Ort des Geschehens eingetroffen. Im Auftrag von Oberfiesling Wesker soll sie vom abtrünnigen Biologen Luis eine Sache namens »Bernstein« beschaffen, der angeblich das dunkelste Geheimnis der alles beherrschenden Lokalsekte um Oswald Saddler enthalten soll. Worum es sich dabei genau handelt, wollen wir an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Allerdings ist es den Machern gelungen, die knapp vier Stunden umfassende Handlung hervorragend mit der des Hauptspiels zu verknüpfen. Neben gelegentlichen Überschneidungen erhalten Spieler auch einen komplett neuen Blickwinkel auf sämtliche Ereignisse, ohne dass sich das Geschehen dabei in irgendeiner Form repetitiv anfühlt.
Und genau hier performt Separate Ways so viel besser als das Original. Wo man ursprünglich permanent das Gefühl hatte, nur Türöffner und Lebensretter für den eigentlichen Helden des Spiels zu sein, fühlt sich der komplett überarbeitete DLC um ein vielfaches eigenständiger an. Zwar besuchen wir regelmäßig bereits bekannte Orte, dürften aber auch ein paar „neue“ Schauplätze erkunden, die es in der Form schon im Original gab, im eigentlichen Remake dann aber keine Verwendung mehr gefunden haben – nicht etwa lieblos wiederverwertet, sondern sinnvoll in den Ablauf der Handlung implementiert. Damit wird auch Kennern erneut viel Neues geboten. Dem ursprünglichen roten Faden bleibt der Zusatzinhalt treu, erfindet sich auf dessen Basis aber gänzlich neu und offeriert gleichzeitig zahlreiche inhaltliche Erweiterungen, welche auch die letzten offenen Fragen des Hauptspiels zufriedenstellen beantwortet. Ein besonderer Fokus liegt zudem auf der Charaktererweiterung von Ada, die sich zunehmend in einem moralischen Konflikt wiederfindet, womit man die im Remake von Resident Evil 2 begonnene Geschichte zwischen ihr und Leon weiter vertieft.
Ebenso gefällt mir, dass Ada einmal mehr als ebenbürtig starke Figur dargestellt wird, die auch mal Menschlichkeit zeigen darf, ohne dass es in irgendeiner Form forciert wirkt. Das Bild einer starken Frau wird hier glaubhaft rübergebracht, ohne die männlichen Darsteller gleichzeitig zu durchgehend unfähigen Idioten zu degradieren – eine Kunst, die westliche Entwickler längst komplett aus den Augen verloren haben. Ich habe jede Minute mit dem DLC genossen und mich im Anschluss daran gerne in einen zweiten Durchgang auf höherer Schwierigkeit gestürzt. So sehr es manche Spieler auch ärgern mag, dass CAPCOM den Inhalt nicht kostenlos veröffentlicht hat, für das Gebotene ist der Preis mehr als angemessen und rundet die bisherige Geschichte optimal ab.
Indiana Wong
Eine zentrale Neuerung im Vergleich zum Original ist der Greifhaken, mit dem Ada anderenfalls unpassierbare Areale in Windeseile überwinden kann. Während Leon beispielsweise gezwungen ist, sich umständlich auf dem Boden durch den Vorhof der Burg zu kämpfen, überqueren wir den Schauplatz mithilfe unseres praktischen Gadgets wesentlich weniger mühsam über die Dächer, ziehen uns an Türmen hoch und schalten die wenigen patrouillierenden Wachen mit dem Messer aus dem Verborgenen aus, ehe wir im Anschluss selbst hinter dem Zielfernrohr einer Kanone Platz nehmen und damit die lästigen Katapulte beharken dürfen. Aber auch im regulären Kampf entpuppt sich der Greifhaken als potentes Hilfsmittel, denn wenn sich unmittelbar über den fest vorgegebenen Ankerpositionen gerade ein Gegner aufhält, wird dieser bei der Ladung automatisch zu Boden geschleudert und kann dort problemlos mit dem Messer endgültig abgefertigt werden. Spätestens, wenn man gezwungen wird, sich in größerer Bedrängnis auf eine höhergelegene Position zu retten, dabei elegant durch die feindlichen Horden entschwindet und die wie Pins auf einer Bowlingbahn umkippen, fühlt man sich herrlich überlegen.
Ein weiteres neues Feature ist das sogenannte IRIS-System, eine Kontaktlinse mit der wir unter anderem sonst unsichtbare Spuren sichtbar machen können. Diese Detektivabschnitte sind fest in den eigentlichen Spielablauf implementiert worden und erinnern sehr an die Ermittlungen in Batman: Arkham City, präsentieren sich anders als dort jedoch sehr viel linearer, bringen aber dennoch ein wenig zusätzliche Abwechslung ins Gameplay. Davon abgesehen steht Ada dem gleichzeitig zu den Geschehnissen im Umland agierenden Leon in nichts nach: Schleichen, Springen, Schießen und die Las Plagas aus dem Hinterhalt zu erledigen beherrscht die ikonische Femme Fatale nämlich genauso gut, auch das Crafting funktioniert auf dieselbe Weise wie im Hauptspiel, wobei natürlich auch der geheimnisvolle Händler nicht fehlen darf, der uns sämtliche gefundenen Schätze gerne abnimmt und jede Menge Upgrades, Items und Feuerkraft auf Lager hat, wenn wir nur ausreichend Peseten mitbringen.
Technisch ändert sich im Vergleich zum Hauptspiel nichts, was natürlich auch die anhaltend mittelmäßige Performance auf Plattformen der letzten Generation einschließt. Positiv muss man jedoch einmal mehr hervorheben, dass auch der DLC mit exzellenten deutschen Sprechern besetzt worden ist und seine Charaktere besonders innerhalb der gut gemachten Zwischensequenzen prima in Szene setzt. Zwischen 8.5 und 12 Gigabyte umfassend der zusätzliche Download je nach Plattform und kann im Anschluss bequem über das Hauptmenü angewählt werden. Wer die ursprüngliche Geschichte jedoch noch nicht abgeschlossen hat, sollte dies vorher tun, denn anderenfalls entgeht einem jede Menge Kontext und von den zentralen Spoilern will ich an dieser Stelle gar nicht erst anfangen!
„Sechs Monate nach der Veröffentlichung von Resident Evil 4 Remake legt CAPCOM endlich die lange versprochene Erweiterung Separate Ways nach und schließt damit letzte Lücken. Das Warten hat sich auf jeden Fall gelohnt, denn für knapp zehn Euro bekommt man nicht nur gut vier Stunden zusätzliche Spielzeit mit angenehm abwechslungsreichen Inhalten geboten, sondern auch die ein oder andere inhaltliche Erweiterung, welche es in der Form auf PlayStation 2 und Co. nicht gegeben hat. Der Greifhaken fügt sich hervorragend in die bestehenden Mechaniken ein und kann sogar im Kampf nützlich sein, während das IRIS-System im Einsatz ruhig etwas mehr Freiheit hätte offerieren können. Weil aber alles andere auf demselben hohen Niveau performt wie das Hauptspiel, ist das verschwindend geringe Kritik an einem sonst sehr gelungen DLC, welcher das bereits hervorragende Hauptspiel prächtig ergänzt.“
- Mindestens vier Stunden Spielzeit
- Sinnvoll erweiterte Geschichte…
- …die selbst Kenner des Originals überrascht
- Offene Fragen des Hauptspiels werden zufriedenstellend beantwortet
- Guter Mix aus neuen und bekannten Schauplätzen
- Gewohnt coole Antiheldin, die sich angenehm von Leon abhebt
- Abwechslungsreiches Gameplay
- Greifhaken fügt sich exzellent in die bestehenden Mechaniken ein
- Anhaltend gute Sprecher
- Fairer Preis
- Sehr gradlinig gestaltete IRIS-Sequenzen
Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von CAPCOM zur Verfügung gestellt worden.
*Unsere Links werden nicht mit einer Monetarisierung versehen.
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