Angst, die – mit Beklemmung, Bedrückung, Erregung einhergehender Gefühlszustand [angesichts einer Gefahr]; undeutliches Gefühl des Bedrohtseins. Was der Duden hier beschreibt, trifft mindestens genauso sehr auf das Remake von Silent Hill 2 – einem DER Horrorklassiker schlechthin – zu. Wir haben die Neuauflage ausführlich getestet und waren trotz kleinerer Ärgernisse angenehm überrascht.


Entwickler: Bloober Team
Publisher: KONAMI
Plattform: PC | PlayStation 5
Veröffentlichungsdatum: 08. Oktober 2024
Preis: ab 64,99€*
Altersfreigabe: ab 18 Jahren
Metacritic | OpenCritic | IMDB


Mysterien im Nebel
Drei Jahre ist es her, seit James Sunderland seine geliebte Mary nach schwerer Krankheit viel zu früh beerdigen musste. Nun meldet sich die Tote scheinbar quicklebendig mit einem Brief aus dem abgelegenen Städtchen Silent Hill und bittet James darum, vor Ort nach ihr zu suchen. Weil die Handschrift unverkennbar die seiner Frau ist, zögert der immer noch trauernde Witwer keine Sekunde, setzt sich ins Auto und reist zurück an jenen Ort, an dem beide einst einen gemeinsamen Urlaub verbracht haben (warum auch immer man sich dafür entscheiden sollte, vielleicht waren die Balearen zu teuer). Auf dem Weg zur Stadt begegnet James der jungen Ausreißerin Angela, die ebenfalls auf der Suche nach einem verschollenen Familienmitglied ist. Ein Zufall?

Endlich in Silent Hill eingetroffen, erwartet den auswärtigen Besucher ein Bild des Grauens: Die von einem dichten Nebel durchzogene Stadt ist auf den ersten Blick komplett menschenleer, stattdessen schlurfen grässliche Monster in der Gegend umher, die James alles andere als freundlich gesonnen sind. Das Auftauchen der geheimnisvollen Maria, die eine frappierende Ähnlichkeit zur verschwundenen Mary aufweist, wirft nur noch weitere Fragen auf. Fest entschlossen, trotzdem weiter nach seiner Frau zu suchen, wagt sich der Witwer immer tiefer in die endlosen Schrecken von Silent Hill und muss dabei mit der Zeit erkennen, dass man niemandem trauen darf – ganz besonders nicht sich selbst…
Die Perfektionierung der Trostlosigkeit
There is no place like Silent Hill: Was die Macher des Originals damals zunächst auf der PlayStation 2 und im Anschluss daran allmählich auch über alle restlichen Systeme der damaligen Zeit mit Ausnahme des Nintendo Gamecube ausgerollt haben, gilt bis heute als einer der mit Abstand besten Vertreter seiner Zunft. Die zeitlose gute Gruselatmosphäre packt einen auch heute noch und schürt eine permanente Angst davor, was möglicherweise hinter der nächsten, nebelverhangenen Ecke auf einen lauern könnte. Dazu gibt’s eine Geschichte, die sich wie keine andere mit schwierigen psychologischen Themen auseinandersetzt und darüber einen der wohl heftigsten Twists in der Geschichte der Videospiele offeriert. Exzellent vertont und von noch besserer Musik untermalt, heißt Silent Hill 2 auch heute noch all jene mit offenen Armen willkommen, die sich mutig in die Abgründe der menschlichen Seele begeben möchten.

Auf die Ankündigung, dass die Horrorspezialisten von Bloober Team – als solche unter anderem verantwortlich für The Medium – an einem Remake arbeiten würden, folgten zunächst gemischte Reaktionen. Alleine die Formulierung, dass man das Spiel für ein modernes Publikum (was in der Regel als Drohung wahrgenommen werden kann) neu aufbereiten wolle, ließ in Hinblick auf die schwierige Thematik des Spiels eine ganze Menge Alarmglocken ertönen. Und ich bin wirklich froh, diesbezüglich Entwarnung geben zu können, denn das Remake erzählt exakt dieselbe Geschichte mit all ihren scheußlich-schönen Facetten und darf sich sogar über einige sinnvolle Erweiterungen in Form von Charaktervertiefungen und Co. freuen, die das Geschehen in meinen Augen zusätzlich bereichern. So dürfen sich auch alteingesessene Kenner des Originals auf viel Neues freuen.

Dass man die ursprünglich überaus attraktive Angela durch ein…sagen wir, etwas bodenständigeres Modell ersetzt hat, bleibt innerhalb der Community ein streitbarer Punkt, den ich in Teilen nachvollziehen kann. Gleiches gilt für die Tatsache, dass Maria im Remake etwas weniger Haut zeigen darf, als noch in der ursprünglichen Version, wodurch sich allerdings ein Widerspruch in der Geschichte ergibt, auf den ich an diesen Stelle nicht eingehen kann, ohne einen massiven Spoiler anzubringen. Wer trotzdem wissen möchte, worum es mir geht, darf natürlich gerne auf den kleinen Button klicken.

Ja, die Anbiederungen an den aussterbenden woken Zeitgeist existieren, aber dankbarerweise in einem extrem überschaubaren Rahmen und so richtig gefährdend für das Spielerlebnis sind sie ebenfalls nicht. Fans dürfen in chronischer Abwesenheit des modernen Publikums also mit gutem Gewissen zugreifen. Gute sechzehn Stunden hat der erste Durchgang gedauert, doppelt so lange wie man beim Original im Schnitt bis zum ersten Abspann benötigt. Das liegt nicht zwangsläufig am zusätzlichen Umfang, sondern eher am angepassten Pacing, was wirklich gut funktioniert, da ich mich in keinem Moment unnötig gelangweilt gefühlt habe. Neues Spiel Plus motiviert im Nachgang zusätzlich zu den insgesamt acht verschiedenen Enden, einen erneuten Durchgang zu wagen, wobei zwei dieser Abschlusssequenzen komplett neu sind.
Remake gegen Original
Was eine vollwertige Neuauflage ist, benötigt zwangsläufig mehr als nur ein neues Grafikgewand und inhaltliche Erweiterungen, auch spielerisch muss sich das Ergebnis modern anfühlen, ohne die Tugenden der Vorlage dabei wahrnehmbar zu verwässern. So bewegt sich James nun wesentlich flüssiger durch Silent Hill und Umgebung, was natürlich ebenso für sämtliche Gegner gilt. Die altbekannte und nicht immer gelungene Kameraführung des Originals – eine Mischung aus Third Person und forcierter Perspektive – wurde auf eine durchgehende Schulterkamera reduziert, mit Schusswaffen muss jetzt manuell gezielt werden, entsprechende Zielhilfen lassen sich mehrstufig als eine von vielen optionalen Komfortoptionen zuschalten.

Anhaltend klobig fühlt sich dagegen der Nahkampf an. Die Ausweichfenster sind für meinen Geschmack viel zu kurz, bereits im vereinfachten Kampfmodus genügen zwei gegnerische Treffer und der Bildschirm beginnt am Rand rot zu leuchten. Dazwischen wird einfach solange stumpf draufgeprügelt, bis das Monster tot am Boden liegt. Bei den Bossen verhält es sich damit nicht sonderlich anders. Die Präsenz von Gegnern wird euch durch das Rauschen eines Radiosignals angekündigt, selbst wenn es sich dabei nur um einen bissfreudigen Riesenkäfer handelt (was das psychologische Spiel mit der Angst ganz hervorragend zur Geltung bringt). Feuerwaffen halten die Gegner effektiv auf Distanz, die knapp bemessene Munition sollte man sich aber bevorzugt für die Bosskämpfe aufsparen. Ich verstehe, dass Henry ein Normalbürger ohne Kampferfahrung ist und sich auch so verhalten muss. Trotzdem hätte man die Kämpfe im allgemeinen etwas dynamischer und abwechslungsreicher gestalten können.


Silent Hill 2 ist damals wie heute kein klassischer Survivalhorror, der einen dazu zwingt, penibel mit wenigen verfügbaren Inventarplätzen und Hilfsgegenständen zu haushalten. In den Taschen lässt sich also unbegrenzt viel Munition und Co. mitführen, was einem Backtracking so lange erspart, wie man weiß, wohin man als nächstes gehen muss. Eine große Hilfe ist dabei die sich in Echtzeit aktualisierende Karte, die sich mit einem einfachen Tastendruck jederzeit aufrufen lässt. Die gelegentlich auftauchenden Rätselpassagen lassen sich wie fast alles andere auch ebenfalls in drei Schwierigkeitsstufen regulieren. Und in den zusätzlichen Orten – so lassen sich im Apartmentkomplex unter anderem mehr Räume als noch in der Vorlage betreten – finden wir oft zusätzliche Munition und Heilmittel, die man aber in der Regel gleich wieder an die im Anschluss ans Einsammeln auftauchenden Gegner verschwenden muss. Eine ziemlich nervige Nulllösung, wenn ihr mich fragt.

Gespeichert wird regelmäßig automatisch, die altbekannten manuellen Speicherpunkte haben die Macher trotzdem beibehalten. Lösungshilfen, welche von den meisten modernen Spielen automatisch ausgegeben werden, wenn sich der Spieler zu lange orientierungslos im Kreis bewegt, sucht man hier vergebens. So musste ich, nachdem ich fast zwei Stunden lang verzweifelt durch die Hotelkorridore geirrt bin, dann doch eine alte Komplettlösung ausgraben, um den Anschluss wiederzufinden. Die meisten Rätsel lassen sich mit ein wenig Kombinationsgabe problemlos von alleine lösen, an manchen Punkten kann man aber auch elendig feststecken, wenn man z.B. die Markierungen auf der Karte übersieht oder den Dialogen nicht aufmerksam lauscht. Alles in allem offeriert das Remake im Vergleich zum Original mehr Komfort bei Bedienung und Erkundung, büßt dabei jedoch nichts von seinem Anspruch ein.
Unreale Technik
Basis des Remakes ist die Unreal Engine 5, die sich zuletzt aufgrund ihres schieren Leistungshungers immer wieder als Problem für die dem nicht gewachsenen Konsolen entpuppt hat. Entsprechend groß war meine Befürchtung, dass Silent Hill 2 ein ähnliches Schicksal wie z.B. Immortals of Aveum erleiden würde. Dem ist glücklicherweise nicht so, denn die Entwickler der Neuauflage haben quasi dasselbe getan, wie seinerzeit jene des Originals und aus der Not eine Tugend gemacht, indem sie den allgegenwärtigen Nebel nicht nur zur Steigerung der Atmosphäre, sondern gleichzeitig auch zur Entlastung der Hardware genutzt haben. So muss die PlayStation 5 (mit einem einjährigen Exklusivrecht abseits vom PC) nämlich nicht permanent die komplette Stadtkulisse berechnen, sondern immer nur einen ganz kleinen Teil davon. Und das klappt im Ergebnis mindestens so gut wie damals auf der PlayStation 2.

Sämtliche Animationen präsentieren sich stark verbessert, alleine die zeitgemäße Mimik spiegelt den aktuellen – meist depressiven – Gemütszustand der Charaktere besonders in den gut gemachten Zwischensequenzen glaubhaft wieder. Der wahre Star des Spiels bleibt jedoch die titelgebende Stadt höchstselbst. Diffuse Beleuchtung, wunderschöne Spiegelungen in den zahllosen Wasserlachen und detailverliebt gestaltete Umgebungen heben die Immersion auf ein völlig neues Level. Kenner des Originals werden sich wunderbar in der Stadt zurechtfinden und doch permanent vom Gefühl begleitet, Vertrautes noch einmal völlig neu erleben zu können. Genau das ist die Essenz eines gelungenen Remakes und Bloober Team hat es wirklich eindrucksvoll geschafft, mit dem Remake ebendies zu erreichen. Chapeau!

Dass die PlayStation 5 in ihrer gegenwärtigen Standardausführung dennoch permanent am Limit ackert, kann der Titel keineswegs verbergen. Das mit Abstand schönste Erlebnis liefert der Grafikmodus, welcher sogar in nativem 4K auflöst. Dafür wird die Bildrate hier auf maximal 30 Bilder pro Sekunde beschränkt. Bei einem derart entschleunigten Spielgefühl nicht die schlechteste Wahl, wäre da nicht das Problem, dass sich der Modus durchgehend furchtbar ruckelig anfühlen würde. Besser sieht es im Leistungsmodus aus, welcher lediglich 1080p erzielt und damit auch aus einiger Entfernung deutlich matschiger aussieht, gleichzeitig auch die grafische Gesamtqualität kräftig nach unten reguliert, dafür jedoch die doppelte Bildrate zugunsten eines wesentlich flüssigeren Gesamteindrucks anpeilt. In der Praxis gelingt dieses Vorhaben nur bedingt, denn kleinere Drops und Ruckler lassen sich bevorzugt in Außenarealen und aufwändigeren Zwischensequenzen mit weiterhin anhaltender Regelmäßigkeit beobachten.
Alles in allem fühlt sich der Leistungsmodus aber um ein vielfaches flüssiger an. Es bleibt abzuwarten, ob die anstehende Veröffentlichung der PlayStation 5 Pro daran etwas ändern wird. Wir haben unser Exemplar bereits zugesichert bekommen und werden diesen Bericht im Fall der Fälle zeitnahe gerne noch einmal nachbearbeiten. Auf dem PC bleiben Ruckler unabhängig von der Systemkonfiguration leider ebenfalls nicht aus, was dringend via Patch behoben werden muss. Davon abgesehen präsentieren Bloober Team dort eine überwiegend vorbildliche Portierung mit zahlreichen Optionen zur individuellen Anpassung inkl. Support für alle modernen Tools wie DLSS, FSR und Intel XeSS, wodurch vor allem bei höheren Detail- und Auflösungsstufen deutliche Leistungssprünge erzielt werden können. Wer hier natives 4K bei unbegrenzter Bildrate und gleichzeitig maximaler Qualität erleben möchte, muss sich aber auf ähnlich hohe Systemanforderungen gefasst machen.

Für die passende Vertonung haben Bloober Team niemand geringeres angeheuert als Akira Yamaoka, den Komponisten des Originals. Die neue Untermalung klingt grandios und vereint altbekannte Themen mit völlig neuen Stücken, die erst im Kontext zur jeweiligen Szene ihre erschreckend effektive Wirkung entfalten und dem ursprünglichen Klassiker damit in nichts nachstehen. Eine deutsche Synchronfassung gibt es leider nicht, dafür leisten die wahlweise japanischen und englischen Sprecher einen klasse Job, sauber lokalisierte deutsche Untertitel sorgen dafür, dass auch Fremdsprachler dem Geschehen problemlos folgen können. Die Bedienung geht vor allem mit Gamepad gut von der Hand, wobei die haptischen Features des DualSense einen ordentlichen Mehrwert darstellen. Mit Maus und Tastatur lässt sich das Spiel ebenfalls gut bedienen, lediglich bei der Bewegung zieht die klassische PC-Steuerung den Kürzeren.

„Allen Unkenrufen, Zweifeln und Befürchtungen im Vorfeld zum Trotze: Mit dem Remake zu Silent Hill 2 haben Bloober Team ihr bisher bestes Spiel abgeliefert. Dem polnischen Studio ist es gelungen, nicht nur die zeitlos schaurige Atmosphäre des geliebten Originals ebenso zu bewahren wie dessen beklemmend düstere Handlung, sondern beides sogar sinnvoll zu erweitern. Selbst für Kenner gibt es hier viel Neues zu entdecken. Dazu gibt es zahlreiche Komfortverbesserungen, welche Puristen aber auf Wunsch jederzeit zugunsten einer klassischeren Erfahrung deaktivieren können. Gerade im Nahkampf fühlt sich das Remake aber mechanisch immer noch hoffnungslos veraltet an und die zugunsten eines modernen Publikums implementierten Änderungen an den weiblichen Charaktermodellen sind nicht nur überflüssig, sondern schaden in Teilen sogar der Handlung. Wer damit leben kann, sollte sich dringend auf den Weg nach Silent Hill machen, denn ein schöneres und facettenreicheres Horrorspiel dürfte es auf absehbare Zeit nicht geben.“


- Zeitlos beklemmende Geschichte mit unangenehm greifbaren Charakteren
- Überwiegend sinnvolle erweiterte Handlung, Schauplätze und Biographien
- Schaurig-stimmige Beleuchtung
- Eindrucksvolle Effektkulisse trägt maßgeblich zur Atmosphäre bei
- Gute sechzehn Stunden Spielzeit pro Durchgang
- Hoher Wiederspielwert dank acht verschiedener Enden und Neues Spiel Plus
- Praktische Karte
- Übersichtliche Menüführung
- Schwierigkeit von Kämpfen und Rätsel mehrstufig und separat voneinader anpassbar
- Zahlreiche optionale Komfortfunktionen
- Grandios-gruselige Klangkulisse
- Packender Soundtrack
- Sehr gute englische und japanische Sprecher
- Sauber lokalisierte deutsche Texte
- Ingesamt gelungen modernisierte Steuerung
- Schnörkellose Bedienung via Gamepad

- Unstetige Performance über sämtliche Plattformen und Modi inkl. PC
- Dröges Nahkampfsystem
- Überraschend blutarm
- Neue Lokalitäten kaum einen Besuch wert…
- …da den dort gefundenen Items oft direkt ein gegnerischer Hinterhalt folgt, der diese gleich wieder verbraucht
- Identitätspolitische Änderungen sind grundsätzlich inakzeptabel…
- …und in Teilen widersprüchlich zur Handlung
- Keine deutsche Vertonung


Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von KONAMI zur Verfügung gestellt worden.
*Unsere Links werden nicht mit einer Monetarisierung versehen
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