Festhalten, es wird magisch! Mit Immortals of Aveum erscheint eines der ersten bedeutsamen Spiele auf Basis der brandneuen Unreal Engine 5.1 und damit auch eine ordentliche Kraftprobe für eure Hardware. Aber nicht nur mit Technik, sondern auch mit Talent für gutes Gameplay will das hundertköpfige Team von Ascendant Studios unter dem Banner von Electronic Arts überzeugen. Ob das gelungen ist, klärt unser Test.
Handarbeit
Während sich auf dem Planeten Aveum eine geheimnisvolle, immer größer werdende Wunde auf der Oberfläche ausbreitet, haben die einzelnen Gruppen nichts Besseres zu tun, als sich untereinander seit endlosen Zeiten zu bekriegen. Geblieben sind seitdem nur noch zwei ernstzunehmende Mächte, nämlich das Reich Lucium sowie das durch und durch böse Rasharn, angeführt vom diabolischen Sandrakk. Ziel des Krieges sind nicht etwa Gold und Ländereien, sondern die Kontrolle über Magie. Ganz Aveum ist von sogenannten Kraftlinien überzogen und wer dazu in der Lage ist, sich diese Macht vollumfänglich nutzbar zu machen, herrscht letztendlich auch über die Welt. Ein strenges Kastensystem teilt die Bewohner je nach vorhandenen magischen Fertigkeiten ein, wobei die weniger Fähigen oder alle, die als sogenannte Lichtlose gar keine entsprechende Begabung dafür verfügen, in der Regal als niederes Volk betrachtet werden. Eben dazu zählt auch der junge Jak, der sich als Kleinganove mehr schlecht als recht durchs Leben schlägt und gerade erfahren hat, dass sich seine beste Freundin Luna freiwillig zur Armee von Lucium melden will.
Dazu kommt es jedoch nicht, denn als Sandrakk seine Heimatstadt angreift und Luna dabei höchstpersönlich in den nächstbesten Abgrund schleudert, erwachen in dem bisher nicht gerade magieaffinen Heißsporn ungeahnte Kräfte. Die gilt es nun im Dienste von Lucium einzusetzen, um den Tyrannen endgültig zu stürzen, denn Jak verfügt anders als die meisten Menschen über eine ganz besonders seltene Gabe, welche es ihm ermöglicht, alle drei bekannten Formen der Magie zu nutzen, anstatt nur einer einzigen. Und mit so einem Talent gesegnet bleibt ihm letztendlich keine Wahl, als in den Krieg zu ziehen – ob er nun will, oder nicht. Gute fünfzehn bis zwanzig Stunden Spielzeit benötigt ihr je nach gewählten Schwierigkeitsgrad bis zum Abspann. Sowohl die Geschichte und auch deren Charaktere bleiben überwiegend oberflächlich inszeniert. Hier und da entlockt einem das Spiel mal ein leises Gelächter, so etwas wie nachvollziehbare Tiefe sollte man aber grundsätzlich nicht erwarten. Gänzlich unsympathisch ist mir über den gesamten Durchgang aber keine der handelnden Figuren vorgekommen.
Auf der anderen Seite bietet das Spiel gerade genug Informationen, um sich gut in ihm zurechtfinden zu können. Überall liegen verstreute Dokumente rum, die etwas mehr über die Hintergründe von Aveum, dessen Bewohnern und natürlich auch der alles dominierenden Magie offerieren. Wer also keine Lust hat, sich in einen komplett neuen Kosmos mit der Komplexität eines Dune oder The Witcher einzufinden, ist hier gut aufgehoben. Dazu trägt auch bei, dass Immortals of Aveum nicht über eine große, offene Welt verfügt, die man nach Belieben erkunden kann, sondern eher als lineare Erfahrung konzipiert worden ist, was die ohnehin schon sehr rudimentäre Rahmenhandlung nicht zusätzlich verwässert, andererseits aber auch abseits davon keinerlei nennenswerte Nebenbeschäftigungen mit Ausnahme versteckter Truhen und Herausforderungen offeriert. Gerade nach Baldur’s Gate III ist ein bisschen Linearität vielleicht gar nicht so verkehrt. Dafür gibt es hier deutlich weniger zu sehen und deutlich weniger zu tun. Die Kulissen sind oftmals ganz nett in Szene gesetzt worden, insgesamt hätte man aus dem Setting aber einiges mehr herausholen können, denn abseits der Kämpfe wirkt die Welt ziemlich leer.
Call of Duty goes Magic
Das sich das alles miteinander kombiniert sehr nach einer klassischen Call-of-Duty-Erfahrung anfühlt, ist übrigens kein Zufall, denn die Mitarbeiter setzen sich zu großen Teilen aus ehemaligen Entwicklern des milliardenschweren Franchise zusammen. Und das merkt man auch, denn Setting, Handlung und Charaktere sind gerade weit genug ausgearbeitet, um als solides Grundgerüst für eine waschechte Ballerorgie zu dienen, die allerdings gänzlich ohne konventionelle Waffen funktioniert, sondern mechanisch ausschließlich auf den drei Formen der Magie aufbaut, nämlich Rot, Grün und Blau. Letztere zählt zur Kategorie Kraftmagie und basiert auf starken Angriffen mit hoher Distanz, aber langen Aufladezeiten. Die rote Magie eignet sich bevorzugt für den Nahkampf, mit der grünen Magie können wir dagegen schnelle Salven abfeuern. Nicht alle Zauber laden sich automatisch nach einiger Zeit wieder auf, sondern benötigen Manakristalle zur Regenerierung.
Mit der Zeit lassen sich an verschiedenen Altären immer mehr Zauber finden, wobei Angriffszauber grundsätzlich mit der rechten Hand abgefeuert und Unterstützungszauber bequem mit Links gewirkt werden. Dadurch entsteht eine Vielzahl verschiedener Kombinationen, Raum zum Experimentieren gibt einem das Spiel aber eher wenig, denn die Entwickler geben mithilfe farblicher Kennzeichnungen der Gegner sehr genau vor, welche Form von Magie man gegen diese zum Einsatz bringen soll. Und auch die gelegentlichen Umgebungsrätsel lassen sich in der Regel nur mit ganz bestimmten Zaubern lösen. Immortals of Aveum setzt beim Gameplay auf ein anhaltend hohes Tempo und erinnert dabei mechanisch in vielerlei Hinsicht an Bulletstorm, verzichtet dabei aber auf Deckungsmöglichkeiten oder gar ein flexibles Repertoire an Bewegungen. Dabei hätte das dem Spielprinzip durchaus noch etwas zusätzlich Würze verliehen. So gilt die einfache Devise: Bleib in Bewegung, behalte den Finger am Abzug und erfreue dich am Feuerwerk. Mit etwas Eingewöhnung geht das zugängliche Spielprinzip schnell von der Hand – im wahrsten Sinne des Wortes.
Die im Verlauf des Spiels verdiente Erfahrung können wir nutzen, um Jaks Zauber im übersichtlich gestalteten Talentbaum zu verbessern. Gänzlich neue Fähigkeiten schalten wir darüber zwar nicht frei, erhöhen dafür aber beispielsweise Schadenspotenzial und kritische Trefferchancen. Und mit der überschaubaren Craftingkomponente können wir auch die Ausrüstung unseres Helden regelmäßig auf den neuesten Stand bringen. Viele Optionen gibt es dafür zwar nicht, dafür sind die dafür nötigen Komponenten angenehm überschaubar gestaltet und zwingen einen nicht zu unnötigem Grind nach Rohstoffen. Nicht mehr benötigte Ausrüstung lässt sich unkompliziert an der Schmiede zerlegen und in neue Projekte investieren.
Auch die Next-Generation ist nicht fehlerfrei
Immortals of Aveum ist eines der ersten größeren kommerziellen Projekte, welches auf Basis der Unreal Engine 5.1 programmiert worden ist. Während der Grafikhammer sich in den nächsten Jahren immer mehr etablieren und verbessern wird, kann man hier aber bereits einen eindrucksvollen Vorgeschmack auf dessen Möglichkeiten verschaffen – wenn man über die entsprechende Hardware verfügt. Alleine auf dem PC fordert das Spiel MINDESTENS eine RTX 2080 Super, um überhaupt ansatzweise passabel zu laufen, während man für die höchsten Settings in Kombination mit nativem 4K mit das Beste benötigt, was der Hardwaremarkt momentan zu bieten hat. Das wirft natürlich einige nicht unbegründete Sorgen in Hinblick auf die Zukunft auf, denn sollten sich alle Spiele auf Basis der Engine als derart leistungshungrig entpuppen, wird damit eine ziemlich große Gruppe potenzieller Spieler einfach ausgeschlossen. Hinzu kommt, dass die Wertungen zur PC-Version momentan nicht allzu gut sind: Auf Steam und Co. klagen viele Spieler trotz verbauter Spitzentechnik über starke Performanceprobleme, andere können das Spiel auch mit schwächerer Hardware problemlos zocken.
Für unseren Test lagen uns jedoch ausschließlich die Konsolenfassungen vor. Die verfügen nicht über einen Qualitäts- und Leistungsmodus, sondern sind einheitlich auf letzteres getrimmt worden. Maximal 60 Frames pro Sekunde sind auf XBOX Series X|S und PlayStation 5 möglich und werden überwiegend auch erreicht, Aussetzer gibt es dabei über die komplette Palette aber immer wieder. Die XBOX Series S bietet von allen drei Konsolen die visuell schlechteste Erfahrung. Das Bild ist dort aufgrund der Auflösung im Bereich weniger als 720p durchgehend extrem matschig und muss grafisch im Vergleich zum großen Bruder zusätzliche Abstriche bei Objektdichte und Co. hinnehmen. Die XBOX Series X agiert im Bereich von 900p, während die PlayStation 5 mit einer Auflösung um die 1080p die besten Werte erreicht und im Detailbereich ebenfalls ein gutes Stück vor der Series X liegt, dafür aber im Durchschnitt auch mit den heftigen Bildrateneinbrüchen zu kämpfen hat. Nicht nur das fast schon lächerlich effektreiche Gameplay, auch die in Echtzeit berechneten Zwischensequenzen sind besonders dafür anfällig. Für die Charaktere hat man übrigens echte Darsteller herangeholt, wobei man aber wohl Vielseher bei Netflix sein muss, um irgendwen davon wiederzuerkennen.
Abseits davon ist Immortals of Aveum aber kein Spiel, dass einen optisch komplett von den Socken haut oder durchgehend das Gefühl vermittelt, dass dessen immenser Leistungshunger berechtigt wäre. Klar, die Effekte sehen klasse aus, die Beleuchtung ist schnieke und beides waren seit jeher Stärken der Engine. Alles andere ist aber maximal gehobener Durchschnitt, angefangen bei den vielen, nicht gerade detailreichen Texturen. Die weiträumigen Hintergrundkulissen gaukeln eine Freiheit vor, die einem das Spiel überhaupt nicht bietet. Alle Konsolen nutzen AMD FSR 2.1 zur Kantenglättung, was insgesamt gute Ergebnisse erzielt, gemessen an der grundsätzlich niedrigen Auflösung aber auch keine Wunder bewirken kann. Um auch nur annähernd 60 Frames zu Sekunde zu erreichen, muss hier also einiges an Kompromissen erbracht werden, was angesichts der Tatsache, dass die Konsolen innerhalb ihres Zyklus noch relativ jung sind, sämtliche Alarmsirenen ordentlich schrillen lässt. Dass sich die großen Versprechen von einst inklusive Gaming in 8K und 120 Hertz allenfalls auf ganz kleinem Niveau erfüllen lassen, war abzusehen. Dass wir aber jetzt schon an einem Punkt sind, wo angesichts solcher und kommender Titel auf Basis der gleichen Engine bereits eine neue Revision á la PlayStation 4 PRO notwendig ist, dämpft die Erwartungen an die Zukunft immens.
Der Soundtrack hat mich überzeugt und begleitet das Geschehen angenehm dynamisch, während die deutschen Sprecher teils sehr gut, teils aber auch sehr mittelmäßig klingen. Die Bedienung ist schnell erlernt, wobei sich vor allem Fans klassischer Shooter schnell ins Schema einarbeiten dürften. Das haptische Feedback des DualSense kommt in diesem Spiel hervorragend zur Geltung und verstärkt die Immersion im Vergleich zur XBOX um ein vielfaches. In Sachen Menügestaltung wirkt der Titel aber erschreckend altbacken und lässt auf Konsolen nicht nur einige mittlerweile zum guten Standard gehörende Optionen für eine verbesserte Zugänglichkeit missen, sondern kommt auch ohne FOV-Slider daher, was besonders auf der XBOX Series S nach mehreren Meldungen in einschlägigen Foren zu einer häufig auftretenden Form von Motion Sickness führen kann.
„Immortals of Aveum möchte unglaublich vieles sein – ein schnörkelloser Shooter mit Magie, eine eindrucksvolle Demonstration der nächsten Generation grafischer Möglichkeiten und nicht zuletzt ein filmreifes Abenteuer innerhalb eines frischen Settings. So richtig gelingt dem Debüttitel von Ascendant Studios am Ende nichts davon. Zwar sorgt das effektreiche Gameplay definitiv für kurzweiligen Ballerspaß, ein Wiederspielwert ist aber aufgrund der durchgehend arg oberflächlich gestalteten Welt mitsamt Handlung und Charakteren praktisch nicht vorhanden. Technisch gibt es durchaus einige tolle Momente, alles in allem aber bei weitem nicht genug, um die horrenden Hardwareanforderungen auch nur ansatzweise zu rechtfertigen. Wenn jetzt immer mehr Titel auf Basis der Unreal Engine 5 erscheinen und PlayStation 5 sowie XBOX Series X|S bereits jetzt trotz teils dramatischer Kompromisse derart ins Schwitzen geraten, könnten die gegenwärtigen Modelle schon bald zum alten Eisen gehören. Auf dem PC sieht es gegenwärtig nicht besser aus. So oder so: Sechzig Euro und mehr ist das Spiel in meinen Augen nicht wert.
- Grandiose Effektkulisse
- Ansehnliche Beleuchtung
- Unverbrauchtes Setting
- Grundsätzlich interessanter spielerischer Ansatz
- Überwiegend schick animierte Charaktere
- Teils filmreif in Szene gesetzte Zwischensequenzen
- Fünfzehn bis zwanzig Stunden Spielzeit
- Zugängliches und sehr kurzweiliges Gameplay
- Tonnenweise verschiedener Zauber
- Übersichtliche, unaufdringliche Talentbäume
- Drei gut ausbalancierte Schwierigkeitsgrade
- Stimmiger Soundtrack
- Zugängliche Bedienung
- Gut ausgenutzte DualSense-Features
- Immenser Leistungshunger auf PC
- Regelmäßige Bildrateneinbrüche über sämtliche Plattformen
- Niedrige Auflösungen vermitteln besonders auf Konsolen kaum Next-Gen-Feeling
- Auf Distanz regelmäßig aufpoppende Objekte
- Lange Ladezeiten auf XBOX Series S
- Handlung und Charaktere allenfalls zweckdienlich
- Aufgesetzt wirkende RPG-Mechaniken
- Wenig kreative Freiheit beim Zaubern
- Wiederspielwert aufgrund hoher Linearität praktisch nicht vorhanden
- Inkonsequente Rücksetzpunkte sorgen für Frust
- Kein freies Speichern
- Durchwachsene Sprecherqualität
- Hässliche Menüs
- Viele längst zur Norm gehörende Zugänglichkeitsoptionen fehlen
Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Electronic Arts zur Verfügung gestellt worden.
*Unsere Links werden nicht mit einer Monetarisierung versehen.
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