FIFA 23

Nach jahrzehntelanger Tradition verabschiedet sich FIFA von seinem griffigen Namen und wird zukünftig als EA Sports FC weiterleben – zuvor gab der Publisher bekannt, sich mit dem gleichnamigen Dachverband nicht über einen neuen Lizenzvertrag geinigt haben zu können. Bevor der Vorhang fällt, will FIFA 23 aber nochmal in die Vollen gehen und verspricht die umfangreichste Fußballsimulation aller Zeiten inklusive der nächsten Generation seiner HyperMotion-Technologie, in deren Genuss jetzt erstmals auch PC-Spieler kommen. Last-Gen-Zocker und Besitzer einer Nintendo Switch müssen abermals auf einen Großteil der neuen Features verzichten. 

 

 

Entwickler: EA Canada | EA Romania

Publisher: EA Sports

Plattform: PC | PS4 | PS5 | XB1 | XBS | NS

Veröffentlichungsdatum: ab 27. September 2022

Preis: ab 59.99€ 

Altersfreigabe: ab 0 Jahren


Ungeschnitten
Mikrotransaktionen
Kostenloses Upgrade


Karrieretief

Egal ob ihr euch als Spieler oder Trainer durch die Karriere von FIFA 23 zocken wollt, die dringend notwendigen Verbesserungen in Sachen spielerischer Tiefe sucht man auch in diesem Jahr vergeblich. Zwar haben die Macher dem Modus ein frisches Menü spendiert, die darunterliegenden Inhalte haben sich im Vergleich zum Vorgänger aber nur minimal verändert. So verdienen Spieler künftig Geld, über dass sich Luxusobjekte erwerben lassen, die wiederum die Stats verbessern – so funktioniert Fußball also! Wenn EA Sports jetzt noch den letzten Schritt gegangen wäre, und uns mit den frisch angeschafften Sportflitzern eine Runde über den Nürburgring drehen lassen würde…ihr wisst, worauf ich hinauswill. Solche Sachen haben mit dem Sport genauso wenig am Hut wie Kamelfleisch mit Dönerspießen – hoffe ich wenigstens.

Vom Trampolin bis zum Sportwagen können sich Spieler in der Karriere maches Extra leisten. Mit Fußball hat das nur absolut nichts zu tun.

Noch bitterer sieht es für leidenschaftliche Trainer aus, denn auch für die offenbart sich FIFA 23 als eine überwiegend verschlimmbesserte Erfahrung. Statt die jeweiligen Coaches endlich mit eigenen Features oder zumindest einem gewissen Maß an authentischer Persönlichkeit zu versehen, bleiben Klopp und Co. abseits der Optik komplett austauschbare Lohnsklaven ohne besondere Effekte. Und spätestens, wenn man bei der Analyse von Transfers statt einladender Bewertungen mit kategorischen Buchstaben beschossen wird, hat man einmal mehr das Gefühl, dass den Machern die Karrierekomponente so egal wie die abermals komplett vernachlässigte Pro-Clubs-Komponente, die vom aggressiv beworbenen Crossplay (welches aber nicht generationsübergreifend funktioniert und gleichzeitig nur in 1-gegen-1-Modi funktioniert) genauso kompromisslos ausgeschlossen wurde wie die Karriere? Und wo sind eigentlich rudimentäre Features wie Stadion- und Sponsorenverwaltung? Die Antwort auf diese Fragen kennt wohl nur EA Sports. Nur um brauchbare Antworten drücken sich die Verantwortlichen seit Jahren. 

Ultimativ ist nur die Rechnung

Das zweite Herzstück des Spiels – nämlich Ultimate Team – hat neben neuen Verdienstmöglichkeiten mit der komplett umgekrempelten Chemiebewertung der Spieler wenigstens ein interessantes neues Feature zu bieten. Wo die Spieler auf dem Rasen stehen, ist jetzt nicht mehr wichtig. Stattdessen zählt nur noch, dass in der allgemeinen Aufstellung möglichst viele Gemeinsamkeiten bei Ligen, Nationen und Vereinen vorhanden sind. So kann man beispielsweise bequem einen Gregor Kobel als Torwart besetzen und Marco Reuß an der Sturmspitze platzieren und trotzdem erhalten Beide nach erfolgter Verbindung einen Boni von bis zu drei Qualitätsstufen. Dadurch lässt sich das vorhandene Deck viel flexibler einsetzen als je zuvor. Wer sich in den Vorjahren entnervt darum bemüht hat, wenigstens eine halbwegs kompatible Mannschaft aufzubauen und sich an den vorgegeben Verbindungen fast die Zähne ausgebissen hat, wird die neue Freiheit definitiv lieben.

Die Spielerchemie im Ultimate Team wurde grundlegend überarbeitet und offeriert nun wesentlich mehr Kombinationsmöglichkeiten.

Mit einem zusätzlichen Item zum Positionswechsel lassen sich kompatible Spieler jetzt auf bis zu drei Sekundpositionen besetzen, was noch mehr Optionen ermöglicht. Leider bleibt die gesamte Komponente extrem negativ von Mikrotransaktionen geprägt. Wer nicht zusätzliches Geld auf den Tisch legt, hat im kompetiven Modus gegen zahlende Spieler keine reelle Chance. Und da die Aussichten auf einen Premiumspieler innerhalb der regulären Decks so gering ist wie ein Sechser im Lotto, dürfte man es ohne weitere Investitionen kaum zu einer Mannschaft mit absoluter Traumbesetzung bringen. Aufgrund von Pay-2-Win und Pay-2-Shortcut werten wir daher auch in diesem Jahr um insgesamt zehn Punkte in der Gesamtwertung ab. Die FIFA-Reihe verabschiedet sich als jener geldgieriger Blutsauger von der Bildfläche, als die sie über die letzten Jahre immer öfter ins Kreuzfeuer der Berichterstattung – auch außerhalb der Unterhaltungsbranche – geraten ist. 

VOLTA mal was anderes?

Ja! Denn nachdem der arcadelastige Modus mit seiner umfangreichen Individualisierungskomponente in FIFA 21 sein Debut als Nachfolger von The Journey gefeiert hat, stagniert die zugängliche Action in der Welt des Straßenfußballs mittlerweile zusehends. Daran ändert auch die Tatsache, dass ihr euren Pro-Club-Spieler nun auch in VOLTA (und umgekehrt) antreten lassen könnt, um zusätzliche Boni freizuschalten. Das Kerngeschehen fühlt sich im Vergleich zum Vorjahr nämlich komplett identisch an. 

Auch in VOLTA sucht man gravierende Neuerungen vergeblich. Spaßig bleibt der Modus aber weiterhin.

Versteht mich nicht falsch, die 5-gegen-5-Duelle machen immer noch eine Menge Spaß und sind ideal geeignet für eine unkomplizierte Partie zwischendurch. Aber nach drei Jahren fehlt es dem Modus einfach an wirklich wahrnehmbaren Neuerungen beim Gameplay. Davon abgesehen bleibt die Tatsache frustrierend, dass man mit jedem Jahr wieder komplett von vorne damit beginnen muss, seinen Kleiderschrank mit allerlei kosmetischen Items zu füllen. 

Frauenfußball Light

Mit der Ankündigung, die australische Fußballnationalspielerin Sam Kerr mit aufs Cover von FIFA 23 zu holen, durfte man im Vorfeld auf eine stärkere Einbindung des Frauenfußballs im Spiel hoffen. Diese Erwartungen haben sich leider nicht erfüllt, denn mit gerade einmal zwei Ligen – nämlich der englischen und französischen – und insgesamt gerade einmal vierundzwanzig Teams nehmen die nicht minder talentierten Damen einmal mehr allenfalls einen Platz weit abseits am Rande ein. 

Gemessen am Gesamtumfang von FIFA 23 bleibt der Frauenfußball eine Randerscheinung.

Immerhin spendieren die Macher den Frauen innerhalb der aktualisierten HyperMotion-Technologie nun ein komplett eigenes Repertoir an Animationen, womit sich die Spiele angenehm eigenständig anfühlen und nicht mehr nur wie ein bloßer Reskin. Ja, dem Frauenfußball wird längst nicht die gleiche Anerkennung zuteil wie dem männlichen Pendant, was man anhand der diesjährigen Europameisterschaft sehr deutlich sehen konnte. Bei einer so lieblos umgesetzten Einbindung ist es aber auch kein Wunder, dass sich an dieser Tatsache in den kommenden Jahren kaum etwas ändern dürfte.

Die neue Gemütlichkeit

NBA 2K23 und Co. haben es vorgemacht, FIFA 23 zieht nach. Pfeilschnelles Gameplay ist nicht mehr gefragt, stattdessen drücken sämtliche Simulationen aufs Bremspedal. Nicht etwa, weil die Augen der Käufer im anhaltenden Geschwidigkeitsrausch nicht mehr mitkommen, sondern um innerhalb der jeweiligen Partien mehr Fokus auf taktische Finesse zu legen. Mit immer gleichen Rushtaktiken mühelos durch die gegnerische Abwehr zu brettern wurde einem zuletzt ohnehin schon arg erschwert, dürfte angesichts der neuen Technologien unter der Haube des Spiels spätestens jetzt aber völlig unmöglich werden. Denn die K.I. lernt im Verlauf der Partie stetig dazu und stellt sich schnell auf immer gleich ablaufende Vorstöße ein. 

Die adaptive K.I. analysiert laufend eure Bewegungen und reagiert konsequent auf repetive Vorstöße.

Auch Aspekte wie der aktuelle Spielstand, die verbleibene Zeit und die übrigen Spieler auf der Bank sind Teil dieser Berechnungen, wodurch sich keine Partie wie die andere anfühlt. Maßgeblich zu diesem Gefühl trägt zusätzlich die auf satte sechstausend einzigartiger Animationen aufstockte HyperMotion2-Engine bei, die auf Basis real erfasster Partien garantieren soll, dass sich die Spieler so realistisch wie möglich über den Platz bewegen und bei Bedarf sogar dazu in der Lage ist, quasi on-the-fly komplett neue Animationen zu erschaffen. Das alles funktioniert in der Praxis richtig gut und ist in diesem Jahr mit Abstand mein persönliches Highlight in FIFA 23. Gleichzeitig haben die Macher auch an der Kollisionsabfrage geschraubt: Je nachdem, mit welchem Körperteil der Ball abgefangen wird, prallt dieser anschließend in ganz unterschiedliche Richtungen ab – ein weiterer guter Schritt in Sachen Realismus.

Richtung, Flugbahn und viele weitere Faktoren können bei Standards nun individuell angepasst werden.

Bei den Standards hat sich ebenfalls einiges getan. Freistöße, Ecken oder Eltmeter werden nun nicht mehr einfach rudimentär versenkt. Per rechtem Stick können wir vor Abschuss entscheiden, wo wir den Ball treffen wollen, was sich natürlich immens auf Richtung, Flugbahn und Geschwindkeit auswirkt und den Gegner zwingt, intuitiver auf den eintreffenden Ball zu reagieren. Die neuen Powershots bieten zusätzlich die Möglichkeit, euch in dem Augenblick, wo ihr euch erfolgreich von den gegnerischen Verteidigern losgerissen habt, zu einem spektakulären Abschluss anzusetzen und euch das virtuelle Traumtor eures Lebens zu bescheren. Die Möglichkeiten dazu sind allerdings rar gesät, was eine erfolgreiche Umsetzung aber umso grandioser wirken lässt. 

Es grünt so grün

Die grafische Präsentation der Reihe hat mit dem Erscheinen der Reihe auf den Konsolen der aktuellen Generationen bereits einen ordentlichen Satz nach vorne gemacht, in diesem Jahr standen Rasen und Wettereffekte ganz oben auf der To-Do-Liste. In der Konsequenz bietet FIFA 23 den wohl schönsten Grasteppich, den man je in einem Videospiel gesehen hat – und ich finde, dass ist durchaus etwas, auf das man stolz sein darf. In Kombination mit den neuen Regeneffekten sieht man dem Rasen mit der Zeit deutliche Abnutzungserscheinungen an, der ohnehin bereits exzellenten Atmosphäre tun diese Verbesserungen wirklich gut. An den restlichen Visuals hat sich dagegen nichts geändert, lediglich die leicht aktualisierten Spielermodelle fallen auf, obwohl die grafische Diskrepanz zwischen bekannten Spielern wie einem Lionel Messi und irgendeinem Drittligisten immer noch sehr auffällig ist.

Edelspieler wie Lionel Messi sehen in FIFA 23 besonders lebensecht aus. Weniger bekannte Talente dagegen oft nicht ganz so sehr.

PlayStation 5 und XBOX Series X lösen wie immer in nativem 4K bei gleichzeitig durchgehend geschmeidigen 60 Frames pro Sekunde auf. Das gilt zwar auch weiterhin für die Last-Gen-Modelle PlayStation 4 und XBOX One X, dafür muss die komplette Generation weiterhin ausnahmslos auf zentrale Features wie HyperMotion und Co. verzichten. Auch in Sachen Beleuchtung und Co. stagniert das Spiel dort auf dem technischen Stand von 2020, gleiches gilt für die grafisch zusätlich abgespeckte Fassung für die Nintendo Switch. Auf allen drei Plattformen ist FIFA 23 kaum mehr als ein Kaderupdate zum Vollpreis, während PC-Spieler zum allerersten Mal in den Genuss derselben Fassung wie auf PlayStation und XBOX Series X|S kommen. Weil die alten Konsolen aber immer noch extrem weit verbreitet sind und einige zusätzliche Millionen an Mikrotransaktionen in die Kassen spülen, dürfte sich an dieser Veröffentlichungspolitik auch in den kommenden ein-zwei Jahren nichts ändern. 

So schön und detailliert läuft Karim Benzema nur auf XBOX Series X|S, PlayStation 5 und erstmals auch PC über den Rasen.

Für den deutschen Kommentar sorgt das altbekannte Gespann aus Frank Buschmann und Wolff-Christoph Fuss, die der Reihe bereits seit Jahren treu verpflichtet sind. Das Ergebnis gefällt mir weitestgehend gut, obwohl man sich darauf einstellen muss, dass nicht jede Situation stets passend kommentiert wird. Auch fällt auf, dass die Kommentare nicht allesamt neu sind, sondern vieles aus den Vorgängern wiederverwertet wurde – kein Wunder, dass man so beharrlich an dem Duo festhält. Über hundert lizensierte Tracks von teilweise namhaften Interpreten wie U.S.-Rapper Bad Bunny untermalen die Menüs und sorgen für einen abwechslungsreichen Mix verschiedenster Genres. Da dürfte für wirklich jeden Geschmack etwas dabei sein. Die Bedienung selbst geht gewohnt gut von der Hand, Veteranen finden sich in Windeseile in das Tastenlayout ein. Am PC ist ein gutes Gamepad absolut verpflichtend, denn mit Maus und Tastatur lässt sich angesichts der unpräzisen Steuerung kaum ein Blumentopf gewinnen.

„Es ist, wie es immer ist: Hinter den groß angekündigten Verbesserungen und futuristischen Namensschöpfungen verbirgt sich einmal mehr ein überwiegend altbekanntes Buffet, welches lediglich mit einer neuen Garnierung versehen wurde. Der Karrieremodus ist eine Vollkatastrophe, Pro-Clubs-Fans werden bei den wichtigsten Neuerungen abermals komplett ignoriert, während Ultimate Team seinem Ruf als gieriger Echtgeldvampir weiterhin in vollem Umfang gerecht wird, dafür aber immerhin das Chemiesystem sinnvoll überarbeitet. In Sachen Spielbarkeit und Realismus legt FIFA 23 dank HyperMotion2, individualisierbaren Standards sowie adaptiver K.I. samt verbesserter Kollisionsabfrage dagegen ordentlich zu. Weil es abseits vom Rasen aber einfach zu viele klaffende Baustellen und Defizite – unter anderem bei Frauenfußball, Crossplay und VOLTA – gibt, bleibt dem Spiel auch in seiner Abschlussvorstellung eine Spitzenwertung versagt. Auf Last-Gen-Konsolen und Switch bleibt es beim obligatorischen Upgrade zum Vollpreis.“

  • Grandiose Stadionatmosphäre
  • Angenehm entschleunigtes Gameplay…
  • …mit vielen guten Verbesserungen 
  • Voll lizensierte Kader
  • Gewaltige Auswahl an Mannschaften und Ligen
  • VOLTA bleibt im Kern eine unterhaltsame, arcadige Nebenbeschäftigung
  • Sinnvoll erweiterte HyperMotion-Technologie
  • Verbesserte Rasen- und Regendarstellung
  • Umfangreicher Soundtrack
  • Zugängliche Bedienung via Gamepad
  • PC-Version endlich ebenbürtig zu PlayStation 5 und XBOX Series X|S
  • Komplett stagnierender Karrieremodus
  • Aggressives Pay-2-Win und Pay-2-Shortcut im Ultimate Team
  • Extrem überschaubare Frauenfußballkomponente
  • VOLTA mit Abnutzungserscheinungen
  • Insgesamt nur sehr wenige Neuerungen
  • Wiedererkennungswert der Spieler schwankt teilweise stark
  • Sehr inkonsequent umgesetztes Crossplay
  • Fehleranfällige Kommentatoren…
  • …mit vielen wiederverwerteten Sprüchen
  • WM-Modus wird erst später nachgereicht
  • Auf PlayStation 4, XBOX One und Nintendo Switch theoretisch kaum mehr als ein Vollpreisupgrade

Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Electronic Arts zur Verfügung gestellt worden.

©2022 M-Reviews.de

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