Der Erste Weltkrieg gilt bis heute als einer der am brutalsten ausgetragenen Konflikte der Menschheitsgeschichte. Als Setting für den ein oder anderen Shooter längst entdeckt, hat sich ein kleines Team aus Deutschland mit Ad Infinitum nun der psychologischen Seite des Krieges angenommen und auch noch eine kräftige Portion Horror beigemischt. Das Ergebnis ist ein atmosphärischer Schocker für Zwischendurch, welcher jedoch nicht völlig frei von Makeln ist.
PTSD
Gerade stürmen wir als deutscher Soldat Paul von Schmitt noch mit der Waffe im Anschlag durch einen schwer umkämpfen Schützengraben, im nächsten Moment erwachen wir im Bett unseres herrschaftlichen Elternhauses und müssen uns die Frage stellen: War das gerade alles nur ein Albtraum, eine Erinnerung an vergangene Tage…oder steckt mehr dahinter, als wir zunächst denken? Das Haus wirkt verlassen und mit Ausnahme der wenigen schwachen Lichtquellen unangenehm düster. Immer wieder erklingen aus fernen Fluren gruselige Stimmen und Geräusche, nur die dazugehörigen Menschen sind nirgends auffindbar. Im Eingangsbereich finden wir ein Dokument, welches nicht nur unseren Tod, sondern auch den unseres jüngeren Bruders verkündet, der ebenfalls im Großen Krieg gekämpft hat. Haben wir also längst den Löffel abgegeben und spuken jetzt als Geist durch die Villa, oder ist das alles nur ein Hirngespinst und die Erlebnisse an der Front haben uns längst in den Wahnsinn getrieben?
Während wir den Geheimnissen des Hauses und schließlich auch uns selbst genauer auf den Grund gehen, werden wir immer wieder mit den Schrecken des Krieges konfrontiert, die sich in Form grausamer Manifestationen auf dem Schlachtfeld manifestieren und gnadenlos Jagd auf uns machen. Realität und Wahnsinn verschwimmen zusehends. Was ist real, was nicht? Je bohrender diese Frage einen quält, desto intensiver wird auch die Angst vor dem, was möglicherweise hinter der nächsten Ecke auf uns lauert. Ad Infinitum versteht es meisterhaft, von der ersten Sekunde an eine dichte und gleichermaßen packende Atmosphäre zu erschaffen, in der man sich zu keinem Zeitpunkt sicher fühlen kann. Welches Ende uns nach den mit knapp vier bis fünf Stunden eher kurz geratenen Reise in Irrsinn des Krieges und dessen psychologischen Folgen erwartet, entscheidet sich maßgeblich daran, wie wir mit den jeweiligen Inkarnationen umgehen, wobei das Spiel einem den „richtigen“ Weg ziemlich offensichtlich vorgibt.
Gerne hätte ich mir sämtliche der insgesamt vier möglichen Enden im Detail angesehen. Weil das Spiel aber mit Ausnahme der dafür nötigen Entscheidungen streng linear aufgebaut ist und die Macher zudem komplett auf eine Kapitelauswahl verzichtet haben, konnte ich mich nach zwei Durchgängen einfach nicht mehr aufraffen, mich noch zwei weitere Male durch Gänge und Gräben zu zwingen. Die psychologische Komponente des Spiels ist extrem gut gelungen und gibt wunderbar facettenreiche Einblicke darin, wie sich sowohl die Soldaten an der Front als auch die Menschen zuhause auf ganz individuelle Weise nicht nur mit dem Krieg an sich, sondern auch mit der Art und Weise wie dieser geführt wird, auseinandersetzen – letzteres aber etwas zu oberflächlich für meinen Geschmack. Die zahlreichen im Haus auffindbaren Dokumente zeichnen ein sehr konträres Bild der damaligen Tage und werden teilweise – aber leider nicht immer – sogar sehr mit solider stimmlicher Begleitung begleitet.
Der Teufel im Detail
Zwischen Erkundung und Überlebenskampf müssen wir außerdem immer wieder Rätsel lösen, um im Spiel voranschreiten zu können. Die meisten davon sind ziemlich simpel geraten, so müssen wir relativ zu Beginn eine Musikbox reparieren, die dafür nötigen Teile lassen sich überall im Haus finden und erfordern lediglich ein wenig Gründlichkeit beim Suchen. Richtig knifflig wird es bei den Folgerätseln nur selten, fair gesetzte Checkpoints sorgen dafür, dass auch eine unglücklich ausgehende Begegnung mit einer der Kreaturen nicht rasch im Frustfeuerwerk endet. Problematisch ist eher die mechanische Umsetzung, die mir im Test nicht selten Kopfzerbrechen bereitet hat. Gerade in hektischeren Situationen ist es immens nervig, sich mit den stellenweise viel zu kleinlich platzierten Interaktionspunkten auseinandersetzen zu müssen, wenn einem dabei auch noch die Zeit im Nacken sitzt. Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass Ad Infinitum stellenweise derart dunkel ist, dass man die Hand vor Augen nicht sehen kann.
So gut den Entwicklern Atmosphäre und Storytelling gelungen sind, so sehr kränkelt Ad Infinitum immer wieder beim allgemeinen Design. Während Szenerien wie das Herrenhaus sehr stimmig und überwiegend detailliert rüberkommen, bestehen die Frontkulissen überwiegend aus matschigen Texturen. Dass einen hier zu keinem Zeitpunkt die visuelle Opulenz eines Battlefield 1 erwartet, ist natürlich klar. Dennoch bleibt die grafische Diskrepanz innerhalb des Spiels überdeutlich. Außerdem verbringt man gefühlt viel zu viel Zeit im sicheren Haus und auch aus den Encounter mit den auf positive Weise grauenhaft gestalteten Kreaturen hätte man spielerisch einiges mehr herausholen können. Die spielen sich zwar allesamt ganz unterschiedlich – so ist eine der Inkarnationen zum Beispiel blind und reagiert ausschließlich auf Geräusche -, sind im folgenden Ablauf aber oft eher inkonsequent umgesetzt worden und leiden außerdem unter ein paar auffälligen Bugs und Aussetzern beim Gegnerverhalten, was dafür sorgt, dass Monstern bei der Verfolgung gerne mal an irgendwelchen Objekten hängenbleiben.
Richtig gut gelungen ist dagegen das allgemeine Sounddesign. Mit gutem Headset oder Heimkinoanlage wird einem der Horror nicht nur visuell, sondern auch akustisch toll ans Ohr getragen. Die scheinbare Ruhe im Haus wird immer wieder effektiv durch Geräusche, Stimmen und das Knarren der alten Dielen unterbrochen, der stimmige Soundtrack tut sein Übriges dazu und weiß zudem, wann er sich in Zurückhaltung üben und wann er richtig aufdrehen muss. Gänzlich fehlerfrei ist aber auch das nicht, so setzen Musik und Geräusche auch mal zu spät ein und überlagern dann unschön, bis sich die Wiedergabe wieder gefangen hat. Die zugängliche Bedienung geht sowohl mit Maus und Tastatur als auch mit Gamepad gut von der Hand, ab und zu kann es beim Interagieren mit Objekten aber Probleme geben, wenn man nicht im exakt korrekten Winkel aufgestellt ist. Alles störende Kleinigkeiten, die dem sonst guten Spiel aber in der Summe einen ordentlichen Malus bescheren.
„Ad Infinitum ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite ein gutes Beispiel dafür, dass auch deutsche Entwickler mit guten Ideen auf dem Markt glänzen können, andererseits aber auch dafür, dass deren technische und spielerische Umsetzung in Sachen Konkurrenzfähigkeit weiter zu Wünschen übrig lässt. Denn während einen das Spiel glaubwürdig mit den Schrecken und Traumata des Krieges konfrontiert und seine Geschichte dabei eindrucksvoll zu transportieren weiß, werfen dröge aufgewärmte, nicht immer konsequent durchdachte Mechaniken sowie nervige Bugs einen fast allgegenwärtigen Schatten auf etwas, dass mit etwas mehr Sorgfalt sehr viel besser hätte sein können.“
- Effektive Gruselatmosphäre
- Mitunter hübsche Beleuchtung und Effekte
- Psychologisch dichte Auseinandersetzung mit den Schrecken des Krieges…
- …die zahlreiche verschiedene Sichtweisen berücksichtigt
- Vier mögliche Enden
- Faire Rücksetzpunkte
- Gute Sprecher
- Stimmiger Soundtrack
- Packende Geräuschkulisse
- Zugängliches Bedienschema über sämtliche Plattformen
- Relativ kurz
- Entscheidungen in ihren Auswirkungen allzu offensichtlich
- Unausgeglichenes Pacing
- Rätselpassagen kaum fordernd
- Überwiegend sehr linear
- Grafikqualität schwankt teilweise stark
- Erreichen sämtlicher Enden wird durch mangelnde Kapitelauswahl stark behindert
- Zahlreiche kleinere bis mittelschwere Bugs und Glitches
- Relativ schwache Monster-K.I.
- Gelegentlich viel zu dunkel
- Nicht konsequent durchvertont
- Teils frustrierend kleinliche Interaktionsbereiche
Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Nacon zur Verfügung gestellt worden.
*Unsere Links werden nicht mit einer Monetarisierung versehen.
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