Mit der Veröffentlichung von Until Dawn auf PlayStation 4 gelangen Supermassive Games vor knapp zehn Jahren der Start in ein völlig neues Genre. Noch heute gilt der prominent besetzte interaktive Horrorfilm, bei dem die Entscheidungen der Spieler maßgeblich über Leben und Tod bestimmen, als einer der besten Vertreter seiner Zunft – und wurde nun unter neuer Aufsicht für PlayStation 5 und erstmals auch PC komplett neu erschaffen.


Entwickler: Ballistic Moon
Publisher: PlayStation Publishing LLC
Plattform: PC | PlayStation 5
Veröffentlichungsdatum: 04. Oktober 2024
Preis: 69.99€*
Altersfreigabe: ab 18 Jahren
Metacritic | OpenCritic | IMDB


Ein folgenreicher Prank
Wenn sich zehn pubertierende Jugendliche in einer abgelegenen Berghütte versammeln, um dort auf Einladung der Eltern von Josh sowie dessen Zwillingsschwestern Hannah und Beth eine gute Zeit zu verbringen, stehen die Zeichen überdeutlich auf Sex, Alkohol und jeder Menge Drama. Von letzterem vielleicht mehr als gewollt, denn nach einem üblen Prank auf Kosten der verliebten Hannah rennt diese gedemütigt in den finsteren Wald hinaus. Bis auf Beth hat niemand den Schneid, ihr nachzufolgen. Mit finsteren Konsequenzen, denn als die beiden Schwestern von Panik getrieben vor einer vermummten Gestalt fliehen und unmittelbar darauf von einer Klippe in den Tod stürzen, verliert sich die restliche, von Schuld zerfressene Clique für ein ganzes Jahr aus den Augen.

Umso überraschender, als Josh die Freunde punktgenau zum ersten Todestag wieder zusammenbringt – und zwar genau an jenem Ort, den eigentlich niemand der Beteiligten von damals je wieder betreten wollte. Unter den zögerlichen Anreisenden befinden sich neben der vernünftigen Sam auch Weiberheld Mike, sein naives Liebchen Jessica sowie der schüchterne Sportler Matt inklusive seiner herrischen Freundin Emily. Komplettiert wird die Gruppe durch die introvertierte Ashley und das unsichere Großmaul Chris. Die anfängliche Wiedersehensfreude vergeht rasch, denn mit den neuen Realitäten des sich innerhalb der Clique munter drehenden Beziehungskarussells kommt nicht jeder zurecht.

Als sich die Gruppe im Verlauf der Nacht allmählich voneinander separiert und in verschiedene Teile des Gebiets zurückzieht, nimmt die Katastrophe ihren Lauf: Ein maskierter Wahnsinniger macht unerbittlich Jagd auf die Jugendlichen und zwingt sie, in tödlichen Fallen um ihr Leben zu kämpfen. Währenddessen lauert draußen in der Finsternis etwas noch viel Gefährlicheres auf frische Beute. Bis zum Anbruch des rettenden Morgengrauens ist es noch lange hin. Im Angesicht eines gemeinsamen Feindes die perfekte Gelegenheit, zerrüttete Verhältnisse zu kitten und die Vergangenheit hinter sich zu lassen – besonders im Angesicht der Tatsache, dass womöglich nicht jeder der Teenies eine Zukunft haben wird…
Spiel’s noch einmal, Sam
Knapp vier Millionen Mal ging das Horrorabenteuer in seiner ursprünglichen Version über die Ladentheken, dazu gab es jede Menge wohlwollender Kritiken. Für Sony knapp zehn Jahre später Grund genug, Until Dawn eine Neuauflage zu spendieren. Weil das ursprüngliche Team bei Supermassive Games gerade an eigenen Projekten werkelt, hat man das Projekt in die Hände von Ballistic Moon gegeben. Die noch recht junge Spieleschmiede mit Sitz in England setzt sich aus Entwicklern mit jahrzehntelanger Branchenerfahrung zusammen und hat das gesamte Spiel nicht nur grafisch kräftig aufgemotzt, sondern auch inhaltlich wie spielerisch an vielen Stellen erweitert. Im Kern bleiben Gameplay und Handlungsverlauf aber unangetastet.

Wer die Nacht überlebt und wer beim Versuch in der Regel auf sehr explizite Weise über den Jordan geht, ist maßgeblich abhängig von den spielerseitig getroffenen Entscheidungen. Im Mittelpunkt steht dabei der klassische Schmetterlingseffekt. Schon kleine Entscheidungen können große Konsequenzen nach sich ziehen, denen man sich in der Regel erst bewusst wird, wenn es bereits zu spät ist. Darin liegt der Reiz, die Dynamik und gleichermaßen auch das Frustpotenzial dieses Spiels, auf dessen Basis mit den Jahren weitere Ableger mit nahezu identischem Konzept, aber gänzlich anderem Inhalt, aber weniger hoher Qualität nachgereicht worden sind – mit Ausnahme des wieder recht guten The Quarry vielleicht. Die überwiegend klassischen Horrorfilmklischees nachempfundenen Charaktere erfolgreich durch die Nacht zu bringen, kann oftmals eine größere Herausforderung darstellen, als dem inneren Impuls nachzugehen, die ganz bewusst unsympathisch gestalteten Teenies bewusst in ihr – nicht ganz unverdientes – Verderben zu treiben.

Dennoch macht es viel Spaß, sich zusammen mit dem überaus prominenten und auch in der deutschen Version professionell vertonten Cast durch das je nach Überlebensrate bis zu achtstündige Gemetzel zu gruseln. Das gilt aber nur dann, wenn man das Original gar nicht oder zumindest seit längerem nicht gespielt hat, denn wie gesagt: Am ursprünglichen Ablauf ändert sich nur sehr wenig und wer sich vom Remake eine Mehrspielerfunktion erhofft hat, dürfte ziemlich enttäuscht werden.
Was ist neu?
Die anfangs angesprochenen inhaltlichen Änderungen betreffen hauptsächlich den Prolog, wodurch die persönliche Verantwortung der Probanden beim Verschwinden der Schwestern noch einmal etwas deutlicher gemacht werden soll und vor allem die Rolle des Josh ein bisschen mehr in den Fokus gerückt wird. Dazu gibt es noch ein neues Ende, welches darauf schließen lässt, dass wir irgendwann in der Zukunft ein echtes Sequel spendiert bekommen könnten. Was genau dort gezeigt wird, werde ich hier selbstverständlich nicht verraten, aber die Indizien dafür sind definitiv vorhanden. Die Anzahl der Erweiterungen bleibt überschaubar und liefert nur selten einen wirklichen Mehrwert zur bestehenden Geschichte. Gleichzeitig wurden die Fundorte der zahlreichen Sammelobjekte einmal komplett neu gemischt und eine neue Totemgattung liefert bisher ungekannte Vorahnungen zum möglichen Schicksal der jeweiligen Charaktere.

Die für mich mit Abstand wichtigste Neuerung stellt die überarbeitete Kameraführung dar. Wo die Charaktere im Original noch durch Szenerien mit forcierter Perspektive wandelten und sich dabei gerne mal im Kreis drehten, weil der Übergang nicht korrekt erfasst wurde, kommt nun eine durchgehende Schulterkamera zum Einsatz. Dadurch bekommt man erstmals die Möglichkeit, die komplette Szenerie aus neuen Winkeln zu betrachten und erstmals Teile der Umgebung zu erfassen, welche bisher aufgrund der vorgegebenen Perspektiven schlicht nicht einsehbar gewesen sind. Gleichzeitig kann man die Charakterkamera nun für eine bessere Übersicht frei um die gegenwärtig aktive Person drehen, ohne dass diese automatisch der Bewegung folgt. Was vor zehn Jahren schon nicht ganz sauber funktioniert hat, wäre heute nur noch schwerer zu ertragen, weshalb die modernisierte Kameraführung definitiv eine willkommene Änderung darstellt.

Jedoch: In der Summe sind das alles Kleinigkeiten. Wenn es das Remake als kostenloses Update gegeben hätte, oder zumindest nicht mehr als den bei Sony üblichen Zehner gekostet hätte, wäre das wahrscheinlich völlig in Ordnung gewesen. Nun verlangt man für Until Dawn in dieser aufbereiteten Form aber satte siebzig Euro und ich bin der Meinung, dass das für ein mit Ausnahme der Technik nur wenige Änderungen umfassendes Spiel wie dieses viel zu viel verlangt ist. Die immer noch gut spielbare und komplett aufwärtskompatible Originalfassung gibt’s fast überall gebraucht für ein paar Euro, auf PlayStation 4 Pro und PlayStation 5 läuft die dank theoretisch maximal möglichen sechzig Bilder pro Sekunde auch noch dramatisch flüssiger.
Der Berg ruft
Aber schauen wir uns die Technik einmal im Detail an – nur deswegen seid ihr schließlich hier, oder? Während das Original noch auf Basis der von Guerilla Games (Horizon: Zero Dawn und Co.) entliehenen Decima Engine lief und damals wirklich fantastisch ausgesehen hat, haben Ballistic Moon für das Remake eine komplette Portierung auf die Unreal Engine 5 vorgenommen. Wie aufwändig diese Arbeit gewesen ist, kann ich nur grob schätzen, die Ergebnisse können sich allerdings absolut sehenlassen. Alleine die Charaktere erscheinen in einem derart ungekannten Glanz, dass sie allenfalls wenige Schritte vom Fotorealismus trennen. Selbst kleinste Muttermale lassen sich in den Gesichtern erkennen und vergleicht man die virtuellen Abbilder mit denen der Originale, kann man die dort ebenfalls finden.

Neben dem immensen Detailgewinn profitiert das Remake auch von einer stark verbesserten Mimik, welche nun auch abseits der vorgegebenen Filmsequenzen aktiv ist, sondern auch dann glaubwürdig reagiert, wenn man während einer regulären Erkundung z.B. ungewöhnliche Geräusche wahrnimmt. Die Bewegungen wirken dynamischer und nicht mehr ganz steif wie in der Vorlage. Und die komplett überarbeitete Beleuchtung sieht mindestens so gut aus wie die Partikelkulisse: Wo wir früher maximal Fußspuren auf den verschneiten Pfaden hinterlassen haben, ziehen wir nun physikalisch korrekte Furchen durch die gefrorenen Wasserkristalle und Schnee bleibt zusätzlich an den Charakteren haften. Außerdem wurden die meisten Texturen überarbeitet oder zumindest mit Tesselierung zugunsten realistisch herausragender Oberflächen versehen. Auf der PlayStation 5 kommt noch Raytracing für die Schattendarstellung hinzu, wodurch die stimmige Atmosphäre nochmals verbessert wird.

Das alles kommt jedoch nicht ohne Preis und ich rede hier nicht von den siebzig Euro, die man euch für das Remake abknüpfen will. Ohne einen alternativen Leistungsmodus zugunsten einer höheren Bildrate bleibt das Geschehen dauerhaft auf 30 Bilder pro Sekunde und auf 4K hochskaliertem 1440p beschränkt. Das ist bei einem so filmreif und grundsätzlich eher gemütlich inszenierten Spiel wie Until Dawn erstmal nicht schlimm, zumal es über den gesamten Spielverlauf keine Momente gegeben hat, wo die Bildrate spürbar eingebrochen ist. Trotzdem fühlt sich das Spiel auf dem Basismodell durchgehend ruckelig, ja fast schon träge an. Schuld daran sind die nicht gut optimierten Frametimes, sowieso ein anhaltendes Problem der Engine und erst kürzlich bei unserer Besprechung zum Remake zu Silent Hill 2 wieder sehr auffällig. Möglicherweise ein weiteres Argument zugunsten der PlayStation 5 Pro, für welche zeitnahe zum Release der teuren Konsole umfangreiche Verbesserungen versprochen worden sind.

Ich denke, dass ein Spiel – und erst recht ein derart hochpreisiges – auch auf der regulären Ausführung gut spielbar sein sollte. Und wenn man merkt, dass das nicht geht, muss man eben grafisch ein paar Abstriche hinnehmen. Hier wollte man gefühlt mit dem Kopf durch die Wand und das Ergebnis ist einfach nicht das, was man für siebzig Euro erwarten darf. Die (erneut mit PSN-Zwang versehene) PC-Portierung leidet unter denselben Mikrorucklern, ganz egal, welche Einstellungen man im immerhin umfangreichen Optionsmenü vornimmt. DLSS und Co. sind selbstverständlich mit an Bord, auch sonst dürfte die Anzahl verschiedener Regler den Erwartungen des modernen PC-Gamers entsprechen. Zusätzliches Raytracing liefert ein noch realistischeres Bild, drückt im Zusammenspiel mit nativem 4K aber die Leistung derart dramatisch, dass selbst die diversen Skalierungsmodi stabile Bildraten produzieren können. Mein Tipp: Auf jeden Fall deaktivieren. Gleiches gilt im Allgemeinen für die filmische Körnung, welche gerade in dunklen Szenen heftige Rauschmuster produziert und das Bild damit beinahe zerreißt.

Klasse ist auf jeden Fall, dass man die im Original noch alternativlosen Balken zugunsten eines Vollbildmodus deaktivieren kann. Warum das auf der PlayStation 5 nicht ebenfalls möglich ist, bleibt mir schleierhaft. Ich vermute aber, dass man damit damals wie heute einfach ein paar Leistungsressourcen eingespart hat. Sehr viel ärgerlicher ist ein Bug, den es gegenwärtig nur in der PC-Version gibt und der das Spiel beim Betreten der Attributsübersicht für den gegenwärtig aktiven Charakter willkürlich in den Totalabsturz treibt. Verbesserungspotenzial in Form von Updates gibt’s also auf beiden Plattformen genug. Die Steuerung mit Maus und Tastatur ist dort nur bedingt zu empfehlen, besser wird es mit einem DualSense, welcher sogar den Herzschlag der Charaktere simuliert. Die allgegenwärtigen QTE’s wurden wenig überraschend beibehalten, wenigstens die anfänglich extrem fordernden Stillhalten-Momente lassen sich auf Wunsch jetzt deaktivieren.

„Das Remake zu Until Dawn sieht fantastisch aus und spielt sich dank wichtiger Verbesserungen bei Gameplay und Bedienung auch überwiegend so. Das alles täuscht aber nicht über die Tatsache hinweg, dass wir es hier abseits überschaubarer Erweiterungen immer noch mit demselben (guten) Spiel zu tun haben, für das wir bereits vor knapp zehn Jahren zum Vollpreis zur Kasse gebeten worden sind. Die Neuauflage verdient dieses Preisschild in meinen Augen nicht. Wer den herrlich klischeehaften Horror noch nicht kennt, kann hier zugreifen, oder sich für kleines Geld das wesentlich flüssiger laufende Original ansehen. Alle anderen bekommen hier nichts, für das sich die siebzig Euro auch nur ansatzweise lohnen würden.“


- Nahezu fotorealistische Charaktere
- Eindrucksvoll überarbeitete Beleuchtung, Effekte und Texturen
- Herrlich trashige, angenehm unvorhersehbare Geschichte in der Tradition von Freitag der 13. und Co.
- Sinnvoll überarbeitete Kameraführung
- Neue Sammelobjekte und aktualisierte Fundorte
- Circa acht Stunden Spielzeit pro Durchgang
- Hoher Wiederspielwert dank zahlloser verschiedener Enden
- Gute Sprecher
- Atmosphärischer Soundtrack
- Viele optionale Komfortoptionen
- Toll implementierte DualSense-Features

- Kaum neue Inhalte
- Für ein fast inhaltsgleiches, zehn Jahre altes Spiel viel zu teuer
- Permanente Mikroruckler auf PC und PlayStation 5
- PC-Version mit überflüssigem PSN-Zwang
- Potthässliches Filmkorn
- PC-Version mit teils schwerwiegenden Bugs
- Kinobalken lassen sich nicht abschalten (nur PS5)
- Kein alternativer Leistungsmodus (nur PS5)
- Inkonsequenter Eisatem

Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von PlayStation Publishing LLC zur Verfügung gestellt worden.
*Unsere Links werden nicht mit einer Monetarisierung versehen
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