Ich kann mich nicht erinnern, jemals so viele Remaster auf dem Tisch gehabt zu haben, wie in diesem Jahr. Manche davon waren überflüssig, andere überfällig. Die zum 25. Geburtstag des PlayStation-Bestsellers aufbereiteten Fassungen von Legacy of Kain: Soul Reaver und dessen Nachfolger manifestieren sich irgendwo dazwischen. Warum das so ist, erklären wir in unserem Kurztest.


Entwickler: Saber Interactive
Publisher: Aspyr Media
Plattform: PC | PS4 | PS5 | XB1 | XBS | NS
Veröffentlichungsdatum: 10. Dezember 2024
Altersfreigabe: ab 16 Jahren
Metacritic | OpenCritic | IMDB



Hass lebt ewig
Im Königreich Nosgoth herrscht Vampirfürst Kain mit harter Hand, den verbliebenen Menschen kommt nur noch eine untergeordnete Rolle zu. Kein Wunder also, dass sich auch der engste Kreis des Oberblutsaugers nur aus seinesgleichen zusammensetzt. Als dem treuen Untergebenen Raziel noch vor seinem Anführer Flügel wachsen, bricht ihm der eifersüchtige Kain kurzerhand die dazugehörigen Knochen und lässt Raziel in den Seelenstrudel werfen. Verdammt zu einer über Jahrhunderte andauernden Agonie, wird sein über die Zeit weiter deformierter Körper von einer uralten Kreatur gerettet, die dem zunehmend marodierenden Reich wieder zu altem Glanz verhelfen will.

Weil die unsterblichen Blutsauger das Rad der Zeit im Stillstand verharren lassen, soll Raziel im Namen des Ältesten sowohl seine ehemaligen Brüder, als auch Kain persönlich auslöschen. Eine Aufgabe, die für den rachsüchtigen Zombievampir perfekt geeignet ist. Aber auch Nosgoth hat sich mit der Zeit sehr verändert und ist dem Verfall mittlerweile vollständig ausgeliefert. Monster durchstreifen die von Naturkatastrophen verwüsteten Lande und Gefahren lauern nicht nur in der Welt der Lebenden, sondern sind auch im Jenseits allgegenwärtig. Aber spielt der Älteste wirklich mit offenen Karten, oder ist Raziel nur Spielball einer weiteren, finsteren Macht?
Die Zeit heilt alle Wunden
Legacy of Kain: Soul Reaver erschien relativ spät im Lebenszyklus der ersten PlayStation und wurde damals von Crystal Dynamics entwickelt, während der Vertrieb von Eidos übernommen wurde. Obwohl der Titel damals überwiegend positiv von Fans und Presse aufgenommen wurde, ging es mit der Reihe im Anschluss daran immer weiter bergab. Das liegt einerseits daran, dass sich die komplette Industrie mit den ersten Jahren des neuen Millenniums einer rasanten Modernisierung unterzog und neue Reihen wie Grand Theft Auto den Spielergeschmack eher trafen, zum anderen gelang es den zuständigen Entwicklern auch über mehrere Fortsetzungen hinweg nicht, zentrale Probleme effektiv zu beseitigen.

Die findet man in weiten Teilen auch innerhalb der Remaster noch – nur, dass die sich heutzutage noch viel offensichtlicher als solche wahrgenommen werden können. Neben den anhaltend frustrierenden und oft einfach trägen Kämpfen neigt auch die Kameraführung immer wieder zu dicken Aussetzern. Die neue Übersichtskarte macht das Navigieren durch das symbolbeladene Nosgoth zwar etwas einfacher, verlaufen kann man sich in der verschachtelt aufgebauten Welt aber immer noch viel zu leicht. Wer das Original nicht kennt, kann auch mal verzweifelt nach Zugängen zu Arealen oder Secrets suchen, die er aufgrund mangelnder Fähigkeiten grundsätzlich erst später erreichen kann. Das Spiel teilt einem diesen Umstand jedoch nie mit.

Was bleibt, ist immer noch eine in sich extrem stimmig gestaltete, atmosphärisch angenehm düstere Welt mit einer tiefgehenden Hintergrundgeschichte und abwechslungsreichen Rätseln. Sich durch jeden einzelnen dieser Aspekte durchzuarbeiten ist gelegentlich etwas nervenaufreibend, obwohl einem vor allem der fantastisch vertonte zweite Teil das Zuhören dramatisch erleichtert. Dessen viele offene Fragen werden aber erst mit dem hier nicht enthaltenen Legacy of Kain: Defiance abschließend geklärt. Es ist ärgerlich, dass es der dritte Teil der Trilogie nicht auch in die Sammlung geschafft hat, zumal die Spiele in ihrer ursprünglichen Form auf dem PC nicht ohne weiteres lauffähig sind.

Auf der PlayStation werden zwar langsam ein paar Titel via Emulation verfügbar gemacht, aber auch hier gibt’s gegenwärtig keine Spur vom erzählerischen Finale. Vielleicht ist das auch nur der Vorbote einer noch folgenden Veröffentlichung. So oder so: Wer von den Remastern eine vollständig modernisierte und hinweisgestützte Modernisierung erwartet, sollte sich den Kauf trotz fair angesetztem Preis nochmal gründlich überlegen. Für alles andere – vor allem das vorhaben, eine neue Generation für die Reihe zu begeistern – hätte es am Ende mehr erfordert als die hier vorgenommenen Erweiterungen, welche auf technischer Ebene noch am ehesten Eindruck schinden können.
Remake gegen Original
Dafür hat das Team, welches zuletzt auch die erste Tomb-Raider-Trilogie für aktuelle Systeme fit gemacht hat, eng mit Moddern und jahrelangen Mitgliedern aus der Community zusammengearbeitet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, denn die Collection läuft sogar auf der betagten Nintendo Switch mit durchgehend flüssigen 60 Bildern pro Sekunde, auch wenn die restlichen Plattformen höhere Auflösungen bis zu 4K offerieren. Neben vollständig überarbeiteten Modellen verfügen beide Titel über eine vollständig modernisierte Beleuchtung, auch den veralteten Effekten hat man sich angenommen und sogar die Videosequenzen qualitativ kräftig aufgebohrt.
Nur bei den Texturen fällt einem im direkten Vergleich zwischen Remaster und Original auf, dass die Macher etwas zu sorglos auf den Einsatz von KI gebaut haben. Bei vielen der damals natürlich extrem niedrig aufgelösten Texturen scheint der Algorithmus nicht wirklich gewusst zu haben, was er damit anfangen soll. Vor allem der damals im deutschsprachigen Raum nur zensierte erste Teil hat damit immer wieder zu kämpfen, beim für die PlayStation 2 konzipierten Nachfolger war die Ausgangslage wohl deutlich besser, denn hier ist der Gesamteindruck deutlich besser. Übrigens verfügen beide Spiele über einen Fotomodus, mit dem ihr eure schönsten Momente in Nosgoth jederzeit problemlos festhalten können.

Via einfachem Knopfdruck könnt ihr jederzeit zwischen der originalen und der modernisierten Grafik wechseln. Weil selbst der klassische Modus 16:9 unterstützt und ebenso auch sämtliche Erweiterungen beinhaltet, kann man sich hier bequem nach der persönlichen Präferenz richten. Tonnenweise Extras gibt es obendrauf: So könnt ihr euch unter anderem durch das komplett eingescannte (englische) Originaldrehbuch zu den Spielen lesen und sogar wiederhergestellten Content spielen, der es damals nicht mehr ins fertige Spiel geschafft hat. Und auch die Sprache lässt sich über die Einstellungen vor Spielstart ändern, falls ihr den Originalton bevorzugt.

Grob fahrlässig ist dagegen, dass man kein System für das Speichern der aktuellen Position implementiert hat, sondern weiterhin auf die ursprünglichen Kontrollpunkte baut – und die können auch mal gute zwanzig Minuten oder mehr auseinanderliegen. Das ist alles andere, nur nicht zeitgemäß und wäre etwas, dass man dringend nachträglich via Patch implementieren sollte. Man stelle sich vor, die Tomb-Raider-Trilogie wäre über sämtliche Plattformen mit der alten Speicherkristallmechanik der PlayStation veröffentlicht worden! Dann sollte das hier ebenfalls möglich sein, gerade weil die Titel immer wieder Frustpotenzial offenbaren.

„Ich habe mir sehr lange gewünscht, dass die Reihe rund um das Soul Reaver ihren Weg auf aktuelle Plattformen findet. Das erhoffte Remake ist es zwar nicht geworden, aber auch als Remaster ist die Rückkehr nach Nosgoth nach einem Vierteljahrhundert weitestgehend geglückt und dürfte vor allem Kenner erfolgreich anlocken. Interessierte Neueinsteiger müssen sich aber auf anhaltend sperrige Kämpfe und immer noch nicht ausreichende Navigationshilfen einstellen. Technisch wurde durchaus einiges an Arbeit in die beiden Titel investiert, etwas weniger KI-Einsatz hätte aber vor allem dem ersten Teil nicht geschadet. Und die vielen Extras täuschen am Ende nicht darüber hinweg, dass ausgerechnet der dritte Teil der Saga weiter durch Abwesenheit glänzt.“


- Technisch überwiegend solide erweitert
- Zeitlos interessante Geschichte samt Charakteren
- Allgemeines Setting fühlt sich grundsätzlich immer noch unverbraucht an
- Ordentlicher Gesamtumfang
- Interessante Extras
- Fairer Preis
- Gute Bedienung via Gamepad

- Einsatz von KI gerade im ersten Teil überdeutlich
- Allgemeine Schwächen der Originale bleiben weitestgehend erhalten
- Unzureichende Navigationshilfen
- Legacy of Kain: Defiance nicht enthalten
- Speichersystem längst nicht mehr zeitgemäß
- Mit Maus und Tastatur eher unpräzise

Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Aspyr Media zur Verfügung gestellt worden.
*Unsere Links werden nicht mit einer Monetarisierung versehen
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