Zu Beginn des neuen Jahrtausends dürfte es wohl kaum einen jugendlichen Gamer gegeben haben, an dessen Wand sich nicht mindestens ein Poster von Lara Croft befand. Seit ihrem Debüt auf PlayStation und Co. hat sich die schlagfertige Archäologin zu einem wahren Phänomen der Popkultur gemausert. Ihre ersten drei Abenteuer erscheinen nun erstmals als Remaster für sämtliche relevanten Plattformen. Zeit für einen ganz persönlichen Abstecher in die Vergangenheit.
Entwickler: Aspyr Media | Crystal Dynamics
Publisher: Aspyr Media
Plattform: PC | PS4 | PS5 | XB1 | XBS | NS
Veröffentlichungsdatum: 14. Februar 2024
Preis: ab 29,99€*
Altersfreigabe: ab 16 Jahren
Metacritic | OpenCritic | IMDB
Das volle Paket Nostalgie
Schon die enthaltenen Basisspiele – nämlich Tomb Raider, Tomb Raider II und Tomb Raider III: The Adventures of Lara Croft – bieten ausreichend Inhalt, um euch für ein paar Wochen zu beschäftigen. In Gestalt der vollbusigen Britin dürfen wir dabei unter anderem längst vergessene Tempelruinen erkunden, Venedig mit einem Motorboot unsicher machen oder uns durch den Londoner Untergrund kämpfen. Die jeweiligen Erweiterungen dürfen dabei natürlich nicht fehlen und lassen sich allesamt ohne Umwege über die dazugehörigen Menüs anwählen. Die zahllosen Geheimnisse sind immer noch dort, wo man sie bereits in den Originalen finden konnte, was ziemlich praktisch ist, wenn man wie ich noch im Besitz der ursprünglichen Lösungsbücher ist, welche über die kommenden Tage und Wochen sicherlich neue Höchstpreise auf den einschlägigen Marktplätzen erreichen dürften. Und auch beim allgemeinen Leveldesign inklusive Gegnern hat sich nichts geändert.
Das ist jedoch nicht durchgehend vorteilhaft, denn selbst mit aufgesetzter Retrobrille kommt man nicht umhin festzustellen, dass sich die Titel selbst in dieser Form stellenweise hoffnungslos veraltet anfühlen. Gerade Einsteiger, die einen eher moderneren Ansatz mit zahlreichen Orientierungshilfen gewohnt sind, dürften sich in den teils weitläufigeren und oft unüberschaubaren Arealen schnell verloren fühlen. Da kann es durchaus vorkommen, dass ihr euch seit geraumer Zeit in eine Richtung vorgearbeitet habt und dann doch irgendwann vor einer verschlossenen Tür steht, weil ihr zuerst an einer völlig anderen Stelle einen Schlüssel etc. hättet einsammeln müssen. Das legendäre Münzrätsel in Tomb Raider III: The Adventures of Lara Croft ist dafür nur eines von vielen Beispielen. Auch Checkpoints und dergleichen gab es damals noch nicht, regelmäßiges Speichern ist also absolut verpflichtend, wenn ihr beim versehentlichen Auslösen einer tödlichen Falle nicht wieder komplett von vorne beginnen möchtet. Was das angeht, hätten die Macher hinter den Neuauflagen für meinen Geschmack durchaus ein wenig gnädiger sein können.
Immerhin hat man die Steuerung etwas mehr an den aktuellen Zeitgeist angepasst und offeriert interessierten Spielern nun neben der klassischen Tank-Steuerung auch eine modernisierte Eingabevariante im Stil der neueren Ableger, die sich auf lange Sicht jedoch nicht als tauglich erwiesen hat, da dort unter anderem der klassische Rückwärtssalto nicht ausführbar ist . Die einst furchtbar frustrierenden Fahrzeugpassagen fühlen sich damit jedoch viel besser an. Auf Wunsch lässt sich außerdem für jeden Gegner ein Lebensbalken zuschalten, an dem ihr genau ablesen könnt, wieviel Schaden die mannigfaltigen Schergen noch verkraften, ehe sie endgültig das Zeitliche segnen. Leichter werden die für heutige Verhältnisse immer noch angenehm herausfordernden Spiele dadurch zwar nicht, aber der Mehrwert beim Komfort ist definitiv willkommen. Dazu gibt es einen Fotomodus, mit dem ihr eure besten Schnappschüsse rund um den Globus vielseitig festhalten und bearbeiten könnt.
Grabräuberei für Fortgeschrittene
Tomb Raider feierte sein Debüt im Jahre 1996. Eine wilde Zeit, in der sich dreidimensionales Gaming dank neuester Konsolen und dem Aufkommen der Beschleunigerkarten allmählich als Standard etablierte und so einer ganz neue Generation an Videospielen den Weg ebnete. Bis zum neuen Millennium hatten sich die technischen Möglichkeiten innerhalb kürzester Zeit in einem derart atemberaubenden Tempo weiterentwickelt, dass man sich als Entwickler konstant im Spurt fortbewegen musste, um nicht den Anschluss zu verpassen. Und genau darin lag das fundamentale Problem der Trilogie, denn während ein Half-Life nur zwei Jahre später neue Maßstäbe in der Branche setzte, hangelte sich Lara bis ins neue Millennium im alljährlichen Turnus an einem spielerisch wie optisch immer weniger eindrucksvollen Gerüst entlang – darüber konnten auch die für damalige Verhältnisse ausschließlich Kinoblockbustern vorbehaltenen Werbemaßnahmen nicht hinwegtäuschen. Die Remaster stehen nun fast fünfundzwanzig Jahre später vor einem ähnlichen Problem.
Denn obwohl Aspyr alle drei Titel mit einer modernen Beleuchtung, hochauflösenden Texturen sowie komplett neuen Modellen und Effekten versehen hat, lässt sich das ursprüngliche Alter der Originale zu keinem Zeitpunkt verbergen. Besonders die überwiegend aus Blöcken zusammengesetzte Umgebung erinnert einen immer wieder daran, welcher Zeit die jeweiligen Titel entstammen. Mit einem vollwertigen Remake hätte man den Anfängen der kultigen Grabräuberin wahrscheinlich ein eindrucksvolleres Denkmal setzen können, wobei mit dem von Crystal Dynamics verantworteten Tomb Raider: Anniversary ja bereits eines für den ersten Teil existiert – nur hat das eben auch schon siebzehn Jahre auf dem Buckel. Für Puristen besteht übrigens die Option, via einfachem Tastendruck im laufenden Spiel jederzeit zwischen dem klassischen und modernisierten Look wechseln zu können. Im direkten Vergleich lassen sich die zahlreichen Verbesserungen zwar keineswegs verleugnen, der anhaftende Moder lässt sich dadurch aber eben auch nicht vollständig beseitigen. Diese Tatsache sollte sich vor dem Kauf jeder bewusst werden.
Besonders die direkt in der Engine gerenderten Zwischensequenzen sind ziemlich schlecht gealtert. Das permanente Kopfnicken der darin agierenden Charaktere als Ersatz für die damals noch nicht umsetzbaren Lippenbewegungen wirkt in der Gegenwart unfreiwillig komisch – hier wäre selbst innerhalb der Richtlinien von Remastern deutlich mehr machbar gewesen. Und die mittelmäßig hochskalierten Videos fallen ebenfalls unschön auf. Dafür lässt sich die Trilogie auf sämtlichen Systemen wunderbar geschmeidig spielen. Egal ob auf der Nintendo Switch, der PlayStation 5 oder selbst betagteren Rechenknechten, überall werden butterweiche 60 Bilder pro Sekunde erzielt. Alleine dadurch entsteht bereits ein völlig neues Spielgefühl, denn die Originale sind aufgrund ihrer technischen Architektur bis heute auf maximal die Hälfte der hier erreichten Bildrate reduziert. Lediglich bei der Auflösung gibt es Unterschiede, von 720p im Handheld-Modus der Switch bis zu nativem 4K auf PlayStation 5, XBOX Series X und PC ist hier wirklich alles vertreten, was angesichts des allgemeinen Grafikstils aber nur bedingt ins Gewicht fällt. Deswegen könnt ihr auf jeder Plattform beherzt zugreifen.
Besser sieht es bei der Klangkulisse aus. Die deutschen Synchronfassungen von damals dürfen hier natürlich nicht fehlen und klingen im Direktvergleich wesentlich klarer und dynamischer. Gleiches gilt für die atmosphärische Musik. Wer lieber die englischen Originalsprecher hören möchte, kann dies natürlich ebenfalls tun, viele weitere Sprachen lassen sich ebenfalls anwählen. Die rundumerneuerte Steuerung geht besonders via Gamepad wunderbar von der Hand, für chronische Maus- und Tastaturnutzer am PC empfehle ich das klassische Eingabeschema. Zwischen dreißig und vierzig Euro müsst ihr momentan je nach Plattform für die Trilogie löhnen – gemessen am Gesamtumfang und den überwiegend sinnvollen Verbesserungen ist das wahrlich nicht zu viel verlangt.
“Das längst überfällige Wiedersehen mit Lara Croft hat mir nach all den Jahren die Möglichkeit gegeben, einige ihrer klassischen Abenteuer noch einmal ganz neu erleben zu dürfen. Und ja, auch nach all den Jahren macht es immer noch Spaß, mit der schwerbewaffneten Ikone um den Globus zu reisen und dabei ein ums andere Mal die Welt zu retten. Einsteiger dürften mit dem nicht mehr völlig zeitgemäßen Gameplay inklusive anhaltend akutem Komfortmangel ihre Schwierigkeiten haben, während Serienveteranen sich sofort heimisch fühlen werden. Technisch lässt sich das hohe Alter der Originale trotz zahlreicher Verbesserungen jedoch kaum verbergen. Wer sich daran nicht stört, darf sich damals wie heute mit gutem Gewissen in eine angenehm fordernde Odyssee voller Gefahren und Geheimnisse stürzen – wenn ihr vorher nicht von einem Rudel aggressiver Paviane aufgefressen werdet.”
- Drei umfangreiche Spiele inklusive Erweiterungen in einer Sammlung
- Rundherum überarbeitete Modelle, Texturen, Effekte und Beleuchtung
- Flüssige Performance auf sämtlichen Plattformen
- Wechsel zwischen Original und Remaster jederzeit möglich
- Audiokulisse klingt hörbar besser
- Fotomodus
- Angemessener Preis
- Gute Bedienung über sämtliche Peripherie
- Ursprüngliches Alter der Spiele zu jedem Zeitpunkt omnipräsent
- Überarbeitete Fassungen stellenweise viel zu dunkel
- Classic-Versionen ohne emulierte 3D-Beschleunigung
- Verbesserungen gehen teilweise nicht weit genug (z.B. bei den Zwischensequenzen)
- Sümpfe mangels Bewegungseffekt nicht mehr als solche zu erkennen
- Neue Komfortfunktionen kaum nennenswert…
- …und davon viel zu wenige
- Modernisierte Steuerung mehr Fluch als Segen
- Anhaltend keine Alternative zum manuellen Speichern und Laden
- Für Einsteiger ohne Lösungshilfe schnell überfordernd
- Videosequenzen liegen lediglich in hochskalierter Form vor
Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Aspyr Media zur Verfügung gestellt worden.
*Unsere Links werden nicht mit einer Monetarisierung versehen
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