Gerade musste sich Sony nach dem grandios in den Sand gesetzten DEI-Fiasko Concord dem Spott der Spielerschaft stellen, nur um dann mit Astro Bot ganz plötzlich einen klaren Anwärter auf das Spiel des Jahres rauszuhauen. Spätestens seit dem Launch der PlayStation 5 gilt der knuddelige Roboter als Maskottchen der aktuellen Konsole. Das Sequel zu Astro’s Playroom macht durch tolle Ideen und grandiosen Charme sogar Mario und Co. Konkurrenz – und ist ganz nebenbei eine wunderbare Liebeserklärung an dreißig Jahre PlayStation.


Publisher: Sony Interactive Entertainment
Plattform: PlayStation 5
Veröffentlichungsdatum: 06. September 2024
Preis: ab 69,99€*
Altersfreigabe: ab 6 Jahren
Metacritic | OpenCritic | IMDB


Gestrandet im All
Gerade noch feiern Astro und seine Freunde an Bord ihrer PlayStation eine ausgelassene Party, im nächsten Augenblick findet sich der knuffige Roboter alleine und gestrandet auf einem fremden Wüstenplaneten wieder. Schuld daran ist das diebische Alien Nebulax, welches sich nach einem hinterlistigen Überfall im All mit den zentralen Komponenten des Mutterschiffs aus dem Staub gemacht und die flugtaugliche Konsole zur Bruchlandung gezwungen hat. Auf der Suche nach der Grünhaut und den dreihundert überall in den nahegelegenen Galaxien verstreuten Kumpanen schlagen und hüpfen wir uns durch über achtzig verschiedene Welten – und erleben ganz nebenbei eine wunderbar detailversessene Liebeserklärung an dreißig Jahre PlayStation-Historie.

Dass die grundlegende Geschichte allenfalls als Alibi für den Start eines der besten Jump ’n’ Runs der Videospielgeschichte fungiert, von dem sich in Sachen Design sogar die Altmeister bei Nintendo stellenweise noch ein ordentliches Scheibchen abschneiden können, ist schnell vergessen. Während nämlich die ersten Welten noch ganz klassische Genrekost bieten und überwiegend aus den fast schon obligatorischen Tropen- und Strandarealen bestehen, die man in nahezu jedem ähnlich gestrickten Spiel bereits seit Jahrzehnten finden kann, entfalten sich in den späteren der insgesamt sechs erkundbaren Galaxien Unmengen an frischen kreativen Ideen. So müssen wir uns in einer Welt beispielsweise einen Weg um und durch einen riesengroßen Baum arbeiten, während eine andere sich thematisch an klassischen Las-Vegas-Casinos orientiert – Spielautomaten und Neonflut inklusive.



Gute vierzehn Stunden hat es in meinem Durchgang gedauert, bis die PlayStation wieder abflugbereit gewesen ist. Im Anschluss daran kann man locker noch ein paar zusätzliche Stunden damit verbringen, die letzten versteckten Bots aufzuspüren und seine Sammlung an Extras zu vervollständigen. Der Großteil des Spiels ist auch für Anfänger ohne große Schwierigkeiten gut zu bewältigen, lediglich die versteckten Herausforderungswelten erfordern einiges an Können und haben aufgrund der Tatsache, dass sie einen bei einem Fehler unweigerlich wieder an den Anfang befördern, ordentlich am Geduldsfaden gezerrt. Dennoch habe ich jede Sekunde des Spiels genossen, was nicht nur am zuckersüßen Protagonisten liegt, welcher das Spielerherz auch ganz ohne Worte in Windeseile erobert, sondern eben auch am immensen Abwechslungsreichtum der Welten sowie den vielen frischen Ideen, die dem Genre auf eine Weise frisches Leben einhauchen, wie es zuletzt ewigen Klassikern wie Super Mario Galaxy gelungen ist.
Das richtige Werkzeug für den richtigen Job
Hinzu kommt, dass wir im Spielverlauf mit immer neuen Gimmicks ausgestattet werden, die wir für ein Weiterkommen zwingend benötigen. Mithilfe sprungfedergetriebener Boxhandschuhe lassen sich Gegner nicht nur auf sichere Distanz verdreschen, auch können wir damit entfernte Blöcke zu uns ziehen, geheime Mechanismen aktivieren oder uns an den dazugehörigen Stationen mit Hochgeschwindigkeit durch die Lüfte katapultieren. Ein Schrumpfaccessoire ermöglicht uns das Manövrieren durch Getriebe und Lüftungsschächte und mit dem Sauger nehmen wir an einer Stelle Harze auf, um uns damit an anderer Stelle zusätzliche Plattformen zu erschaffen. Die Einsatz der jeweiligen Items, von denen ich an dieser Stelle wirklich nur ganz wenige Beispiele gegeben habe, bleibt leider auf spezifische Welten beschränkt, fügt sich dann aber stets wunderbar in das vorherrschende Thema samt zugehöriger Designs ein.





Der Einsatz ist unglaublich intuitiv und sorgt für dringend nötige Abwechslung zu den gewöhnlichen Sprung-, Gleit- und Kampfpassagen. Langeweile kommt dabei nie auf, denn Astro steuert sich so intuitiv und präzise durch die Welten, dass dabei nie Frust aufkommt. Allenfalls die Kamera agiert für meinen Geschmack gelegentlich etwas zu träge, wenn es darum geht, sich wieder hinter unserem Helden auszurichten. Überragend ist auch dieses Mal wie schon bei Astro’s Playroom die Implementierung des DualSense. Was hier an haptischem Feedback direkt an die Spielerhände wiedergegeben wird, sucht wirklich seinesgleichen und auch der verbaute Lautsprecher wird nahezu dauerhaft aktiv ins Geschehen eingebunden, während das Mikrofon immer dann zum Einsatz kommt, wenn ein wenig Luft benötigt wird. In Flugpassagen navigieren wir dagegen mit der Bewegungssteuerung. Die Macher haben wirklich jeden technischen Aspekt des Controllers utilisiert, ohne dass sich das jemals aufgesetzt anfühlt. Sogar im Menü lassen sich damit kleiner Spielereien anstellen.

Neben gelegentlich auftretenden Zwischenbossen wartet am Ende jeder Galaxie ein meist gewaltiger Endboss, dem wir mit Raffinesse und Taktik begegnen müssen. Auch diese Kämpfe machen unglaublich viel Spaß, zumal sich mechanisch kein Boss vom anderen unterscheidet. So müssen wir es zum Beispiel mit einem Riesenaffen aufnehmen, dessen Gesicht samt Kauleiste es über mehrere Phasen zu demolieren gilt, bis der metallverstärkte Gevatter endlich den Geist aufgibt und wir uns im Anschluss daran an einem prächtigen Feuerwerk erfreuen dürfen. Die aufmerksamsten Entdecker können in manchen Leveln sogar Portale zu Bonuswelten entdecken. Mittelschweres Ärgernis: Betretet ihr eines dieser Portale, wird der aktuelle Level sofort beendet und muss später nochmal komplett neu absolviert werden. Lediglich die bereits gesammelten Bots und Collectibles werden euch gutgeschrieben. Das hätte man wesentlich komfortabler lösen können.
Aus Liebe zum Spiel
Jede Ära hat ihre ganz eigenen Ikonen und die PlayStation ist in ihren dreißig Jahren Heimat für viele davon geworden. Was Aloy, Kratos und Nathan Drake für die Gegenwart der Konsole sind, waren Parappa the Rapper, Dante und Spyro für deren Vergangenheit. Astro Bot zollt den bekanntesten Charakteren nicht nur Tribut in Form entsprechend designter Bots, sondern stellt in seinem ganzen Kern nicht weniger dar als eine gewaltige Liebeserklärung an die große PlayStation-Familie mitsamt ihrer vielen, kultigen Persönlichkeiten. Referenzen dazu lassen sich quasi an jeder Ecke finden, manche mehr, andere weniger offensichtlich platziert, aber immer vorhanden. Besonders deutlich wird all das in den abschließenden Welten, die sich erst nach Bezwingen des dazugehörigen Endbosses betreten lassen. Hier dürfen wir von wohlig-warmen Nostalgiegefühlen mit dem Netz auf Affenjagd gehen und sogar Kratos‘ Leviathanaxt dürfen wir schwingen.

Die stetig wachsende Sammlung von Bots begrüßt uns jedes Mal euphorisch, wenn wir auf den zentralen Planeten zurückkehren. Und obwohl die Macher nicht jeden einzelnen davon mit einem speziellen Design versehen haben, entzückt mich das muntere Herumgewusel immer wieder. Unsere dankbaren Freunde unterstützen uns übrigens beim Freischalten neuer Areale und besonderer Boni – das aber nur, wenn ihr die dafür nötige Anzahl im Gepäck habt. Komplettierte Blaupausen schalten neue Geschäfte frei, wo ihr gegen Münzen weitere Accessoires erwerben oder Astro mit den bisher freigeschalteten Kostümen ausstatten könnt.
Astro Boy ist komplett frei von Mikrotransaktionen. Die etwas höherpreisige Deluxe Edition bietet lediglich ein paar zusätzlicher Cosmetics an, die sich auf das eigentliche Spielerlebnis in keiner Weise auswirken.
Das alles dient zwar lediglich kosmetischen Zwecken, ist aber ein nettes Gimmick.Und falls ihr bei der Suche nach den letzten versteckten Objekten partout nicht weiterkommt, könnt ihr für zweihundert Münzen einen Helfer beschwören, der euch in der Nähe davon ein entsprechendes Signal gibt. Um Geldknappheit muss man sich übrigens keine Sorgen machen, denn die Währung wird euch fast schon im Sekundentakt zugeführt.

Wer trotzdem mal knapp bei Kasse ist, kann die Welten seiner Wahl einfach so lange erneut absolvieren, bis das Konto wieder ausgeglichen ist. Fairer geht es kaum – zumindest in diesem Punkt. Was mich nämlich immer wieder ein bisschen genervt hat, ist die Tatsache, dass Astro außerhalb von Bosskämpfen bereits nach einem Treffer K.O. geht. Zwar haben Team Asobi vor besonders knackigen Passagen immer einen Rücksetzpunkt eingebaut, aber gerade im Kampf gegen mehrere Gegner kann es vorkommen, dass man trotz sämtlicher Mühen mal von irgendwas getroffen wird und dann wieder ein Stück weg bis zum erneuten Versuch zurücklegen muss. Im Allgemeinen sind die Kämpfe nicht schwierig und ein Großteil der Gegner unterscheidet sich in Sachen Angriffsmuster allenfalls im Design, trotzdem hätte Astro ruhig ein paar Treffer mehr einstecken können, um unnötigen Frust aus der Sache rauszunehmen.
Galaktisch starke Technik
Bereits der kostenlos zu jeder PlayStation 5 mitgelieferte Vorgänger konnte technisch überzeugen. Das Sequel geht noch einen Schritt weiter und punktet mit mehr visueller Vielfältigkeit, weitläufigeren Arealen und stellenweise einem wahren Effektreigen. Damit es dabei nie zu Rucklern kommt, kommt dynamische Skalierung zum Einsatz. Im Schnitt lassen sich hier Werte zwischen 1440p und 2160p erfassen, was jeweils 2K und 4K entspricht. Anders als zuletzt bei Warhammer 40.000: Space Marine II bleibt das Bild dadurch auch in leistungshungrigen Momenten stets angenehm scharf. Die angepeilte Bildrate von 60 Bildern pro Sekunde für bestmögliches und flüssiges Gameplay wird konstant gehalten, nur in den hübschen Echtzeit-Rendersequenzen kann es gelegentlich zu minimalen Rucklern kommen. Separate Modi für Grafik und Leistung gibt es nicht, generell sind die allgemeinen Optionen extrem überschaubar ausgefallen.

Ladezeiten gibt es zwischen den Reisen durch die Galaxis keine, beim Rücksetzen zu einem Checkpoint bleibt der Bildschirm allerhöchstens für ein-zwei Sekunden schwarz, ehe es weitergeht. Neben den detailverliebten Arealen fällt besonders die stimmige Beleuchtung samt Partikelkulisse positiv auf, aber auch die tollen Animationen haben mich komplett abgeholt. Da wirkt man menschlicher Charakter in anderen Titeln nicht so lebendig wie dieser kleine Roboter es tut. Natürlich kann man die Grafik nicht mit einem Horizon: Zero Dawn etc. vergleichen, aber innerhalb des Genres zählt Astro Bot definitiv zu dessen schönsten Vertretern. Alleine die Physik ist erstklassig und ermöglicht es uns nicht nur, dynamische Spuren auf cremeüberzogenen Waffeln zu hinterlassen, sondern wird an manchen Stellen sogar eindrucksvoll ausgenutzt, um bestimmte Umgebungsrätsel zu lösen.

Der Soundtrack zählt ebenfalls zum Besten, was ich in dem Genre seit langer Zeit gehört habe. Jede Welt hat ihr eigenes Leitmotiv, woraus sich mehrere Stunden Material ergeben, die man sich auch abseits der Session gerne nochmal ins Gedächtnis ruft. Dank drei unabhängiger Speicherslots – gestaltet als ganz klassische Memory Cards – können auch andere Personen im Haushalt mal einen Blick riskieren, ohne dabei euren Progress zu gefährden. Perfekt wäre es gewesen, wenn Team Asobi noch einen Koop-Modus integriert hätten. Der hätte sich hier unfassbar gut angeboten. Aber da wir sicher nicht zum letzten Mal von Astro gehört haben, sollte man das für die Zukunft definitiv nicht ausschließen.

„Obwohl die PlayStation über ihre gesamte Lebensspanne immer wieder exzellente Jump ’n‘ Runs abgeliefert hat, musste man für die wahren Juwelen im Genre am Ende meist doch Richtung Nintendo schielen. Astro Bot zeigt, dass es auch anders geht: Wunderschöne Grafik, tolles Gameplay und ein liebenswerter Protagonist dienen als Basis dessen, was dank frischer Ideen, abwechslungsreicher Designs und bester Zugänglichkeit tonnenweise Potenzial dazu hat, sich in der Riege der besten Spiele des Jahres ganz weit oben einzufinden. Langjährige Fans von Mario und Co. kommen hier ebenso auf ihre Kosten wie Neulinge ohne große Erfahrung. Und die kongeniale Einbindung des DualSense setzt der Torte die letzte Kirsche auf. Die kaum existente Geschichte fällt dabei gar nicht mehr groß auf. Keine Frage: Astro Bot ist ein absolutes Must Play.“


- Wunderschöne, facettenreich gestaltete Welten
- Tolle Animationen
- Schicke Licht- und Partikelkulisse
- Durchgehend saubere Performance
- Praktisch keine Ladezeiten
- Beispiellose Implementierung sämtlicher DualSense-Features
- Sympathischer Held
- Hervorragendes Gameplay…
- …mit zahlreichen frischen Ideen…
- …und ganz viel spielerischer Abwechslung
- Unzählige liebevolle Referenzen an dreißig Jahre PlayStation
- Solider Gesamtumfang
- Motivierende Jagd nach Bots und Geheimnissen
- Kurzweilige und variable Bosskämpfe
- Für Einsteiger und Veteranen gleichermaßen gut geeignet
- Gute Lernkurve und unaufdringliche Tutorials
- Faire Rücksetzpunkte
- Zugängliche Bedienung
- Exzellenter Soundtrack

- Komplett belanglose Story
- Durchschreiten von Bonusportalen zwingt zur Wiederholung der aktuellen Welt
- Wiederspielwert nach vollständiger Komplettierung sehr gering
- Ein-Treffer-Mechanik kann abseits der Bosskämpfe nerven
- Spielerisch selten fordernd
- Ein Großteil der Gegner verfügt ausschließlich über generische Angriffsmuster
- Fehlende Koop-Komponente zwingt sich nahezu auf
- Gegenwärtig kein Fotomodus
- Gelegentliche Kameraprobleme




Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Sony Interactive Entertainment zur Verfügung gestellt worden.
*Unsere Links werden nicht mit einer Monetarisierung versehen
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