Die Abenteuer von Karl May zählen zweifelsohne zu den bedeutsamsten deutschen Kulturschätzen und begeistern seit mehr als einem Jahrhundert ganze Generationen. Den Potenzial möglicher Filmadaptionen erkannte man bereits früh. Nachdem sich Der Schatz im Silbersee zum großen Erfolg mauserte, folgte nur ein Jahr später der erste Teil von Winnetou. Der Rest…ist eine Geschichte für sich. Pünktlich zum anstehenden Re-Release von Winnetou II haben wir uns das Original nachträglich in Form der 4K UHD vorgenommen.
Studio und Vertrieb: TOBIS Film GmbH via LEONINE Distribution
Erstveröffentlichung: 1963
Der Film
Immer weiter dringt der weiße Mann in das Herz Amerikas vor und verdrängt die Ureinwohner damit mehr und mehr aus ihren angestammten Territorien. Um beim anstehenden Bau einer Eisenbahnstrecke durch Apachengebiet keinen Krieg vom Zaum zu brechen, hat die Great Western Railway deshalb in weiser Voraussicht entschieden, die Schienen in enger Absprache mit den Stammesführern großzügig um deren heilige Jagdgebiete herumzulegen, obwohl das mit deutlichen Mehrkosten verbunden ist. Dass nun entgegen aller Vereinbarungen mitten durch Indianergebiet gebaut wird, wundert nicht nur Häuptlingssohn Winnetou (Pierre Brice), sondern auch den ursprünglich für die Vermessung verantwortlichen Ingenieur, der wegen seiner kräftigen Faust überall unter dem Namen Old Shatterhand (Lex Barker) bekannt ist.
Um die Situation in Augenschein zu nehmen, reist Old Shatterhand persönlich aus dem weit entfernten Texas an, doch kurz vor dem Ziel gerät sein Trek in einen Hinterhalt der Kiowas – dem erklärten Todfeind der Apachen – und kann nur unter großen Opfern zurückgeschlagen werden. Hinter alldem verbirgt sich der schurkische Santer (Mario Adorf), welcher sich mit dem Bauunternehmer Bancroft zusammengetan hat, um die bei einer direkteren Route eingesparten Gelder in den eigenen Taschen verschwinden zu lassen. Die Kiowas agieren dabei als nützliche Verbündete und lassen sich durch geschickte Manipulation immer weiter in einen Krieg mit den Apachen hineinziehen. Als Winnetou in die Gefangenschaft der Kiowas gerät, wird er von Old Shatterhand klammheimlich befreit, das Gesicht seines Retters bleibt ihm dabei jedoch zunächst verborgen.
Kein Wunder also, dass die Apachen bei der Rache an Santer Freund und Feind nicht voneinander unterscheiden könnten. Nach einer gewaltigen Schießerei findet sich der schwerverletzte Old Shatterhand im Lager der Apachen wieder, wo er sich in die bildschöne Häuptlingstochter Nscho-Tschi (Marie Versini) verliebt. Das junge Glück ist allerdings nur von kurzer Dauer, denn Winnetou plant, den weißen Mann zusammen mit seinen Kumpanen am Marterpfahl hinrichten zu lassen. Der ungewöhnliche Beginn einer Freundschaft für die Ewigkeit…
Die Rezension
In den frühen Sechzigern begann sich das Westerngenre beim europäischen Kinopublikum immer größerer Beliebtheit zu erfreuen. Dementsprechend früh reifte beim deutschen Produzenten Horst Wendland und seinem dänischen Partner Preben Philipsen der Gedanke, auf Basis der zahlreichen Karl-May-Romane eine eigene Serie etablieren zu können. Mit ersten Entwürfen im Gepäck wurde man bei der Constantin Film vorstellig, wo man sich rasch für das Projekt begeistern konnte. Gemeinsam mit den Rechteinhabern der Werke von Karl May einigte man sich zunächst auf Adaptionen von Der Schatz im Silbersee sowie den Büchern Winnetou I-III. Nachdem sich ersterer an den Kinokassen als großer Hit entpuppt hatte, machte man sich umgehend daran, auch Winnetou I für die große Leinwand zu adaptieren. Der Posten des Regisseurs ging dabei einmal mehr an den Österreicher Harald Reinl, dessen Talent für das Einfangen fast schon romantisch anmutender Naturpanoramen maßgeblich zum Erfolg der ersten Verfilmung beigetragen hatte.
Gedreht wurde abermals überwiegend in Kroatien, Lex Barker und Pierre Brice schlüpften erneut in ihre ikonischen Rollen. Mit Mario Adorf fand man zudem die perfekte Besetzung für den Oberschurken Santer. Und obwohl der fertige Film mit der Buchvorlage kaum noch mehr als die Namen seiner Charaktere gemeinsam hat, gelang Reinl und seinem Team mit der Adaption ein kleines Novum: Wo die Western aus den Vereinigten Staaten und Italien die Indianer bisher ausschließlich als unzivilisierte Wilde und besseres Kanonenfutter für die edlen Helden darstellten, bot man dem Kinopublikum mit der Figur des Winnetou erstmals einen edlen und loyalen Krieger als zusätzliche Sympathiefigur neben dem stets aufrichtig agierenden Old Shatterhand, während die Italienerin Marie Versini für eine Prise Sexappeal sorgt. Große Härten darf man nicht erwarten, der Bleigehalt ist ziemlich überschaubar geraten und die Dialoge agieren über die meiste Zeit auf dem Niveau einer Vorabendserie.
Ich denke, was den Film seinerzeit so erfolgreich gemacht und trotz offenkundiger Schwächen über Generationen hinaus bewahrt hat, ist abseits der wunderschönen Landschaftsaufnahmen die Tatsache, dass sich Deutschland mit so einem Film wieder als Teil der internationalen Kinobühne fühlen durfte. Immerhin ist der Film nicht allzu lange nach dem Krieg veröffentlicht worden und man war einfach stolz auf die Tatsache, wieder etwas eigenes gehabt zu haben. Das Kino war gerade in dieser Zeit ein wichtiger Anlaufpunkt für Menschen auf der Suche nach ein wenig Alltagsflucht. Winnetou ist und bleibt für jedes Alter, jedes Publikum tauglich. Und die Botschaft, dass Menschen aus völlig verschiedenen Kulturen trotz offensichtlicher Unterschiede zu Brüdern werden können, ist so zeitlos, wie man es sich nur vorstellen kann. Das alleine ist in meinen Augen bereits eine Menge wert. Klar, es gibt massig bessere Western. Aber eben doch nur einen Karl May. Und dessen Vermächtnis lebt bis heute in mannigfaltiger Weise ungebrochen weiter.
4K UHD: Das Bild
Winnetou I wurde erstmals im Jahre 2013 in High Definition ausgewertet, die dazugehörige Blu-Ray ist ein ganz klassisches Produkt ihrer Zeit, welcher man nur zugute halten kann, dass man das ganz klassisch auf 35mm-Analogfilm gedrehte Werk nicht komplett in Grund und Boden gefiltert hat. Lediglich in manchen nicht ganz so gut ausgeleuchteten Einstellungen reißen die Rauschmuster gelegentlich arg aus, dabei handelt es sich allerdings eher um wenige Ausnahmen. Gleichzeitig kann die Blu-Ray keine Schärfe in Szenen offerieren, die in dieser Form einfach nicht besser auf Film gebannt worden sind, diversen Verschmutzungen und Beschädigungen hat man sich ebenfalls nicht angenommen. Am ehesten stört mich allerdings die viel zu ausufernde Farbgebung. Die Hauttöne sind teilweise derart rotstichig, dass man meinen möchte, die Charaktere wären über mehrere Stunden in der Wüstensonne eingeschlafen. Und die Kostüme der Indianer erstrahlen derart grell aus dem Bildschirm, dass es einem gelegentlich in den Augen brennt. Überraschend gut für das Alter der Blu-Ray sind dagegen die Kontraste geraten. Im Gesamtbild bleibt eine mittelmäßige Veröffentlichung, für die ein Upgrade längst überfällig gewesen ist.
Und genau dem hat sich TOBIS im letzten Jahr angenommen. Dafür hat man einen komplett neuen Transfer in 4K vom ursprünglichen Analogmaterial erstellen lassen und diesen im Anschluss umfangreich restauriert. Weil man offenbar nicht mehr das ganze Material ausfindig machen konnte (ihr würdet euch wundern, was es für abenteuerliche Geschichten es in Hinblick auf das Thema “Seht mal, was ich im Keller gefunden habe!” gibt), hat man die fehlenden Einstellungen kurzerhand aus einem Duplikat entliehen, was man trotz Angleichungsversuchen mühelos erkennen kann. Im Ergebnis lassen sich diese zum Glück wenigen Szenen zwar immer noch mühelos ausmachen, einen richtigen Störfaktor stellen die aber nicht da und generell finde ich es löblich, dass man sich seitens TOBIS trotz Schwierigkeiten bei der Masterbeschaffung um eine vollständige Fassung bemüht hat. Die nativ auflösende Scheibe bietet zudem einen erweiterten Farbraum nach Rec.2020 sowie Support für HDR10.
Die schlechte Nachricht zuerst: Auch die 4K UHD beseitigt die bestehenden Unschärfen nicht auf magische Weise. Was über die bestehende Blu-Ray schon verwaschen rüberkam, sieht jetzt nicht viel besser aus. Und eine gute Handvoll verbliebener Verschmutzungen hat man beim Restaurieren wohl ebenfalls übersehen. Ab hier wird es dafür konstant besser, denn was die Neuauflage alleine auflösungstechnisch aus dem bestehenden Material herausholt, lässt Kennern des Films garantiert nicht selten ungläubig die Kinnlade herunterklappen. Da kommen Details an die Oberfläche, die man über die teils dramatisch nachgeschärfte Blu-Ray überhaupt nicht sehen konnte, z.B. bei den liebevoll gestalteten Indianerkostümen, ebenso aber auch bei Häuserfassaden inklusive Schriftzügen und nicht zuletzt den Landschaften als heimlichem Hauptdarsteller. Farblich geht es jetzt sehr viel ausgeglichener zu, die viel zu knallig-warmen Paletten weichen einer natürlicheren, erdigeren und damit deutlich passenderen Darstellung, ohne den Raum für farbliche Highlights dabei komplett zu ersticken.
So wirken die Charaktere nun nicht mehr, als würden sie kurz vor einem Herzkasper stehen und auch die gesamte Szenerie ähnelt mehr dem, was das menschliche Auge vor Ort wahrnehmen würde – falls es doch eher umgekehrt ist, solltet ihr euren LSD-Konsum vielleicht ein wenig einschränken. Filmkorn ist omnipräsent, profitiert aber ebenfalls von der hohen Auflösung des Transfers und zeigt sich die allermeiste Zeit angenehm unaufdringlich. Die groben Rauschmuster der Blu-Ray wurden vollständig beseitigt und im Kontrastbereich punktet die Neuauflage zusätzlich mit satten Schwarzanteilen. Das insgesamt dunklere Mastering der 4K UHD schadet dem Filmgenuss nicht. Alles in allem haben wir es hier trotz anhaltender Schwächen (manche nicht zu beseitigen, manche hätten allerdings beseitigt werden können) mit einem deutlichen Upgrade zu tun, welches sich Karl-May-Fans und Sammler gleichermaßen bedenkenlos ins heimische Regal stellen können – die hier beiliegende Blu-Ray bleibt aber leider identisch zur besprochenen Fassung.
4K UHD: Ton und Extras
Für die Blu-Ray wurde seinerzeit eine Neuabmischung im Format DTS-HD MA 5.1 vorgenommen, welche in identischer Form auch der 4K UHD beiliegt. Sämtliche Dialoge bleiben anhaltend gut verständlich, obwohl man hier insgesamt keine Wunder erwarten darf, da wir es im Kern eben immer noch mit einer über sechzig Jahre alten Tonspur zu tun haben. Dementsprechend blechern klingt das Gehörte in manchen Szenen auch und gerade in effektlastigeren Szenen mangelt es an Dynamik. Am ehesten überzeugt die zeitlose musikalische Untermalung inklusive ihrem legendären Leitmotiv. Ja, ich habe schon Filme mit ähnlichem Herstellungsalter rezensiert, die deutlich besser geklungen haben. Aber eben auch schon deutlich schlechtere.
TOBIS liefert den Film in einem schicken und gleichermaßen hochwertig verarbeiteten Mediabook aus. Diese Jubiläumsedition kommt mit einem 32-Seiten starken Booklet, welches zahlreiche spannende Hintergrundinformationen zum Film offeriert. Hier hat mich zusätzlich zum guten Informationsgehalt auch die exzellente Papierqualität überzeugt. Die 4K UHD bietet davon ab keinerlei neuen Extras an, während das auf der Blu-Ray vorliegende Material wie bereits erwähnt identisch zu bestehenden Veröffentlichungen ist.
“Mit der Buchvorlage mag Winnetou I nur noch wenig gemein haben, dennoch ist den Machern mit der Adaption ein sehenswertes Werk gelungen, welches maßgeblich dazu beigetragen hat, deutsche Kinoproduktionen in der Nachkriegszeit wieder massentauglich zu machen und seitdem immer wieder neue Generationen für sich zu gewinnen vermag. Die wunderschönen Panoramen und ein zeitlos hörenswerter Soundtrack entschädigen für die überwiegend dünnen Darstellerleistungen. Mit der 4K UHD sieht der Film trotz anhaltend kleiner Schwächen im Heimkino besser denn je aus, nur bei Ton und Ausstattung darf man bei diesem Karl-May-Epos abseits der tollen Begleitlektüre keine Wunder erwarten.”
Quelle Bildmaterial: ©TOBIS Film GmbH. All rights reserved.
Entsprechende Testexemplare sind uns freundlicherweise von LEONINE Distribution zur Verfügung gestellt worden.
*Unsere Links werden nicht mit einer Monetarisierung versehen
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