Tomb Raider IV-VI Remastered

Gealtert wie ein mieser Wein

Nostalgie ist ein zweitschneidiges Schwert. Gelegentlich überkommt mich ein brennendes Verlangen, ein paar Klassiker aus Kindheitstagen erneut zu spielen, nur um das Vorhaben nach wenigen Minuten wieder abzubrechen, weil sich die alten Titel viel furchtbarer spielen und anfühlen, als man es in Erinnerung hat. Wem es vor genau einem Jahr bei Tomb Raider Remastered I-III so ergangen ist, dürfte es mit den Teilen IV, V und dem berüchtigten The Angel of Darkness mindestens genau so schwer haben…

Entwickler: Aspyr Media | Crystal Dynamics

Publisher: Aspyr Media

Plattform: PC | PS4 | PS5 | XB1 | XBS | NS

Veröffentlichungsdatum: 14. Februar 2025

Preis: ab 29,99€*

Altersfreigabe: ab 16 Jahren

Metacritic | OpenCriticIMDB


Mikrotransaktionen
Kostenloses Upgrade
Ungeschnitten


Eine kleine Geschichtsstunde

Der vierte Teil wurde 1999 veröffentlicht und ganz gleich, welches der damals noch auf Kompetenz statt Ideologie und inhaltsleerem Clickbait ausgelegten Fachmagazine man auch aufschlug, das Duell zwischen Lara Croft und dem erstmals in dreidimensionale Gefilde abgewanderten Indiana Jones dominierte sämtliche Schlagzeilen. Obwohl LucasArts dieses Duell mit Indiana Jones und der Turm von Babel in den Augen der meisten Spieler knapp verlor, ging Tomb Raider IV: Die letzten Offenbarung nirgendwo wirklich siegreich vom Platz. Das lag vor allem daran, dass sich spätestens nach dem dritten Teil allmählich ein Ermüdungseffekt bei den Fans einzustellen begann.

Auf dem Weg nach Alexandria werden wir immer wieder von sinistren Beduinen angegriffen. Die rot-schwarz gekleidete Variante gehört zu den nervigsten Gegnern im Spiel und kann die meisten Kugeln mit ihren Klingen abwehren. | Tomb Raider: Die letzte Offenbarung, PlayStation 5 Pro

Passieren musste das zwangsläufig, denn der damalige Publisher Eidos wollte den über die Jahre stetig weiter geschürten Hype um die mit beachtlichem Vorbau versehene Archäologin partout nicht abebben lassen und verlangte von Laras ursprünglichen Schöpfern bei Core Design jedes Jahr einen neuen Teil. Dass die Programmierer längst komplett ausgebrannt waren und sich gleichzeitig sehr unzufrieden mit der aggressiven Vermarktung ihrer Schöpfung zeigten, wurde dabei konsequent ignoriert. Laras geistiger Vater Toby Gard werkelte längst an einem neuen Projekt, welches sich übrigens niemals wirklich realisierte. So dürfte es niemanden verwundern, dass der vierte Teil zwar überwiegend gut bewertet wurde, gleichzeitig aber auch viel Kritik für seine stagnierenden Visuals und das nur geringfügig erweiterte Gameplay einstecken musste. 

Das Balancieren wurde mit dem vierten Teil eingefügt und bestraft unruhige Finger schnell mit dem schreienden Ableben unserer Heldin. | Tomb Raider: Die Chronik, PlayStation 5 Pro

Gelobt wurde überwiegend das frische Setting vor den Kulissen Ägyptens sowie die Möglichkeit, bestimmte Abschnitte im späteren Spielverlauf in beliebiger Reihenfolge angehen zu können. Über mangelnden Umfang konnte man sich ebenfalls nicht beklagen. Meiner Meinung nach übrigens fast schon etwas ZU viel, denn ohne das passende Lösungsbuch konnte man sich in den verschachtelten Arealen mit den teils unverschämt schweren Rätseln extrem leicht verirren. Obendrauf gab’s eine überraschend düstere Story rund um eine bevorstehende Götterdämmerung, die mit dem scheinbaren Ableben der ikonischen Heldin endete – fast so, als wollten sich die Entwickler verzweifelt vom Fluch ihrer eigenen Kreation befreien.

Abstieg einer Legende

Geklappt hat das leider nicht, denn nur ein Jahr später erschien mit Tomb Raider V: Die Chronik ein weiterer Teil, in welchem sich Laras ehemalige Freunde und Weggefährten im Anschluss an deren Beerdigung an ein paar bisher unbekannte Episoden aus ihrem Leben erinnerten. Mit Schauplätzen in Italien, Irland und sogar an Bord eines russischen Atom-U-Boots boten die Macher zwar ein nettes, abwechslungsreiches Potpourri, längst hoffnungslos veraltete Technik sowie die erneute Abwesenheit nennenswerter spielerischer Innovationen konnten selbst treueste Anhänger nicht mehr durchgehend zum Kauf bewegen. Hoch und heilig versprach man: Das nächste Tomb Raider würde in jedweder Hinsicht eine komplett andere Erfahrung bieten.

Im Kolosseum bekommt es Lara mit wiedererwachten Steinstatuen zu tun. Die Ungetüme fressen Unmengen Pistolenmunition, sind aber aufgrund ihrer langsamen Bewegungen und vorhersehbaren Angriffsmustern eher leichte Beute. | Tomb Raider: Die Chronik, PlayStation 5 Pro

Nach über drei Jahren Entwicklungszeit sollte Tomb Raider: The Angel of Darkness die Reihe zurück zu alter Größe führen. Das bis dahin gezeigte Material wirkte sogar recht vielversprechend, man war ja froh, dass sich überhaupt endlich was tat. Was wir dann letztendlich bekamen, war eine der wohl größten Katastrophen der Videospielgeschichte. Denn während die wegen Mordes an ihrem ehemaligen Mentor von Croy gesuchte Lara es mit neuen Schurken aufnehmen musste, kämpften Spieler vor dem Bildschirm mit einer erschreckend fehlerhaften Technik, miserabel implementierten Mechaniken und genug Bugs, um damit mehrere Ernten auf einmal vernichten zu können. Eidos hatte im Vorfeld Millionen in eine dazugehörige Marketingkampagne (inklusive passendem Technotrack aus der Feder von Alex Christensen, siehe unten) investiert, für die Qualitätskontrolle hatte man im Anschluss daran offenbar nichts mehr übrig. Denn nur so lässt sich erklären, warum man diesen komplett unfertigen und teilweise unspielbaren Titel auf die Kundschaft losgelassen hat. 

Egal, ob aktionsbedingte Attributsverbesserungen oder nervige Schleichpassagen: Der sechste Teil der Reihe ist ein Paradebeispiel in Sachen komplett vergurktem Spieldesign. | PlayStation 5 Pro

Daran änderten auch mehrere nachträglich veröffentlichte Patches nichts, zu elementar waren die Probleme, zu groß der bereits angerichtete Rufschaden. Auf das verheerende Echo auf Seiten von Spielern und Presse folgte letztendlich die Schließung von Core Design und auch die Tage von Publisher Eidos waren gezählt. Nicht ausschließlich deswegen, aber im Grunde befand man sich zum damaligen Zeitpunkt bereits da, wo sich Ubisoft heute befindet: Irgendwie nahe am Rande des Abgrunds. Erst unter dem Banner von Crystal Dynamics sollte die Reihe dank Tomb Raider: Legend (Remaster ganz und gar nicht ausgeschlossen) zunächst zu alter Stärke auflaufen und sich zehn Jahre später mit dem Reboot erfolgreich vollständig neu erfinden. Ein weiteres Abenteuer ist derzeit in Arbeit, allerdings lässt das bisher gezeigte Material zumindest optisch abermals nichts Gutes erahnen. Die Zeit wird zeigen, ob diese Befürchtungen berechtigt sind.  

Spiel’s noch einmal, Lara

So richtig gute Wertungen konnte Aspyr Media mit den Remastern zur ursprünglichen Trilogie ebenfalls nicht einheimsen. Auch wir kritisierten in unserem Test hauptsächlich die nicht mehr zeitgemäße Bedienung, relativ überschaubare grafische Verbesserungen sowie eine nicht immer gänzlich saubere Umsetzung des ursprünglichen Materials. Aspekte, welche auf die Teile IV, V und VI leider ebenfalls zutreffen. Extrem praktisch ist die Tatsache, dass man mit den alten Lösungsbüchern einen perfekten Guide durch die Remaster hat, denn Sammelobjekte und Co. befinden sich immer noch an denselben Orten und auch bei Rätseln und Feindbegegnungen haben die Macher alles so gelassen, wie man es aus den jeweiligen Originalen kennt. Ich wusste, warum ich die Dinger so beharrlich vor dem Altpapier gerettet habe. 

Vor allem bei den Teilen IV und V lassen sich die Modernisierungen bei Charakteren, Beleuchtung und Co. deutlich erkennen - ob man mit den Ergebnissen zufrieden ist, muss jeder für sich bewerten. Gerade beim Licht gibt's aber erneut Nachholbedarf, einige Bereiche sind im Remaster viel zu dunkel. | Tomb Raider: Die letzte Offenbarung, PlayStation 5 Pro

Würde man die zweite Collection als bloße Ablöse für die bestehenden GOG-Versionen auf PC betrachten, wäre damit schon viel gewonnen. Denn selbst diese optimierten Fassungen lassen sich auf modernen Systemen nicht ohne Umwege starten und sind in ihren Möglichkeiten stark durch ihre ursprüngliche Herstellung limitiert. Weniger als zehn Euro werden im Schnitt pro Spiel fällig, was absolut nicht zu viel verlangt ist. Und wer will, kann erneut jederzeit per Knopfdruck zwischen der ursprünglichen und der modernisierten Grafik hin- und herwechseln. Nativen Support für alle gängigen Gamepads gibt es obendrauf. So weit, so gut. Auch dieses Mal haben sich die Macher ordentlich ins Zeug gelegt und nahezu sämtliche der bestehenden Texturen, Modelle und Objekte gegen hochauflösende Alternativen ausgetauscht. Besonders bei Beschriftungen fällt auf, dass man dabei auch kräftig mit Künstlicher Intelligenz gearbeitet hat, insgesamt bin ich mit den Ergebnissen allerdings sehr zufrieden. 

Der Einbruch in einem hochgesicherten Bürogebäude weckt sicher nicht ganz zufällig Erinnerungen an Total Recall. Nette Gimmicks wie diese konnten die Reihe aber nicht vor ihrem stetigen Abstieg retten. | Tomb Raider: Die Chronik, PlayStation 5 Pro

Trotz dieser Verbesserungen muss aber jedem klar sein, dass man sämtlichen Titeln zu jedem Zeitpunkt klar ansehen kann, dass sie bereits mindestens zwanzig Jahre auf dem Buckel haben. Remaster stehen immer vor der undankbaren Aufgabe, Gameplay und Look der Vorlage möglichst zu erhalten. Dass man dann gerade bei älteren Titeln keine vollständig modernisierte Erfahrung bieten kann, ohne dabei gleich die Pfade eines vollwertigen Remakes zu beschreiben, ist völlig klar und ich finde, hier hat man im Rahmen der Möglichkeiten getan, was man konnte. Toll: Wer will, kann sogar die klassische Erfahrung in flüssigen 60 Bildern pro Sekunde spielen, was selbst die alten Fassungen am PC nicht schaffen. Nicht nötig zu erwähnen, dass die Sammlung über sämtliche Plattformen inklusive der betagten Nintendo Switch butterweich läuft, auch wenn’s natives 4K nur am PC und den Konsolen der aktuellen Generation gibt. Anhaltend ärgerlich bleibt, dass die neue Beleuchtung in einigen Momenten für ein viel zu dunkles Bild sorgt. Da müssen die Entwickler unbedingt nochmal ran…schon wieder.

Der berühmt-berüchtigte sechste Teil der Reihe profitiert weniger von grafischen Verbesserungen, sondern nimmt sich eher einigen Fehlern des Originals an. Dass der Titel in der Ära der PlayStation 2 erschienen ist, sieht man dem Spiel immer noch an. Im Direktvergleich legen die Modelle noch am ehesten zu. | Tomb Raider: The Angel of Darkness, PlayStation 5 Pro

Größter Streit- und Knackpunkt der Neuauflage bleibt die gewöhnungsbedürftige Steuerung. Alte Hasen, die mit der klassischen Panzersteuerung aufgewachsen sind, sollten auch dabei bleiben und dürften damit wunderbar zurechtkommen – auch wenn’s sich im Vergleich zu neueren Spielen natürlich entsprechend anfühlt. Die alternative, modernisierte Bedienung funktioniert für mich wie schon bei den Teilen I-III überhaupt nicht und ist gleichermaßen unpräzise wie überempfindlich. Lediglich bei The Angel of Darkness spielt es sich mit der aktualisierten Bedienung sehr viel besser. Dafür gibt es hier wie bei allen anderen Teilen viel Frustpotenzial mit forcierten Kameraperspektiven. Immerhin: Auch dieses Mal wurden sowohl der Soundtrack als auch die verschiedenen Synchronfassungen neu abgemischt, was in einer hörbar saubereren und dynamischeren Klangkulisse resultiert. Über die verbliebenden Mankos tröstet einen dieser Umstand aber nur bedingt hinweg. 

Die Bibliothek von Alexandria reiht gleich mehrere komplexe Rätsel aneinander. Ohne gute Komplettlösung kommen selbst hellere Köpfchen schnell an ihre Grenzen. | Tomb Raider: Die letzten Offenbarung, PlayStation 5 Pro

Wirklich überraschen sollte es keinen, aber das bereits erwähnte Tomb Raider: The Angel of Darkness bleibt das schwarze Schaf dieser Collection. Obwohl man offensichtlich viel Zeit darauf verwendet hat, bestehende Fehler auszumerzen, wird die im Kern mangelhafte Erfahrung dadurch nicht aus der Welt geschafft. Ein durch und durch schlecht designtes Spiel wird durch weniger Bugs eben nicht gleich zum Hit. Auf eine leicht perverse Weise hat es durchaus seinen Reiz, sich durch den vorläufigen Sargnagel eines ganzen Franchises zu daddeln, der über weite Strecken auch inhaltlich absolut keinen Sinn ergibt. Dafür kann Aspyr Media ebenso wenig wie die am Remaster beteiligten Personen, aber es ist nun einmal Teil dieser Sammlung und muss als solcher natürlich auch gewertet werden. 

„So groß die Freude darüber ist, vor allem das vierte und fünfte Abenteuer von Lara Croft noch einmal in grafisch ausreichend modernisierter Form erleben zu dürfen, so offensichtlich ist beim Spielen die Tatsache geworden, dass es Dinge gibt, die sich in der Erinnerung deutlich besser gehalten haben, als es in der Realität tatsächlich der Fall ist. Und wer denkt, The Angel of Darkness würde sich nunmehr wie ein fertiges Spiel mit verspätetem Spaßpotenzial anfühlen, irrt trotz einiger Verbesserungen gewaltig. Insgesamt hätte man manches noch besser machen können. Für den relativ kleinen Preis und mit einem gewissen Nostalgiebonus kann man sich die drei Titel aber auf jeden Fall ansehen – wenn man mit der anhaltend veralteten bis gewöhnungsbedürftigen Bedienung und einigen gegenwärtig noch vorhandenen Problemen zurechtkommt.“

  • Drei umfangreiche Spiele inklusive Erweiterung in einer Sammlung
  • Im Rahmen der Möglichkeiten überwiegend gelungene visuelle Modernisierung
  • Flüssige Performance auf sämtlichen Plattformen
  • The Angel of Darkness mit längst überfälligen Fehlerbehebungen
  • Wechsel zwischen Original und Remaster jederzeit möglich
  • Ursprüngliche Grafikmodi der Teile IV und V auf Wunsch erstmals mit 60 Bildern pro Sekunde spielbar
  • Hörbar optimierte, aufgeräumte Vertonung
  • Funktionieller Fotomodus
  • Mit knapp zehn Euro pro Titel sehr fairer Preis
  • Ursprüngliches Alter der Spiele bleibt klar erkennbar
  • Allenfalls mittelmäßig hochskalierte Videosequenzen
  • The Angel of Darkness bleibt ein spielerischer Totalschaden in der Geschichte des Gamings
  • Überarbeitete Beleuchtung resultiert stellenweise in viel zu dunklen Arealen
  • Überschaubare Komfortfunktionen
  • Alternative Kostüme lassen sich gegenwärtig nicht aktivieren
  • Automatische Kamera unverändert frustanfällig
  • Klassische und modernisierte Bedienung je nach Spiel wie die Wahl zwischen Pest und Cholera

Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Aspyr Media zur Verfügung gestellt worden.

*Unsere Links werden nicht mit einer Monetarisierung versehen

©2025 M-Reviews.de

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*