Wer dachte, rundenbasierte Taktikspiele wären tot, hat definitiv nicht richtig hingesehen. Während die Larian Studios weiter unter Hochdruck an Baldur´s Gate III werkeln, serviert uns Square Enix mit The DioField Chronicle einen weiteren Genrevertreter, dessen ungewöhnliche Stilmischung nicht nur Veteranen strategischen Denkens, sondern auch Einsteiger anlocken soll. Wir haben den Titel für euch auf Herz und Nieren geprüft und klären, ob das Vorhaben gelungen ist.
Kampf um die Jade
The Diofield Chronicle erzählt die Geschichte des fiktiven Kontinents Rowetale, welches sich seit geraumer Zeit mit dem Schoevianischen Imperium im Krieg befindet. Die Westhälfte des mächtigen Reichs befindet sich längst unter der Herrschaft seiner Invasoren, doch die aus allen übrigen Nationen gebildete Allianz schlägt entschlossen gegen die Besatzer zurück. Seit sich die nahegelegene Vherman-Republik auf die Seite von Rowetale geschlagen hat, herrscht zwischen den Parteien eine angespannte Pattsituation.
Der Grund dafür ist Jade, ein kostbarer und gleichzeitig überaus seltener Rohstoff, der für das Wirken von Magie zwingend erforderlich ist. Weil den Streitparteien das begehrte Material mittlerweile ausgegangen ist, wenden sich neuerdings sämtliche Blicke auf die Insel DioField und das dort gelegene Königreich Alletian im Nordwesten des Kontinents. Dort vermutet man gewaltige, bisher unentdeckte Jadevorkommen. Für die bisher vom Krieg verschonte Nation brechen blutigen Zeiten an, denn die Gier nach der seltenen Ressource trägt den Konflikt über die Küsten hinaus mitten ins Land hinein.
Im daraus entstehenden Chaos stirbt der vierte Thronfolger der dort ansässigen Herrscherdynastie nach einem feigen Attentat. Dessen Kindheitsfreude schwören Rache und finden sich alsbald als Söldner im Dienst des Regionalhelden William Hende mit dem Ziel ein, die Mörder zur Strecke zu bringen und DioField Island wieder zu einem Ort des Friedens zu machen. Anfänglich ist das Trio noch auf sich gestellt, doch mit der Zeit schließen sich der Sache weitere Verbündete an. Das Schicksal einer ganzen Nation liegt plötzlich in den Händen einiger weniger Helden…
Bemüht, aber weit entfernt von Brillanz
Wenn ihr euch bereits jetzt kaum im Begriffschaos des Spiels zurechtfindet, dürften euch Namen wie Andrias Rhondarson, Iscarion Colchester und Waltaquin Redditch – so die illustren Schöpfungen einiger weniger Helden, mit denen wir uns im weiteren Verlauf auf immer kniffligere Missionen wagen dürfen – erst Recht in akute Konfusion versetzen. Weniger Fantasie bei der Namensgebung, dafür mehr Persönlichkeit hätte den Helden wirklich gutgetan. Der gesamte Kontinent versinkt im Krieg, was die Sölderbande im Verlauf der Handlung zu mannigfaltigen Gräueltaten zwingt, denen sie innerhalb der zahlreichen Zwischensequenzen für meinen Geschmack viel zu kühl gegenüberstehen.
Während The DioField Chronicle mit taktisch zunehmend anspruchsvollen Kämpfen vor hübsch gestalteten Kulissen im Stile eines Diorama zumindest beim Gameplay überzeugt, hat mich die gesamte Rahmenhandlung mitsamt ihrer Charaktere von Anfang bis Ende völlig kaltgelassen. Cringe Dialoge, kaum nennenswerte Überraschungen…da gibt es innerhalb des Genres deutlich empfehlenswertere Kandidaten, unter anderem aus eigenem Hause! Das bedeutet jedoch bei weitem nicht, dass man dem Spiel keine Chance geben sollte, denn hinter der schwachen Geschichte versteckt sich ein interessanter Mix aus Taktik und Strategie mit fairer Lernkurve.
Anders als zum Beispiel bei Divinity laufen die Missionen nicht rundenbasiert ab, sondern in Echtzeit. Auf Wunsch lässt sich das Spiel aber jederzeit pausieren, um die nächsten Angriffe und Bewegungen ganz in Ruhe planen zu können. Maximal vier Helden können pro Mission mitgenommen werden. Was als reine Nahkampforgie beginnt, bekommt durch Scharfschütze, Magierin und Co. schnell wesentlich mehr Abwechslung verliehen. Weil die ersten Aufträge aber sowieso eher Tutorialcharakter haben, ist die überschaubare Heldenanzahl zu Beginn nicht gänzlich verkehrt. Insgesamt drei Schwierigkeitsgrade stehen zur Auswahl und können vor jeder Mission individuell ausgewählt werden, nicht jedoch währenddessen.
Nach erfolgreichem Abschluss belohnt uns das Spiel mit Gold, Erfahrung und gelegentlich auch neuer Ausrüstung, die wir unseren Helden im Anschluss über ein Menü bequem zuweisen können, um deren Angriffs- bzw. Widerstandskraft und andere Attribute zu verbessern. Bei Levelaufstieg schalten wir außerdem Talentpunkte frei, mit denen wir in den jeweiligen Skilltrees entweder ganz neue Fähigkeiten freischalten können, oder bereits erlernte Talente verbessern können. Leider artet das besonders zur Mitte des Spiels in ziemlich lästigem Grind aus, denn ab diesem Zeitpunkt werden die Gegner deutlich zäher, was stellenweise in nervigen Trial-and-Error-Passagen resultiert.
Mittelmäßig schönes Mittelalter
Als grafisches Fundament von The DioField Chronicle fungiert die Unreal Engine 4, was wieder einmal beweist, wie vielseitig das beliebte Gerüst doch einsetzbar ist. Angesichts des visuellen Stils kann der immer noch potente Spielemotor seine Stärken aber nur bedingt ausspielen. Licht- und Partikeleffekte können sich gemessen am Genre durchaus sehen lassen, alles andere kommt aber nicht über schnöde Durchschnittskost hinaus. Besonders das Hauptquartier, welches als eine Art Hubareal zwischen den Missionen dient, wirkt erschreckend trist. Alle Plattformen nutzen dieselben Assets, Unterschiede gibt es allenfalls bei Auflösung und Bildrate. Besonders die Switch kämpft mit verwaschenen Texturen und weniger kraftvollen Farben, ist also allenfalls im Handheldmodus brauchbar.
Deutlich besser sieht das Spiel bereits auf PlayStation 4 und XBOX One aus, wobei die PlayStation zumindest bei den Basismodellen die Nase ein gutes Stück vorne hat. PlayStation 5 und XBOX Series X bieten drei Modi, wobei der Fokus entweder auf Performance, Qualität und/oder einem Kompromiss aus beiden Aspekten liegt. Die PC-Version sieht im direkten Vergleich bei höchstens Settings nahezu identisch zum Grafikmodus aus. Maximal 4K sind auf den aktuellen Konsolen möglich, aber auch im Bereich von 1080p – wie zum Beispiel auf der XBOX Series S – kommen die Visuals ausreichend scharf zur Geltung. Da das Gameplay ohnehin eher gemütlich ist, fallen Unterschiede bei der Bildrate nicht wirklich ins Gewicht, weswegen man auf jeder Plattform bedenkenlos zugreifen kann, sofern man die Switch nicht ausschließlich im Dock betreibt.
Für den stimmigen Soundtrack zeichnet sich das Duo Ramin Djawadi und Brandon Campbell verantwortlich, die spätestens seit ihrer Arbeit an der Erfolgsserie Game of Thrones auch einem größeren Publikum bekannt sein dürften. Während die Texte komplett auf Deutsch vorliegen, gibt es die dazugehörigen Stimmen nur wahlweise in Englisch oder Japanisch, wobei mir letzteres wesentlich besser gefallen hat, da die englischen Sprecher für meinen Geschmack etwas zu überbetont ans Werk gegangen sind. Die Bedienung ist angenehm zugänglich und schnell erlernt, ganz egal ob man sich via Maus und Tastatur oder mit Gamepad in die Schlacht um Rowetale stürzt.
„Die Hoffnung, dass das fertige Spiel die zahlreichen Schwächen der Demo noch rechtzeitig ablegen würde, haben sich leider nicht erfüllt. So bleibt The DioField Chronicle lediglich ein ambitionierter Genremix, der dank uninteressanten Charakteren und dümmlichen Dialogen viel von seinem erzählerischen Potenzial auf der Strecke lässt. Spielerisch sieht es da trotz einiger nerviger Aspekte schon besser aus. Zwar kann es der Titel zu keinem Zeitpunkt mit der Tiefe von Divinity und Co. aufnehmen, für Neulinge im Genre eignet sich das Spiel dank guter Zugänglichkeit aber wesentlich besser. Wer hier ein Spiel im Stil eines Final Fantasy Tactics erwartet, dürfte trotz einiger offensichtlicher Referenzen enttäuscht zurückbleiben. An den Klassiker reicht das Werk nämlich bei weitem nicht heran.“
- Hübsche Licht- und Partikeleffekte
- Detailverliebte Dioramakulissen
- Abwechslungsreiches Hauptmissionsdesign
- Interessanter Mix aus Taktik und Strategie
- Setting im Kern mit viel Potenzial
- Helden mit einzigartigen Fähigkeiten
- Guter Gesamtumfang
- Viele optionale Missionsziele
- Drei Schwierigkeitsgrade
- Faire Lernkurve
- Filmreifer Soundtrack
- Gute japanische Sprecher
- Sauber lokalisierte Untertitel
- Zugängliche Bedienung über sämtliche Plattformen
- Weitestgehend uninteressante Charaktere
- Stupide Dialoge
- Teils sehr generische Nebenmissionen
- Arg gewöhnungsbedürftige Namensgebung
- Trostlos gestaltetes Hauptquartier
- Ab der Mitte unnötig grindlastig
- Überzeichnete englische Sprachausgabe
- Kein Mehrspielermodus
Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Square Enix zur Verfügung gestellt worden.
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