Bereits nach dem ersten Trailer zu Stellar Blade hagelte es Verrisse aus der linken Medienecke. Nicht etwa aufgrund des Gameplays, sondern einzig aufgrund der Tatsache, dass die überaus attraktive Protagonistin des Spiels ihre Gegner auf Wunsch in winzigen Kostümchen zerlegt. Nun ist die koreanische Antwort auf Bayonetta endlich auf dem Markt und im Ergebnis zeigt sich: Obwohl Innovationen mit der Lupe gesucht werden müssen, macht das Sci-Fi-Abenteuer eine Menge Spaß!
Entwickler: Shift Up
Publisher: Sony Interactive Entertainment
Plattform: PlayStation 5
Altersfreigabe: ab 18 Jahren
Metacritic | OpenCritic | IMDB
Nur noch kurz die Welt retten
Die Geschichte von Stellar Blade ist relativ schnell erzählt: In naher Zukunft steht es um das Schicksal der Menschheit nicht allzu gut. Nach einem verlustreichen Krieg gegen die monströsen Naytibas sind die wenigen Überlebenden mithilfe gewaltiger Raumschiffe ins All geflohen. Seitdem wird von dort aus regelmäßig versucht, den verlorenen Heimatplaneten zurückzuerobern – bisher aber ohne Erfolg. Ein neuer Versuch soll das Schicksal der Menschheit nun endlich zum Guten wenden. Unter den entsendeten Truppen befindet sich auch die Schwertkämpferin Eve, die unmittelbar nach ihrer Ankunft auf der völlig zerstörten Oberfläche mit ansehen muss, wie ihre Kameraden nach und nach an der Übermacht der Naytibas zerbersten. Im Angesicht des sicheren Todes kommt ihr unerwartet der Schrottsammler Adam zur Hilfe, der Eve als Gegenleistung darum bittet, vier Hyperzellen von besonders starken Monstergattungen in ihren Besitz zu bringen. Damit verspricht sich das Oberhaupt von Xion, der letzten Menschenstadt auf Erden, nicht nur zehntausende Bürger aus der Stase befreien zu können, auch sollen die begehrten Energiequellen den Weg zum Versteck des Ober-Naytibas öffnen, dessen Ende den Krieg mit einem Schlag beenden könnte.
Bei ihrer Mission kommt Eve einem unglaublichen Geheimnis auf die Spur, welches nicht nur den Ursprung des Konflikts in ein gänzlich neues Licht rückt, sondern auch ihre eigene Existenz mit einem Schlag hinterfragt. Wer schonmal Blade Runner gesehen hat, kann in etwa erahnen, in welche Richtung sich die gut zwanzig bis fünfundzwanzig Stunden Spielzeit umfassende entwickeln wird. Trotzdem lohnt sich auch für Kenner ein näherer Blick auf Stellar Blade, denn unter dem zugegeben nicht gerade frischen Erzählansatz verbirgt sich eine gut geschriebene Geschichte mit interessanten Charakteren, welche zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommen lässt. Dabei kristallisiert sich zum Glück schnell heraus, dass sich hinter der bildschönen Eve mehr verbirgt als nur ein werbeträchtiger Blickfang. Die bis zur Perfektion trainierte Amazone mit den schier endlosen schwarzen Haaren ist mir im Verlauf des Spiels dank ihrer gleichermaßen sympathischen wie vielschichten Persönlichkeit immer mehr ans Herz gewachsen. Drei verschiedene Enden sorgen für einen grundsoliden Wiederspielwert, auch wenn sich die jeweiligen Sequenzen nur sehr bedingt voneinander unterscheiden.
Den vorauseilenden Vorwurf, mit der hervorstechenden Optik der Protagonistin mehr Fanservice als nötig im Spiel einzubauen, kann ich nur in Teilen nachvollziehen. Zugegeben, die teils arg konträr zum dystopischen Setting gestalteten Kostüme sind wohl primär dazu gedacht, ein männliches Publikum anzusprechen und passen eher selten zum Geschehen auf dem Bildschirm. Deswegen aber gleich einen (primär aus dem Westen orchestrierten) Shitstorm zu entfesseln, weil sich buntgefärbte Borderliner in den ideologisch längst komplett versumpfen Redaktionen am südkoreanischen Schönheitsideal stören, ist doch genau jene kulturelle Anmaßung, der sich diese selbsternannten Kämpfer für soziale Gerechtigkeit doch sonst angeblich so entschlossen entgegenstellen. Und ganz ehrlich: Wer sich als Medienjournalist ausschließlich an Aspekten wie diesen aufhängt, sollte sich vielleicht ein anderes Berufsfeld aussuchen.
Update: Offenbar ist Publisher Sony, bzw. das Entwicklerstudio kurz vor Release des Spiels doch noch eingeknickt und hat mit dem Day-One-Patch nicht nur New Game Plus und diverse Komfortoptionen ins Spiel implementiert, sondern auch einige nachträgliche Zensuren. So wurden ein paar der besonders knappen Kostüme mit etwas mehr Stoff versehen und auch gegnerisches Blut bleibt nicht länger an Eve haften. Gegenwärtig versammeln sich zahlreiche wütende Spieler im Netz, um gegen die im Vorfeld nicht kommunizierten Eingriffe mobil zu machen. M-Reviews spricht sich deutlich gegen jedwede Zensur in Videospielen und das Einschränken der kreativen Freiheit aus, entsprechend werden wir diese Maßnahmen auch in unserer Wertung berücksichtigen.
Eine einschneidende Erfahrung
Auch auf dem höheren der insgesamt zwei Schwierigkeitsgrade müssen Spieler keine Souls-Like-ähnliche Erfahrung befürchten. Zwar fordert euch Stellar Blade bereits im Story-Modus eine angemessen ausgeprägte Reaktionszeit ab und ist keineswegs ein Spaziergang durch den Park, mit ein wenig Geschick ist das Abenteuer aber auch auf der regulären Schwierigkeit für jeden gut zu bewältigen, der sich wenigstens etwas Zeit dafür nimmt, die Bewegungs- und Angriffsmuster der Gegner zu studieren. Rücksetzpunkte gibt es in Form zahlreicher Lager fast überall, weshalb es beim Ableben der Heldin oftmals nur wenige Augenblicke benötigt, ehe man sich erneut an einem kniffligen Encounter versuchen darf. Dort findet ihr zusätzlich auch einen Itemshop, mit dem ihr eure Accessoires auffüllen könnt, ebenso aber auch eine Station für die Verteilung von Fertigkeitspunkten sowie dem Ausrüsten von Kostümen und zusätzlichen Modulen, mit denen ihr Eve im Kampf weiter spezialisieren könnt. In den gleichermaßen zugänglich wie übersichtlich gestalteten Menüs findet man sich problemlos zurecht, alles wirkt angenehm aufgeräumt und an seinem Platz.
Zu Beginn steht euch lediglich eine Klinge für den Nahkampf zur Verfügung, im späteren Verlauf des Spiels erhält Eve aber auch eine Fernkampfwaffe. Weil die verschiedenen Munitionstypen aber rar gesät sind, sollte man davon sparsam Gebrauch machen. Das grundlegende Spielprinzip besteht aus drei einfachen Säulen: Angreifen, Ausweichen und die Monster möglichst rasch in den Trancezustand versetzen. Nur dann werden sie für kurze Zeit anfällig für kritischen Schaden. Ausweichen ist deshalb wichtig, weil sich die damit verbundene Leiste mit der Zeit wieder entlädt, wenn zwischen zwei Angriffen zu viel Zeit vergeht. Es empfiehlt sich also nicht, zu sehr in die Defensive zu gehen. Ausweichen lohnt sich nur bei tödlichen Angriffen, während die regulären Attacken bei erfolgreichem Parieren weitere Zeitfenster für effektive Konter öffnen. Und auch Eve verfügt über insgesamt vier erlernbare und erweiterbare Spezialangriffe, mit denen sie selbst größeren Ansammlungen verheerenden Schaden zufügen kann. Allerdings laden sich auch diese Fertigkeiten erst nach und nach durch sauberes Kämpfen langsam wieder auf. Fans von Devil May Cry werden sich hier schnell wie zuhause fühlen, denn das Gameplay von Stellar Blade ist primär auf Geschwindigkeit ausgelegt, verlangt euch aber ebenso auch Präzision ab.
Bei der Erkundung der zerstörten Welt müssen wir zudem regelmäßig ein paar akrobatische Einlagen absolvieren, gelegentliche Schalter- und Schieberätsel gibt es ebenfalls, wirklich herausfordernd sind die aber nicht. Wer sich die Zeit nimmt und auch nicht ganz so offensichtliche Pfade gründlich absucht, wird meistens mit wertvollen Komponenten belohnt, mit denen wir bei der brillanten Konstrukteurin Lily unter anderem unsere Tragekapazitäten für Heiltränke erhöhen und mehr Energie für Spezialangriffe nachrüsten können. Wie ich schon eingangs erwähnt habe, ist das alles mehr ein Versatz bekannter Elemente und als solcher alles andere als innovativ. Wenn die einzelnen Elemente aber so gut zusammengefügt werden, wie es hier der Fall ist, soll einen das ausnahmsweise gar nicht stören. Lediglich bei den Nebenmissionen hätte ich mehr etwas mehr Abwechslung erhofft. Die an den diversen Anschlagbrettern ausgewiesenen Aufträge bestehen in der Regel aus wenig mehr als Suche-und-Zerstöre-Aufgaben, an denen man sich schnell sattgespielt hat.
Unreale Dystopie
Stellar Blade befindet sich bereits seit 2019 in Entwicklung und war ursprünglich als Projekt für XBOX One, PlayStation und PC in der Mache. Der zwei Jahre später ausgehandelte Exklusivdeal mit Sony sowie die anstehende Veröffentlichung der PlayStation 5 machten eine Umstrukturierung der bestehenden Pläne für unausweichlich. Beim ursprünglichen Grafikgerüst, nämlich der Unreal Engine 4, ist es aber letztendlich geblieben. Dass die auf ihre alten Tage durchaus noch einiges zu leisten imstande ist, demonstriert das fertige Spiel teils sehr eindrucksvoll. Die Stärken der Engine, unter anderem bei der Darstellung von Partikeleffekten und Beleuchtung, wurden vom Entwicklerteam um Game Director Kim Hyung-tae hervorragend ausgenutzt. Und auch die mithilfe von Motion Capturing ins Spiel implementierten Animationen können sich sehen lassen. Lediglich in Sachen Mimik wirkt das Geschehen nicht immer gänzlich zeitgemäß. Seinen eigentlichen Ursprung können die Macher aber nicht vollständig verbergen: Umgebungstexturen wirken vereinzelt detailarm und matschig, gleiches gilt für die meisten regulären Passanten, denen Eve in der Stadt begegnen kann. Abseits dieser kleinen Kritikpunkte ist Stellar Blade aber ein wirklich hübsches Spiel geworden – und das nicht nur dank der zeigefreudigen Protagonistin.
Gleich drei Modi stehen euch zur Auswahl, nämlich ein reiner Leistungsmodus mit durchgehend butterweichen 60 Bildern pro Sekunde auf Kosten von Auflösung und Qualität, dann ein ausgeglichener Modus, bei gleichbleibender Bildrate weniger drastisch in die Visuals eingreift und dadurch nicht ganz so flüssig performt und abschließend noch ein reiner Grafikmodus. Der begrenzt das Geschehen auf 30 Bilder pro Sekunde, löst aber exklusiv in nativem 4K auf. Hier hat man also wieder einmal die Qual der Wahl.
Hinweis: Da das Spiel über keinen Fotomodus verfügt, haben wir sämtliches Bildmaterial mit dem regulären Aufnahmetool der PlayStation 5 erstellen müssen. Dadurch entstand ein leider nicht vermeidbarer Unschärfeeffekt, der im eigentlichen Spiel so nicht vorhanden ist. Wir bitten darum, dies zu berücksichtigen.
Mich persönlich hat der ausgeglichene Modus trotz kleinerer Einbrüche in besonders rechenlastigen Momenten am ehesten überzeugt. Angesichts des anhaltend hohen Spieltempos fallen kleinere Abstriche sowieso kaum auf und bei einem derart auf Reaktion ausgelegten Spiel wie Stellar Blade sind 30 Bilder pro Sekunde einfach nicht zweckdienlich. Alles in allem bieten alle drei Modi eigene Vor- und Nachteile, generell ist es immer sehr löblich, wenn man Auswahl hat, weshalb ganz sicher jede Spieler den für ihn passenden Modus finden lässt – zudem man im laufenden Spiel jederzeit bequem hin- und herwechseln kann.
Die deutsche Synchronfassung kann sich durchgehend hören lassen, wer möchte, kann das Spiel wahlweise auch auf Englisch, Koreanisch und mehreren weiteren Sprachen erleben. Lediglich eine japanische Übersetzung fehlt – warum auch immer. Dazu gibt’s einen filmreifen Soundtrack. Die Bedienung mit dem DualSense geht wunderbar von der Hand und ist schnell erlernt. Auch das haptische Feedback des Controllers macht sich regelmäßig bemerkbar. In den Innenarealen kann es aber je nach Perspektive häufig zu ein paar Problemen mit der Kamera kommen, außerdem ist Eve nicht gerade talentiert im Bewältigen kleiner Schritte. So geriet unter anderem die Reparatur des Solarturms im Ödland zu einer schieren Zerreißprobe, weil unsere Heldin regelmäßig einen Riesensatz über die kleinen Flugplattformen gemacht hat und dadurch öfter zu Tode geraten ist, als im ganzen Rest des Spiels innerhalb regulärer Kämpfe.
„Wenn ein Spiel unmittelbar nach Veröffentlichung der ersten Trailer sämtliche woke-gewaschenen Spinner im Netz gegen sich aufbringt, bedeutet das in der heutigen Zeit wahrscheinlich, dass da etwas verdammt Gutes auf uns zukommt. Und tatsächlich: Obwohl Stellar Blade das Rad nicht neu erfindet, macht es von Anfang bis Ende unglaublich viel Spaß – und das liegt nicht nur am Fanservice in Form der auf Wunsch leichtbekleideten Protagonistin, welche ganz nebenbei erwähnt einfach ein sympathischer Charakter ist, sondern primär am gelungenen Gameplay. Dass man auf den letzten Drücker doch noch vor einer laut plärrenden Minderheit eingeknickt ist und nachträgliche Zensuren in einem weltweit nahezu überall ausschließlich für volljährige Spieler freigegebenen Spiel implementiert hat, ist mir völlig unverständlich. Die Tatsache, dass so viele Konsumenten dagegen mittlerweile lautstark auf die Barrikaden gehen und Publisher dies auf lange Sicht nicht mehr ignorieren können, bleibt aber ein gutes Zeichen dafür, dass die große Leidenschaft von zig Millionen Menschen – nämlich das Gaming – noch nicht ganz an die Ideologen verloren gegangen ist. Und solange es Titel wie Stellar Blade gibt, gibt es auch Hoffnung dafür, dass auch die Vernunft irgendwann wieder die Oberhand gewinnen wird.“
- Unverbrauchtes Setting mit dichter Endzeit-Atmosphäre
- Ansehnliche Licht- und Partikelkulisse
- Wunderbar dystopische Panoramen
- Abwechslungsreich gestaltete Welt
- Hochwertige Animationen
- Exzellentes Charakter- und Kreaturendesign
- Sympathische Protagonistin
- Rasante, abwechslungsreiche Kämpfe
- Bevorzugter Spielstil lässt sich dank zahlreicher Upgrades optimal spezialisieren
- Mindestens zwanzig Stunden Spielzeit
- Drei mögliche Enden erhöhen Wiederspielwert
- Zwei gut ausbalancierte Schwierigkeitsgrade
- Erkunden wird immer belohnt
- Neues Spiel Plus
- Faire Lernkurve
- Stets fordernd, aber nie unfair
- Drei Grafikmodi für jede Präferenz
- Gute Sprecher
- Stimmiger Soundtrack
- Übersichtliche Menüs
- Zugängliche Bedienung
- Vorhersehbare Handlung
- Insgesamt kaum neue Ideen
- Mittelmäßig erzählte Nebenmissionen mit sich wiederholendem Schema
- Fanservice schadet gelegentlich der Immersion
- Weltweit nachträglich und ohne Vorankündigung implementierte Zensuren
- Banale Dialogentscheidungen ohne wahrnehmbare Konsequenzen
- Gelegentlich problematische Kameraführung
- Bei wenig Bewegungsfreiheit teils extrem frustrierende Steuerung
- Teils schwache Texturen
- Kein Fotomodus
Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Sony Interactive Entertainment zur Verfügung gestellt worden.
*Unsere Links werden nicht mit einer Monetarisierung versehen
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