Während Metal Gear als Urvater der Stealth-Games gilt, revolutionierte Metal Gear Solid die Wahrnehmung von Videospielen als Medium für filmreif erzählte Geschichten. Die beiden Nachfolger auf PlayStation 2 zählen zu den meistverkauften und bestbewerteten Titeln einer ganzen Generation. Diese einzigartige Erfolgsgeschichte – oder zumindest ein Teil davon – kann man jetzt innerhalb der Metal Gear Solid: Master Collection, Vol. 1 erstmals erneut auf aktuellen Plattformen erleben. Warum sich die Sammlung nicht für jeden lohnt, erläutern wir pünktlich zum Release in unserem Test.
Entwickler: Virtuos | M2 Co., Ltd.
Publisher: KONAMI
Plattform: PC | PS4 | PS5 | XBS | NS
Veröffentlichungsdatum: 24. Oktober 2023
Preis: 59,99€*
Altersfreigabe: ab 16 Jahren
Metacritic | OpenCritic | IMDB
Snake Tales
Sieben Spiele enthält die Collection insgesamt, im Vordergrund davon stehen eindeutig Metal Gear Solid und die beiden Sequels. Die für den seinerzeit überwiegend in Japan verbreiteten Heimcomputer MSX veröffentlichten Vorgänger, nämlich Metal Gear und dessen Nachfolger sind wie schon innerhalb der 2011 veröffentlichten HD Collection ebenfalls enthalten. Dazu gibt es noch die NES-Version von Metal Gear, welche es audiovisuell aber nicht mit dem Original aufnehmen kann, außerdem Snake’s Revenge. Letzteres stellt durchaus ein kleines Kuriosum dar, da das Spiel komplett ohne Beteiligung von Serienschöpfer Hideo Kojima erschaffen worden ist und dementsprechend nicht offiziell Teil des Kanons ist. Um das alles zusammenbringen, hätte sich ein Menü in Form einer informativen Timeline geradezu aufgedrängt. Stattdessen hat sich KONAMI für separate Overlays entschieden, was die ganze Sache von Anfang an unnötig verkompliziert.
So hat man die MSX-Titel unter einem Reiter zusammengefasst, während die drei Hauptspiele eigenständig voneinander aufgerufen werden müssen. Und die NES-Veröffentlichungen findet man nur bei genauem Hinsehen innerhalb des wiederum vom Rest abgetrennten Bonusmaterials. Dementsprechend ist es nicht möglich, bequem zwischen den Spielen hin und her zu wechseln. Viel umständlicher hätte man es wirklich nicht händeln können – ein Vorgeschmack auf alles, was da noch kommt. Denn auch bei der eigentlichen Umsetzung ist die über die letzten Jahre zusehends in Verruf bei den Spielern geratene Traditionsschmiede grundsätzlich den Weg des geringsten Widerstands gegangen. Metal Gear Solid wurde damals in mehreren unterschiedlichen Fassungen veröffentlicht. Die unterscheiden sich nicht nur in der Sprache voneinander, sondern eben auch inhaltlich. Die Gründe dafür sind mannigfaltig und überwiegend zensurbedingt. In der deutschen Erstauflage wurde sämtliches Blut noch dargestellt, hier wurden die entsprechenden Effekte bei getroffenen Gegnern weiß eingefärbt. Gut zu erkennen ist das in der Szene, wo Revolver Ocelot der Arm abgetrennt wird. Statt dem roten Lebenssaft sprühen hier nur noch Funken. Warum, das weiß nur KONAMI.
Dass sich sämtliche, weltweit veröffentlichte Versionen an Bord der Collection befinden, mag erstmal lobenswert sein, warum man auf deren Basis aber keine international identische, vollständig ungekürzte Einheitsfassung erstellt hat, erschließt sich mir jedoch nicht. Man hätte die gewünschte Sprache vorher einfach auswählen können und alles wäre gut gewesen. Für KONAMI offenbar mit zu viel Aufwand verbunden. Immerhin kommen Fans im Westen jetzt erstmals in den Genuss der Integral Version inklusive wahlweise englischen Texten und Dialogen. Dabei handelt es sich um eine bisher nur in Japan verfügbare Neuauflage, die nicht nur die hier separat veröffentlichten VR-Missionen enthält, sondern auch zusätzliche Schwierigkeitsgrade und exklusive Boni offeriert. Wer auf die mit den Jahren irgendwie liebgewonnene, weil herrlich trashige deutsche Synchronfassung verzichten kann, bekommt dort die inhaltlich vollständigste Fassung des Spiels geboten, die anders als sämtliche PAL-Versionen auch nicht an einer anhaltend horrenden Eingabeverzögerung leidet. Mit ein wenig mehr Arbeit hätte man das alles deutlich vereinfachen können. Leider erstellt die Collection für jede Fassung eigene Spielstände, untereinander kompatibel sind die natürlich auch nicht.
Erschwerend hinzu kommt die mittelmäßige Emulation des Klassikers, die lediglich im ursprünglichen Bildformat 4:3 wiedergegeben wird und zum Ausfüllen der schwarzen Blöcke an den Seiten immerhin ein paar alternative Motive anbietet. Auf Basis der ursprünglichen Auflösung von 240p wird lediglich auf 1080p hochskaliert, ohne dass sich an der bekannten Optik irgendwas verbessern würde. Tatsächlich schaut das Spiel innerhalb der Master Collection sogar etwas schlechter aus, als auf der originalen PlayStation. Das liegt nämlich daran, dass die Macher vergessen haben, den plattformtypischen Dithering-Effekt zu übernehmen. Im direkten Vergleich präsentiert sich die Neuauflage – wenn man sie denn überhaupt als solche bezeichnen kann – ein gutes Stück verwaschener, was dem ohnehin schon ziemlich altbackenen Look nicht gerade gut zu Gesicht steht. Und die auf 50 Hertz getrimmten europäischen PAL-Versionen fühlen sich verglichen mit den 60 Hertz (entspricht 30 Bildern pro Sekunde) der NTSC-Version immer noch so ruckelig wie früher an. Sämtliche Tonspuren liegen unverändert in den Formaten Stereo und Mono vor, eine frische Abmischung zugunsten einer zeitgemäßen und vor allem dynamischeren Raumklangkulisse hat man sich wie so vieles andere auch gespart.
Alles schonmal dagewesen
Dass man den Rest der Sammlung genauso lieblos umgesetzt hat, dürfte angesichts all dessen kaum noch jemanden wundern. Den zweiten und dritten Teil der Hauptreihe hat man nahezu inhaltsgleich aus der HD Collection von 2011 übernommen. Neben angepassten Bedientexten wurde lediglich eine Option zum Pausieren der teils ellenlangen Zwischensequenzen implementiert. Maximal von 720p hochskalierte 1080p sind auf PlayStation 5, XBOX Series X|S und Nintendo Switch im Dock möglich. Letztere wurde zudem auf höchstens 30 Bilder pro Sekunde begrenzt – obwohl Metal Gear Solid 2 bereits damals auf der PlayStation 2 die doppelte Bildrate angepeilt hat. Besonders bitter hat es die PC-Version erwischt, denn hier gibt es für den zweiten und dritten Teil alternativlose native 720p, selbst einfachste Konfigurationsmöglichkeiten fehlen. Eine derart schlechte – weil quasi nicht vorhandene – Optimierung für die Möglichkeiten aktueller Hardware ist mir ehrlich gesagt noch nie untergekommen. Im direkten Vergleich mit der HD Collection (und sogar den Originalen!) gibt es zudem schlechtere Texturen und ausgewaschene Farben samt Kontrasten, die sich nicht nachjustieren lassen.
Dass KONAMI für dieses Sammelsurium der Faulheit tatsächlich sechzig Euro verlangt, empfinde ich als maßlose Frechheit. Hier hat man wirklich mit dem geringstmöglichen Aufwand alles in einen Kessel geworfen und dann ein dickes Preisschild draufgeklebt. Angesichts dessen überhaupt eine halbwegs positive Wertung zu vergeben, liegt an den Spielen selbst. Die sind nämlich selbst nach all den Jahren noch wahre, zeitlose Meisterwerke in Sachen Story- und Charakterdarstellung und machen als solche immer wieder Spaß. Wenn aber selbst die billigsten Emulatoren unter Zuhilfenahme der für ein paar Euro erhältlichen Originale selbst auf Mittelklassehardware schönere und flüssigere Ergebnisse produzieren, kann man das nicht kommentarlos hinnehmen. Alles, was hier enthalten ist, wurde von KONAMI ähnlich lapidar abgefertigt wie einst Hideo Kojima selbst, weswegen Metal Gear Solid V: The Phantom Pain wohl für alle Zeit ein unvollendetes Finale darstellen wird. Wo ist das in der PlayStation-3-Version der HD Collection – welche übrigens rein zufällig pünktlich zur Ankündigung klammheimlich aus allen Stores entfernt worden ist – noch enthaltene Peace Walker? Wo ist die Portierung von The Twin Snakes, für welche die meisten Fans alleine den Vollpreis bezahlen würden?
Dass man hier überhaupt von einer Master Collection spricht…ich verstehe es einfach nicht! Liebe Leser, ihr erlebt mich nicht oft wütend, aber als jahrzehntelangem Fan der Reihe blutet mir bei alldem einfach das Herz. Wovor es mir richtig graut, ist der zweite Teil der Collection. Was der genau beinhalten wird, ist momentan noch geheim, aber um dem alleine eine grundlegende Daseinsberechtigung verleihen zu können, muss da zwangsläufig Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots mit drin sein. Der einzige Titel, der die Gefilde seiner ursprünglichen Plattform – nämlich die PlayStation 3 – bisher nie verlassen hat, leidet dort bis heute unter mieser Performance und matschiger Grafik. Sollte KONAMI hier ebenfalls nur auf hochskaliertes 1080p setzen und die damaligen 30 Bilder pro Sekunde beibehalten, könnt ihr euch schonmal auf das nächste Donnerwetter einstellen. Wenn man hier irgendetwas loben will, dann höchstens die fantastisch digitalisierte Masterbooks, welches über die Jahre in gedruckter Form zu extrem teuren Sammlerobjekten geworden sind. Auch die beiden Graphic Novels hat man beigefügt, sämtliche Handbücher lassen sich online abrufen. Sicher könnt ihr verstehen, dass das nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist.
„Auf dem Papier ist die erste Volume zur Metal Gear Solid: Master Collection die perfekte Möglichkeit, einige der maßgeblich prägendsten Spiele der gesamten Videospielgeschichte neu oder erneut erleben zu können. Sämtliche enthaltenden Titel haben auch nach über zwanzig Jahren nichts von ihrer wegweisenden Erzählerqualität eingebüßt. Umso ärgerlicher, dass KONAMI die Chance, seine Kultklassiker auch visuell zeitgemäß aufzubereiten, komplett verpasst hat. Hier hat man einfach sämtliche Inhalte der existierenden HD Collection mit Ausnahme von Peace Walker unverändert portiert, während Metal Gear Solid schlechter aussieht als auf der originalen PlayStation. Dass man dafür sechzig Euro verlangt, lässt sich auch durch die beigefügten Extras zu keinem Zeitpunkt rechtfertigen. In dieser Form lohnt sich die Sammlung allenfalls für jene, die bisher keine andere Gelegenheit hatten, mit Solid Snake die Welt zu retten. Aber ich will ehrlich sein: Jeder gegenwärtig verfügbare Emulator erzielt auf Basis der Originale deutlich bessere Ergebnisse. Und das ist schon ein ziemliches Armutszeugnis für diese insgesamt lieblos umgesetzte Sammlung.“
- Die komplette Ladung Metal Gear von 1987 bis 2004
- Zeitlos fantastisch erzählt und der damaligen Zeit weit voraus
- Metal Gear Solid in sämtlichen, länderspezifischen Versionen spielbar…
- …darunter erstmals im Westen auch als Integralfassung
- NES-Versionen von Metal Gear und Snake’s Revenge als Bonus enthalten
- Kleinere, aber sinnvolle Komfortverbesserungen
- Grundsolide Extras
- Gute Bedienung via Gamepad und Joy-Con
- Deutsche Version von Metal Gear Solid scheinbar nachträglich zensiert
- PAL-Versionen von Metal Gear Solid laufen langsamer als US-NTSC…
- …und leiden durchgehend an störenden Mikrorucklern und Eingabeverzögerungen
- Metal Gear Solid sieht schlechter als auf der originalen PlayStation aus
- Metal Gear Solid 2 und 3 lösen über sämtliche Plattformen in 720p auf und skalieren allenfalls auf 1080p hoch
- Metal Gear Solid 2 und 3 mit minderwertiger Texturqualität als innerhalb der HD Collection…
- …sowie nicht justierbaren, ausgewaschenen Farben und Kontrasten
- PC-Versionen lassen selbst grundlegende Einstellungsmöglichkeiten missen
- Auffällige, portierungsbedingte Inkonsequenzen (Rechtschreibung, Eingabeanzeigen, etc.)
- Peace Walker und The Twin Snakes fehlen
- Für den gebotenen Aufwand unverschämt teuer
Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von KONAMI zur Verfügung gestellt worden.
*Unsere Links werden nicht mit einer Monetarisierung versehen
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