Auf einen Platzhirsch zu schießen, ist nie ganz risikofrei. Doch Visual Concepts – die hauseigenen Sportexperten von 2K – wagen nun trotzdem den Angriff auf den Genreprimus Mario Kart und bringen mit LEGO 2K Drive ihre eigene Interpretation eines spaßigen Kartrenners auf den Markt. Ohne große Vorankündigung hat das Team um Brian Silva einen technisch angenehm sauberen und spielerisch sehr unterhaltsamen Renner mit LEGO-Lizenz abgeliefert…wenn da nur diese elenden Mikrotransaktionen nicht wären!
Bricklandia sehen und zerstören
Die Story ist schnell erklärt: Als angehender Rennfahrer im Klötzenparadies Bricklandia treten wir im Rennen um den begehrten Sky Cup an. Auf den hat es allerdings auch der fiese Shadow Z abgesehen, der uns aus unerfindlichen Gründen auf den Tod nicht ausstehen kann und es sich ebenfalls zum Ziel gesetzt hat, den Goldpokal in seinen Händen zu halten. Dass unser Rivale dabei auch vor schmutzigen Tricks nicht zurückschreckt, wundert da natürlich niemanden – ein Grund mehr, sich als der bessere Fahrer zu beweisen. Der zugegeben ziemlich dünne Erzählfaden wird im Verlauf der knapp zehn bis zwölf Stunden umfassenden Geschichte von gewohnt humorvollen Zwischensequenzen in altbekannter LEGO-Manier begleitet, bei denen man fast den Eindruck gewinnen möchte, dass man es hier mit einem weiteren Spiel aus dem Hause TT Games zu tun hat. Tiefe sollte man dabei jedoch nicht erwarten, aber das ist auch gar nicht nötig, denn seien wir mal ehrlich: Mario Kart spielt auch niemand aufgrund der vielschichtigen Rahmenhandlung.
Spaßiges Gameplay soll im Mittelpunkt der Action stehen und das ist dem Team von Visual Concepts definitiv gelungen. Fünf Jahre hat man im Stillen an LEGO 2K Drive gewerkelt, das Ergebnis ist eine angenehm dichte und abwechslungsreiche Welt geworden, die sich nie unnötig gestreckt oder gar entvölkert anfühlt, sondern wohldurchdacht. Es gibt kaum ein Objekt, dass sich mit genügend Tempo nicht in seine Einzelteile zerlegen ließe und die vier thematisch ganz unterschiedlich gestalteten Biome stecken voller Events und Nebenaufgaben. Vom Wüstenparadies bis zum Schauerwald gibt es also allerhand zu entdecken und noch viel mehr freizuschalten. Ähnlich wie in Forza Horizon 4 fühlt sich die offene Welt niemals belanglos an, sondern als sinnvolles Herzstück, um welches sich alles andere kontinuierlich aufbaut. Die vielen optionalen Herausforderungen eignen sich perfekt dazu, um vor dem nächsten Rennen kurz zu verschnaufen, werden allerdings nach zwei Dritteln des Spiels dann doch etwas repetiv, zumal sich der Anspruch dieser Aufgaben auch arg in Grenzen hält.
Und weil sich so ein klassisches Kart am ehesten für Asphalt eignet und nicht für Wüste oder Gewässer, verwandelt sich euer Gefährt immer automatisch in den passenden Untersatz. Es ist also nicht nötig, jedes Mal wieder in die Garage zu fahren – ein immenser Timesaver und aus Komfortsicht eine klasse Idee! Ob ihr dabei auf Marke Eigenbau setzen wollt, oder eines der vielen vorgefertigten Vehikel nutzen wollt, bleibt ganz euch überlassen. Dank des umfangreichen Editors sind der Kreativität jedenfalls fast keine Grenzen gesetzt, die enden nämlich erst beim Ingameshop und der teils horrenden Monetarisierung, über die wir gleich nochmal im Detail reden müssen. Bis man dem begegnet, ist LEGO 2K Drive eine wirklich runde und gleichermaßen kurzweilige Erfahrung, die besonders ein jüngeres Publikum rasch in den Bann ziehen dürfte. Umso geschmackloser wirkt es, wenn man dann am Fließband mit Bezahlinhalten terrorisiert wird.
Die Folgen der Gier
Das Problem ist nämlich, dass 2K wieder mal den Hals nicht voll genug bekommt und das Spiel nicht nur mit vier Saisonpässen inklusive kostenpflichtiger Premium-Stufen ausstatten ließ, sondern auch noch hochwertige Fahrzeuge, Charaktere und Designs im Shop anbietet, die man ohne zusätzliche Investments allenfalls über einen unverhältnismäßig langen Grind freischalten kann, weil das Spiel seine Währung bewusst nur sehr knausrig ausschüttet, zumindest gemessen an den veranschlagten Ladenpreisen. Selbst die mit Kauf der hochpreisigen Editionen mitgelieferten Bonusguthaben lassen sich kaum sinnbringend einsetzen, weil man dafür nicht einmal eine simple Lackierung bekommt. Generell schaltet ihr zwar auch so regelmäßig neue Rennboliden und Co. frei, das wirklich gute Zeug gibt es aber sowohl in Sachen Leistung als auch Design nur gegen noch mehr Geld.
Am Ende des Spiels hatte ich selbst ohne Ausgaben nicht genug Geld auf der Bank, um mir ein Fahrzeug aus dem Shop leisten zu können. Diese Masche hat maßgeblich dazu beigetragen, dass ein sonst gutes NBA 2K jährlich massiv abgewertet werden musste und auch auch hier sehe ich dazu leider keine Alternative, weil die starken Vehikel auch im kompetiven Mehrspielermodus nutzbar sind und daher gleichermaßen unsere Richtlinien zu Pay-2-Win und Pay-2-Shortcut greifen, für die wir jeweils fünf Punkte von der Gesamtwertung abziehen. Für erwachsene Konsumenten ist das schon nervig genug, aber wenn sich ein so mit Mikrotransaktionen vollgestopfter Titel auch noch hauptsächlich an Kinder richtet, hört der Spaß endgültig auf. Schade, denn LEGO 2K Drive hätte nichts davon wirklich nötig und schießt sich mit dieser anhalten Gier auf lange Sicht nur selbst ins Bein. Denn solche Nachrichten verbreiten sich in der Regel sehr viel schneller als alles, was man über gutes Gameplay unter die Leute bringen könnte.
Ich geb´ Gas, ich hab´ Spaß!
Dabei muss man sich spielerisch gar nicht so sehr vor dem allmächtigen Mario Kart in Acht nehmen! Auch hier hier könnt ihr auch während der Rennen diverse Power-Ups schnappen und euren Gegnern damit das Leben schwermachen. Egal, ob man auf Sand, Asphalt oder Wasser fährt, das Handling ist klasse und leistet sich niemals Aussetzer – dazu gibt´s exklusiv auf PlayStation 5 dank DualSense auch ein glaubwürdiges haptisches Feedback. Beim Streckendesign sollten die Macher für die kommenden geplanten Seasons aber noch eine Schippe Kreativität draufpacken. Die gegenwärtigen Kurse sehen zwar dank kunterbuntem Klötzchenstil hübsch aus, die Kreativität des Konkurrenten erreicht man hier aber zu keinem Zeitpunkt. Besonders die ersten Events finden designtechnisch eher vor Standardkost-Ambiente statt, später wird´s besser, aber eben nie so richtig perfekt.
Gleiches gilt für das allgemeine Fahrgefühl, welches fehlenden Anspruch durch exzessives Rubberbanding auszugleichen sucht, das aber derart offensichtlich umsetzt, dass man sich fast schon ein bisschen betrogen fühlt, wenn die Gegner einen zu Beginn nahezu überrunden, dann aber in der letzten Runde derart erlahmen, dass man kurz vor Schluss doch noch relativ mühelos an ihnen vorbeiziehen kann. Versteht mich nicht falsch, innerhalb eines Arcaderacers ist das mechanisch anders als in einem waschechten Fahrsimulator absolut legitim, hätte hier aber in der Umsetzung wesentlich besser gemacht werden können. Ich habe gerne Gegner im Nacken, aber wenn die sich auf magische Weise immer wieder hinter einen teleportieren, geht einem das Belohnungsgefühl bei guten Fahrleistungen komplett verloren…oder, um es passender auszudrücken: Es bleibt schlicht auf der virtuellen Strecke.
Grundgütiger, das funktioniert ja!
The Lords of the Rings: Gollum. Star Wars Jedi: Survivor…die Liste an Enttäuschungen ist in letzter Zeit so stetig gewachsen, dass man als Redakteur schon ein ungutes Bauchkribbeln bekommt, wenn sich überhaupt irgendein neues Spiel ankündigt. Viel versprochen, viel gezeigt, wenig geliefert: LEGO 2K Drive macht technisch zum Glück alles richtig und präsentiert sich ohne vorauseilendes Erwartungsgrollen vom ersten Moment an als saubere optimierte Erfahrung, die auf jeder Plattform überzeugt. Das Entwicklerteam von Visual Concepts scheint deutlich weniger Schwierigkeiten mit der Unreal Engine 4 gehabt zu haben, denn hier läuft trotz weitläufiger Areale – eine chronische Schwierigkeit des Grafikmotors – alles rund. Und die kunterbunte, fast komplett auf Basis der LEGO-Lizenz aufbauende Welt ist eine herrliche Abwechslung zum strunzdunklen Diablo IV, durch dass wir uns bereits seit einigen Tagen durcharbeiten.
Die Kulissen punkten nicht nur durch Detailverliebtheit, sondern auch durch eine sehr ansehnliche Licht- und Partikelkulisse. Die beste Grafik gibt es wenig überraschend auf PlayStation 5 und XBOX Series X|S, während die Portierungen für die Last Generation zwar nicht merklich hässlicher aussehen, dafür aber bei Auflösung und Bildrate einige Abstriche hinnehmen müssen. Die butterweichen 60 Frames pro Sekunde auf Current-Gen-Hardware fühlen sich innerhalb dieses Genres einfach kompromisslos gut an, dazu gibt es dynamisches 4K, welches sich überwiegend im oberen Bereich einpendelt. Und die fast nicht vorhandenen Ladezeiten runden die Erfahrung perfekt ab. Ganz anders sieht es dagegen auf der Nintendo Switch aus, wo man nicht mehr nur von Abstrichen reden kann. Bei maximal möglichen 720p muss man sich besonders am großen Bildschirm auf ein ziemlich matschiges Erlebnis einstellen, welches zusätzlich in jedem wahrnehmbaren Bereich von der Texturqualität bis zur Beleuchtung dramatisch nach unten gedrosselt worden ist. Für eine schnelle Runder unterwegs eignet sich das Spiel auch dort. Wer aber auf Dauer Zeit in Bricklandia verbringen will und dass bevorzugt von der heimischen Couch aus, ist mit einer der anderen Versionen wesentlich besser bedient.
Den guten Soundtrack inklusive soliden deutschen Sprechern gibt es natürlich auch dort. Und wenn ihr mögt, könnt ihr euch mit Ausnahme der Nintendo Switch für jede verfügbare Aktivität im Spiel mit fünf Freunden zusammenschließen und diese via Online-Multiplayer absolvieren – wahlweise als Team, oder gegeneinander. Der betagten Nintendo-Konsole ist lediglich der lokale Koop-Modus geblieben, auch die Crossplay-Funktion wird dort nicht unterstützt. Angesichts der stark beschnittenen Features und der sehr bescheidenen Visuals im Vergleich zu allen anderen Plattformen können wir von der Switch-Version leider nur dringend abraten, zumal diese preislich in ähnlich hohe Kerben schlägt.
„Wer gegenwärtig fieberhaft darauf wartet, dass Nintendo mit einem neuen Mario Kart – oder besser noch, einer neuen Konsole – um die Ecke kommt, findet in LEGO 2K Drive abseits von Mario und Co. das gegenwärtig beste Rennspiel auf dem Territorium kurzweiliger Arcaderacer, welches sich zwar hier und da einiges beim Genreprimus abgeschaut hat, dank starker LEGO-Lizenz, starker Kreativkomponente und einer hübschen Open World voller Aktivitäten trotzdem eigene Akzente setzt. Beim Streckendesign kommt man zwar nicht an die Konkurrenz heran und auch das auffällige Rubberbanding kann den Spielspaß negativ beeinflussen, besonders jüngere Spieler werden mit den zugänglichen Rennen vor kunterbunter Klotzkulisse ihren Spaß haben. Auf der Nintendo Switch sind die technischen Abstriche aber zu groß, um unbemerkt zu bleiben. Und die aggressiv beworbenen Echtgeldinhalte samt Pay-2-Win und Pay-2-Shortcut kann man einem jungen Publikum ebenso wenig zumuten wie den erwachsenen Spielern.„
- LEGO + Open World + Rennen = Prima Idee
- Grafisch vor allem auf Current-Gen-Hardware und PC exzellent
- Hübsche Licht- und Partikeleffekte
- Gut gemachte Zwischensequenzen mit gelungenem Humor
- Angenehm arcadiges Fahrgefühl…
- …mit exzellentem Handling…
- …und sehr solidem Balancing
- Mächtige Creative Suite
- Hohe kreative Freiheit beim Erstellen und Modifizieren eigener Fahrzeuge
- Zehn bis zwölf Stunden Spielzeit
- Gute deutsche Sprecher
- Stimmiger, facettenreicher Soundtrack
- Zugängliche Bedienung über sämtliche Plattformen
- Grundsolide Online- und Crossplayfeatures (mit Ausnahme der Nintendo Switch)
- Relativ generisches Streckendesign
- Überschaubare Anzahl an Hauptevents
- Nerviges, extrem auffälliges Rubberbanding
- Spielerisch kaum anspruchsvoll
- Nebenaktivitäten nutzen sich ab der Mitte des Spiels zunehmend ab
- Allenfalls rudimentäre Rahmenhandlung
- Überteuerte Shopinhalte inklusive Pay-2-Win und Pay-2-Shortcut
- Unverhältnismäßiger Grind aufgrund viel zu geringer Währungsausschüttung im Spiel
- Switch-Version technisch sehr schwach
Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von 2K zur Verfügung gestellt worden.
©2023 M-Reviews.de
Hinterlasse jetzt einen Kommentar