Kaum eine Reihe spaltet die weltweite Community passionierter Gamer Jahr für Jahr so sehr wie Call of Duty. Die einen daddeln sich fix durch die Kampagne, andere sind nur an der Mehrspielererfahrung interessiert. In einem sind sich aber alle einig: Die Qualität vergangener Tage erreicht die milliardenschwere Reihe schon seit langer Zeit nicht mehr. Call of Duty: Modern Warfare III ist dafür ein trauriges Beispiel, denn was einem die Macher hier aufschwatzen, kann man guten Gewissens als den schlechtesten Beitrag zum Franchise innerhalb der letzten zehn Jahre bezeichnen.
Entwickler: Sledgehammer Games
Publisher: Activision Blizzard
Plattform: PC | PS4 | PS5 | XB1 | XBS
Veröffentlichungsdatum: 10. November 2023
Preis: ab 69,99€*
Altersfreigabe: ab 18 Jahren
Metacritic | OpenCritic | IMDB
Die Kampagne
Nachdem die Task Force 141 unter Führung von Captain Price im letzten Moment verhindern konnte, dass eine gestohlene Atomwaffe aus den Beständen der Vereinigten Staaten ins Pentagon einschlägt, wartet auf das erfahrene Team nun neuer Ärger in Form des russischen Ultranationalisten Vladimir Makarov. Der hat dank Price vier Jahre in einem hochgesicherten Gulag zubringen müssen, ehe er von seinen Leuten befreit wurde. Jetzt will der Terrorfürst mithilfe koordinierter Anschläge einen Krieg zwischen Ost und West provozieren. Seine Trumpfkarte: Eine bisher ungekannte Biowaffe. Obwohl sich CIA Station Chief Kate Laswell und ihre Verbündeten aus aller Welt – darunter auch die Freiheitskämpferin Farah Karim sowie Simon „Ghost“ Riley – sofort an die Verfolgung machen, scheint ihnen Makarov immer einen Schritt voraus zu sein. Hilfe versprechen sich Price und Co. von dem mittlerweile untergetauchten General Shepherd, der nur auf eine Gelegenheit wartet, um in die Vereinigten Staaten zurückkehren zu können…
Mehr zu verraten würde auch bedeuten, die komplette Kampagne von Call of Duty: Modern Warfare III zu spoilern. Die Geschichte ist so dünn, dass sie mühelos in einem überschaubaren Absatz Platz findet. Und falls euch das alles in irgendeiner Form bekannt vorkommt und ihr gerade nicht sicher seit, ob ihr wirklich das Review zum neuesten Ableger angeklickt habt: Ja, ihr seid hier tatsächlich völlig richtig! Die Macher haben nicht einmal im Ansatz versucht, die mit dem Reboot des ersten Modern Warfare von 2019 begonnene Geschichte mit frischen Ansätzen zu versehen, stattdessen wird munter Wiederverwertung betrieben. Ein böser Terrorist, eine gefährliche Biowaffe…das tischt uns die Reihe in nur minimal abgewandelter Form bereits seit weit über einem Jahrzehnt regelmäßig auf. Und bisher hat das (meistens) auch ausgereicht, solange wenigstens die Inszenierung gestimmt hat.
Genau hier beginnen die Probleme bei Call of Duty: Modern Warfare III. Statt eine kurze, aber immerhin bombastisch inszenierte Kampagne auf exotischen Schauplätzen rund um den Globus abzuliefern, sind wir hier überwiegend in einem nichtssagenden, fiktiven Wüstenstaat unterwegs, der nicht mehr zu bieten hat als Hafen- und Lagerhauskomplexe – also nichts, was in irgendeiner Form touristentauglich wäre. Die groß beworbenen „Offenen Kampfmissionen“, auf denen wir verschiedene Missionsziele erfüllen müssen, entpuppen sich rasch als lieblos wiederverwertete Warzone-Karten, welche sich ohne zusätzliche Spieler elendig leer und trostlos anfühlen. Das alleine bremst den Spaßfaktor schon ordentlich aus, wenn man es dann aber noch mit Gegnern zu tun bekommt, die einen aus mehreren Meilen Entfernung mit ihren Scharfschützengewehren aufs Korn nehmen und aufgrund ihrer Tarnung fast nicht aufspürbar sind, gesellt sich zur allgemeinen Enttäuschung rasch ein gewaltiger Frustfaktor hinzu.
Diese Missionen nehmen nicht nur einen Großteil der Kampagne ein, sondern lassen auch noch jenes cineastische Narrativ missen, welches den Modus für die Meisten überhaupt erst spielenswert macht. Was mir nicht in den Kopf geht ist, warum man sich bei der allgemeinen Umsetzung nicht mehr beim Original bedient hat – das ist nämlich ebenfalls unter der Federführung von Sledgehammer Games entstanden und bot genau das, was dieser lustlose Aufguss über weite Strecken komplett vermissen lässt: Abwechslungsreiche Schauplätze, fantastische Skriptsequenzen, jede Menge Dramatik und einen teuflischen Schurken. Dieses Modern Warfare III bietet von alldem…gar nichts. Da muss man beinahe froh darüber sein, dass dieser spielerische und kreative Totalschaden bereits nach kaum mehr als vier Stunden den erlösenden Abspann über den Bildschirm flimmern lässt, was selbst im Call-of-Duty-Kosmos lächerlich wenig ist.
Hinter den vertrauten Namen verbirgt sich noch weniger Substanz als beim Content vom Drachenlord, selbst Makarov ist nur noch ein Schatten seiner einstigen Größe. Farah wirkt als erzwungen taff wirkende Kämpferin einmal mehr nervig aufgesetzt und bleibt ein Paradebeispiel für Forced Diversity in Videospielen, denn nur dort würde man einer Frau in einem streng islamisch geprägten Staat ein Militärkommando anvertrauen. Aber auch der Rest der Riege könnte einem nicht egaler sein. Dass Modern Warfare III ursprünglich als DLC für den Vorgänger geplant wurde, trieft durch jede Pore der Kampagne, die man zweifelsohne mit Abstand als gegenwärtig schlechtesten und uninspiriertesten Beitrag zur Reihe betiteln muss. Solltet ihr also planen, euch das Spiel ausschließlich dafür anzuschaffen, hier mein einfacher Rat: Tut es nicht.
Der Multiplayer
Jetzt wird es immer noch jede Menge Leute geben, die sagen: „Ja, aber die überwiegende Mehrheit zockt auf lange Sicht doch eh nur den Multiplayer“. Stimmt, aber viel mehr als DLC-Charakter hat der Modus in diesem Jahr auch nicht. Praktisch ist, dass sich nahezu sämtliche Fortschritte aus dem Vorgänger mitnehmen lassen, was auch die allermeisten Waffen und ganz besonders die zahlreichen Skins und Co. miteinschließt. Dieser Schritt ist mehr als überfällig gewesen und absolut gut. Das Hauptaugenmerk liegt dieses Jahr eindeutig auf dem brandneuen Zombiemodus. Verantwortlich dafür zeigen sich Treyarch, die mit Black Ops: Cold War ihren bisher letzten Eigenbeitrag zur Reihe geleistet haben und sich seitdem primär an den Mehrspielerkomponenten der Nachfolger beteiligt haben. Statt wie bisher auf eher kleineren Karten mit einem Squad gegen immer stärkere Wellen von Untoten bestehen zu müssen, transportiert Modern Warfare III den Modus in die offene Welt und öffnet damit nicht nur Raum für deutlich mehr Zombies, sondern auch für mehrere Spielerteams, wodurch eine ganz neue Dynamik entsteht.
Bis zu vierundzwanzig Spieler dürfen sich den hirnlosen Läufern jetzt gleichzeitig über mehrere Gefahrenzonen stellen und dabei Beute ansammeln. Eine Dreiviertelstunde habt ihr dafür Zeit, dann zieht ein Sturm über die Karte und es bleiben nur noch wenige Minuten Zeit zur Exfiltration. Im Grunde funktioniert die komplette Komponente also wie die bereits bekannte DMZ, den in meinen Augen besten Modus des Vorgängers. Mit dem neuen Twist macht das auch dieses Mal wieder jede Menge Spaß, obwohl traditionsbewusstere Zombie-Fans wahrscheinlich traurig darüber sein werden, dass es dieses Mal keine klassische Erfahrung gibt. Der Rest der Mehrspielererfahrung setzt sich ausschließlich aus altbekannten Modi, unter anderem Team Deathmatch, Kill Confirmed oder Hardpoint zusammen. Sämtliche aus Modern Warfare II bekannten Karten wurden übernommen und in Teilen modernisiert. Nostalgiker dürfen sich auf Neuauflagen von Highrise, Favela und Estate freuen – drei der beliebtesten Mehrspielerschauplätze aus der originalen Modern-Warfare-Reihe. Und Ground War meldet sich mit insgesamt vier neuen Karten zurück, wirkt aber genau wie der vorstoßbasierte Modus War immer noch zu sehr wie ein bemühte Lightversion von Battlefield.
Alles in allem ist das relativ wenig frisches Material zum Launch, das soll laut den Entwicklern erst nach und nach über die nächsten Seasons ausgerollt werden. Den Startschuss dafür gibt es Anfang Dezember, dann öffnet auch die Warzone in neuem Gewand erneut ihre Pforten. Nach mehreren Stunden über sämtliche Modi wird schnell klar: Im Grunde spielt sich alles wie immer, weil sich eben kaum etwas verändert hat. Ein paar Erweiterungen, wie man sie zum Beispiel beim Gunsmith findet, ergänzen das bestehende Gameplay sinnvoll, insgesamt bleiben die Neuerungen aber überschaubar und finden eher im Kleinen statt. Unangetastet geblieben ist dafür der allgegenwärtige Lockruf der Mikrotransaktionen im Spiel. Die Reihe ist in den letzten Jahren immer mehr Kooperationen mit so ziemlich allem eingegangen, was man sich vorstellen kann, zuletzt durfte man sogar in Gestalt von Lara Croft und Skeletor über die Schlachtfelder sprinten. Die Unkenrufe, dass sich das Franchise immer mehr zu einer Art Fortnite entwickelt, sind nicht ganz ungerechtfertigt und dürften gerade Veteranen verdammt sauer aufstoßen.
Modern Warfare III wird da auf lange Sicht keine Ausnahme bilden, dafür generieren solche Bundles einfach zu viel Geld. Und ja, optional bleiben sie weiterhin. Dasselbe kann man jedoch nicht über den Blackcell-Pass sagen, dessen Rückkehr ebenfalls beschlossene Sache ist. Den gibt es nämlich nur gegen Echtgeld und findige Spieler haben in Langzeittests herausgefunden, dass die dort enthaltenen Schießprügel (von denen es zum Start übrigens insgesamt 137 verschiedene gibt) geringfügig besser als regulär zusammengeschusterte Versionen performen. Wir werden genau beobachten, wie sich das dieses Mal mit dem Start der ersten Season verhält und behalten uns vor, nachträglich aufgrund von Pay-2-Win abzuwerten. Bis dahin bietet die gegenwärtige Version ausreichend Inhalte und Modi, um sich wie jedes Jahr entweder alleine oder im Team mit Freunden die Nächte um die Ohren schlagen zu können. Nur neu fühlt sich davon gegenwärtig eben viel zu wenig an, was angesichts von mindestens siebzig Euro Verkaufspreis einen ziemlich faden Beigeschmack hinterlässt.
Die Technik
Dazu passt, dass man auch visuelle Verbesserungen mit der Lupe suchen muss. Modern Warfare III nutzt dieselbe Technik wie sein Vorgänger, nämlich die hauseigene IW 9.0 Engine. Auf den Einsatz von Raytracing hat man abermals verzichtet, aber selbst dann könnte das Spiel seine insgesamt nicht mehr zeitgemäße Präsentation kaum verbergen. In Zeiten, wo ein Cyberpunk 2077 dank Path Tracing für offene Münder sorgt, Marvel’s Spider-Man 2 auf der PlayStation 5 neue Grafikstandards setzt und die ersten Titel auf Basis der Unreal Engine 5 bisher ungekannte Partikel- und Beleuchtungsqualität offerieren, wirkt Modern Warfare III in jedweder Hinsicht ziemlich altbacken. Die Konsolen der letzten Generation, auf denen das Spiel ja auch irgendwie laufen muss, dürften daran nicht die alleinige Verantwortung tragen. Viel mehr ist es der streng gestaffelte Entwicklungszyklus, der jedes Jahr nach einen neuen Ableger verlangt. Ein guter Grund mehr, vielleicht mal eine dringend benötigte Pause einzulegen und der Reihe ihren längst überfälligen Reboot auf ganzer Ebene zu gönnen…wenn da nur nicht das liebe Geld wäre.
Einen vollumfassenden Abriss zur Technik kann man sich damit im Grunde sparen, denn wer Modern Warfare II auf seinem PC gut lauffähig machen konnte, kann das dieses Mal garantiert auch – ausreichend Settings zum Feintuning sind aber für alle Fälle vorhanden. Auf PlayStation 5 und XBOX Series X kommt temporäre Rekonstruktion zum Einsatz, natives 4K gibt es dort nicht, trotzdem präsentiert sich das Bild durchgehend angenehm scharf. Ein Modus für 120-Hertz-Geräte ist ebenfalls wieder mit dabei, agiert aber eher im Bereich von 1440p. Falls ihr Modern Warfare III auf einer Konsole der letzten Generation spielen wollt, müsst ihr auch dieses Mal einige Abstriche in Kauf nehmen: Hochaufgelöste Texturen gibt es dort nämlich nicht, außerdem wurde die Grafikqualität insgesamt sichtbar runtergeschraubt und auflösungstechnisch schaffen es die betagten Plattformen nicht über 1080p. Ein anhaltendes Problem bleiben die unstetigen Bildraten. Stabile sechzig Bilder pro Sekunde sollten es im Idealfall sein, anders als die aktuelle Konsolengeneration kommt es auf PlayStation 4 und XBOX One aber immer wieder zu nervigen Rucklern | Slowdowns.
Beim Sounddesign kann es Modern Warfare III weiterhin nicht mit der Konkurrenz aufnehmen. Die musikalische Untermalung fühlt sich in diesem Jahr noch generischer als sonst an und lässt einen wehmütig an die Tage zurückdenken, wo ein Hans Zimmer oder Michael Giacchino noch für die Reihe komponiert haben. Die deutschen Sprecher klingen da nicht viel besser, sondern agieren über weite Strecken gekünstelt und unmotiviert. Besser sieht es bei der Bedienung aus, die egal ob via Maus und Tastatur oder Gamepad wie immer bestens von der Hand geht. Da sich das Crossplay aber weiterhin nicht abschalten lässt und Konsoleros im Verbund mit PC-Spielern zwangsläufig auf die Zielhilfen verzichten müssen, bleibt der daraus resultierende Nachteil leider erhalten. Übrigens: Ohne permanent aktive Internetverbindung lässt euch das Spiel nicht einmal in die Kampagne reinschnuppern, was für Schwellenländer wie Deutschland durchaus problematisch sein kann.
„Herzlich Willkommen zum teuersten DLC aller Zeiten – anders kann man Call of Duty: Modern Warfare III kaum betiteln. Dass der diesjährige Ableger der langlebigen Erfolgsreihe lange Zeit nicht als vollwertiger Titel geplant war, merkt man nahezu an jeder Ecke. Die Kampagne zählt zu den mit Abstand schlechtesten Einträgen innerhalb der gesamten Serie und der Mehrspielermodus ist mittlerweile kaum mehr als ein uninspirierter Versatz bekannter Elemente mit Mikrotransaktionen hinter jeder Ecke, der sich mindestens so konstant um Neuerungen drückt wie die insgesamt nicht mehr zeitgemäße Präsentation. Was Sledgehammer Games hier abgeliefert haben, sollte nicht nur ein Weckruf für den neuen Rechteinhaber Microsoft sein, sondern auch für Fans – denn so kann und darf es nicht weitergehen. Dieses Call of Duty kann man wirklich beruhigt auslassen, denn was hier zum Vollpreis verkauft wird, grenzt stellenweise wirklich an eine Unverschämtheit.„
- Gut gemachte Rendersequenzen innerhalb der Kampagne
- Gewohnt umfangreiches, motivierendes Mehrspielerpaket mit Modi für jeden Geschmack
- Sinnvoll überarbeiteter und erweiterter Zombiemodus
- Fast alle freigeschalteten Inhalte des Vorgängers können übernommen werden
- Anhaltend starkes Gunplay
- Zugängliche Bedienung über sämtliche Plattformen
- Allgegenwärtiges Gefühl, einen DLC zum Vollpreis zu spielen
- Insgesamt extrem lustlose Inszenierung (Kampagne)
- Abwechslungsarme Schauplätze (Kampagne)
- Inhalte überwiegend aus alten Warzone-Maps entliehen (Kampagne)
- Uninteressante, überwiegend aufgesetzt wirkende Charaktere (Kampagne)
- Lächerlich kurze Spielzeit (Kampagne)
- Gegner entweder strohdoof oder überzogen aufmerksam (Kampagne)
- Kaum Neuerungen im regulären Mehrspielermodus
- Viele Inhalte zum Start allenfalls geringfügig verändert aus den Vorgängern wiederverwertet
- Aggressiver Fokus auf Mikrotransaktionen
- Blackcell-Pass wieder nur gegen Echtgeld
- Gewohnt schwachbrüstige Waffensounds
- Generischer Soundtrack
- Mittelmäßige deutsche Sprecher
- Technisch längst nicht mehr zeitgemäß
- Hier und da kleinere, aber auffällige Bugs
- Crossplay lässt sich immer noch nicht abschalten
- Permanenter Onlinezwang für sämtliche Modi
Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Activision Blizzard zur Verfügung gestellt worden.
*Unsere Links werden nicht mit einer Monetarisierung versehen
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