Nicht jeder Hype kündigt sich auf offensichtliche Weise an. Genau diese Erfahrung dürften seinerzeit die Macher der Serie zu Die Melancholie der Haruhi Suzumiya gemacht haben. Schon als Light Novel beliebt, ging die Geschichte um eine gottgleiche Schülerin mit seltsamen Kräften spätestens als Anime komplett durch die Decke und gilt als eine der erfolgreichsten Veröffentlichungen der Zweitausenderjahre. Diesem Hype wollten wir anhand der seit kurzem erhältlichen Gesamtausgabe als Blu-Ray auf den Grund gehen.
Produktion: Kyoto Animation
Vertrieb: Crunchyroll
Erstveröffentlichung: 2006
Veröffentlichungstermin: 02. Juni 2023
Format: Blu-Ray | DVD
Preis: ab 49.95€*
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Die Serie
Kyon betrachtet sich selbst als aufgeklärt und glaubt laut eigener Aussage weder an den Weihnachtsmann, noch an übernatürliche Kräfte, Zeitreisende oder gar Außerirdische. Umso wirrer erscheint ihm an seinem ersten Tag als Oberschüler die Vorstellung seiner direkt hinter ihm sitzenden Klassenkameradin Haruhi Suzumiya, die vor versammelter Mannschaft verkündet, dass man sie gar nicht erst ansprechen soll, wenn man nicht entweder über übernatürliche Kräfte verfügt, durch die Zeit reisen kann oder von einem anderen Planeten zu uns gelangt ist – alles andere ist in ihren Augen nämlich viel zu gewöhnlich und deswegen ihre Zeit nicht wert. Kein Wunder also, dass dass sich das bildhübsche Mädchen schwer damit tut, Anschluss zu finden. Entgegen aller Gegensätze kommen die gänzlich verschiedenen Sitznachbarn mit der Zeit täglich für einige Minuten ins Gespräch.
Nachdem Haruhi – die sich als Allroundtalent mit Spitzennoten entpuppt – wirklich jede Clubaktivität auf dem Schulgelände ausprobiert hat und keine davon auf Dauer spannend findet, gründet sie kurzerhand ihren eigenen Club und zwingt Kyon dazu, dessen zweites Mitglied zu werden. Als passenden Ort für zukünftige Versammlungen wird der ehemalige Raum des Literaturclubs requiriert, dessen letztes verbliebenes Mitglied, nämlich die introvertierte Yuki, einfach mitsamt Inventar übernommen wird. Komplettiert wird die Riege bald durch Mikuru Asahina, deren Reize immer wieder die Aufmerksamkeit ihrer Mitschüler wecken und den unauffälligen Itsuki Koizumi, welcher der Gruppe als einziger aus freiwilligen Stücken beigetreten ist.
Der auf den ersten Blick willkürlich erscheinende Zusammenschluss schräger Individuen ist allerdings kein Zufall. Nach und nach offenbart sich Kyon, dass Yuki und Co. allesamt verschiedenen Geheimorganisationen angehören, die teilweise weder von unserem Planeten stammen, noch unserer Zeitlinie angehören. Als wäre das für den ach so aufgeklärten Oberschüler nicht schon schwer genug zu glauben, gerät Kyon plötzlich in immer haarsträubendere, teils lebensgefährliche Abenteuer. Wer ist dieses seltsame Mädchen, dass alles um sich herum scheinbar mühelos in seinen Bann zieht? Eines steht auf jeden Fall fest: Die SOS-Brigade ist alles, nur kein normaler Club!
Die Rezension
Wir schreiben das Jahr 2006. Auf der noch jungen Plattform YouTube versammeln sich Creator aus der ganzen Welt, um ihre Inhalte mit einer stetig wachsenden Community zu teilen. Bis zur Veröffentlichung des allerersten IPhone dauert es noch fast zwei Jahre – trotzdem ist abzusehen, dass das Internet längst in eine neue Ära der Unterhaltung übergegangen ist. In dieser Zeit erschien auch Die Melancholie der Haruhi Suzumiya. Mit der Adaption der zunächst wenig erfolgreichen Light-Novel-Reihe aus der Feder von Nagaru Tanigawa entstand etwas, dass man wohl als den allerersten viralen Onlinetrend bezeichnen kann. Denn um die Figur der Haruhi versammelte sich ähnlich wie in der Vorlage quasi über Nacht eine gewaltige Anhängerschaft, die sich selbst als “Haruiisten” bezeichnet. Die Begeisterung schwappte schnell auf YouTube über, wo unzählige Fans eigene Produktionen auf Basis des Materials hochluden, wobei sich besonders die eingängige Musik samt Choreographie anboten.
Das alleine dürfte aber nicht ausschlaggebend für den Erfolg der Serie sein, denn das für die Umsetzung verantwortliche Studio Kyoto Animation hatte sich für die Premiere einen ganz besonderen Kniff ausgedacht, um das Interesse an seiner Produktion kräftig anzuheizen, und versah die erste Episode kurzerhand mit einem intensiven VHS-Look, was selbst zu einer Zeit, wo Inhalte noch nicht in High Definition hergestellt worden sind, ziemliches Aufsehen verursachte. Erst mit der folgenden Episode fand die Serie dann zu ihrem zeitgemäßen Look. Und spätestens mit der dritten Folge war der Hype nicht mehr aufzuhalten. Nicht nur wegen dem geschickten PR-Streich der Macher, sondern weil es unendlich einfach ist, sich in den Charme der Figuren und deren Abenteuer zu verlieben. Der Charakter der Haruhi, wenngleich innerhalb der Serie nie vollständig aufgeschlüsselt, steht sinnbildlich für die kindliche Unschuld, die wir Erwachsenen zumeist alle irgendwann einmal loslassen mussten. Der feste Glaube an das Ungewöhnliche fernab der Rationalität und daran, dass alles einfach irgendwie möglich sein muss, genau das ist die Essenz von Haruhi, der ich als Mittdreißiger beim Zuschauen immer wieder wehmütig nachblicke.
Auf der anderen Seite steht Kyou als Musterbeispiel der Aufgeklärtheit. Sein Denken fußt vollständig auf der Realität, welche durch Haruhi und ihr Umfeld zunehmend ins Wanken gerät, wie man aus den narrativen Selbstgesprächen der Figur immer wieder erfährt. Die in Rückblenden erzählte Geschichte kommt dadurch ohne visuelle Überleitungen aus, was das Tempo stets auf hohem Niveau hält. Und die nicht-chronologische Erzählstruktur der Erstausstrahlung offenbart Dinge, die in der Serie erst zu einem späteren Zeitpunkt passieren, woraus sich teilweise ein komplett neuer Kontext ableitet. Vieles von dem war damals neu, nahezu revolutionär. Die Melancholie der Haruhi Suzumiya ist im Grunde ein Prototyp, eine Grundformel für eine neue Generation von Anime, auf deren Basis aktuelle Produktionen bis heute aufbauen. Nicht nur visuell, sondern auch durch die Implementierung von Tanz und Gesang. Gleichzeitig gibt es viel zeitlos gute Situationskomik, aber auch die Mystery- und Sci-Fi-Aspekte kommen nicht zu kurz. Kurzum, in dieser Serie steckt unglaublich viel. Nicht alles ist auf den ersten Blick ersichtlich, manches erschließt sich erst bei einem zweiten Durchgang richtig. Siebzehn Jahre nach Erstveröffentlichung hat die Adaption nichts von ihrer Faszination verloren.
Die Blu-Ray
Umso besser, dass nun endlich eine deutschsprachige Veröffentlichung als Blu-Ray erschienen ist. Die Gesamtausgabe enthält alle Folgen der ersten Staffel aufgeteilt auf zwei Silberlinge, hier jedoch mit Ausnahme der legendären VHS-Folge als Opener wieder in chronologisch korrekter Reihenfolge. Wie bereits erwähnt, stammt die Serie aus dem Jahr 2006. Das bedeutet, produziert wurde zwar bereits im Breitbildformat, aber eben nicht in hochauflösender Form. Um das Ding trotzdem ansehnlich in die Moderne zu bringen, hat man die ursprünglichen japanischen Master auf 1080p hochskaliert – und das sieht nicht immer gut aus. Sehr präsent ist dieser typische Aquarell-Look, an dem sich via K.I. geschaffene Sequenzen in der Regel leicht erkennen lassen. Ein knackig scharfes Bild darf man zu keiner Zeit erwarten, nahezu jedes Frame wirkt extrem weichgezeichnet und anschließend künstlich nachgeschärft.
Das Bild wird nahezu durchgehend so unscharf dargestellt, dass ich nach der Hälfte der Staffel eine Pause einlegen musste, weil mir vor Anstrengung die Augen getränt haben. Hätte man die Master einfach belassen, wie sie sind und einfach die Auflösung nach oben geschraubt, wäre das völlig fein gewesen. Hier hat man es mit der Nachbearbeitung aber derart übertrieben, dass der Sehgenuss im Filtergewitter komplett versinkt. Solide Noten gibt es für Farb- und Kontrastwiedergabe, die können das Gesamtergebnis aber auch nicht mehr retten. Leider liegen mir keine Vergleichsbilder zur japanischen HD-Erstauflage von 2010 vor, die ebenfalls bereits als Upscale ausgeliefert worden ist. Ob die Arbeiten also von Crunchyroll selbst vorgenommen, oder ob man einfach Bestehendes übernommen hat, lässt sich nicht abschließend klären, weswegen ich dem Berliner Label hier nicht einfach den Schwarzen Peter in die Schuhe schieben will.
Beim Sound gibt es für die deutsche und japanische Fassung verlustfreie Masterspuren im Format DTS-HD MA 2.0. Letzterer liegen wie immer sauber lokalisierte Untertitel bei, die jederzeit problemlos ein- und ausgeschaltet werden können. Die deutschen Sprecher können nicht durchgehend überzeugen, besonders Kyou kommt in den ersten Episoden arg hölzern rüber. Übrigens hat die für die Synchronfassung verantwortliche Agentur seinerzeit darüber abstimmen lassen, wer aus dem hauseigenen Kader besetzt werden soll, was durchaus öfter passieren dürfte. Alles in allem klingt die Fassung aber auch heute noch gut. Die Blu-Ray überzeugt speziell bei der Dialogwiedergabe mit klar verständlichen Stimmen und bringt auch Nebengeräusche gut zur Geltung. Hier und da mangelt es an Dynamik, aber knapp zwanzig Jahre auf dem Buckel können eben einen ordentlichen Unterschied in der Gesamtqualität ausmachen und dafür klingt das Gebotene wirklich nicht schlecht, zumal der Soundtrack und Nebengeräusche ebenfalls gut zur Geltung kommen.
Die Extras
Die komplette Staffel mit ihren vierzehn Episoden und einer Gesamtlaufzeit von knapp sechs Stunden schlägt innerhalb der Gesamtausgabe verteilt auf zwei reguläre Keep Cases im DVD-Format auf, ein stabiler Pappschuber mit schicken Design sorgt für den nötigen Schutz im Regal. Dem Release liegt noch ein Booklet bei, weiteres Zusatzmaterial gibt es nicht. Knapp fünfzig Euro muss man für das Paket gegenwärtig löhnen.
“Klassiker kommen einfach nie aus der Mode. Und Die Melancholie der Haruhi Suzumiya ist definitiv so einer. Der damals neuartige Erzählstil, wegbereitende Visuals und die sympathischen Charaktere haben eine wahre Manie in Japan losgetreten, die auch heute noch zahlreiche Anhänger hat. Nachvollziehbar, denn der Mix aus Sci-Fi, Mystery und Comedy zieht einen rasend schnell in seinen Bann. Meine Neugier ist auf jeden Fall geweckt, die zweite Staffel quasi Pflichtprogramm. Weil die zum Glück in High Definition produziert wurde, rechne ich da mit einer wesentlich besseren Bildqualität als hier, denn die totgefilterten Episoden der ersten Staffel sind alles andere als ein Genuss für die Augen. Dafür gibt es wie immer grundsolide Klangausstattung und die schicke Aufmachung macht sich in jedem Regal gut – bei so einer Veröffentlichung hätte ich mir aber in Hinblick auf das Bonusmaterial einiges mehr gewünscht.”
Copyright: “©2006 Nagaru Tanigawa, Noizi Ito / a member of SOS. All rights reserved.”
Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Crunchyroll zur Verfügung gestellt worden.
*Unsere Links werden nicht mit einer Monetarisierung versehen.
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