Der Film
Für satte vierhundert Millionen Dollar soll das illegale Lebenswerk nun den Besitzer wechseln. Hauptinteressent ist der vornehme jüdische Milliardär Matthew Berger (Jeremy Strong, The Big Short), der für die stolze Summe aber zahlreiche Sicherheiten verlangt. Und die sind in diesem Business erwartungsgemäß nur schwer zu geben, besonders da mittlerweile sämtlicher krimineller Abschaum im Großraum London von den Verkaufsplänen Wind bekommen hat. Für Mickey´s rechte Hand Ray (Charlie Hunnam, Papillon) bedeutet das jede Menge Überstunden, denn je mehr Interessenten sich in den Deal einmischen, desto fieser werden die untereinander aufgebotenen Tricks, um die nervige Konkurrenz auszustechen. Es dauert nicht lange, bis es im Kampf um den Marihuanathron erste Tote gibt.
Während sich der chinesische Nachwuchsgangster Dry Eye (Henry Golding, Last Christmas) um jeden Preis aus dem Schatten seines Mentors Lord George begeben und Schmierblattmogul Big Dave (Eddie Marsan, Deadpool 2) Mickey aus ganz persönlichen Motiven an den Kragen will, plündern ein paar Kleingauner mit Internetruhmallüren eine seiner Verstecke restlos aus. Deren Mentor Coach (Colin Farrell, Artemis Fowl) ist darüber allerdings alles andere als begeistert und versucht, die Sache mit extrem unkonventionellen Mitteln wiedergutzumachen. Und wer zum Teufel ist eigentlich Phuc und wie genau spricht man den Namen aus? Als wäre das nicht alles schon kompliziert genug, taucht eines Nachts der schmierige Privatdetektiv Fletcher (Hugh Grant, Paddington 2) im Haus von Ray auf und verlangt zwanzig Millionen Dollar für eine Geschichte, die jede Menge Potenzial für einen guten Film bieten würde…
Die Rezension
Was Regisseur, Produzent und Drehbuchautor Guy Ritchie hier abgeliefert hat, zählt für mich schlichtweg zu den besten britischen Leinwandwerken der letzten Jahre. The Gentlemen besinnt sich ganz auf die Stärken des zuletzt eher im Mainstream ansässigen Filmemachers. Eine bewusst nicht immer ganz durchschaubare Geschichte voller Wendungen, die narrativlastig über mehrere Zeitebenen erzählt wird und sich dem Zuschauer erst zum Schluss vollständig offenbart, schrullige Charaktere und jede Menge schwarzer Humor. Matthew McConaughey alleine liefert als geschäftsmüder Drogenbaron die wohl coolste Performance seiner Karriere ab, aber auch abseits davon agiert der prominente Cast bis in die kleinsten Nebenrollen auf extrem hohem Niveau. Wer hier Hunnam und Co. aber komplett die Show stiehlt, ist zweifelsohne Hugh Grant. Mittlerweile etwas in die Jahre gekommen und mit einem Satz falscher Zähne versehen mimt der gebürtige Londoner seine Rolle als intriganter Schnüffler mit so viel Leidenschaft und Spielfreude, dass jede noch so kleine Szene mit ihm zum absoluten Genuss gerät. Was The Wrestler einst für Mickey Rourke war, ist The Gentlemen nun für Hugh Grant, nämlich die gelungene Auferstehung eines zuletzt so zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Schauspielers.
Coolness wird hier typisch Ritchie ganz groß geschrieben. Die unterschiedlichen Charaktere, vom Straßenproll bis zum Edelgangster, könnten kaum unterschiedlicher sein. Wenn die letztendlich miteinander kollidieren, bleibt nur selten ein Auge trocken. Tatsächlich bekommt man es hier mit einigen der besten Dialoge zu tun, die der Allrounder seit über einem Jahrzehnt zu Papier gebracht hat. Dabei ist die Story an sich gar nicht so verquer (und sicher alles andere als neu), entwickelt sich aber mit einer so wunderbaren Dynamik bis zum überraschenden Finale, dass sich der Kampf um´s Gras trotzdem immer frisch anfühlt. Der gleichen Meinung waren übrigens auch Kritiker und Kinobesucher. Obwohl der Start inmitten von Corona alles andere als auf einen günstigen Zeitpunkt fiel, konnte die Gaunerfarce bei gerade mal zweiundzwanzig Millionen Dollar weltweit beinahe das Sechsfache seiner Kosten einspielen. Und das aus gutem Grund: Blutig, aber nicht brutal. Abgehoben, aber trotzdem irgendwie bodenständig. All das und mehr ist The Gentlemen am Ende geworden, dazu einfach fantastisches Ensemblekino mit Kultcharakter, der seine englische Herkunft in jeder Sekunde mit großen Zügen stolz ausatmet. Eben ein klassischer Ritchie. Unbedingt ansehen!
UHD und Blu-Ray: Das Bild
Obwohl eine bestimmte Szene im Film impliziert, dass The Gentlemen auf klassischem 35mm-Material gebannt wurde, entstand das Werk tatsächlich vollständig digital. Gedreht wurde mit Kamerasystemen vom Typ ARRI Alexa XT Plus, die immerhin 3.4K am Output anlegen. Gefinished wurde später als 4K Digital Intermediate, weshalb wir es hier beinahe mit nativem Material zu tun haben, wäre da nicht die minimale Hochskalierung. Aber ihr wisst ja, Zahlen bedeuten wenig und auch kleine Haufen können stinken. Wie sieht es also in der Praxis aus?
Die handelsübliche Blu-Ray hat davon aber so oder so nicht viel, denn hier wurde wie immer auf 1080p herabskaliert. Dies aber bereits mit sehr guten Resultaten. Egal ob man die feintexturierten Anzüge und die Gesichter ihrer Träger vor Augen hat, oder die Szenerie von London und Umgebung, dank der konstant hohen Bildschärfe liefert der Film bereits in regulären HD eine Menge toller Details bei gleichzeitig konstanter Laufruhe. Das ist deswegen so eindrucksvoll, weil ein großer Teil des Films im dunklen Ambienten von Ray´s Wohnung spielt. Trotzdem versumpfen keine Details im Schwarz und unschönes Rauschen stellt sich ebenfalls nie ein. Stattdessen liefert The Gentlemen über die Blu-Ray referenzverdächtig ausbalancierte Schwarzanteile und erreicht eine Dreidimensionalität, die man sonst eher im UHD-Segment suchen muss. Die Farbgebung selbst ist typisch Guy Ritchie in ihrem Grundton eher farbarm geraten, was gut mit den gewählten Locations harmoniert. Trotzdem offenbaren sich immer wieder ein paar nette (blutige) Highlights, die das Geschehen farblich wieder etwas aufbrechen.
Die UHD schafft es sogar, das ohnehin schon Gute noch besser zu machen. Versehen mit erweitertem Farbraum nach Rec.2020 sowie Support für HDR10 werden alle Grundvoraussetzungen für eine erstklassige Veröffentlichung erfüllt. Die Verbesserungen beginnen allerdings zunächst bei der viel höheren Auflösung. Im fast nativen 4K-Gewand werden feine Details noch besser herausgearbeitet. Gesichtsbehaarung ist bei fast allen Charakteren im Film beliebt und wird von der UHD so brillant wiedergegeben, dass man jedes einzelne Haar zählen kann. Alleine der Mehrwert bei Haut- und Kleidungstexturen ist bemerkenswert. Da kann die Blu-Ray einfach nicht mithalten. Über HDR10 gewinnen die Schwarzanteile nochmals an Kraft und kitzeln dank besserer Schattierungen aus dem Bild das letzte Quentchen Dreidimensionalität heraus, ohne dabei die Laufruhe negativ zu beeinflussen. Farben werden nochmals intensiviert, wobei der insgesamt düstere Look aber beibehalten wird. Das gibt besonders den Highlights noch mehr Punch, während Hauttöne etwas gesünder aussehen und besser differenzierbar sind. Eine tolle Blu-Ray, eine spitzenmäßige UHD…Filmfan, was willst du mehr?
UHD und Blu-Ray: Der Ton
Leider bleibt die hiesige Veröffentlichung im Heimkino etwas hinter der Imporversion aus den Vereinigten Staaten zurück. Die liefert den englischen Originalton schon mit der Blu-Ray im Format Dolby Atmos, verfügt also über eine zusätzliche Höhenebene. Hier bleibt es bei beiden hochauflösenden Formaten „nur“ bei jeweils verlustfreien Masterspuren, kodiert in DTS-HD MA 7.1. Richtig vermissen muss man trotzdem nichts, denn mit den Heights verzichtet man noch am ehesten auf räumliche Erweiterungen im Ambiente. Für alles andere bietet der Film kaum Potenzial. Aber konzentrieren wir uns auf das, was wir uns letztendlich mit der deutschen Heimkinoveröffentlichung ins heimische Wohnzimmer holen.
Zunächst stimmt bereits die Grundabmischung sehr positiv, die den Referenzpegel ganz ohne Nachjustierungen erreicht. Die Stimmverständlichkeit im Center ist zu jedem Zeitpunkt optimal und muss sich dem stets präsenten Score nie unterordnen. Effekte werden geschickt im ganzen Raum verteilt und punkten mit guter Platzierung. Richtig krachen tut es zwar nie, in den richtigen Momenten sorgt der Subwoofer aber für eine kraftvolle Untermalung. Subtilität steht hier im Vordergrund (so paradox es auch klingen mag), das ist so gewollt und funktioniert klasse. Wer mit The Gentlemen aber ein großes Spektakel erwartet, ist dementsprechend an der ganz falschen Adresse. Das ist alles kein Referenzmaterial, aber in seiner gewollten Minimalität sehr effektiv umgesetzt worden.
Die Extras
Da haut Guy Ritchie seinen besten Film seit Jahren raus und dann das: Gerade mal magere zwölf Minuten Bonusmaterial, die sich auch noch vier Featurettes teilen müssen. Nicht einmal zwei Minuten für den obligatorischen Blick hinter die Kulissen? Stattdessen geht ein Großteil der knapp bemessenen Zeit für eine Zusammenfassung der Sprüche aus dem Film sowie eine Art Lexikon für alle möglichen Alternativnamen für Marihuana drauf. Come on. Das ist nun wirklich gar nichts, außer enttäuschend.
Fazit
„The Gentlemen ist ein Comeback auf vielen Ebenen geworden. Nicht nur, dass Guy Ritchie nach Aladdin und Co. als Regisseur, Autor und Produzent endlich erfolgreich zu seiner ureigenen Basis zurückgekehrt ist, auch Hugh Grant als fast vergessener Schnulzenstar der Neunziger legt hier mal eben einen so brillanten Auftritt hin, dass selbst Matthew McConaughey, Charlie Hunnam und Colin Farrell kombiniert nicht dagegen anspielen können. Geniale Dialoge, typisch britischer Humor und viele Überraschungen machen den Film nicht nur zum Pflichtprogramm für anspruchsvolle Cineasten, sondern für jeden, der nach Snatch – Schweine und Diamanten sowie Bube, Dame, König, grAS über Jahre auf einen würdigen Nachfolger gewartet hat. Die Blu-Ray ist bereits sehr gelungen, die UHD hat aber schon dank höherer Auflösung klar die Nase vorn. Dafür sind die belanglosen Extras schlichtweg Mist.“
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