Test Drive Unlimited: Solar Crown

Test Drive gilt als der Urvater des Konzept von Rennspielen in einer offenen Welt. Mit Solar Crown will das französische Studio Kylotonn das Franchise zurück in die Riege der großen Konkurrenten führen, scheitert dabei aber an nahezu allen Ecken und Enden. Unser Test klärt über die vielen Probleme des Spiels auf. 

Entwickler: KT Racing

Publisher: Nacon

Plattform: PC | PlayStation 5 | XBOX Series X|S

Veröffentlichungsdatum: 12. September 2024

Preis: ab 49,99*

Altersfreigabe: ab 16 Jahren

Metacritic | OpenCritic | IMDB


Echtgeldinhalte
Ungeschnitten


Die Hand an der Sonne

Fahrer aller Nationen haben im Kampf um den Solar Crown Cup die Reise nach Hong Kong angetreten. Am Steuer von Straßenflitzern, Geländewagen und Hochleistungsboliden aller Art gilt es, sich auf dem Weg zur Spitze allerlei Herausforderungen zu stellen. Mehr Story – sofern man das überhaupt so bezeichnen kann – braucht ein Rennspiel eigentlich gar nicht, solange Fahrgefühl, Setting und Präsentation stimmen. Test Drive Unlimited: Solar Crown hat sich fest auf die Stirn geschrieben, es nicht nur mit Titanen wie Forza Horizon aufnehmen zu wollen, sogar das kommende Grand Theft Auto VI wollen KT Racing mit ihrem Werk herausfordern. Dass diese hochgesteckten Ziele bereits in anfänglichen Aspekten verfehlt werden, wird leider allzu schnell überdeutlich. Das Desaster begann bereits vor Release der regulären Fassung mit den nicht funktionierenden Servern, wer für den Vorabzugang geblecht hat, kam trotzdem nicht ins Spiel, denn ohne aktive Internetverbindung verweigert das Spiel grundsätzlich seinen Dienst. 

Ganz Hong Kong in einem Spiel: Zwischen Großstadt und Gebirge ist hier wirklich alles dabei. Das unverbrauchte Setting nutzt sein Potenzial aber kaum aus. | PC, 4K, max. Settings, DLSS Qualität

Der Grund dafür ist, dass Solar Crown im Kern nicht als reine Einzelspielererfahrung konzipiert worden ist. Stattdessen wird vor jedem Rennen erst nach anderen Spielern gesucht, verbliebene Plätze durch KI-Fahrer aufgefüllt. Obendrauf kommen Ranglisten, ein Clansystem und eben alles, was ein modernes Rennspiel heutzutage eben bietet. Das Problem ist nur, dass der neueste Ableger der altehrwürdigen Reihe bereits nach knapp einer Woche so tot ist wie die Stimmung bei einer Grünen-Wahlparty im Osten kurz nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen. Die Gründe dafür mögen mannigfaltig sein und liegen sicher nicht nur am mehr als holprigen Start begründet. Dazu aber gleich mehr. Durch die (erfolglose) Suche nach Mitspielern dauert es jedes Mal eine Weile, bis man überhaupt in die gewählte Veranstaltung kommt. Tatsächlich habe ich über den gesamten Testzeitraum nicht ein einziges Mal einen echten Fahrer im Rennen gesehen, ganz egal zu welcher Uhrzeit.

In der frei begehbaren Lobby finden wir neben diverser Geschäfte auch eine individualisierbare Suite, in der wir uns nach getaner Arbeit ausruhen können. | PC, 4K, max. Settings, DLSS Qualität

Dabei ist Hong Kong durchaus ein faszinierendes und frisches Setting für ein Rennspiel. Die Entwickler haben die Region im Maßstab 1 zu 1 nachgebildet und offerieren Besuchern eine Menge visueller Abwechslung zwischen Gebirgspässen, Landstraßen und neonbeladenem Großstadtflair – nur so richtig überspringen will das alles nicht. Die Gehwege sind komplett menschenleer, das Verkehrsaufkommen überschaubar. Angesichts der potthässlichen und dem Anlass komplett unpassend gestalteten KI-Fahrer möchte man meinen, eine beliebige Hausfrau in ihren Vierzigern hat ihre Kindern mal kurz beim Essen alleine gelassen, um sich am Steuer einer Chevrolet Corvette Stingray C8 in ein waghalsiges Event zu stürzen. Und bei allem Respekt, ich habe ewig keine so schlichtweg hässlich gestalteten Siegerehrungen gesehen. 

Auf der Suche nach dem Spielspaß

Zusätzlich stört mich die unausgegorene Schwierigkeit der Rennen. Während man über die ersten Stunden auch auf höheren Schwierigkeitsgraden relativ mühelos durch die zahlreichen Events wie Zeitrennen, Rundkurse und Co. kommt, zieht der Anspruch zur Mitte hin plötzlich viel zu krass an. Dann fahren einem selbst auf Amateurniveau sämtliche Gegner uneinholbar davon. Zwar geht es im Spiel nicht darum, immer den ersten Platz auf dem Treppchen zu erreichen, wenn das Spiel aber derart eindeutig kommuniziert, dass es einem nicht einmal eine kleine Chance einräumt, dieses Ziel zu erreichen, mündet das relativ schnell in Frustration. Hinzu kommt, dass die KI-Fahrer keine allzu großen Leuchten sind und stur ihrer Ideallinie folgen. Kreuzen sollte man die lieber nicht, weil einen die Gegner sonst stumpf von der Strecke abzudrängen versuchen und ein Rückspulfeature, wie man es mittlerweile aus zahlreichen ähnlich gestrickten Genrevertretern kennt, nicht existiert. Dann bleibt einem in der Regel nur der nervige Neustart. 

Die Fahrzeuge im Spiel verfügen über hohen Wiedererkennungswert, können es insgesamt aber nicht mit der immensen Liebe zum Detail der Konkurrenz aufnehmen. | PC, 4K, max. Settings, DLSS Qualität

Neue Autos erhalten wir in den nach Themen sortierten Autohäusern, die sich überall auf der Karte befinden. In den großen Showrooms können wir uns mit unserem Charakter frei bewegen und uns die Fahrzeuge vor dem Kauf noch einmal ganz in Ruhe ansehen. Leider hängt der Titel in Sachen allgemeiner Präsentation auch hier ein gutes Stück hinter der Konkurrenz zurück. Was mir außerdem schmerzlich fehlt ist die Möglichkeit, nicht mehr benötigte Autos aus dem eigenen Besitz auf den Gebrauchtmarkt überführen zu können. Gerade die höherwertigen Flitzer aus Edelhäusern wie Ferrari und Porsche kosten Unsummen und müssen sich eisern vom Munde abgespart werden. Dass man im Anschluss an so einen Kauf wieder Stunden Events grinden muss, bis das Konto wieder gefüllt ist, macht die durch das fiese Balancing ohnehin schon geringe Motivation rasch vollends zunichte – daran ändert auch die stetig mit neuen Nebenherausforderungen gefüllte Zusatzliste nicht viel. Und das rudimentäre Tuning in den Werkstätten wirkt sich nicht spürbar genug auf die Fahrdynamik aus. 

Das Fahrgefühl kann unabhängig vom gewählten Auto trotz mangelndem Simulationsaspekt stark schwanken. | PC, 4K, max. Settings, DLSS Qualität

In Sachen Fuhrpark bietet Solar Crown ein solides, aber keineswegs überragendes Lineup voll lizensierter Fahrzeuge aus mehreren Jahrzehnten Automobilgeschichte an. Überraschenderweise sind dort gerade einmal zwei Vertreter aus Japan verfügbar, ein überwiegender Großteil setzt sich aus europäischen und amerikanischen Boliden zusammen. Aktuellere Angebote sucht man vergebens, die neuesten Fahrzeuge stammen aus den frühesten Zwanzigern. Zu den insgesamt über einhundert Autos kommen noch einige DLC-exklusive Additionen, die man ausschließlich gegen Echtgeld seiner Garage hinzufügen kann. Im hauseigenen Casino hat man zudem die Möglichkeit, zusätzlich nur dort erhältliche Wagen freizuschalten. Grundsätzlich halte ich überhaupt nichts von Glücksspielthematiken in einem Rennspiel. Das hat mich schon bei Forza Horizon gestört und stört mich hier ebenso, wiegt hier aber noch ein wenig schwerer, da man bei Forza immer die Möglichkeit hat, sämtliche Autos auch auf regulärem Wege zu erwerben. Echtgeld könnt ihr im Casino zwar keines einsetzen, der fade Beigeschmack bleibt jedoch präsent. 

Technik abseits der Überholspur

Grafisch ist Solar Crown ebenfalls eine gemischte Tüte. Die Fahrzeuge wurden mit einiger Liebe zum Detail umgesetzt, offerieren jedoch nicht die immensen Feinheiten eines Gran Turismo. Wiedererkennungswert hat der Fuhrpark in jedem Fall einigen, aber man hat das alles eben anderweitig schon besser und hübscher dargestellt gesehen. Die Beleuchtung agiert auf zeitgemäßem Niveau, auch an ein dynamisches Wettersystem inklusive ansehnlichem Regen hat man gedacht und wenn sich der Neonschein der Beschilderungen in den liegengebliebenen Pfützen spiegelt, sieht das ebenfalls ganz ordentlich aus. Beschädigungen an den Fahrzeugen halten sich dagegen in sichtbaren Grenzen und gehen selten über eine lose flatternde Motorhaube und zerkratzten Lack hinaus, was aber auch den typischen Lizenzvorgaben seitens der Hersteller geschuldet sein dürfte. Gesamtvisuell stellt das Spiel solide Kost dar, nicht mehr – aber auch nicht weniger. Nur an den komischen Fahrzeugschatten, die scheinbar komplett unabhängig von der Tageszeit geworfen werden, sollten die Entwickler dringend nochmal arbeiten. 

Schwierige Gebirgspassagen lassen sich mit einem Geländewagen optimal überwinden. Auf dem Leistungsmodus der Konsolen kommt das malerische Setting leider ziemlich matschig rüber. | PC, 4K, max. Settings, DLSS Qualität

Problematischer verhält es sich mit der Performance. Gerade die PC-Version kränkelt momentan an einer extrem wankelmütigen Performance unabhängig sämtlicher Einstellungen oder gar der gewählten Auflösung. Zwar haben die Entwickler bereits kommuniziert, sich dieser Probleme bewusst zu sein und versprechen mit einem kommenden Patch Abhilfe, solange der aber nicht vorliegt, kann ich nur das bewerten, was ich sehe. Auf den Konsolen sieht es gegenwärtig etwas besser aus. Dort habt ihr die Wahl zwischen einem Grafik- und einem Leistungsmodus. Ersterer rendert das Spiel in nativem 1440p und höherem Detailgrad, kommt aber nicht über 30 Frames pro Sekunde hinaus, was für ein Rennspiel einfach zu wenig ist und sich gemessen an den Gewohnheiten der aktuellen Hardwaregeneration auch absolut nicht mehr befriedigend für den Konsumenten anfühlt. Geschmeidiger wird es im Leistungsmodus, wo die doppelte Bildrate angepeilt wird, dafür wird nur noch in mageren 1080p aufgelöst, was sich kaum übersehen lässt.   

Die Zwischensequenzen offenbaren nicht nur potthässlich animierte Charaktere, sondern teilweise auch einen unangenehm auffälligen DEI-Einschlag. | PC, 4K, max. Settings, DLSS Qualität

Insgesamt agiert die Bildrate auf den Konsolen auf einem wesentlich stabileren Niveau als am PC, kommt es aber zu einer Kollision mit anderen Fahrer oder Umgebungsobjekten, geht die Bildrate auch hier kurzzeitig spürbar in den Keller. Begleitet wird das Geschehen von mehreren (recht umständlich erreichbaren) Radiosendern, welche zwischen Rock und House die wichtigsten Genres abdecken, allerdings keine bekannten Interpreten vorzuweisen haben sowie überdies auch nicht moderiert werden. Die Bedienung geht besonders mit Gamepad gut von der Hand, jedoch verfügt die PC-Version gegenwärtig über keinen nativen Support für den DualSense. Dieses Feature soll aber demnächst nachgereicht werden. Die Autos selbst unterscheiden sich im Klang hörbar voneinander, manches davon kommt mir aber einen Ticken generisch und wenig authentisch im Vergleich zu anderen Titeln vor.  

„Angesichts der bärenstarken Konkurrenz auf dem Sektor des Arcaderacings dürfte es Test Drive Unlimited: Solar Crown ziemlich schwer haben. Während man ein in allen Aspekten überlegenes Forza Horizon 5 für ein paar Euro im Monat über den GamePass spielen kann, bekommt man hier für mindestens fünfzig Euro primär eine Ode an die Mittelmäßigkeit geboten, die in keinem Aspekt voll überzeugen kann und überwiegend veraltet wirkt. Ein unstetiges Fahrgefühl, die in weiten Teilen einfach nicht mehr zeitgemäße Präsentation und nicht zuletzt die inkonsequente Performance nerven, hinzu kommt ein bereits nach wenigen Tagen komplett totes Online-Zwangssystem. Die wenigen Pluspunkte, die man hier verleihen kann, sind einfach nicht genug, um dem Spiel eine Empfehlung aussprechen zu können.“

  • Angemessen detaillierte Fahrzeugmodelle
  • Unverbrauchtes, abwechslungsreiches Setting mit einigen sehr hübschen Panoramen
  • Ansehnliches Wettersystem
  • Solide Beleuchtung und Reflexionen
  • Annehmbar ausgestatteter Charaktereditor
  • Auf dem Papier interessantes Clan-System
  • Stetiger Nachschub an Nebenherausforderungen
  • Überwiegend veraltete Präsentation
  • Potthässliche Charaktere 
  • Welt wirkt abseits vom überschaubaren Verkehrsaufkommen weitestgehend entvölkert
  • Im Vergleich zur Konkurrenz recht überschaubarer Fuhrpark ohne große Highlights
  • Rudimentäres, nicht immer durchschaubares Tuning-System
  • Fahrgefühl schwankt qualitativ sehr
  • Permanenter Onlinezwang
  • Manche Kernmechaniken sind mangels Spielern quasi nutzlos
  • Klischeehafte Charaktere mit teils auffallendem Forced-Diversity-Anstrich
  • Wankelmütige Bildrate, besonders auf dem PC
  • Schwierigkeit schwankt zwischen viel zu leicht und komplett unfair
  • Zur Mitte hin demotivierender Währungsgrind
  • Glücksspielmechaniken, wenngleich auch nicht mit Echtgeldeinsatz
  • Durchwachsene Motorensounds
  • Mau gestaltetes Radioprogramm
  • Mittelmäßige Sprecher

Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Nacon zur Verfügung gestellt worden.

*Unsere Links werden nicht mit einer Monetarisierung versehen

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