AEW: Fight Forever

World Wrestling Entertainment – oder kurz WWE – gilt trotz anhaltender Schwächen immer noch als DER Marktführer in Sachen Sports Entertainment. Dass der Wrestling-Titan dennoch nicht ohne Konkurrenz um die Gunst der Zuschauer buhlen kann, liegt unter anderem an All Elite Wrestling. Das aufstrebende Unternehmen unter Führung von Tony Khan holt vor allem die ältere Klientel ab, die sich mit der familienfreundlichen Ausrichtung des Platzhirschen nicht mehr identifizieren kann. Jetzt schickt AEW mit Fight Forever auch erstmals ein eigenes Videospiel in den Ring – und hat dafür mit Yukes absolute Genreprofis an der Hand, die mit ihrem Titel zur goldenen Ära der Wrestling-Games zurückkehren wollen.

 
 
 
 
Entwickler: Yukes
 

Publisher: THQ Nordic

Plattform: PC | PS4 | PS5 | XB1 | XBS | NS 

Veröffentlichungsdatum: 28. Juni 2023

Preis: ab 59,99€

Altersfreigabe: ab 16 Jahren


Kostenloses Upgrade
Mikrotransaktionen
Ungeschnitten


Guter Einstieg, wenig dahinter

Wer sich ein bisschen mit der langen Historie zwischen Yukes und WWE auskennt, erinnert sich sicher noch daran, dass die beiden Unternehmen nicht gerade freundschaftlich auseinandergegangen sind. Nachdem 2K mit WWE ´12 als Publisher in das Genre einstieg und mit den Jahren immer mehr kreative Kontrolle über die Reihe übernahm, wurde auch der Unmut bei der japanischen Spieleschmiede immer größer. Die hatten nämlich längst genug, im jährlichen Turnus immer komplexere Simulationen zu programmieren und hielten zudem auch nichts von der zunehmenden Dominanz von Mikrotransaktionen in ihrem Werk. Mit AEW: Fight Forever hatte das alteingesessene Team unter der kreativen Leitung von Hideyuki Iwashita – dem Verantwortlichen für das bis heute unglaublich beliebte WWF No Mercy – endlich wieder die Gelegenheit, eine eher klassische Version von Wrestling innerhalb eines Videospiels umzusetzen. Die macht im Ergebnis bereits auf den ersten Blick deutlich, es weder visuell noch in Sachen Umfang mit dem Mitbewerber aufnehmen zu können, will das aber auch gar nicht. 

Chris Jericho kann auf eine lange und erfolgreiche Karriere im Business zurückbringen und steht von Anfang an für AEW im Ring. | PlayStation 5

Im Mittelpunkt soll stattdessen zugängliches, unterhaltsames Gameplay stehen. Wer die letzten Jahre nichts anderes als WWE 2K gespielt hat, muss sich bei der Bedienung zunächst etwas umstellen. Die Steuerung geht zwar grundsätzlich in eine ähnliche Richtung, präsentiert sich hier jedoch wesentlich entschlackter und besonders für Einsteiger ins Genre zugänglicher. Dank der gut implementierten Tutorials hat man den Dreh jedoch schnell raus. Wer sich im Anschluss daran direkt mit Freunden in ein Tag-Team-Match stürzen will, dürfte jedoch rasch auf Ernüchterung stoßen, denn abseits diverser Einzelmatches – darunter auch das erstmals bei AEW Revolution 2021 ausgetragene und dann legendär fehlgeschlagene Exploding Barbed Wire Death Match – offerieren euch die Macher lediglich den Zugang zum Editor sowie der als Story-Modus konzipierten Road to Elite. Und auch dahinter bleibt es inhaltlich überschaubar. Zwar sind rudimentäre Möglichkeiten zur Charakter- und Arenagestaltung vorhanden, bei der Auswahl an Designelementen agiert AEW: Fight Forever aber sehr zurückhaltend. Hier vermisst man dann doch die mega-umfangreichen Tools der Konkurrenz. 

Zwischen den Matches im Story-Modus könnt ihr euch in ausgefallenen Minispielen zusätzliche Währung für den Ingame-Shop verdienen. | PlayStation 5

Auch die Road to Elite ist relativ schnell durchgespielt. Der erzählerische Ansatz ist nicht neu: Als beliebiger Wrestler arbeitet ihr euch von der Battle Royale bis zum Titel vor und stürzt euch auf dem Weg dorthin in immer neue Fehden. Das Ganze wird zumindest dank einer guten Prise Selbstironie nicht völlig zum Rohrkrepierer, auch wirken sich gelegentlich getroffene Entscheidungen auf den weiteren Handlungsverlauf aus und ein Erholungssystem reguliert zwischen den Fights eure Verfassung, alles in allem ist man aber nach gut drei bis vier Stunden bereits am Ende angelangt und dürfte im Anschluss nur wenig Lust auf einen weiteren Durchgang verspüren. Eine Reihe implementierter, teils sehr ausgefallener Minispiele ändert daran auch nichts. Dass sich hier im Ansatz durchaus Potenzial zeigt, muss man lobenswert erwähnen. Doch die dröge inszenierte Präsentation, die übrigens auch außerhalb der Story komplett ohne Kommentatoren auskommen muss und selbst Dialoge ausschließlich in Texttafeln wiedergibt, hätte bereits vor zehn Jahren einen sehr faden Beigeschmack hinterlassen. 

CM Punk kehrt nach langer Zwangspause demnächst in den Ring zurück. Seine Fehde mit Darby Allin lässt sich im Spiel problemlos nachspielen. | PlayStation 5

Positiv zu erwähnen ist, dass einen AEW: Fight Forever nicht permanent mit Echtgeldtransaktionen lockt, sondern einen fairen Teil zusätzlicher Inhalte ganz regulär über anhaltendes Spielen erringen lässt. Währung kann man quasi überall verdienen und die Preise im Ingame-Shop sind fair genug angesetzt, dass man mit angemessenem Zeitaufwand alles von zusätzlichen Wrestlern (darunter auch die jeweils viel zu früh verstorbenen Owen Hart und Brodie Lee) bis hin zu neuen Designs für den Editor einheimsen kann. Eine Möglichkeit, den Weg via gegen bare Münze zusätzlich kaufbare Währung abzukürzen, gibt es nicht. Allerdings haben die Macher bereits angekündigt, das mit gegenwärtig insgesamt 51 Athleten bestückte Roster mit der Zeit durch kostenpflichtige Pakete stetig zu erweitern. Das grundlegende Angebot enthält aber bereits nahezu alle wichtigen Akteure, darunter Britt Baker, CM Punk, Jon Moxley und sogar den im letzten Jahr zurück zur WWE abgedrifteten Cody Rhodes, was den “American Nightmare” zum ersten Wrestler der Videospielgeschichte macht, der gleichzeitig innerhalb eines Jahres in zwei miteinander konkurrierenden Spielen vertreten ist. 

Für wen geeignet?

Jetzt werdet ihr euch fragen: Wozu das Spiel kaufen, wenn es doch so viel weniger bietet als die Konkurrenz und WWE 2K23 längst zum Sparpreis erhältlich ist? Daddelt man sich jedoch einige Stunden durch AEW: Fight Forever, wird schnell deutlich, dass sich die Japaner mit ihrem Titel an eine etwas andere Klientel richten, die zwar dieselbe Liebe zum Wrestling teilt, aber unterschiedliche Ansprüche an dessen Versoftung hat. Wo der Platzhirsch darauf abzielt, Spieler über lange Zeit am Stück an seine zahlreichen Modi zu binden und dabei besonders Simulationsfans ansprechen will, richtet sich dieser Kandidat hier eher an Gelegenheitsspieler, die zwischendurch Lust auf unkomplizierte Action ohne zu krassen Realitätsbezug haben, bei ihren Ausflügen in die virtuelle Welt des Wrestlings aber trotzdem ausreichend Möglichkeiten für ein paar Stunden Spielspaß geboten kriegen möchten – egal ob sie alleine, oder mit bis zu drei Freunden innerhalb einer Battle Royale zocken, was natürlich nicht nur lokal, sondern auch online problemlos möglich ist. 

Anders als bei der WWE-2K-Reihe wird hier keine Rücksicht auf das Geschlecht genommen, jeder kann jedem hemmungslos die Mütze vollhauen. | PlayStation 5

Und dieses Konzept geht im Kern durchaus auf, denn dank des angenehm zugänglichen Gameplays und dem Verzicht auf ein zu strenges Reglement kehrt man immer wieder gerne in den Ring zurück, während WWE 2K23 längst Staub im Regal angesetzt hat. Lediglich das undurchsichtige System zum Kontern kann mangels guter Indikatoren besonders anfänglich für Frust sorgen. So ist AEW: Fight Forever durchaus eine Alternative mit Daseinsberechtigung und zeigt, dass definitiv Potenzial für Fortsetzungen vorhanden ist, dann aber bei Umfang und visueller Gesamtgestaltung dramatisch zulegen muss. Das arcadelastige Gameplay macht Spaß, wird stellenweise je nach gewähltem Modus schon fast comichaft blutig dargestellt und liefert am Ende genau das, was die Entwickler mit dem Spiel ursprünglichen erreichen wollten, nämlich eine Rückbesinnung auf die alten Tage, wo Einfachheit und Zugänglichkeit bedeutsamer waren als Komplexität. Keine Frage, das Spiel wird sein Publikum finden, so wie es die dazugehörigen Promotion auch getan hat. Ob die Marke jedoch auf Dauer bestehen kann…das bleibt wie immer abzuwarten. 

Die Vor- und Nachteile der Zweckdienlichkeit

Wenn ein Spiel grafisch nicht die Erwartungen von Spielern erfüllt, wird oft überzogen geunkt, dass es Spiele auf der PlayStation 2 gegeben hätte, die besser aussahen. Auch über AEW: Fight Forever wurde im Vorfeld ähnliches behauptet. Und man muss eindeutig zugeben, dass sich der Titel dahingehend wirklich ziemlich bescheiden präsentiert. Nicht auf dem Niveau der PlayStation 2, aber durchaus auf jenem ihres Nachfolgers in deren letzten Zügen. Statt umfangreichen Motion Capturing hat man hier jeden Athleten komplett per Hand designt, gleiches gilt auch für die Animationen. Und daran gemessen können sich die Ergebnisse dann doch sehen lassen, denn jeder Wrestler lässt sich mitsamt Moveset problemlos seinem realen Vorbild zuordnen, gleiches gilt für die Arenen. Schade, dass all dies in den arg verkürzten Einmarschsequenzen nicht so gut durchschimmert. Und das Publikum in den vollbesetzten Rängen sieht auch nicht viel schlechter aus als jenes der Konkurrenz. Dafür leidet die K.I. gelegentlich unter spürbaren Aussetzern. In den überwiegend aufgeräumten Menüs findet man sich schnell zurecht. Dass man statt Realbilder der Wrestler jedoch auf Standaufnahmen der jeweiligen Spielmodelle gesetzt hat, trübt den Gesamteindruck. 

So blutig wie AEW: Fight Forever hat sich seit Jahren kein Wrestlingspiel gezeigt. | PlayStation 5

Am Ende bleibt das Spiel grafisch aber allenfalls zweckdienlich. Dass hier die immer noch potente Unreal Engine 4 unter der Haube werkelt, fällt einem im Grunde nicht auf. Partikeleffekte wie Feuerwerk und Rauch werden brauchbar dargestellt, in allem anderen fällt AEW: Fight Forever aber deutlich hinter der ebenfalls nicht mehr ganz zeitgemäß agierenden Reihe aus dem Hause 2K zurück. Überraschenderweise vermisst man die fehlenden Kommentatoren nur kurz, früher gab es sowas ja schließlich auch nicht. Die Frage ist nur: Wo endet die gesunde Rückbesinnung auf jene Tage und wo beginnt der Vorwurf übertriebener Sparsamkeit? Dass die Macher für die Umsetzung kein allzu großes Budget zur Verfügung hatten, muss man in die Beurteilung natürlich mit einfließen lassen. Bei so vielen Einbußen auf so vielen Ebenen dürfte es aber schwierig sein, die jüngere Kundschaft anzulocken (und damit die eigentliche Zielgruppe der WWE), die Jahr für Jahr ihr Geld bei 2K lässt. Das scheint man wie eingangs erwähnt aber auch gar nicht zu wollen. Dass man dennoch genug Kaufanreize bietet, muss jedem klar sein und ist die Grundregel jedes wirtschaftlichen Erfolges – selbst wenn er mit voller Absicht nur im kleinen Maßstab angesetzt wird. Für unseren Test durften wir das Spiel sowohl auf PlayStation 5 und PC testen, die übrigen Plattformen haben wir auf eigene Faust ebenfalls unter die Lupe genommen. 

Die Fassungen für PC und Current-Gen-Konsolen unterscheiden sich im Vergleich zu den übrigen Portierungen allenfalls durch bessere Kantenglättung und stabilere Bildraten. | PlayStation 5

Angesichts der allgemeinen Präsentation werden hier auch die betagten Last-Gen-Modelle nie wirklich gefordert. Richtige Unterschiede findet man lediglich bei Auflösung, Kantenglättung und gelegentlich auch der Performance. Vor allem die Nintendo Switch muss hier die größten Einschnitte hinnehmen und schafft maximal 30 Frames pro Sekunde bei mageren 720p, auch grafisch mussten nochmal einige Einschnitte vorgenommen werden. Spielbar bleibt AEW: Fight Forever auf der tragbaren Konsole trotzdem und eignet sich aufgrund der einsteigerfreundlichen Bedienung auch für ein paar Auseinandersetzungen abseits der heimischen Couch. Generell kann man also überall beherzt zugreifen. Wer plant, demnächst von der PlayStation 4 auf den Nachfolger zu wechseln, hat das kostenlose Upgrade bereits an Bord, auf XBOX greift dagegen die komfortable Smart Delivery. Ein paar kleinere Bugs bei der Kollisionsabfrage sind vorhanden, trüben den Spielspaß aber nicht allzu sehr. Und die gewohnt problematische Darstellung der Haare ist etwas, dass man als Genreveteran längst kennt. Am PC sollte man aber nicht ohne Gamepad loslegen, denn die Bedienung mit Maus und Tastatur ist alles andere als geschmeidig geraten. 

“Noch nie war Wrestling als Unterhaltungsform so sehr im Wandel wie in diesem Moment. Während die WWE sich hinter den Kulissen auf einen Komplettverkauf vorbereitet und Vince McMahon sich im Look eines italienischen Mafiapaten nach einem waschechten Skandal wieder mehr und mehr in die inhaltliche Gestaltung einmischt, baut die Konkurrenz ihr Alternativprogramm konsequent weiter aus – im Falle von All Elite Wrestling nun auch in Form eines passenden Videospiels. Das von den Altmeistern im Genre programmierte Spiel richtet sich spielerisch mehr an den Klassikern aus und dürfte gerade bei den alten Hasen liebevolle Erinnerungen an die goldenen Tage eines WWF Nitro oder Here comes the Pain erwecken – damit hat es tatsächlich einigen Erfolg. Optisch, erzählerisch und bei der Auswahl der Modi jedoch ist bei AEW: Fight Forever aber noch massiv ungenutztes Potenzial vorhanden, dass es zu erschließen gilt, wenn es für die Marke nicht bei einem einmaligen Ausflug in die Welt des Sports Entertainment bleiben soll. Als arcadige Alternative zu WWE 2K hat das Spiel aber definitiv eine Existenzgrundlage.”

  • Angenehm zugängliches Gameplay…
  • …dass sich ideal für ein paar Runden zwischendurch eignet
  • Äußerst solide Arcadelastigkeit mit hohem Nostalgiefaktor
  • Grundlegende AEW-Atmosphäre ist vorhanden
  • Im Rahmen der Möglichkeiten gut gemachte Entrances
  • Selbstironisch erzählte Geschichte in Road to Elite
  • Angemessen bestücktes Roster
  • Gute Tutorials
  • Brauchbare Soundkulisse
  • Optional zuschaltbare Hilfen
  • Gut ausbalancierte Schwierigkeitsgrade
  • Wrestler mit Wiedererkennungswert
  • Motivierende, faire Freischaltmechaniken ohne Mikrotransaktionen
  • Angenehm zugängliche Bedienung via Gamepad
  • Grafisch extrem altbacken
  • Hier und da kleinere Bugs bei der Kollisionsabfrage
  • K.I. mit Aussetzern
  • Entrances nur in kompakter Form
  • Kontersystem dank fehlender Indikatoren anfänglich sehr frustrierend
  • Sehr überschaubare Auswahl an Modi
  • Begrenzte Mehrspielermöglichkeiten
  • Allenfalls rudimentärer Editor
  • Überwiegend dröge inszenierte Road to Elite
  • Minispiele nutzen sich schnell ab
  • Nicht immer ansehnliche Ingame-Standbilder der Wrestler innerhalb der Menüs
  • Dialoge nur in Textform
  • Keine Kommentatoren
  • Schwammige Maus- und Tastatursteuerung am PC

Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von THQ Nordic zur Verfügung gestellt worden.

©2023 M-Reviews.de

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*