The Inquisitor

Unzählige Unschuldige starben im Mittelalter unter dem Banner der Inquisition. Schon der kleinste Verdacht, in irgendeiner Form mit dem Teufel anzubandeln, wurde von den fanatischen Kirchenvertretern mit drakonischen Strafen geahndet – alles im guten Geiste von Jesus Christus. Das polnische Entwicklerteam von The Dust interpretiert diese Epoche nun gänzlich neu. Was zumindest erzählerisch einige spannende Ansätze verspricht, versumpft leider viel zu schnell in einer allgemein katastrophalen Umsetzung. 

Entwickler: The Dust

Publisher: Kalypso Media

Plattform: PC | PS5 | XBS

Veröffentlichungsdatum: 08. Februar 2024

Preis: ab 39,99€*

Altersfreigabe: ab 16 Jahren

Metacritic | OpenCritic


Mikrotransaktionen
Ungeschnitten


Ein etwas anderer Kreuzgang

Selbst Religionsallergiker wie ich kennen die Legenden um Jesus Christus, jenen angeblich gottgesandten Wunderheiler, der sein unrühmliches Ende am Kreuz fand und drei Tage später wie durch ein Wunder von den Toten zurückkehrte. Hier wird diese Geschichte nun etwas anders wiedergegeben, denn in der Welt von The Inquisitor sprengt ein zornerfüllter Heiland höchstpersönlich sein Kreuz und startet anschließend einen blutigen Rachefeldzug gegen all jene, die seinen Glaubenslehren nicht folgen wollen. Knapp 1500 Jahre später hat sich die auf diesen Lehren gegründete Kirche zur alles beherrschenden Macht in Europa entwickelt und eine Art religiöse Diktatur etabliert, die Ungläubige jedweder Art unerbittlich verfolgt – egal, ob sie aus dieser Welt stammen, oder aus einer anderen. 

Die Begrüßung in Königstein fällt ziemlich frostig aus. Als Inquisitor sind wir solche Behandlung allerdings gewohnt. | PlayStation 5

Als ein Vampir die Bevölkerung von Königstein immer weiter dezimiert, werden wir in Gestalt des grimmigen Inquisitors Mordimer Madderin von den Kirchenoberen ausgesandt, um der Bestie den Garaus zu machen. Dass sich über unsere Ankunft allenfalls der Bürgermeister freut, merken wir schnell, denn die verarmten Städter scheinen uns deutlich mehr zu fürchten als den scharfzahnigen Blutsauger. Viel Zeit, dessen Spur aufzunehmen, wird uns leider nicht geschenkt, denn als eine Serie von Ritualmorden noch mehr Tote auf die Straßen spült, schreiten wir auch hier konsequent zur Tat und stürzen uns bewaffnet mit Schwert und Kreuz in die Ermittlungen.

Mittelalterliche Maßstäbe

Was folgt, hätte eigentlich viel Potenzial für einen spannenden Kriminalfall innerhalb eines unverbrauchten, angenehm düsteren Settings. Leider scheitert das polnische Entwicklerteam permanent daran, all dies auch brauchbar umzusetzen. Im Grunde wird hier nicht viel mehr geboten als ein stetiges Ablaufen von Zielpunkten und das Aussitzen jeder Menge überwiegend grottig vertonter Dialoge. Auch die Ermittlungsarbeit gerät schnell repetitiv und besteht aus wenig mehr als dem immer gleich ablaufenden Belauschen von Passanten oder der Verfolgung von Geruchsspuren mithilfe unserer besonders gut ausgeprägten Sinne, die uns übrigens praktischerweise auch dabei helfen, Sammlerstücke und andere interessante Orte in der Welt ausfindig zu machen. 

Untersuchen

Klassische Ermittlungsarbeit: Zunächst suchen wir die Leiche nach Anhaltspunkten ab.

Beobachten

Im Anschluss daran belauschen wir aus der Ferne Gespräche der umstehenden Passanten…

Schlussfolgern

…ehe wir unsere gesammelten Spuren in der Unwelt zu einem Ergebnis zusammenfügen. | PlayStation 5

Für das Konkludieren wechseln wir regelmäßig in die Unwelt, ein schattenverzehrtes Reich voller Gefahren, wo wir zunächst eine zunehmende Anzahl von Erinnerungsfragmenten einsammeln müssen. Selbst zu einem Ergebnis kommen dürfen wir übrigens nicht, denn die Schlussfolgerungen sind allesamt vorgegeben. Die Pfade dorthin werden zwar von rotschimmernden Entitäten bewacht, allerdings lassen sich die behäbig über das Gebiet schreitenden Kreaturen derart mühelos umgehen, dass man hier kaum von einer Herausforderung sprechen kann. Auch die gelegentlichen Auseinandersetzungen mit Banditen und Co. erfordern kaum Geschick und lassen sich durch stures Tastenhämmern schnell erfolgreich bewältigen. Dabei ist zu erwähnen, dass sich selbst ein junger Ezio Auditore in seinem ersten Abenteuer graziler bewegt hat als Mordimer – und das, obwohl dessen Debüt bald fünfzehn Jahre zurückliegt. 

Im Kerker bekommen wir es mit einem wahnsinnigen Henker zu tun. Was folgt, ist eine extrem langwierige Geräuschjagd inklusive nervtötender Quicktime-Events. | PlayStation 5

Generell fühlt sich so ziemlich jeder Aspekt von The Inquisitor wie eine Zeitreise an, nur eben nie im guten Sinne. Was einem hier aufgetischt wird, erinnert durchgehend an frühe Schöpfungen der vorletzten Konsolengeneration, nur dass sich selbst von denen manche deutlich besser gehalten haben. Alleine die permanent eingestreuten QTE-Passagen sind mittlerweile völlig überholt. Und weil euch das Spiel im Falle von ansatzweise humanen Dialogentscheidungen auch noch mit dem schlechten der beiden möglichen Enden bestraft, wird einem kaum die Chance gegeben, den ohnehin schon unsympathischen Mordimer auf tugendhaftere Pfade zu führen. Entsprechend quälend fühlen sich die circa zwölf bis fünfzehn Stunden Spielzeit an. Die im Ansatz vielversprechende Geschichte wird unter all diesen spielerischen Unzulänglichkeiten schneller begraben, als man ein Ave Maria sprechen kann. 

Methusalem lässt grüßen

Aber auch die technische Seite erinnert unschön an längst vergangene Zeiten und zwar so sehr, dass man regelmäßig den Eindruck hat, es hier mit einem mittelmäßigen Remaster eines ursprünglich auf PlayStation 3 und Co. veröffentlichten Titels zu tun zu haben. Detailarme Texturen, eine minimalistische Partikelkulisse inklusive mauer Beleuchtung und potthässlich animierte Charaktere kratzen dramatisch an der sonst durchaus brauchbaren Atmosphäre. Lediglich die gewaltigen Kathedralen bringen ein wenig Glanz ins das sonst visuell hoffnungslos veraltete Geschehen. Die hier zum Einsatz gebrachte Unity Engine ist zwar grundsätzlich nicht für grafische Meisterwerke geeignet, kann aber definitiv mehr als das hier zur Schau gestellte. Erschwerend hinzu kommt, dass ihr es sowohl auf PC als auch PlayStation 5 sowie XBOX Series X|S permanent mit willkürlich auftretenden Bildrateneinbrüchen zu tun bekommt, die sich unter anderem beim Verlassen des Wahrnehmungsmodus regelmäßig manifestieren und sich erst nach mehreren Sekunden wieder verflüchtigen.

Das Innere der Kathedrale zählt zu den hübscheren Lokalitäten im sonst überwiegend potthässlichen Spiel. | PlayStation 5

Auch die unangemessen langen Ladezeiten beim Betreten neuer Gebiete fallen unangenehm auf. Soundtrack und Bedienung sind da deutlich besser geraten. Das ist aber auch schon alles, was man in Sachen Technik positiv bewerten kann. The Inquisitor ist insgesamt ein Paradebeispiel dafür, was passieren kann, wenn sich ein gleichermaßen überschaubares wie unerfahrenes Team bei der Umsetzung einer Idee völlig übernimmt. Als klassisches Point-and-Click-Adventure im nostalgischen Pixellook hätte der Titel wahrscheinlich deutlich besser funktioniert. In dieser Form muss man eben einer lächerlich dicken Retrobrille auf der Nase aber auch einen großen Krug mit Rebensaft bereitstellen, wenn man sich dem Scharfrichter nicht aus lauter Frust nach wenigen Stunden selbst ausliefern möchte. Nicht ganz so furchtbar wie ein Lord of the Rings: Gollum zwar, aber irgendwie eben doch in der selben Ecke anzusiedeln. Schade ist das schon, aber man kann selbst mit allem Wohlwollen nicht beschönigen, was einfach nicht schön zu reden ist. 

„Dass auch kleine Studios mit wenig Geld dazu imstande sind, spannende Geschichten gut inszeniert umzusetzen, hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt. Den Machern von The Inquisitor ist dieses Kunststück leider nicht gelungen, denn auch der gar nicht mal so uninteressante Prämisse gelingt es zu keinem Zeitpunkt, einen über die hoffnungslos veraltete Technik sowie das schrecklich öde Spieldesign hinwegzutrösten. Angesichts einer solch desaströsen Erfahrung hätte sich Jesus wohl freiwillig ans Kreuz nageln lassen. Wer Interesse an einer düsteren Mittelalter-Erfahrung hat, ist selbst mit dem ersten Witcher in jedweder Hinsicht besser bedient.“

  • Im Kern interessante Prämisse
  • Stellenweise angenehm atmosphärisch
  • Zwei verschiedene Enden
  • Zugängliche Bedienung
  • Stimmiger Soundtrack
  • Halbwegs angemessener Preis
  • Technisch in jedweder Hinsicht vollkommen veraltet
  • Häufigen Bildrateneinbrüche und lange Ladezeiten
  • Repetitives, überwiegend einfallsloses Gameplay
  • Spielerische Herausforderung praktisch nicht vorhanden
  • Streng lineare Ermittlungsarbeit
  • Komplett aus der Zeit gefallene Reaktionseinlagen
  • Oberflächliches, stupides Kampfsystem
  • Strunzdumme K.I.-Gegner
  • Unsympathischer Hauptcharakter
  • Undurchsichtige Entscheidungen…
  • ...welche in einem frustrierenden Ende gipfeln können
  • Unmotivierte Sprecher

Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Kalypso Media zur Verfügung gestellt worden.

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