4K UHD | Blu-Ray: Reservoir Dogs

Reservoir Dogs feiert runden Geburtstag und M-Reviews feiert mit! Genau dreißig Jahre ist es her, seit Quentin Tarantino mit seinem ersten Kinofilm quasi über Nacht zu Weltruhm gelangte und damit sämtliche Weichen für eine beispiellose Erfolgsgeschichte als unberechenbarer Filmemacher legte, welche bis heute andauert. Unter der Flagge des hauseigenen Arthaus-Label hat STUDIOCANAL den Film nun aufwendig neu in 4K abtasten lassen – mit sensationellen Ergebnissen!

 

Studio und Vertrieb: STUDIOCANAL

Erscheinungsjahr: 1992

Regie: Quentin Tarantino

Darsteller: Michael Madsen, Harvey Keitel, Tim Roth, Chris Penn, Steve Buscemi und andere

Veröffentlichungstermin: 01. Dezember 2022

Format: 4K UHD | Blu-Ray 

Preis: ab 12.99€

Altersfreigabe: ab 18 Jahren




Der Film

Um einen Juwelier seiner kostbaren Lieferung zu berauben, hat Verbrecherboss Cabot (Lawrence Tierney) acht handverlesene Männer um sich geschart, die am Morgen des geplanten Überfalls in einem Diner sitzen, um sich bei einer Diskussion um Madonna und den Sinn von Trinkgeldern besser kennenzulernen. Ihre echten Namen verbergen die Männer hinter farblichen Codenamen. In der Branche gilt: Je weniger man über einander weiß, desto besser. Einheitlich gekleidet in schwarzen Anzügen mit passender Krawatte machen sich die Gauner auf den Weg, um den sorgfältig geplanten Coup über die Bühne gehen zu lassen. 

Unter den wenigen Überlebenden des verpatzten Überfalls ist ein Verräter. Aber wer? | 4K UHD

Die nächste Szene: Während Mr. White (Harvey Keitel) am Steuer seines Fluchtwagens panisch vor der Polizei flüchtet, droht der schwerverletzte Mr. Orange (Tim Roth) auf dem Rücksitz an den Folgen eines Bauchschuss zu verbluten. Ein Teil der Gangster ist während des Überfalls gestorben und auch unter den Angestellten sowie dem Sicherheitspersonal scheint es hohe Verluste gegeben zu haben. Im Versteck – einer leerstehenden Lagerhalle – angelangt, versuchen die beiden Männer nach den ganzen Strapazen zunächst, wieder einen kühlen Kopf zu erlangen. Der wenig später eintreffende Mr. Pink (Steve Buscemi) ist zwar unverletzt entkommen und konnte auf seiner Flucht auch die erbeuteten Diamanten sicher verstecken, vermutet aber einen Maulwurf in den eigenen Reihen, der den Plan zuvor an die Polizei verraten haben muss. 

Mr. Blonde liebt coole Auftritte, Hits aus den Siebzigern und Folter. | 4K UHD

Als dann mit Mr. Blonde (Michael Madsen) der letzte verbliebene Gangster in der Lagerhalle eintrifft, scheinen sich die chaotischen Geschehnisse allmählich zu lichten. So war es nämlich Blonde, der beim Juwelier zuerst das Feuer eröffnet hat. Es kommt zum hitzigen Streit unter den Männern und jeder verdächtigt jeden, der Verräter zu sein. Bis zum Auftauchen von Cabot und seinem Sohn, dem „netten Eddie“ scheint eine gefühlte Ewigkeit zu vergehen. Zeit genug, die Ereignisse des Tages zu rekonstruieren und sich ganz nebenbei ein bisschen Zeit zu vertreiben, indem man sich zu einigen Siebziger-Jahre-Oldies an dem gefangenen Cop im Kofferraum austobt…

Die Rezension

Mit Reservoir Dogs ist Quentin Tarantino 1992 ein Kammerspiel der Extraklasse gelungen. Der Ausnahmeregisseur, der sich sein immenses Filmwissen primär während seiner Jugendjahre als Aushilfe in einer Videothek zusammengesammelt hat, hat mit etwas gerade einmal etwas über 1.2 Millionen Dollar Budget und einer Handvoll versierter Darsteller aus der Independent Szene ein hochspannendes Stück Kinogeschichte erschaffen, dass komplett ohne Effekthascherei auskommt und seine Stärken einzig und alleine aus seinem mit messerscharfen Dialogen und den dazugehörigen Charakteren gespickten Drehbuch zieht. Gedreht wurde hauptsächlich in einer leerstehenden Leichenhalle, die Musik entlieh Tarantino seiner eigenen Plattensammlung – ein stilbildendes Mittel, welches sich fast durch die gesamte Vita des Regisseurs zieht.

Gar nicht so nett, wie der Name vermuten lässt: Der „nette Eddie“. | 4K UHD

Der typische Humor des Kultfilmers ist bereits hier deutlich zu erkennen. Da wird sich scheinbar über belanglose Dinge enthalten, die jedoch innerhalb des Ensembles plötzlich eine ganz einzigartige Dynamik entfalten. Dieses Auge für Details und das Talent, scheinbar banalen Nebensächlichkeiten Bedeutung zu verleihen, sollten bezeichnend für die Arbeit des gebürtigen Südstaatlers werden. Die Folterszene genießt unter Fans längst legendären Status. Entstanden ist ein packendes Verwirrspiel, welches einen dank seiner nicht-chronologischen Erzählreihenfolge bis zum blutigen Finale immer wieder gekonnt auf falsche Fährten führt und knapp einhundert Minuten Hochspannung bietet. Reservoir Dogs ist ein zeitloser Klassiker, den jeder gesehen haben muss, der sich auch nur im Ansatz als Cineast bezeichnet. 

Zwei Dinge liebt Tarantino: Füße und Trunkshots. Die Füße kamen erst später dazu. | 4K UHD

Der Film beweist zudem sehr eindrucksvoll, wie wichtig ein durchdachtes Skript eigentlich ist. Während in heutigen Zeiten alles bis zur Unkenntlichkeit neu aufgekocht wird und Qualität vollkommen egal zu sein scheint, solange es nur divers genug ist, ist Tarantino einer der letzten sicheren Häfen für alle, die sich mit woker Fließbandware ohne Substanz, immer neuen Remakes und dünn gestrickten Heldenverfilmungen noch nicht völlig abgefunden haben. Umso mehr ist zu hoffen, dass der Meister seine Ankündigung, nach dem zehnten Film in den Ruhestand zu gehen, nicht wahr machen wird. Die Filmwelt braucht einen Taratino – im Moment mehr als je zuvor. Das ist mir beim Sichten von Reservoir Dogs sehr schnell klargeworden. 

4K UHD und Blu-Ray Remastered: Das Bild

Als die Ära hochauflösender Heimkinoveröffentlichungen im Jahr 2008 allmählich Fahrt aufnahm, bekam auch Reservoir Dogs zeitig ein entsprechendes Release spendiert. Die dazugehörige Blu-Ray kann man aber mittlerweile getrost als absolute Katastrophe bezeichnen. Ein miserables Encoding, blasse Farben und schwache Kontraste…da sind mir teilweise DVDs untergekommen, die einen besseren Eindruck hinterlassen haben. Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass man damals noch ordentlich mit Weichzeichnern nachgeholfen hat, was dem Film zusätzlich nicht nur jedwede Natürlichkeit raubt, sondern sich auch massiv negativ auf die Detailwiedergabe auswirkt. Kurzum: Auf der alten Blu-Ray würde ich noch nicht einmal meine Teetasse abstellen wollen. Die später erfolgten Neuauflagen sind da übrigens kein Stück besser, egal was die teils unterschiedliche Aufmachung vorgibt. Wenn also ein Film dringend auf ein Upgrade angewiesen war, dann ist es Reservoir Dogs

Fast bis zur Unkenntlichkeit durch den Filterwolf gejagt, dazu schlechtes Encoding und ausgewaschene Farben: Das ist die alte Blu-Ray (Slider ganz Rechts). Das neue Master (Slider ganz Links) ist dagegen eine absolute Offenbarung.

Für die Neuauflage hat STUDIOCANAL den Film in 4K digital vom originalen 35mm-Negativ abtasten lassen, im Anschluss wurden umfangreiche Restaurierungsarbeiten vorgenommen und auch ein neues Color Grading hat man dem Klassiker für die Feierlichkeiten zum 30. Jubiläum spendiert. Die Ergebnisse sind schon über die Blu-Ray Remastered derart brillant, dass man fast meint, hier einen komplett anderen Film bestaunen zu dürfen. Was hier alleine an Definition rausgeholt wird, übertrifft selbst meine kühnsten Erwartungen. Statt wachsigen und totgefilterten Eindrücken wird man mit Details hier quasi erschlagen, begleitet wird das Ganze von einer extrem unaufdringlichen, stets natürlichen Körnung. Egal wohin man blickt, ganz gleich in welcher Szene: Die Neuauflage wischt mit ihren Vorgängern in wirklich jeder Einstellung hemmungslos den Boden auf. Aber verlieren wir nicht zu viele Worte, sondern lassen stattdessen einfach die mehr als aussagekräftigen Bilder für sich sprechen. 

Die alte Blu-Ray (Slider ganz Rechts) versumpft im Grün und lässt die farbenfrohe Kulisse allenfalls erahnen. Die Neuauflage (Slider ganz Links) löst bis zum Fenster im Hintergrund um Welten besser auf, liefert sichtbar bessere Farben samt Differenzierung und wirkt aufgrund der Kontrastydynamik sogar dreidimensionaler. 

Da zeigen sich dann auch bei Farben und Kontrasten schnell Unterschiede wie Tag und Nacht. Die ausgewaschene Kolorierung der Erstauflagen wirkte mit ihrer zusätzlichen Gründominanz besonders bei den Hauttönen nicht gesund und ließ zudem auch so gut wie keinen Raum für farbliche Highlights zu. Die Blu-Ray Remastered verpasst dem Film eine sattwarme Farbgebung, was einerseits für deutlich bessere Hauttöne sorgt, in der Gesamtsumme aber erstmals wirklich Differenzierung zulässt. Allerdings tendiert mir die neue Blu-Ray dann farblich insgesamt doch etwas zu aggressiv ins Pink. Die Hauttöne sehen in dieser Form zwar immer noch um Welten besser aus als bisher, so richtig perfekt ist es aber noch nicht, zumal sich der Einschlag auch sichtbar auf eigentlich neutral-weiße Flächen auswirkt. Dafür leuchten einem die kräftigen Schwarzanteile nur so entgegen und bilden mit dem intensivroten Blut einen kongenialen Kontrast, dem man sich kaum zu entziehen vermag.

Wer hier Zensuren vermutet, liegt falsch: In der Blutmenge liegt kein Unterschied zwischen der Erstveröffentlichung (Slider ganz Rechts) und der Neuauflage (Slider ganz Links) – die totgefilterte und schlecht enkodierte alte Blu-Ray ist einfach nur nicht imstande, mehr Bildinformationen zu zeigen. Noch offensichtlicher werden die Auflösungsunterschiede anhand der Haare. Und so tiefenbrillante Rot- und Schwarztöne hat man schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen. 

Die in nativem 4K auflösende UHD schlägt neben einem erweiterten Farbraum nach Rec.2020 auch mit Support für HDR10 und Dolby Vision auf – und setzt genau dort an, wo die neue Blu-Ray noch ein paar letzte offene Baustellen hat. Das dunklere Mastering dämmt den pinken Farbeinschlag wieder etwas ein und beseitigt gleichzeitig ein paar kleinere Überstrahlungen in den wenigen Außeneinstellungen, die über die Blu-Ray Remastered im Hintergrund noch zu sehen sind. Die nochmals intensivierte Farbgebung verbessert die Differenzierung weiter, ohne dabei in Extreme abzudriften. Und während die Scheibe dank nativer Auflösung besonders im Hintergrund noch das ein oder andere zusätzliche Detail herauskitzeln kann – besonders gut zu erkennen an Schriften und Häusertexturen – löst die Körnung hier derart fein auf, dass sie kaum noch wahrnehmbar ist. Wirklich eindrucksvoll, was die 4K UHD hier noch zusätzlich aus dem bereits fantastischen Master herauskitzeln kann. 

4K UHD und Blu-Ray Remastered: Der Ton

Nach aller Euphorie wird es nun Zeit für einen kleinen Dämpfer, denn während sich beim Bild quasi jede Sekunde völlig neu anfühlt, gilt das für die im verlustfreien Format DTS-HD MA 5.1 vorliegenden Tonspuren nur bedingt. Die bieten zwar mehr Datenrate als die bisher „nur“ in DTS-HD High Resolution erklingenden Fassungen, basierend aber immer noch auf derselben Abmischung, was besonders für die deutsche Synchronisation bedeutet, dass wir es hier abermals mit den etwas dumpf klingenden Sprechern und dem andererseits etwas zu aggressiven Hallgeräusch innerhalb der Lagerhalle zu tun bekommen. Sonst kann man der Tonspur aber kaum etwas ankreiden, denn die gute Räumlichkeit und eine gute Dynamik bei Musik und Effekten sind auf der Habenseite natürlich ebenso erhalten geblieben

Here I am, stuck in the middle with you! | 4K UHD

Die englische Tonspur ist da grundsätzlich etwas runder, besonders die Dialoge klingen klarer und gleichzeitig auch kraftvoller, gleichzeitig ist der Hall hier nicht so dominant. Dafür müssen sich Kenner des Films darauf einstellen, dass auch in dieser Fassung wieder ein kurzer Satz im O-Ton fehlt, der jedoch nicht aus zensurtechnischen Gründen weichen musste, sondern schlichtweg in der Abmischung verlorengegangen ist. Gegenwärtig findet man die komplett englische Fassung nur auf einer sehr seltenen Import-Scheibe aus Übersee. Weil es sich hier aber wirklich nur um einen kurzen Bruchteil ohne Relevanz handelt, sollte man sich also gut überlegen, ob man damit nicht wie bisher auch leben kann. 

Die Extras

Kurios, aber STUDIOCANAL hat das bisher bekannte Bonusmaterial komplett gestrichen und die Veröffentlichungen komplett mit neuen Extras bestückt. Die sind aber ziemlich überschaubar geraten und bestehen neben einer Handvoll bisher unveröffentlichter Deleted Scenes nur aus zwei Featurettes, die sich zum einen näher mit den Charakteren des Films befassen, zum anderen einen Blick auf den Kultcharakter des Films werfen. 

Gangsterboss Cabot hält sämtliche Fäden in der Hand. | 4K UHD

Schön und gut, den Fans etwas neues anbieten zu wollen, aber sicher wäre auf den Datenträgern auch noch Platz für den Rest gewesen. Gerade das Fehlen der vier Audiokommentare, darunter von Tarantino selbst, stößt mir doch sehr sauer auf. Ob das an Lizenzschwierigkeiten gelegen hat, oder ob man hier wirklich einfach geschlafen hat, ließ sich zum Redaktionsschluss leider nicht mehr klären.

„Quentin Tarantino gilt unter Cineasten längst als letztes Bollwerk eines Hollywood, wie es zu seinen besten Zeiten einmal gewesen ist. Nicht geprägt von Ideologien oder darum bemüht, auch aus längst toten Franchises noch den letzten Dollar herauszupressen, sondern mit der Intention, eine gute Geschichte zu erzählen und das Publikum einfach gut zu unterhalten. Dass dem Meister das heute immer noch gelingt, daran ist sein Erstlingswerk Reservoir Dogs sicher nicht ganz unschuldig. Das mit wenig Budget erschaffene, herrlich kompromisslose Kammerspiel hat sich den Charakter der Zeitlosigkeit bewahrt und punktet auch heute noch mit genialer Musik, treffsicheren Dialogen und erinnerungswürdigen Charakteren. Die Neuauflage zum 30. Jubiläum lässt den Film sowohl auf Blu-Ray als auch 4K UHD in bisher ungekanntem Glanz erstrahlen. Was das neue Master hier qualitativ aus dem Film herausholt, sucht wirklich seinesgleichen und hat mit bisherigen Veröffentlichungen kaum noch etwas gemein – zum Glück, wie man nur sagen kann, wobei die UHD nochmals bessere Farben und Kontraste sowie mehr Details offeriert. Der deutsche Ton bleibt trotz neuer Kodierung aber gerade bei der Dialogwiedergabe etwas dürftig, und das neue – wenn auch sehr knappe – Bonusmaterial ist zwar willkommen, dass man dafür aber sämtliche bisherigen Features komplett entfernt hat, lässt mich dann zum Schluss doch minimal ratlos bei dieser sonst beispiellos gelungenen Neuabtastung zurück. Happy Birthday, Reservoir Dogs!“


Quelle Bildmaterial: ©ARTHAUS. Im Vertrieb von STUDIOCANAL. All rights reserved.

Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von STUDIOCANAL zur Verfügung gestellt worden.

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