Mit Carrie schuf Autor Stephen King einen Klassiker der modernen Horrorliteratur und wurde damit quasi über Nacht weltberühmt. Das erste veröffentlichte Werk des Altmeisters wurde mehrfach als Film adaptiert, doch das brillante Original von 1976 bleibt unerreicht. Und genau das erscheint nun nicht nur erstmals als 4K UHD, sondern auch als Blu-Ray Remastered.
Vertrieb: Capelight Pictures
Erstveröffentlichung: 1976
Der Film
Als bei der sechzehnjährigen Carrie White (Sissy Spacek) beim Duschen nach dem Sportunterricht die erste Menstruation einsetzt, ist sie mit der Situation völlig überfordert. Ein gefundenes Fressen für die biestigen Mitschülerinnen, welche das peinliche Erlebnis durch ihre Reaktionen in eine vollkommene Demütigung steigern. Nur durch das beherzte Eingreifen der Sportlehrerin Miss Collins kann Schlimmeres verhindert werden. Carrie, die alleine mit ihrer in einem krankhaften religiösen Wahn gefangenen Mutter (Piper Laurie) zusammenlebt, ist von dieser nie aufgeklärt worden, die natürliche biologische Entwicklung ihrer Tochter betrachtet die wahnsinnige Frau als Sünde. Weitere psychische und körperliche Misshandlungen folgen, lediglich bei ihrer Klassenkameradin Sue (Amy Irving) findet das schüchterne Mädchen ein offenes Ohr.
Die will wenigstens dafür sorgen, dass Carrie einmal in ihrem Leben einen glücklichen Moment erfährt und bittet ihren Freund, den gutaussehenden Tommy, gemeinsam mit Carrie auf den anstehenden Abschlussball zu gehen. Zusätzlich von Miss Collins motiviert, etwas mehr aus sich herauszugehen, stellt sich mit der Zeit heraus, dass in Carrie telekinetische Kräfte schlummern, die sich immer dann zeigen, wenn der schüchterne Rotschopf die Kontrolle über ihre Emotionen verliert. Ein nerviges Nachbarskind wird durch pure Willenskraft vom Fahrrad geschubst und der inkompetente Schuldirektor wird beinahe von seinem eigenen Aschenbecher erschlagen. Mit der Zeit gelingt es Carrie immer besser, ihre Kräfte zu kontrollieren und schafft es sogar, ihre aggressiv protestierende Mutter während der Vorbereitungen für den Ball auf Distanz zu halten.
Als der große Abend endlich gekommen ist, staunen die Anwesenden nicht schlecht über Carrie, die sich vom biederen Mädchen zum schönen Schwan gewandelt hat. Doch sie hat die Rechnung ohne die rachsüchtige Chris (Nancy Allen) gemacht. Fest entschlossen, sich für die im Anschluss an ihr Verhalten in der Dusche verhängte Strafe zu rächen, manipuliert sie zusammen mit ein paar Freunden und ihrem dümmlichen Liebhaber Billy (John Travolta) die Abstimmung zur Ballkönigin zugunsten von Carrie, um dieser anschließend auf offener Bühne einen Eimer Schweineblut überzukippen. Der diabolische Plan gelingt, hat aber mörderische Konsequenzen, denn als bei Carrie alle Sicherungen durchbrennen, verwandelt sie den Abschlussball mithilfe ihrer Kräfte in ein Meer aus Blut und Schreien…
Die Rezension
Mit Carrie legte Stephen King den Grundstein zu seiner bis heute andauernden Karriere als Meister des subtilen Schreckens. Dessen wiederkehrende Formel, Normalbürger mit dem Übersinnlichen zu konfrontieren, tritt hier bereits mehr als deutlich hervor. Das gleichnamige Buch mauserte sich in Rekordzeit zum Beststeller und natürlich dauerte es nicht lange, bis auf die ersten Filmstudios Interesse an dem Stoff zeigten – wenngleich das Horrorgenre in den Siebzigern kaum Erfolge hervorgebracht hatte. Der damals noch unbekannte Regisseur Brian DePalma fand sofort Gefallen an dem Stoff und bekam über Umwege schließlich die Zusage, musste den Dreh aber mit einem selbst für damalige Verhältnisse lächerlich kleinen Budget von weniger als zwei Millionen Dollar stemmen. Kein Wunder also, dass er beim Casting der Darsteller nicht wählerisch sein konnte. Andererseits hatte DePalma von Anfang an nicht vor, prominente Namen zu verpflichten.
Dass der Film für die vielen Schauspieldebütanten wie den damals blutjungen John Travolta zum Sprungbrett einer jahrzehntelangen, erfolgreichen Karriere werden würde, hätte damals wohl keiner geahnt. Sissy Spacek, die sich für ihre Rolle akribisch in totaler Isolation vorbereitet hat, kann nach ihrer meisterhaften Performance als von allen geschasste Schülerin heute auf eine lange und facettenreiche Vita als Schauspielerin zurückblicken. Die Nominierung für den Oscar© als beste Darstellerin ist mehr als angemessen. Und die herrlich böse Nancy Allen später unter anderem im Kultklassiker RoboCop als taffe Polizistin an der Seite des Titelhelden glänzen durfte. Großartig ist auch Piper Lurie in der Rolle der Mutter, deren Performance im Verlauf des Films immer angsteinflößender und bedrohlicher wirkt. Dass die meisten Schülerdarsteller für ihre Rollen offensichtlich viel zu alt sind, kann man aufgrund der durchgehend guten Leistungen verzeihen.
Carrie ist der ultimative Film für alle, die in ihrem Leben schon einmal Mobbing oder ähnliche Misshandlungen erfahren haben und sich wünschen, sämtlichen Peinigern das zugefügte Leid einmal so richtig heimzahlen zu können. Die legendäre Szene beim Abschlussball sowie das nachfolgende Massaker fühlen sich angesichts dessen beinahe wie eine gerechte Strafe an. Der unendliche Zorn des blutgebadeten Schwans entlädt sich dank damals revolutionärer Kameraführung in einer beinahe sinnlich anmutenden Zerstörungsorgie, der man sich als Zuschauer zu keinem Zeitpunkt entziehen kann. Erst spät bemerkt man, dass unter den Opfern auch zahlreiche Unschuldige sind. Genau dann nimmt das Spektakel eine erneute Wendung, die letztendlich zum King-typischen, bitteren Ende führt, welches in der Liste der effektivsten Schockmomente der Filmgeschichte bis Heute ganz weit oben steht. Bis dahin inszeniert Brian DePalma eine aufwühlende Tour de Force, die nicht nur für Genrefans absolutes Pflichtprogramm darstellt und über knapp neunzig Minuten perfekt unterhält, frei nach dem Motto “Gutes muss nicht teuer sein”.
4K UHD und Blu-Ray Remastered: Das Bild
Die Erstveröffentlichung von Carrie erfolgte bereits Ende 2013 unter der Fahne von MGM und 20th Century Fox. Was die beiden Label da abgeliefert haben, kann man mit gutem Gewissen als mittelschwere Katastrophe bezeichnen. Durch den Einsatz von Weichzeichnern sind kaum noch Details vorhanden, trotzdem leidet die alte Blu-Ray unter heftigem Rauschen, dazu gesellen sich komplett unnatürliche, weil oft viel zu übersättigte Farben. Und auch die Kontraste kann man nur als schwach bewerten. Hier stimmt überhaupt nichts und ich hoffe, dass man das dazugehörige Master mittlerweile im Hinterhof verbrannt hat.
Die Neuauflage basiert auf einem frischen Scan vom analogen 35mm-Material in nativem 4K, den man erstmals Anfang des Jahres über das englische Label Arrow bestaunen durfte – allerdings ausschließlich als Import. Hierzulande hat sich Capelight dem Film angenommen und die dazugehörige UHD sowohl mit einem erweiterten Farbraum nach Rec.2020, als auch Support für HDR10 und Dolby Vision bestückt. Leider ist es uns kurzfristig nicht gelungen, noch ein Exemplar der vergriffenen Erstauflage zum Vergleich anzufordern, deshalb nutzen wir dafür dieses Mal die ebenfalls im Set enthaltene Blu-Ray Remastered. Und die zeigt ihre dramatische Überlegenheit bereits in den ersten Minuten. Natürliche Farben treffen auf kraftvolle, aber nie übertriebene Highlights mit beeindruckender Leuchtkraft. Die Kontraste wirken stimmig, besonders die Schwarzanteile können sich sehen lassen und befreien den Film von seinem ehemaligen, furchtbar milchigen Look.
Eine immer noch klar sichtbare, aber sehr viel ausgeglichenere Körnung offeriert einen klassisch-cineastischen Look. Und das Bild liefert auch ohne den Einsatz von Filtern ein detailreiches Bild, bei dem man fast sämtliche Sommersprossen im Gesicht von Sissy Spacek zählen kann. Lediglich in dunklen Einstellungen ohne ausreichende Beleuchtung aus zusätzlichen Quellen tendiert die Blu-Ray hauchfein zur Versumpfung. Das ist aber auch schon alles, was man an der sonst in allen Belangen überragenden Scheibe kritisieren kann – zumindest in diesem Aspekt. Die 4K UHD baut auf dieser guten Leistung auf und kitzelt aus dem Transfer noch mehr Details heraus. Besonders feine Texturen an den prächtigen Ballkleidern kommen besser zur Geltung, ebenso aber auch die Darstellung der Haare. Die analoge Körnung profitiert von der vierfach höheren Auflösungen und sorgt in dieser Form für eine nochmals verbesserte Laufruhe, was den dunklen Sequenzen ebenfalls zugute kommt.
Selbst im Farbbereich lassen sich sinnvolle Erweiterungen feststellen. Die legendäre Szene, in der Carrie mit Schweineblut übergossen wird, wurde über die alte Blu-Ray fast komplett ins Orangene getaucht. Hier dagegen wird alles farblich korrekt dargestellt, das Blut leuchtet in saftigem Dunkelrot und die komplette Einstellung wird im Farbgewitter der Umgebung nicht völlig entstellt. Wer die Erstauflage noch im Regal stehen hat, kann damit jetzt Frisbee spielen gehen. Egal ob in Form der Blu-Ray Remastered oder 4K UHD: Nie sah Carrie schöner und authentischer aus als in dieser Form.
4K UHD und Blu-Ray Remastered: Der Ton
Das Set enthält sowohl für die englische als auch die deutsche Fassung neben der ursprünglichen Stereospur noch die später erfolgte Neuabmischung als verlustfreie Masterspuren im Format DTS-HD MA 5.1. Über deren Mehrwert kann man jedoch streiten, denn neben den im Vergleich zur Stereospur hörbar leiser abgemischten Dialogen wandert lediglich der mit zahllosen Referenzen an Bernard Herrmann gespickte Score in den Raum, während der Rest weiterhin vollständig im Frontbereich verharrt. Gerade bei der Ballszene hätte man ein wahres Effektfeuerwerk entfesseln können. So reicht’s im Klangsegment leider nur zum Mittelmaß, zumal der Subwoofer kaum Aktivität reinbringt.
Bei den Extras sieht es gleich viel besser aus, obwohl man hier nur einen Bruchteil des Materials vom Arrow-Release übernommen hat. Zumindest die wichtigsten Featurettes haben es an Bord einer gesondert dafür abgelegten Blu-Ray geschafft. Neben umfangreichen Interviews mit Cast und Crew wird erklärt, wie man das Buch für die Leinwand adaptiert hat und sogar ein Sneak Peak auf das später nachgeschobene Musical wird den Zuschauern gewährt – und das macht definitiv einen besseren Eindruck als die lustlosen Neuverfilmungen, die mit den Jahren erfolgt sind. Von dem miserablen Sequel wollen wir gar nicht erst anfangen. Der alternative Vorspann der amerikanischen Fernsehfassung lässt sich ebenfalls abrufen, eine Handvoll Trailer und Werbespots zum Film haben es ebenfalls noch auf den Silberling geschafft. Der sehr interessante Audiokommentar unter Leitung von Filmhistoriker Lee Damien und der angesehenen Kritikerin Alexandra Heller-Nicholas ist logischerweise ausschließlich an Bord der Filmdiscs.
Veröffentlicht wird das Set in einem gewohnt sammlertauglichen Mediabook mit Prägung. Ummantelt wird das Ganze von einem hübschen Schuber aus stabilem Karton in Hochglanzoptik. Sämtliche Logos und Textbeschreibungen lassen sich rückstandslos entfernen, der Großteil davon befindet sich auf der Plastikfolie – definitiv eine gute Idee. Ein sechsunddreißig Seiten starkes Booklet mit lesenswertem Begleittext und hochwertiger Verarbeitung rundet die preislich mehr als fair gestaltete Box optimal ab.
“Carrie ist ein Paradebeispiel dafür, was man in Hollywood längst vergessen hat: Wenn du eine hervorragende Vorlage hast, pfusche nicht zugunsten eines größeren Publikums daran herum, sondern halte dich einfach eng an das Quellmaterial. Brian DePalma hat genau das getan und mit ganz wenig Geld, viel Liebe zum Buch und einer tollen Riege an talentierten Jungdarstellern einen absoluten Genreklassiker geschaffen, der auch heute nichts von seiner Wirkung verloren hat. Die dazugehörigen Neuauflagen wischen mit der katastrophalen Erstveröffentlichung hemmungslos den Boden auf und stellen nicht mehr als ein schlicht sensationelles Upgrade dar. Beim Ton hat sich leider nichts getan, Aufmachung und Extras entschädigen dafür jedoch allemal.”
Quelle Bildmaterial: ©1976 Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc. All rights reserved.
Entsprechende Testexemplare sind uns freundlicherweise von Capelight Pictures zur Verfügung gestellt worden.
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