Return to Monkey Island

Arr! Über drei Jahrzehnte nach dem gewaltigen Cliffhanger von Monkey Island 2: LeChuck´s Revenge setzt Serienschöpfer Ron Gilbert seine ikonische Reihe höchstpersönlich auf PC und Nintendo Switch fort. Return to Monkey Island verspricht neben längst überfälligen Antworten auch ein komplett neues Piratenabenteuer mit frischem Look, vielen alten Bekannten und nicht zuletzt jenem legendären Humor, der nicht nur alteingesessenen Fans Lachtrränen in die Augen treiben soll. Ob sich die lange Wartezeit gelohnt hat, klärt unser Review für beide Plattformen. Also wetzt die Messer, schnappt euch einen Grog und holt die Korsarenhüte aus dem Schrank, denn M-Reviews.de nimmt euch mit auf Kaperfahrt.

Entwickler: Terrible Toybox

Publisher: Devolver Digital

Plattform: PC, Nintendo Switch

Veröffentlichungsdatum: 19. September 2022

Preis: 22.99€

Alte und neue Geheimnisse

Return to Monkey Island richtet sich eindeutig an Kenner der Reihe und setzt genau dort an, wo Teil 2 die Spieler ab Dezember 1991 verabschiedet hat, nämlich inmitten von Big Whoop. Hinter dem großen Mysterium verbarg sich letztendlich nicht mehr als ein Vergnügungspark für Freibeuter und deren Nachwuchs. Alle Erlebnisse des Spiels waren lediglich das Ergebnis kindlicher Fantasie. Genau hier setzt das neue Werk aus der Schmiede von Ron Gilbert und Dave Grossman an. Wie genau das Duo die ganze Geschichte auflöst, will ich an dieser Stelle natürlich ebenso wenig verraten wie alles andere, dass im Verlauf der kommenden neun bis zehn Stunden Gesamtspielzeit von Bedeutung ist. Als großer Fan der Reihe, der das Original seinerzeit noch auf Diskette inklusive Drehscheibe am großväterlichen 486er gespielt hat und seitdem mindestens einen weiteren Durchgang pro Jahr wagt, kann ich aber verraten, dass den Machern eine mehr als gelungene Auflösung des Cliffhangers gelungen ist. Und erst dann beginnt das eigentliche Abenteuer: Als Guybrush Threepwood hört, dass sein Erzrivale – der Geisterpirat LeChuck – erneut nach dem legendären Geheimnis von Monkey Island sucht, will er ihm unbedingt zuvorkommen.

 Harte Zeiten: Selbst die Voodoo-Lady steht kurz vor der Geschäftsaufgabe.

Allerdings ist so eine Expedition verflucht teuer. Schiff und Mannschaft hat der selbsternannte mächtige Pirat auch nicht, also ist er bei seinem Vorhaben zwangsläufig auf Unterstützung angewiesen.Auf Mêlée Island, der Insel wo das Franchise vor vielen Jahren ihren Anfang nahm, erhofft sich Guybrush Hilfe von den lokalen Piratenführern, muss aber schnell feststellen, dass seit seinem letzten Besuch frischer Wind eingekehrt ist. Die alteingesessenen Piratenfürsten wurden auf die Straße gesetzt, deren Nachfolger lassen sich von der bloßen Aussicht auf ein sagenumwobenes Geheimnis nicht ködern. Und weil dem hochverschuldeten Ort sowieso längst der Bankrott droht, kann auch die mittlerweile zur Gouverneurin aufgestiegene Schwertmeisterin Carla nicht helfen. Selbst unser alter Freund Stan ist hinter Gittern gelandet, weil sein Schiffszubehör auf anderen Inselreichen nicht die nötigen Qualitätsprüfungen bestanden hat und nun eine Sammelklage gegen den plappermäuligen Abzocker läuft. Muss Guybrush also wirklich bei seinem Nemesis anheuern, dessen Schiff gerade im Hafen beladen wird? Immerhin suchen die noch einen tüchtigen Deckschrubber für die anstehende Überfahrt. Dafür brauchen wir aber einen eigenen Mob. Woher sollen wir den nur bekommen?

 Schwertmeisterin Carla hat auch im Regierungsamt nichts von ihrem Können eingebüßt.

Das ist nur eines von vielen Rätseln, in denen sich alteingesessene Piraten und gemeine Landratten im Spielverlauf stellen müssen. Wie damals bietet das Spiel zum Start zwei verschiedene Modi an, wo ihr euch ganz bequem selbst entscheiden könnt, wie schwer die Knobelpassagen sein sollen. Der einfache Modus erspart euch oftmals einige Zwischenschritte, um an bestimmte Gegenstände zu gelangen. Und wer doch mal verzagt, bekommt eine stufenweise designte Komplettlösung frei Haus ins Inventar geliefert. So oder so: Am Ende entpuppt sich Return to Monkey Island nicht nur als tolles, längst überfälliges Sequel mit ganz viel Fanservice, sondern auch als eine wundervoll inszenierte Hommage an die klassischen Point-and-Click-Adventure der Neunziger, ohne dabei visuell veraltet zu wirken. Einsteiger können sich optional direkt im Spiel über die wichtigsten Ereignisse der Vorgänger informieren, Experten stürzen sich einfach direkt in die Geschichte. Weil man die remasterten Special Editions zu den Teilen 1 und 2 aber mittlerweile nachgeworfen kriegt und diese selbst auf ältester Hardware problemlos spielbar sind, empfehle ich zumindest Besitzern einer Nintendo Switch, beide Abenteuer vor Spielstart auf PC oder Last-Gen-Konsole nachzuholen. Es macht einfach einen großen Unterschied, ob man die Geschehnisse nur nachliest, oder diese selbst erlebt – alleine schon deswegen, weil euch sonst eine Menge versteckter Anspielungen entgehen.

Liebe, die man spürt

Generell sprüht Return to Monkey Island nur so voll pointiertem Humor. Das Bedürfnis, irgendeinen Dialog zu überspringen, hatte ich zu keinem Zeitpunkt. Ob Guybrush nun die Schlosserin nach ihrem Sortiment ausfragt und dabei immer abstrusere Antworten erhält oder sich mit Herzensdame Elaine über ihre Anti-Skorbut-Initiative unterhält, in fast jedem Gespräch finden sich einige exzellent platzierte Gags, die nicht nur das Piratendasein im Allgemeinen gekonnt auf die Schippe nehmen, sondern auch mal die vierte Wand durchbrechen und sich direkt an die Spieler richten. Wer also befürchtet hat, dass Gilbert und Grossman mit den Jahrzehnten ihren einzigartigen Sinn für Humor verloren haben, wird nun zum Glück eines Besseren belehrt. Der Humor des Spiels funktioniert so gut und die Handschrift der Schöpfer so unverkennbar, dass man unmöglich das Gefühl bekommt, dass zwischen dem letzten Abenteuer bereits über zwanzig Jahre liegen – an den Sequels war das Duo nämlich nicht mehr beteiligt. Und trotzdem wird auch denen Tribut gezollt. Ein feiner Schachzug, auch in Hinblick auf die Geschichte.

 Auch Erzfeind LeChuck und seine Geisterpiraten suchen nach dem Geheimnis von Monkey Island.

Das bittersüße Finale erfüllt sämtliche Erwartungen, der Soundtrack aus der Feder der Originalkomponisten Michael Land, Clint Bajakian und Michael McConnell liefert neben fantastisch modernisierten Leitmotiven allerbeste Karibikstimmung. Die englischen Sprecher sind toll gewählt, für Guybrush konnte man abermals dessen Originalsprecher vor das Mikrofon locken. Deutsche Texte sind zwar vorhanden und punkten mit gelungener Übersetzung, die Abwesenheit einer dazugehörigen Sprachausgabe unter Mitwirkung von Norman Matt wird jedoch schmerzlichst vermisst. Ich kann gut verstehen, dass dem Team nur ein sehr kleines Budget für die Realisierung des Spiels zur Verfügung gestanden hat und gerade Lokalisierungen in verschiedenen Sprachen nicht zu unterschätzende Kosten verursachen. Dennoch hoffe ich, dass das Spiel erfolgreich genug ist, um im Nachhinein doch noch eine Synchronfassung zu ermöglichen. Verdient hätten es die hiesigen Fans allemal. Praktisch: Wem der Mix aus englischer Sprache und deutschen Texten die Skorbut ins Zahnfleisch treibt, kann erstere je nach persönlicher Präferenz ganz einfach in den Optionen deaktivieren.

Fremde Gezeiten

Zugegeben, nachdem ich den ersten Ankündigungstrailer gesehen hatte, war ich was die neue Grafik angeht zunächst ziemlich zwiegespalten. Auch viele andere Fans störten sich an dem gewöhnungsbedürftigen Comiklook und machten ihrem Ärger lautstark auf diversen Social-Media-Plattformen Luft. Für Ron Gilbert Grund genug, sich bis zum Release der finalen Fassung nicht weiter zu seinem Projekt zu äußern. Ja, die Visuals von Return to Monkey Island sind gewöhnungsbedürftig. Aber schon nach wenigen Minuten fühlt sich alles vertraut an, was nicht zuletzt daran liegt, dass alle aus den Vorgängern bekannten Lokalitäten über einen frappierenden Wiedererkennungswert verfügen und selbst geliebte Charaktere wie der dämonische Totenschädel Murray schnell als solche zu identifizieren sind.

 In brenzligen Situationen kann sich Guybrush wie immer auf seine Elaine verlassen.

Die eigens für das Spiel geschaffene Dinky-Engine versteht es gekonnt, den Look klassischer Genrevertretern aus der goldenen Zeit der Adventures mit zeitgemäßen Elementen zu kombinieren. Sowohl auf der Nintendo Switch als auch am PC sieht Return to Monkey Island so gut aus wie es sich spielt. Am Rechner reicht eine Maus, auf der Konsole funktioniert die Bedienung sowohl über Touchpad als auch Joy Con´s oder Gamepad absolut schnörkellos. Bugs sind mir während der Durchgänge über beide Plattformen nicht aufgefallen. Für weniger als dreiundzwanzig Euro bekommt ihr ein rundherum fertig wirkendes Spiel. Etwas, dass die meisten großen Spieleschmieden längst nicht einmal mehr versuchen.

„Ich kann mich längst nicht mehr daran erinnern, wie oft ich sämtliche Abenteuer von Guybrush Threepwood schon durchgespielt habe. Dass mich aber gerade die Klassiker bis einschließlich The Secret of Monkey Island bis heute mit jedem Mal wieder begeistern, zeugt von deren zeitloser Qualität. Mit Return to Monkey Island ist es Ron Gilbert und Dave Grossmann nicht nur gelungen, diese fantastische Zeit in modernisiertem Gewand wiederaufleben zu lassen, sondern auch noch ein Genre wiederzubeleben, dass angesichts gegenwärtiger Trends längst für tot erklärt worden ist. Offene Fragen werden zufriedenstellen beantwortet, die Hintertür für eine weitere Fortsetzung offengelassen. Ich kann mir nur wünschen, dass es eine geben wird. Und dass wir darauf nicht wieder zwei Jahrzehnte warten müssen. Return to Monkey Island ist absolutes Pflichtprogramm für Abenteurer alter Schule und für Fans der Reihe mehr, als man sich nach all den Jahren hätte erhoffen können.“ 


PRO:

+ Detailverliebte Umgebungen und Charaktere
+ Nach kurzer Gewöhnungszeit angenehm vertraut wirkender, stimmiger Grafiklook
+ Exzellent geschriebene Story mit tollem Finale
+ Wunderbar orchestrierter Soundtrack, der alte und neue Leitmotive gelungen miteinander kombiniert
+ Einzigartiger, effektiver Humor
+ Knapp zehn Stunden Gesamtspielzeit
+ Praktischer Auffrischungskurs für Neueinsteiger
+ Hochwertige englische Sprecher
+ Sehr gut lokalisierte deutsche Texte
+ Stufenweise gestaltete Komplettlösung direkt ins Spiel integriert
+ Zwei verschiedene Schwierigkeitsgrade
+ Zugängliche Bedienung über sämtliche Plattformen

CONTRA:

– Keine deutsche Synchronfassung
– Streng linear
– Inventar wird mit der Zeit unübersichtlich

Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Devolver Digital zur Verfügung gestellt worden.

©2022 M-Reviews.de

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