Der Herbst ist da. Das bedeutet fallende Blätter, kürzere Tage und hier und da legen sich nachts erste Eisschichten auf die am Straßenrand geparkten Autos. Frostig wird es auch anderweitig, denn mit NHL 23 legt EA Sports nach Madden NFL und FIFA nun wie jedes Jahr auch einen Nachfolger seiner traditionsreichen Reihe rund um die Faszination Eishockey nach. Wir haben für euch die Kufen umgeschnallt und klären umfangreich über sämtliche Neuerungen auf.
Karriere nach Maß
Inhaltlich hat sich das Franchise als zentraler Anlaufpunkt für virtuelle Manager leider abermals nicht wahrnehmbar genug weiterentwickelt. Der Wunsch nach einer mehr zeitgemäßen Präsentation, wie ich sie mir bereits im letzten Jahr gewünscht hätte, ist leider ungehört geblieben. Immerhin haben Spieler jetzt die Option, sich die Saison ganz nach persönlicher Präferenz zusammenzubasteln. Statt sich gefühlt endlos durch den Kalender zu simulieren, könnt ihr Saisonlaufzeit und Einstiegspunkt nun frei festlegen und so zum Beispiel bereits nach zwanzig Spielen in der regulären Saison in die Play-Off-Phase übergehen. Conferences und Divisions profitieren ebenfalls von der neuen Flexibilität, denn ab sofort entscheidet ihr, welche Teams an den Turnieren teilnehmen.
Regionale Beschränkungen gibt es keine, so könnt ihr auf Wunsch mit einem deutschen Verein an den Start gehen und es anschließend mit den beliebten Legacy Teams aufnehmen. Das bringt spürbar mehr Dynamik in den Modus, täuscht aber nicht darüber hinweg, dass die Karriere weiterhin dringend ein Facelifting benötigt. In Sachen Präsentation rennt die Konkurrenz sämtlichen Sportsimulationen aus dem Hause EA Sports bereits seit Jahren davon. Der Publisher kann auf Dauer nicht erwarten, dass Fans diesen Umstand Jahr für Jahr kommentarlos hinnehmen. Langfristig kann das einfach nicht gutgehen. Zwar bietet NHL 23 gemessen an seinen beiden Brüdern – nämlich FIFA und Madden NFL – den besten Karrieremodus innerhalb der heiligen Dreifaltigkeit, im Vergleich zu einem NBA 2K bleibt das Gebotene aber elendig blass und offeriert wie Be-A-Pro überwiegend wiederverwertete Kost.
CHEL und Co.
Ausgefallene Outfits, eigene Clubs und arcadige Action, dafür steht mit World of CHEL auch in diesem Jahr wieder der passende Modus bereit. Ausgelegt für Partien von maximal zwölf Spielern bietet die gewohnt zugängliche Komponente die perfekte Beschäftigung abseits regulärer Reglements. Der gut sortierte Store bietet tonnenweise Cosmetics zur Individualisierung, bezahlt wird hier ausschließlich mit direkt im Spiel gewonnener Währung. Egal ob ihr euch alleine in die Action stürzt, oder mit eurem Club um einen Platz in der Rangliste kämpft, in den hübsch gestalteten Freiluftarealen lässt sich all das problemlos umsetzen.
Abseits neuer Belohnungen und Artikel im Shop hat sich hier nicht viel getan. Ein paar neue Komponenten hätten dem mittlerweile etwas repetiv anmutenden Modus gut zu Gesicht gestanden. Immerhin hält mit NHL 23 endlich das lange von den Fans herbeigesehnte Crossplay Einzug ins Spiel. Ob ihr auf PlayStation oder XBOX spielt, ist nun völlig egal. Das ist definitiv ein sinnvoller Schritt. Aber eben nicht genug, um dem Modus ein paar längst überfällige frische Impulse zu verleihen, zumal das fröhliche Miteinander nicht generationsübergreifend funktioniert. Im Ultimate Team halten jetzt auch die weiblichen Spieler Einzug, die sich in Sachen Wertung keineswegs vor ihren männlichen Kollegen verstecken müssen. Deshalb könnt ihr euer Team dort auch ohne Rücksicht auf das Geschlecht miteinander kombinieren.
Die neue Freiheit greift übrigens auch hier, denn wie in World of CHEL greift das Crossplay auch im Ultimate Team, was den Spielerpool deutlich erweitert. Eishockey ist ein Sport für alle, diese Tatsache will NHL 23 optimal herausarbeiten und schafft das mit diesem Schritt tatsächlich sehr gut. Bei allem Lob dafür darf man jedoch nicht vergessen, dass der komplette Modus natürlich auch in diesem Jahr komplett auf Mikrotransaktionen ausgelegt ist. Wer fleißig zahlt, kann sich aus den teuren Premiumpacks schnell ein mächtiges Deck zusammenstellen, was Nichtzahler im kompetiven Wettstreit massiv benachteiligt. Die Chance, über reguläres Spielen an ähnlich konkurrenzfähige Spieler zu gelangen, ist verschwindend gering. Aufgrund von Pay-2-Win und Pay-2-Shortcut im Ultimate Team werten wir daher um insgesamt zehn Punkte ab.
Frisch verfeinert
Nachdem die Reihe im letzten Jahr mit dem Umstieg auf die Frostbite Engine visuell ordentlich aufgemotzt wurde, wenden sich die Macher nun wieder mehr dem Feintuning zu. Mit den neuen Letzte-Chance-Puckbewegungen geht die Reihe einen weiteren wichtigen Schritt in Sachen Realismus und erlaubt euch basierend auf dem stark erweiterten Animationssystem bisher unmögliche Moves. Ein herrenloser Puck lässt sich dadurch mit ganzem Körpereinsatz blitzschnell passen oder in Richtung des gegnerischen Tors befördern. Weil die Macher aber auch kräftig an der Physik der Hartgummischeibe gedreht haben, passt sich dessen Flugbahn und Tempo nun je nach Kraftaufwand und Winkel an. Dadurch gewinnt das Spiel nicht nur an Realismus, sondern verlangt Spielern besonders bei Abschüssen aus der Distanz deutlich mehr Präzision ab.
Kein leichtes Unterfangen, denn die rundum verbesserte K.I. reagiert auf solche Situationen deutlich wachsamer und auch die Goalies verteidigen ihr Netz merklich aggressiver und flinker. Generell spielt sich NHL 23 eine gute Ecke rasanter als sein Vorgänger und geht damit in eine komplett entgegengesetzte Richtung als beispielsweise ein FIFA 23. Grafisch und atmosphärisch legt die diesjährige Neuauflage der Eishockeysimulation ebenfalls weiter zu. Die Spiegelungen auf dem Eis und dessen mit der Zeit deutlich wahrnehmbaren Abnutzungserscheinungen können sich sehen lassen. Dank neuer Kameraperspektiven wirken Einzüge und Co. näher an einer tatsächlichen Fernsehübertragung als je zuvor, das im letzten Jahr viel zu zurückhaltend agierende Publikum macht sich endlich angemessen bemerkbar und je nach Austragungsort dürfen sich Spieler sogar über eine coole Lasershow und passenden Projektionen freuen.
Zwar müssen Besitzer einer XBOX One oder PlayStation 4 leider abermals auf dynamische Mimik und die verbesserte Beleuchtung verzichten, aber auch dort kann sich das Spiel insgesamt noch sehen lassen. NHL war immer schon eine Art Nischenprodukt für EA Sports und hinkt FIFA und Madden NFL in der Regel technisch gute zwei-drei Jahre hinterher. Atmosphärisch ist der Titel trotzdem über alle Zweifel erhaben. Leider sind wir während unserer Rezension immer wieder auf einige nervige Bugs gestoßen. So kann es vorkommen, dass sich nach der Eröffnung plötzlich keine Spieler auf dem Eis einfinden und die komplette Ersatzbank in T-Pose verharrt. Unzulänglichkeiten wie diese plagen die Reihe schon seit einer gefühlten Ewigkeit und es ist einfach nur verdammt ärgerlich, dass diese Jahr für Jahr wieder für entnervte Spielergesichter sorgen.
Begleitet wird das Geschehen von einem exzellenten, aber wie immer ausschließlich englischsprachigen Kommentar, der sich so gut wie keine Fehler erlaubt. Der Soundtrack weckt ein herrliches Nostalgiegefühl an die guten alten Zeiten. Rock und Punk dominieren die Musikkulisse, darunter prominente Künstler wie Shinedown, Avenged Sevenfold und A Day to Remember. Veteranen werden sich bei der Bedienung schnell heimisch fühlen, aber auch Neueinsteiger dürften die zugänglichen Kontrollen schnell meistern. Dank tollem haptischen Feedback und der durchdachten Nutzung des integrierten Lautsprechers hat uns die Steuerung mit dem DualSense besonders gut gefallen, aber auch auf der XBOX bekommt man trotz Abstriche beim Feedback eine rundum gelungene Bedienung offeriert.
„Neues Jahr, selbes Spiel? Manchmal fühle ich mich wie in einer Art Zeitschleife gefangen, wobei die schlimmsten Momente jene sind, wo man gezwungen ist, das im Vergleich zum Vorjahr identische Spiel mit neuen Worten zu beschreiben. Auf NHL 23 trifft das überwiegend zu. Ja, es gibt die obligatorischen und überwiegend sehr sinnvollen Verbesserungen bei Gameplay und Präsentation, auf der anderen Seite aber auch viele baufällige Inhalte, deren Schlaglöcher immer tiefer werden. Egal ob Franchise, Be-A-Pro oder World of CHEL: Gravierende Neuerungen in den brachliegenden Modi bleibt das Team von EA Vancouver den Spielern einmal mehr schuldig. Die im Vorfeld wie immer groß beworbenen Erweiterungen – unter anderem das lange herbeigesehnte Crossplay – sind allesamt nichts, was man nicht auch durch einen kleinen Patch in den Vorgänger hätte implementieren können. Und wer im Ultimate Team nicht hunderte Euro für Premiumpacks verbrennt, hat im kompetiven Modus kaum eine Chance gegen zahlungsfreudigere Spieler. Alles in allem ist NHL 23 die gegenwärtig beste Eishockeysimulation am Markt…aber eben auch die einzige.“
- Authentische, stark verbesserte Präsentation
- Umfangreiches Lizenzpaket
- Spieler mit überwiegend hohem Wiedererkennungswert
- Gut überarbeitete Puckphysik
- Sinnvoll verbesserte K.I.
- Mehr Dynamik dank Letzte-Chance-Puckbewegungen
- Spürbar angehobenes Tempo
- Gemischte Teams im HUT
- Mehr Flexibilität im Franchise
- Fair ausbalancierte Schwierigkeitsgrade
- Umfangreiche Tutorials
- Gute (englische) Kommentatoren
- Starker Soundtrack
- Zugängliche Bedienung
- Kaum zentrale Neuerungen in den Kernmodi
- Crossplay nicht generationsübergreifend
- Gelegentlich Bugs und Animationsaussetzer
- Pay-2-Win und Pay-2-Shortcut im Ultimate Team
- Last-Gen-Versionen mit grafischen Abstrichen
Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Electronic Arts zur Verfügung gestellt worden.
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