Gotham Knights

Während die Arkham-Schöpfer bei Rocksteady Games unter Hochdruck an der Fertigstellung von Suicide Squad: Kill the Justice League arbeiten, hat das Team von WB Montreal mehrere Jahre an Gotham Knights gewerkelt. Das Studio hat sich in der Vergangenheit unter anderem mit dem innovationsarmen, aber dennoch weitestgehend gelungenen Prequel Arkham Origins einen Namen gemacht und will Fans nun mit einem komplett eigenständigen RPG-Adventure inmitten Gotham City überzeugen, wobei der legendäre Dark Knight das Szepter an vier neue Helden abgibt. Am Ende bleibt das ambitionierte Projekt sowohl spielerisch, aber auch technisch weit hinter den Erwartungen zurück.

 

 

 

Entwickler: WB Games Montreal

Publisher: Warner Bros. Games

Plattform: PC | PS5 | XBS

Veröffentlichungsdatum: 21. Oktober 2022

Preis: ab 59.99€

Altersfreigabe: ab 16 Jahren


Ungeschnitten
Mikrotransaktionen


Eine schwere Bürde

Sein ganzes Leben hat Bruce Wayne alias Batman der Stadt Gotham City gewidmet. Tagsüber als Playboy und Philanthrop unterwegs, versetzt der Multimilliardär die Unterwelt bei Nacht verkleidet als Fledermaus in Angst und Schrecken. Nun ist die Legende tot, gestorben im Kampf gegen den Erzschurken Ra´s al Ghul, der dabei ebenfalls sein Leben ließ. Für das Heldenquartett bestehend aus Batgirl, Nightwing, Robin und Red Hood ist der Verlust ihres väterlichen Mentors ein gewaltiger Schock. Doch Zeit zum Trauern gibt es nur wenig, denn als den zahlreichen Bösewichten klar wird, dass der gefürchtete Beschützer von Gotham nicht länger in den Schatten lauert, versinkt die Stadt schnell in Anarchie. Nun liegt es an Batmans Schützlingen, in die großen Fußstapfen ihres Lehrmeisters zu treten und die Ordnung wiederherzustellen. 

In seinen letzten Momenten legt Batman das Schicksal von Gotham City in die Hände seiner Nachfolger.

Bei ihren Streifzügen durch die Nächte bekommt es das Heldenquartett nicht nur mit reihenweise Freaks und Mafiosi zu tun, sondern muss sich auch Superschurken wie Mr. Freeze, Harley Quinn und Clayface entgegenstellen. Während im Hintergrund der sogenannte Court of Owls – ein Geheimbund, der sich aus der gesellschaftlichen Elite der Stadt zusammensetzt und seine Ziele notfalls mit Gewalt und Terror erreichen will – seine Klauen wetzt, gerät das ungleiche Team hinsichtlich der anzuwendenden Methoden immer wieder aneinander. Und selbst die Cops sind seit dem Ableben von Commissioner Jim Gordon fast völlig der Korruption anheim gefallen. Um dieser Übermacht an Feinden gerecht zu werden, muss das ungleiche Team an einem Strang ziehen. Keine leichte Aufgabe, denn die völlig unterschiedlichen Persönlichkeiten haben jeweils ganz eigene Auffassungen davon, wie man das Verbrechen am besten bekämpfen sollte… 

Viel gewollt, wenig erreicht

Gotham Knights fühlt sich ein bisschen so an, als hätte die Arkham-Reihe ein Kind mit Marvels Spider-Man gezeugt und das Ergebnis danach mit einigen Rollenspielmechaniken angereichert. Das klingt auf dem Papier erstmal gar nicht schlecht und hat seinerzeit schon Assassins Creed neue Dynamik eingehaucht. Aber in welche Richtung man im zunehmenden Spielverlauf auch blickt, an deren jeweilige Klasse reicht das Werk zu keinem Zeitpunkt heran. Die Geschichte schafft es einfach nicht, einen nachvollziehbaren emotionalen Bezug zwischen seinen Protagonisten und den Spielern aufzubauen, selbst die gelegentlich eingestreuten optionalen Gespräche zwischen den Helden ändern daran nichts. 

Nightwing und Red Hood sind sich über die Methoden der Verbrechensbekämpfung nicht immer einig.

Dabei wissen Kenner längst, dass Batgirl und Co. allesamt über gänzlich eigene Hintergrundgeschichten und Motivationen verfügen. Diese vor der Prämisse einer ungekannten Bedrohung effektiv zusammenzuführen, will dem Team von WB Montreal einfach nicht richtig gelingen, zumal es die Macher komplett versäumt haben, Neuankömmlinge mit entsprechenden Hintergrundinformationen zu versorgen. Die Hoffnung, dass jeder einzelne Held die vorhersehbare Hauptgeschichte auf ganz individuelle Weise erlebt, hat sich leider nicht erfüllt. Gotham Knights ist eine ziemlich lineare Erfahrung, Dialoge und Kommentare mögen sich je nach gewähltem Held minimal voneinander unterscheiden, auf den eigentlichen Verlauf wirkt sich das aber nicht aus, entsprechend gering dürfte am Ende die Motivation für einen erneuten Durchgang sein. Die Schurken hat es auch nicht viel besser erwischt: Erst prominent eingeführt, verkommen Harley Quinn und Konsorten unmittelbar darauf zu bloßen Nebenfällen, die für die eigentliche Geschichte kaum noch relevant sind. 

Harley Quinn teilt auch ohne ihren Ex kräftig aus, hat zur eigentlichen Story aber nur wenig beizutragen.

Man stelle sich die Alternative vor: Batman ist tot, die legendären Bösewichte von Gotham schließen sich zu einer Allianz zusammen und irgendwo im Hintergrund hält ein Unbekannter sämtliche Fäden in der Hand…danach würden sich die Fans zweifellos die Finger lecken! Und dabei ist es so einfach! Stattdessen lassen die Macher jeden Fiesling wieder mal sein eigenes Süppchen kochen. Und das gerät nach einem hoffnungsvollen Start spätestens zur Mitte der knapp zwanzig Stunden langen Story geschmacklich so dünn, dass man es kaum bis zum Ende auslöffeln mag. Dabei sind die richtigen Zutaten eigentlich alle vorhanden. Doch es mangelt dem Gericht chronisch an Würze und Eigenständigkeit. So ist Gotham Knights zu keinem Zeitpunkt mehr als ein uninspirierter Mix, der den jeweiligen Stärken seiner Vorbilder stets mindestens drei Schritte hinterherhinkt. 

Schichtwechsel

Die Nachfolge von Batman anzutreten ist schwierig, schließlich besticht die ikonische Figur nicht nur durch Kampfkunst, Finesse sowie einer Auswahl raffinierter Gadgets, sondern auch durch ihren ausgeprägten Detektivsinn. Talente, über die auch die neue Heldengeneration verfügt, wenn auch längst nicht so ausgeprägt. Batgirl alias Barbara Gordon gilt als brillante Hackerin und ist im Kampf besonders gegen Einzelziele effektiv, Tim Drake setzt als Robin besonders auf Tarnung und Täuschung, während der bullige Jason Todd in seiner Identität als Red Hood lieber auf grobe Stärke und (nicht tödliche) Waffengewalt aus der Distanz vertraut. Und Nightwing – besser bekannt als Dick Grayson – ist aufgrund seiner akrobatischen Fähigkeiten ein agiler Nahkämpfer, der es mühelos mit mehreren Gegnern gleichzeitig aufnehmen kann. 

Selbst auf höheren Schwierigkeitsgraden fordern einem größere Gegner kaum Finesse ab.

Im Grunde spielt es aber absolut keine Rolle, für welchen Helden ihr euch anfangs entscheidet. Denn neben der Tatsache, dass ihr zwischen den Nächten jederzeit bequem zwischen den einzelnen Streitern für das Gute wechseln könnt, gibt es keinerlei Barrieren für einen Fortschritt, wo ihr wirklich gezwungen wärt, in eine andere Rolle zu schlüpfen. Jeder Charakter verfügt über alle nötigen Grundmechaniken, um den Abspann komplett ohne Wechsel zu erreichen – wenn ihr das denn wollt. Wirklich positiv kann ich das aber nicht werten, denn gerade dadurch offenbart sich die schiere Austauschbarkeit der Gotham Knights. Die unterschiedlichen Kampfstile nützen nämlich gar nichts, wenn kein Kampf lange genug dauert, um das volle Potenzial der jeweiligen Spezialitäten voll ausschöpfen zu können. Dafür verlangt euch das Spiel selbst auf höheren Schwierigkeiten viel zu wenig taktisches Geschick ab. Und wer mal ein paar Stunden mit Red Hood verbracht hat, will auf dessen im Vergleich zum Rest viel zu übermächtigen Fähigkeiten sowieso nicht mehr verzichten.

Im Kampf gegen die gut ausgebildeten Truppen des Court of Owls sind die spät verfügbaren Elementarkräfte extrem nützlich.

Wenn ich daran denke, wie gewichtig sich jede Konfrontation in den Arkham-Spielen angefühlt hat, überkommt mich beim Kämpfen in Gotham Knights das nackte Grauen. Es gab Prioritäten, zum Beispiel beim Ausschalten der brandgefährlichen Scharfschützen. Oder den Sanitätern in Arkham Knight, die ihre ausgeknockten Kollegen immer wieder verarztet haben, wenn man sie nicht schnell auf die Matte geschickt hat. Wo sich jeder Schlag von Batman wie ein Treffer mit der Dampframme angefühlt hat, herrscht nun…nun ja, irgendwie kaum mehr als ein dünnes Klatschen. Stures Draufprügeln ist hier viel effektiver, ab und an weicht man der Schussbahn eines Gegners oder einem heranfliegenden Molotowcocktail aus. Und aus unerfindlichen Gründen hat Bruce Wayne seinen Zöglingen zwar das Ausweichen und Zurückschlagen beigebracht, aber rudimentäre Block- und Kontertechniken dabei komplett vergessen. Wenn einem dann noch in engen Korridoren die schlechte Kameraführung um die Ohren fliegt, ist die Katastrophe perfekt. 

Die Tatortermittlungen setzen sich in der Regel aus einfachen Such- und Kombinationsspielchen zusammen.

Auch die detektivischen Fähigkeiten der Truppe sind im Vergleich zu denen ihres Mentors ziemlich begrenzt. Die Tatortermittlungen sind nicht mehr als anspruchslose Minispielchen, wo man zwei Objekte sinnvoll miteinander kombinieren muss oder via AR-Scan irgendwelchen Spuren zu ihrem unausweichlichen Ziel folgt. Knifflige Rätsel wie sie einem einst die Riddlertrophäen abverlangt haben, muss man hier nicht lösen. Stattdessen gibt es lediglich diverse Sammelobjekte, die aber abseits einiger zusätzlicher Erfahrungspunkte keinerlei Mehrwert bieten und ohne großes Knobeln eingesackt werden können. Im Endeffekt haben die Macher alles, was die Arkham-Reihe ausgemacht hat, alternativlos eingestampft oder dermaßen verwässert, dass man hier wirklich nur noch von einem spielerischen Torso sprechen kann, der einen bereits nach kurzer Zeit zu nerven beginnt.

Albtraum Nachtwache

Anders als man es vielleicht erwartet hätte, spielen sich die Ereignisse von Gotham Knights nicht innerhalb von einer, sondern über mehrere Nächte ab. Zwischen den Hauptmissionen könnt ihr nicht nur weiter an den bereits erwähnten Nebenfällen arbeiten, sondern auch allerlei Gelegenheits- und Berufsverbrecher von ihrem bösen Werk abhalten. Bei den einfacheren Einsätzen bekommt ihr es in der Regel mit maximal vier bis fünf schwächeren Gegner und einem etwas stärkeren Anführer zu tun, die gerade in irgendeiner Gasse unschuldige Passanten belästigen. Die größeren Kaliber haben sich bevorzugt auf lukrative Raubzüge spezialisiert und räumen in großer Anzahl Banken und andere lohnende Objekte aus. Letztere werden immer wieder von sich schnell wiederholenden Bonuszielen á la „Schalte drei Gegner heimlich aus“ oder „Verhindere, dass die Gangster mehr als neunzigtausend Dollar rauben“ begleitet, die euch mit zusätzlicher Erfahrung und Ressourcen belohnen, die ihr für die Herstellung neuer Ausrüstung benötigt. Dazu aber später mehr. 

Die Nebenmissionen sind leider derart repetiv und einfallslos gestaltet worden, dass man schon nach kurzer Zeit keine Lust mehr hat, diese überhaupt anzugehen. Erschwerend hinzu kommt, dass die Bonusziele oft gar nicht erfüllt werden können, weil z.B. dafür vorausgesetzte Schwungfertigkeiten – die im Spiel als ultimative Fähigkeiten fungieren und durch reguläre Angriffe immer wieder aufgeladen werden können – gar nicht schnell genug einsatzfähig gemacht werden können, als das zeitig noch ein Gegner auf den Beinen steht, um diese einzustecken. Und weil das miserable Deckungssystem dafür sorgt, dass Gegner bereits in Alarmstellung übergehen, wenn auch nur ein kleiner Finger hinter irgendeiner Wand hervorlugt, gibt man jeden Versuch von lautlosem Vorgehen lieber gleich entnervt auf und verzichtet auf die in Aussicht gestellten Boni. Auf der anderen Seite kommt es immer wieder vor, dass Gegner gar nicht auf uns reagieren, obwohl wir direkt daneben eine muntere Schlägerei austragen. Wer sich die Zeit nimmt, vorher umständlich via Scan potenzielle Informanten ausfindig zu machen, bekommt nach genügend im Verhör gesammelten Hinweisen als Belohnung in der kommenden Nacht noch mehr neue Verbrechen aufgetischt. Na, ist das nicht großartig?!

Das Batbike steht allen Helden zur Verfügung, eignet sich aufgrund seiner stoischen Bedienung aber nur in weitläufigen Arealen.

Selbst das Bewegen durch Gotham City haben die Entwickler sensationell in den Sand gesetzt. Auch ohne Batmobil konnten wir mit Batman schwungvoll von hohen Türmen gleiten und die Aussicht genießen. Das geht in Gotham Knights zwar auch, aber um die für jeden Helden einzigartige Reisefähigkeit freizuschalten, muss man erst eine Reihe von Herausforderungen absolvieren…und die fallen immer gleich aus. Alternativ könnt ihr euch auch mit dem Batbike fortbewegen, dass euch von Anfang an zur Verfügung steht. Weil sich das Zweirad aber auf engem Raum fast gar nicht manövrieren lässt und auch sonst keinen Zweck – zum Beispiel dem Lösen von Rätseln – erfüllt, habe ich das Gefährt allerhöchstens bei längeren Strecken genutzt und mich sonst auf den Kletterhaken verlassen. Das ist ohne Reisefähigkeit zwar genauso unbefriedigend, weil sich die Helden bei weitem nicht so fließend über die Dächer bewegen wie der Dark Knight es in seiner Serie tut, erspart mir aber zumindest den Frust, an jeder zweiten Ecke hängenzubleiben, weil die katastrophale Bildrate der Konsolenfassungen das Fahren bei höherem Tempo sowieso unmöglich macht.

Identitätsprobleme

Spätestens jetzt sollte klar sein: Gotham Knights ist alles, nur kein gutes Spiel. Auf dem Weg zu diesem Entschluss habe ich mir aber auch regelmäßig die Frage gestellt, ob die Entwickler überhaupt je eine klare Vorstellung davon gehabt haben, WAS für ein Spiel es eigentlich sein soll. Hier steckt nämlich alles mögliche drin: RPG-Mechaniken inklusive Werte- und Stufensystem für Spieler und Gegner, außerdem eine umfangreiche Craftingkomponente für Waffen und Kostüme auf Basis viel zu vieler verschiedener Herstellungsmaterialien. Nicht zu vergessen der kooperative Modus, welcher im Vorfeld so tatkräftig beworben wurde. Und nichts davon funktioniert wirklich gut. Spätestens zur Spielmitte hin wird man quasi gezwungen, Erfahrung zu grinden, um gegen die viel zu schnell erstarkten Feinde überhaupt noch eine Chance zu haben. 

Angesichts der miserablen Qualität des Spiels und seiner Mechaniken hätte Butler Alfred sich besser für den Ruhestand entscheiden sollen.

Und die Unmengen an Herstellungsmaterialien lassen darauf schließen, dass hier ursprünglich mal ein ganz großes Geschäft mit Mikrotransaktionen geplant war. Alles in allem entsteht der starke Eindruck, dass Gotham Knights als eine Art Gegenentwurf zu The Avengers konzipiert worden ist. Als die Macher mitbekommen haben, dass dieses Konzept bei den Fans absolut nicht auf Gegenliebe stößt, hat man das bereits weit fortgeschrittene Spiel zu dem umgewandelt, was es nun ist: Ein Live-Service-Game ohne Live Service und ein Action-RPG, dessen aufgesetzte Rollenspielmechaniken einen mit schöner Regelmäßigkeit im Fortschritt behindern. Dazu passt, dass zum Spiel gar kein obligatorischer Season Pass angeboten wird, weil neuer Content zumindest in dem Sinne, wie man ihn bei einer reinen Einzelspielererfahrung mit allenfalls optionaler Mehrspielerkomponente normalerweise erwarten würde, nie geplant war. Stattdessen liegen den überteuerten Sondereditionen gerade einmal eine Handvoll Skins, Kostüme, Herstellungsmaterialien und EXP-Boni bei – also GENAU das Zeug, dass man bei einem Live-Service-Multiplayer-Game mit hohem Fokus auf zusätzliche Echtgeldinhalte anbieten würde. Dass es dazu nie kam, ist gut. Was wir alternativ dafür bekommen haben, tut mir als Fan aber umso mehr im Herzen weh. 

Die eingebauten Rollenspielmechaniken wirken trotz toller Kostümdesigns schnell ermüdend.

Selbst der KoOp taugt nur bedingt, weil dafür kein angemessen funktionsfähiges Fundament vorhanden ist und Gegner nicht gemeinsam angegriffen werden können, sondern lediglich ein doppeltes Finish kassieren können. In Bosskämpfen ist ein Spieler also quasi dazu gezwungen, permanent auf der Ersatzbank zu hocken, weil ja kein anderes Ziel da ist, dass man bekämpfen könnte! Das komplette Grundprinzip des kooperativen Miteinanders wird dadurch völlig ad absurdum geführt. Dabei hätte man daraus echt eine Menge machen können. Ob der für November angekündigte neue Mehrspielermodus noch große Veränderungen bringt, wage ich zu bezweifeln. Der Erfahrung nach sind Spiele wie dieses zu dem Zeitpunkt nämlich längst tot. Das geht heute wahnsinnig schnell. 

Auf den Straßen Gothams

Technisch hinterlässt Gotham Knights einen ebenso zwiespältigen Eindruck wie in allen anderen Belangen. Die Unreal Engine 4 zaubert zwar gewohnt tolle Beleuchtung, Partikeleffekte und Spiegelungen auf den Bildschirm, auch die Charaktere können sich sehen lassen und punkten in Kämpfen mit geschmeidigen Animationen. Wie ein zeitgemäßes Spiel sieht das Gebotene trotzdem nie aus. Selbst das sieben Jahre alte Arkham Knight hat atmosphärisch einiges mehr geboten, da hat man die Liebe der Entwickler zum Material in jeder Ecke sehen können. Im Gotham City von WB Games Montreal stößt man dagegen öfter mal auf schwache Texturen, generisch anmutende Straßenzüge und eine ausdruckslose Mimik in den allermeisten Sequenzen. Anders als bei Rocksteady Games fehlt es der Stadt hier eindeutig an Wiedererkennungswert. Bis auf die Leuchtreklamen sehen sich viele Bauten zum Verwechseln ähnlich. In den Straßen sind gerade mal eine Handvoll Personen und Autos unterwegs, lächerlich wenig für eine so bedeutende Metropole. 

Auf den ersten Blick ist Gotham City eine traumhaft schöne Stadt. Leider sieht sie fast überall gleich aus.

Die Entwicklung des Spiels lief über mehrere Jahre, wobei der Fokus wahrscheinlich für lange Zeit auf den Konsolen der letzten Generation lag. Sämtliche dafür geplante Versionen wurden zwar mittlerweile gestrichen, deren Ursprung kann man aber nicht übersehen. Dafür, dass Gotham Knights überwiegend wie ein Last-Gen-Titel aussieht, fordert es allerdings eine Menge Ressourcen. Die schlechte Optimierung betrifft hauptsächlich Konsoleros. Dort löst das Spiel zwar in nativem 4K (1440p auf Series S) auf, XBOX Series X und PlayStation 5 bieten sogar Raytracing, ist aber bei der Bildrate alternativlos auf 30 Frames pro Sekunde begrenzt. Und das ist bei allen katastrophalen Entscheidungen wohl die mit Abstand schlechteste, denn das auf Reaktionsfähigkeit und Geschwindigkeit ausgelegte Gameplay kommt mit der schlecht optimierten Begrenzung absolut nicht zurecht. Marvels Spider-Man und selbst die Arkham-Reihe haben vorgemacht, dass auch bei niedrigerer Bildrate ein schnelles, präzises Spielgefühl möglich ist. Gotham Knights scheitert an diesem Vorhaben auf ganzer Linie.

Die Straßen sind bis auf wenige Autos und Fußgänger fast überall völlig leer.

Auf PlayStation 5 und XBOX Series X|S ruckeln sich die Helden munter durch die Kämpfe, präzises Ausweichen ist dann eine reine Frage des Glücks. Wenn dann noch besonders viel Effektlast auf dem Bildschirm zu sehen ist, brechen die Bildraten sogar noch weiter ein. Performancemodi sind mittlerweile Standard, ein Großteil der Spieler lehnt Titel ohne entsprechende Funktion ab. Dass dieser Umstand überhaupt erst auf den letzten Drücker kommuniziert wurde, nachdem findige Miner darauf gestoßen sind, sagt schon eine Menge aus. Und ganz ehrlich: Die Rechtfertigung, dass man aufgrund des KoOp-Modus nichts Besseres anbieten kann, klingt für mich nach einer ebenso lächerlichen Ausrede wie damals, als diverse Publisher jahrelang darauf beharrt haben, dass man PC-Spielern nur deshalb keine zeitgemäßen Portierungen ihrer Sportsimulationen anbieten kann, weil man ihnen die damit verbundenen höheren Systemanforderungen nicht zumuten will. Die Community läuft dagegen seit Tagen Sturm. Im gegenwärtigen Zustand kann ich nur dringend davon abraten, die Konsolenfassungen zu kaufen – zumindest, solange ungeklärt bleibt, ob die Entwickler angesichts der massiven Kritik nicht doch noch von ihrer Entscheidung abrücken. Für mich ist Gotham Knights unter diesen Bedingungen nicht spielbar.

Mr. Freeze zählt zu den tödlichsten Feinden der Gotham Knights und richtet mit seinen Eisangriffen verheerenden Schaden an.

Besser sieht es auf dem PC aus, wo die Mindestanforderung zwar ebenfalls unverschämt hoch ausfallen, wer aber ausreichend Pferdestärken unter der Haube hat und zudem eine sehr potente Grafikkarte besitzt, kann Gotham Knights dort höchstauflösend mit unbegrenzten Bildraten genießen und sogar optional noch besseres Raytracing für schönere Spiegelungen, Beleuchtung und Schatten als auf den Konsolen, wobei die Features selbst bei aktiviertem DLSS 2.0 unsere zu viel für unsere Hardware gewesen sind. Um ein ähnliches Desaster wie auf den Konsolen zu vermeiden, kann ich euch nur empfehlen, euch an die Mindestanforderungen zu halten. Bei mindestens 60 Frames pro Sekunde fühlt sich der Titel komplett anders an. Mit weniger sollte man sich in diesem Fall keineswegs zufriedengeben, dafür macht die Performance einfach zu viel aus. 

Tagsüber planen die Gotham Knights im Glockenturm ihren nächsten Zug. Verlassen kann man die Basis aber immer nur Nachts.

Während mir die musikalische Untermalung des Spiels wirklich gut gefallen hat, haben mich die deutschen Sprecher überwiegend kalt gelassen. Kenner der Arkham-Reihe, ebenso aber auch Liebhaber der Dark-Knight-Trilogie haben sich längst an David Nathan als Feststimme von Batman gewöhnt. Das wäre in dem Fall nicht weiter schlimm, weil der Rächer ja nur ganz am Anfang einen kurzen (und folgenreichen) Auftritt hat. Aber anders als bei den letzten Ausflügen nach Gotham City fehlt den übrigen Sprechern einfach der Wiedererkennungswert. Nur Dietmar Wunder, seines Zeichen unter anderem als Stammsprecher von Daniel Craig bekannt, bringt ein bisschen hörbare Klasse ins Spiel, nur um dann ausgerechnet als Alfred komplett fehlbesetzt zu sein. Versteht mich nicht falsch, die Sprecher klingen an sich alle nicht schlecht, hinterlassen aber auch nicht denselben bleibenden Eindruck. Bei der Bedienung am PC solltet ihr unbedingt ein Gamepad nutzen, mit Maus und Tastatur lässt sich weder im Kampf, noch bei der Bewegung durch Gotham ein Blumentopf gewinnen. Und wer darauf gehofft hat, dass die Macher wenigstens die Möglichkeiten des DualSense ausnutzen, wird ebenfalls enttäuscht: Schon lange hat sich kein Spiel mehr derart tot in den Händen angefühlt wie Gotham Knights.

„Gotham Knights ist so sehr darum bemüht, seinen jeweiligen Vorbildern gerecht zu werden, dass eigene Ideen dabei komplett auf der Strecke bleiben. Sowohl spielerisch als auch erzählerisch wirkt das Spiel wie ein uninspirierter Aufguss bekannter Elemente und visuell kann das Spiel nicht einmal ansatzweise mit der dichten Atmosphäre eines mittlerweile sieben Jahre alten Arkham Knight mithalten. Der vorhersehbaren Story mangelt es an weitestgehend an Höhepunkten und die vier Helden fühlen sich trotz unterschiedlicher Kampfstile zu identisch an, um dem ganzen Konzept ausreichend Tiefe zu verleihen. Daran kann auch der groß beworbene KoOp-Modus nichts ändern. Konsolenbesitzer sollten sich den Kauf ohnehin gut überlegen, denn spätestens dort wird auch das letzte bisschen Spielspaß aufgrund der grottigen Bildraten völlig ruiniert. Wenn das wirklich die Zukunft von Gotham City sein soll, sieht es verdammt düster aus. Jetzt hoffe ich, dass Rocksteady Games die Dinge mit dem kommenden Suicide Squad wieder ins Lot bringt. Bis dahin verbringe ich meine Zeit gerne überall, nur nicht in diesem Gotham City!“

  • Stimmige Licht- und Effektkulisse
  • Ansehnliche Reflexionen, auch ohne Raytracing
  • Detaillierte Charaktermodelle
  • Geschmeidige Animationen
  • Angemessen lange Hauptgeschichte
  • Viele Nebenbeschäftigungen und Herausforderungen
  • Große Auswahl an Kostümen und Waffen
  • Jeder Held verfügt über eigene Talente
  • Fair ausbalancierte Schwierigkeitsgrade
  • Umfangreiche Tutorials
  • Heldenwechsel zwischen den Nächten jederzeit möglich
  • Atmosphärischer Soundtrack
  • Zugängliche Bedienung via Gamepad
  • Atmosphärisch schwächer als Arkham Knight und Co.
  • KoOp nicht optimal durchdacht
  • Geschichte säuft zur Mitte hin qualitativ komplett ab
  • Heldenwahl wirkt sich kaum auf den Erzählverlauf aus
  • Einzelne Heldenpersönlichkeiten werden nicht angemessen genug herausgearbeitet
  • Charakterhintergründe bleiben für Neueinsteiger völlig unklar
  • Gotham City wirkt abseits weniger Autos und Passanten zu leer und austauschbar
  • Repetive, oft unspektakuläre Verbrechensvereitelung
  • Die meisten Schurken verkommen zu zusammenhangslosen Nebenfällen
  • Lautloses Vorgehen ist aufgrund unausgegorener Mechaniken nur selten erfolgreich
  • Kämpfe abseits der Bosse eher generisch
  • RPG-Elemente wirken aufgesetzt…
  • …und zwingen gelegentlich zum Grinding
  • Übertrieben viele Craftingmaterialien
  • Teils verheerende K.I.-Schwächen
  • Stoisches Batbike ist nur auf geraden Strecken brauchbar
  • Überwiegend durchschnittliche deutsche Sprecher ohne Erinnerungswert
  • Dietmar Wunder als Alfred komplett fehlbesetzt
  • Kameraprobleme in engen Arealen
  • Unpräzise Maus- und Tastatursteuerung
  • DualSense-Features bleiben komplett ungenutzt
  • Geringe Bildrate auf Konsolen wirkt sich extrem negativ auf das Gameplay aus

Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Warner Bros. Games zur Verfügung gestellt worden.

©2022 M-Reviews.de

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