Bayonetta 3

Im dritten Teil der mittlerweile exklusiv auf der Nintendo Switch beheimateten Reihe aus dem Hause PlatinumGames (Leerzeichen waren bei der Firmengründung wohl gerade aus) greift ein uraltes Übel nach der Alleinherrschaft und will dafür einen Großteil der Multiversen auslöschen. Klar, dass sich das die schnuckeligste Hexe der Videospielgeschichte nicht einfach gefallen lässt und einmal mehr zu den Waffen greift. Wir haben Bayonetta 3 zeitig zum Release für euch getestet.

 
 
 
 
 
Entwickler: PlatinumGames
 

Publisher: Nintendo

Plattform: Nintendo Switch

Veröffentlichungsdatum: 28. Oktober 2022

Preis: ab 59.99€

Altersfreigabe: ab 16 Jahren


Ungeschnitten
Mikrotransaktionen


Chaos im Multiversum

Wenn man die gesamte Geschichte des Spiels bereits in der Einleitung zusammenfassen kann, ist das für gewöhnlich kein gutes Zeichen. Mit der inhaltlichen Komplexität der Vorgänger kann es Bayonetta 3 zu keinem Zeitpunkt aufnehmen. Was alteingesessene Fans kaum erfreuen dürfte, ist aber zumindest für Neuankömmlinge im Franchise eine gute Gelegenheit, denn großes Vorwissen fordert das Spiel nicht ein. Trotzdem hätte ein kleiner Auffrischungskurs zu Spielbeginn nicht geschadet, besonders die vielen Charaktere und deren Verbindung untereinander dürften Frischlinge anfangs akut überfordern. Luka, Enzo, Rodin und Co. sind nämlich auch im neuesten Abenteuer der titelgebenden Hexe wieder mit am Start.

Die begehrten Chaosgetriebe öffnen den Zugang zur Welt der Singularität.

Im dritten Teil der Saga bekommen es Bayonetta und Co. mit der sogenannten Singularität zu tun, einer finsteren Entität, die ihren Machtanspruch dadurch zementieren will, indem sie mithilfe der dämonischen Homunkuli sämtliche Welten im Multiversum restlos auslöscht. Ein praktischer Ansatz: Wenn nur noch die eigene Welt übrig, macht einen das ja quasi irgendwie zum Alleinherrscher. Als die Armeen der Finsternis schließlich auch in der uns bekannten Realität aufschlagen und heillose Zerstörung in Tokio anrichten, stellen sich Bayonetta und ihre Freunde der neuen Bedrohung entschlossen entgegen. Um das Übel bei der Wurzel zu packen, muss die uralte Hüterin der Balance zwischen Licht und Dunkelheit jedoch auf den Heimatplaneten der Singularität gelangen – und das geht nur mithilfe von fünf Chaosgetrieben, die überall im Multiversum versteckt sind. Dabei bekommt Bayonetta mit der Hexen-Azubine Viola bald eine neue Verbündete zur Seite gestellt, deren eigene Welt ebenfalls von den Homunkuli bedroht wird.

Neuzugang Viola verlässt sich im Kampf bevorzugt auf ihre Dämonenkatze Cheshire.

Wie gesagt, die Rahmenhandlung ist ziemlich dünn geraten und gibt kaum mehr her als ein durchschnittlicher Beitrag zum Marvel Cinematic Universe, wo die Theorie verschiedener Parallelrealitäten momentan ebenfalls eine zentrale Rolle spielt. Trotzdem ist es den Macher gelungen, die Geschichte mit gewohnt unterhaltsamen Charakteren anzureichern, besonders der harte Kontrast zwischen Viola und Bayonetta wird innerhalb der zahlreichen, exzellent gemachten Zwischensequenzen immer wieder mit viel Humor herausgearbeitet. Gleiches gilt für die verschiedenen Aufeinandertreffen mit den alternativen Versionen der beliebten Antiheldin. Eher blass verbleibt dagegen der Oberschurke, dessen Motivation und Motive für meinen Geschmack nicht tiefgehend genug erforscht werden. Über den Wechsel der englischen Stammsprecherin ist in den letzten Tagen viel diskutiert worden und ich möchte mich angesichts der vielen offenen Fragen gar nicht weiter dazu äußern, jedoch hat mir Jennifer Hale als Nachfolgerin gut gefallen, auch wenn es natürlich nicht dasselbe ist. 

Die Begegnungen mit den Multiversums-Bayonettas produzieren einige der besten Momente im Spiel.

Gute dreizehn Stunden dürfte es dauern, ehe der Abspann über den Bildschirm flimmert. Wer jeden Winkel der einzelnen Level von Japan bis Ägypten bis in die letzte Ecke erkundet und auch an den vielen – wie immer an Sammelobjekte gebundenen – optionalen Herausforderungen nicht desinteressiert vorbeigeht, darf locker noch ein paar zusätzliche Stunden Spielspaß obendrauf rechnen. Dank der vier anständig ausbalancierten Schwierigkeitsgrade eignet sich das Spiel für alteingesessene Veteranen ebenso wie für Gelegenheitsspieler, nicht zuletzt weil die Macher für alle Fälle umfangreiche Tutorials implementiert haben. Und wer mit seiner Abschlussbewertung nicht zufrieden ist oder es mit schwierigeren Gegnern aufnehmen will, stürzt sich einfach motiviert in einen neuen Durchgang. 

Hohe Ansätze, noch höhere Absätze

Spielerisch bietet Bayonetta 3 dafür nämlich mehr als genug Abwechslung, wobei sich Fans und alle die es noch werden wollen einmal mehr auf spektakuläre Fights von epischem Ausmaß einstellen dürfen, die maßgeblich von Bayonettas aberwitzigem Arsenal leben. Obwohl sich das Kampfsystem seit dem ersten Auftritt der Hexe mechanisch kaum weiterentwickelt hat, gehören die Fights innerhalb der Reihe immer noch mit zum absolut Besten, was der Markt anzubieten hat. Nirgendwo sonst wird das Zusammenspiel von Magie-, Nah- und Fernkampf derart perfekt zusammengeführt. Bei den stylischen Kombos können sich sogar Dante und Co. stellenweise noch ein kleines Scheibchen abschneiden. Den Punktezähler in schwindelerregende Höhen zu treiben, während man sich gleichzeitig mit beispielloser Eleganz durch die anrückenden Horden von Homunkuli schreddert, macht unfassbar viel Spaß. 

Während Bayonetta am Boden die Beschwörung aufrecht erhält, teilen wir als XXL-Dämon mächtig aus.

Viola verlässt sich als neuer spielbarer Charakter lieber auf ihr übergroßes Schwert und die Hilfe ihrer Dämonenkatze Cheshire. Mit dem neuen System zur Dämonenkontrolle können die beiden ungleichen Charaktere ihre höllischen Verbündeten jetzt nicht mehr nur zur Abfertigung einsetzen, sondern diese aktiv ins Gefecht einbringen. Spieler dürfen also erstmals mit Gomorrah und Konsorten Prügel rausschmeißen, was für jede Menge epischer Momente auf dem Bildschirm sorgt – das aber auch nur, solange die Beschwörung aufrechterhalten werden kann. Währenddessen sind Bayonette und Viola nämlich komplett wehrlos, ein einzelner Treffer genügt und der Spaß ist vorbei. Ein waches Auge ist also weiterhin notwendig. Mir gefällt die Idee gut, denn so fühlt sich die Komponente nie übermächtig an und braucht nach Abbruch zudem lange Zeit, bis sie wieder einsatzbereit ist. Damit ist den Machern eine gute Ergänzung zum bereits bestehenden Gameplay gelungen, welches sich dankbarerweise mehr darum bemüht, bestehende Qualitäten weiter zu verfeinern, anstatt eine forcierte Umwälzung herbeizuführen, an die sich mittlerweile viel zu viele Entwickler mangels alternativer Ideen klammern – und die Dinge gerade dadurch erst komplett gegen die Wand fahren. 

Mithilfe der Schmetterlingsgestalt werden wie hier im alten China bisher unzugängliche Orte erreichbar.

Und noch etwas ist neu: In Bayonetta 3 lässt sich die Bewaffnung nicht mehr frei miteinander kombinieren. Stattdessen gilt jeder einzelne Schießprügel als komplettes Set und lässt sich auch nur als solches nutzen. Klingt erstmal nicht so toll, macht aber durchaus Sinn, denn jeder Waffensatz verfügt über ein eigene Komboliste für jedes Körperteil und funktioniert erst im Zusammenspiel damit so, wie es von den Entwicklern vorgesehen wurde. Egal, ob mit den klassische Wummen oder den neuen Jo-Jos, das im Vergleich zu den Vorgängern deutlich aufgestockte Arsenal des Spiels deckt jeden Bedarf ab und macht im Einsatz extrem viel Spaß. Vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als bisher! Und weil sich unser aller Lieblingshexe mit dem passenden Set sogar wahlweise in Schmetterlings-, Drachen- oder Spinnengestalt durch die Areale bewegen kann, ohne die einem viele versteckte Extras komplett entgehen würden, hat das ganze innerhalb der offener gestalteten Areale gleichzeitig noch einen zusätzlichen Nutzen.  

Jeanne ist ebenfalls wieder mit dabei und darf sich durch Minispiele im Stil von Metroid und Co. rätseln.

Neben der praktischen Reise- und Rätselhilfe hat das Team von PlatinumGames die neuen Gestalten auch sinnbringend in die Geschichte eingebaut, was spielerisch immer wieder für abwechslungsreiche Sequenzen sorgt, in denen wir uns beispielsweise in Spinnengestalt über Häuserdächer bewegen müssen, um zum nächsten Ziel zu gelangen. Das ist nicht nur eine prima Verschnaufpause vom übrigen Getöse, sondern hat gleichzeitig auch einen angenehm unaufdringlichen Tutorialcharakter. Und auch Bayonettas ehemalige Erzfeindin Jeanne dürfen wir ab und an durch kleinere Platformerpassagen manövrieren, Metroid lässt grüßen. Und das ist nur ein Beispiel von vielen, denn solche Minispiele begegnen uns im Spielverlauf immer wieder. Storytechnisch mag das Spiel weit hinter seinen Vorgängern agieren, aber beim Gameplay präsentiert sich das Werk facettenreicher als je zuvor. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es bei alldem aber doch, denn Bayonetta 3 muss anders als sein Vorgänger komplett ohne KoOp-Komponente auskommen.

An der Grenze der Möglichkeiten

Obwohl die Nintendo Switch zu den erfolgreichsten Konsolen in der Geschichte von Nintendo zählt und sich immer noch blendend verkauft, macht Bayonetta 3 in vielerlei Hinsicht überdeutlich, dass die betagte Hardware längst an ihre Grenzen stößt. Denn unter dem kunterbunten Overkill an Effekten und geschmeidigen Animationen offenbaren sich ziemlich triste Umgebungsgrafiken, die in Kombination mit der niedrigen Auflösung besonders auf großen Displays ziemlich unansehnlich geraten. Kompromisse, die notwendig sind, um überwiegend geschmeidige 60 Frames in den Kämpfen zu gewährleisten. Dass dieses Unterfangen in neunzig Prozent aller Fälle auch gelingt, grenzt an ein kleines Wunder. Lediglich in visuell komplett überladenen Sequenzen kann die Bildrate kurz spürbar einbrechen. Die aufwendigen Zwischensequenzen werden dagegen mit maximal 30 Frames pro Sekunde wiedergegeben.

Die filmreifen Zwischensequenzen erfordern besonders viel Rechenleistung und werden daher nur mit 30 Frames pro Sekunde abgespielt.

Verglichen mit der Leistungsfähigkeit der aktuellen Konsolen (sofern man diese denn abrufen kann) ist die Switch einfach nur noch sehr bedingt konkurrenzfähig, ein vollwertiger Nachfolger ist längst überfällig. Nicht falsch verstehen, Bayonetta 3 ist absolut kein hässliches Spiel, im Gegenteil. Aber mit der entsprechenden Power einer PlayStation 5 und/oder XBOX Series X|S hätte man bei der visuellen Präsentation sicher weitaus weniger Kompromisse – gerade in Hinsicht auf die Präsentation auf dem heimischen Fernseher – in Kauf nehmen müssen, wo das Spiel einfach sehr matschig rüberkommt und man angesichts dessen gerne mal die Orientierung über das Geschehen verlieren kann, wenn das nicht schon die stellenweise etwas unausgegorene Kameraführung übernimmt. 

Unter dem Effektreigen kränkelt das Spiel sehr unter seinen detailarmen Umgebungen.

Dafür entschädigt der fantastische, allgegenwärtige Soundtrack, an dem man sich gar nicht satthören mag. Generell überzeugt die Klangkulisse auf ganzer Linie. Besonders im Heimkino fühlt man sich mitten in einen Actionkracher versetzt. Die Bedienung mit Controller geht etwas besser von der Hand als mit den Joy-Cons, aber auch unterwegs lässt sich Bayonetta 3 gut spielen, auch wenn das kleine Display nicht immer die beste Übersicht bietet und man bedienungstechnisch bei der Präzision kleinere Abstriche hinnehmen muss. 

„Wäre da nicht die zunehmend marode Technik der Nintendo Switch, welche Bayonetta 3 besonders grafisch- und performancetechnisch immer wieder ausbremst, wäre der neueste Streich von Platinum Games locker ein Kandidat für eine Neunerwertung. Denn abseits trister Kulissen und gelegentlicher Bildrateneinbrüche ist den Machern ein extrem spaßiges Sequel geglückt, dass Fans abermals mit einem herrlich überzogenen Feuerwerk aus Action und nackter Haut verwöhnt, gleichzeitig die bekannte Formel beim Gameplay in jeder Hinsicht sinnvoll erweitert. Dass dabei ausgerechnet der KoOp-Modus des Vorgängers ersatzlos gestrichen wurde, stößt aber sauer auf. Und auch Einsteiger dürften mangels angemessener Hintergrundinformationen einige Schwierigkeiten haben, durch das umfangreiche Figurenkonstrukt zu blicken. Wen das nicht abhält, bekommt mit dem dritten Abenteuer der ikonischen Hexe beste Unterhaltung für die kalten Tage geliefert.“

  • Aberwitzige Action
  • Areale unterscheiden sich visuell angenehm voneinander
  • Coole Gegner- und Bossdesigns
  • Offener Levelansatz lädt zum Erkunden ein
  • Abwechslungsreiches, sinnvoll erweitertes Gameplay
  • Gewohnt sympathische Antihelden
  • Jede Menge Waffen und Fertigkeiten
  • Viele versteckte Sammelobjekte
  • Solider Gesamtumfang
  • Zahlreiche optionale Herausforderungen
  • Guter Wiederspielwert
  • Vier gut ausbalancierte Schwierigkeitsgrade
  • Faire Lernkurve
  • Angemessene Tutorials
  • Exzellenter Soundtrack
  • Überzeugende englische Sprecher
  • Sauber lokalisierte deutsche Texte
  • Gute Bedienung über sämtliche Peripherie hinweg
  • Maue Kulissen
  • Gelegentliche Bildrateneinbrüche
  • Auflösungsbedingt besonders an großen Bildschirmen kein Augenschmaus
  • Story bestenfalls rudimentär
  • KoOp des Vorgängers ersatzlos gestrichen
  • Kamera macht nicht immer, was sie soll
  • Kein Recap bisheriger Ereignisse erschwert Zugänglichkeit für Neueinsteiger

Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Nintendo zur Verfügung gestellt worden.

©2022 M-Reviews.de

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