Alone in the Dark

Falls ihr zu der Sorte von Leuten gehört, die sich bei Einbruch der Dunkelheit in den Schutz heller Räume begeben müssen und bereits bei der Erwähnung von Dead Space und Co. das Weite suchen, solltet ihr auch um Alone in the Dark einen großen Bogen machen. Die Neuauflage des gleichnamigen Horrorklassikers aus dem Jahre 1992 setzt zwar nicht mehr dieselben Maßstäbe wie das Original, hat aber trotzdem viel Gutes zu bieten – und leider auch so manchen Makel. 

Entwickler: Pieces Interactive

Publisher: THQ Nordic

Plattform: PC | PS5 | XBS

Veröffentlichungsdatum: 20. März 2024

Preis: ab 59,99*

Altersfreigabe: ab 16 Jahren

Metacritic | OpenCriticIMDB


Mikrotransaktionen
Ungeschnitten


Im Wahnsinn versumpft

In den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts reist Emily Hartwood in Begleitung des Privatdetektivs Edward Carny ins Hinterland von Louisiana, um dort nach ihrem verschollenen Onkel zu suchen. Der hat sich dort scheinbar dem Wahnsinn nahe in ein Sanatorium eingewiesen und folgt damit einer unschönen Familientradition. Das inmitten von Sümpfen und jeder Menge hungriger Alligatoren gelegene Derceto Manor ist zwar schnell gefunden, von Jeremy Hartwood fehlt allerdings jede Spur. Die offensichtlich unerwünschten Besucher lassen sich jedoch nicht einfach so abwimmeln, sondern bestehen darauf, vor Ort zu ermitteln. Im Zimmer des Verschwundenen stoßen Edward und Emily auf einen seltsamen Folianten voller okkulter Texte, Anstaltsleiter Dr. Gray und seine Untergebenen verhalten sich höchst verdächtig und auch die übrigen Patienten scheinen manches zu verbergen. 

Das Spiel kann wahlweise in der Rolle von Emily oder Edward erlebt werden. Die Unterschiede zwischen den jeweiligen Durchgängen sind aber eher gering. | PlayStation 5, Leistungsmodus

Während wir den zahllosen Geheimnissen von Derceto Manor auf den Grund gehen, geraten wir immer tiefer in einen finsteren Sog, in dem Realität und Fantasie zusehend zu einem finsteren Albtraum miteinander verschmelzen, in dessen Zentrum ein mysteriöser Schattenmann sämtliche Fäden in den Händen hält. Die Frage ist nur: Werden wir diesem Albtraum rechtzeitig entkommen, oder am Ende doch vollständig darin versinken? Gute sechs bis zehn Stunden dauert ein Durchgang, den wir wahlweise in der Rolle von Edward oder Emily bestreiten können. Beide erleben das Spiel auf leicht unterschiedliche Weise, so richtig schließt sich der erzählerische Kreis aber erst, wenn ihr das Abenteuer mit beiden Charakteren absolviert habt. Mehrere Enden motivieren zum erneuten Durchspielen und obwohl der Grusel seine Wirkung dann fast komplett verliert, haben wir uns angesichts der gut geschriebenen und auch im Deutschen hervorragend vertonten Protagonisten gerne nochmal ins Irrenhaus begeben. 

Wo ist Jeremy Hartwood? Das Anstaltspersonal weiß angeblich nichts über den Verbleib des exzentrischen Anverwandten. | PlayStation 5, Leistungsmodus

Dass sich die Macher bei der Umsetzung des immer wieder verschobenen Titels stark vom Resident-Evil-Franchise haben inspirieren lassen, merkt man quasi an jeder Ecke. Schlimm ist das aber nicht, denn die angenehm wendungsreiche Geschichte bewegt sich inhaltlich in eine ganz eigene Richtung und muss sich daher abseits der nicht ganz so hochwertigen Gesamtumsetzung nicht vor dem großen Vorbild verstecken. Statt billiger Schockmomente setzt Alone in the Dark mehr auf eine durchgehend beklemmende Atmosphäre samt passender Geräuschkulisse und spielt gleichzeitig wunderbar mit der ureigenen Angst des Menschen, was wohl hinter der nächsten Ecke lauern könnte. Mitunter brauchen wir nur eine Tür zu durchschreiten und finden uns plötzlich an gänzlich konträren Orten wieder, welche allesamt eng mit den Erinnerungen von Jeremy verknüpft sind und an denen wir einen Großteil der Kämpfe absolvieren müssen. Friedhof, Modersumpf und Co. sorgen zudem für optische Abwechslung abseits der Anstaltskulisse und werden ähnlich stimmig präsentiert wie das modrige Herrenhaus als Dreh- und Angelpunkt der ganzen Geschichte.

Kopfnuss vor Kopfschuss

Schon das ursprüngliche Alone in the Dark hat seine Spieler immer wieder vor Rätsel gestellt, die Neuauflage stellt da keine Ausnahme da und fordert zum Weiterkommen regelmäßig die grauen Zellen. Vieles davon ist ziemlich klassisch gehalten und erfordert zum Beispiel das Verschieben von Reliefplatten, bis sich ein bestimmtes Muster ergibt. Um dieses überhaupt vervollständigen zu können, müssen wir aber zunächst die fehlenden Bestandteile aufstöbern. Hinweise zu deren Aufenthaltsort verstecken sich oftmals in den zahlreichen Dokumenten, die sich praktischerweise nie allzu weit weg befinden. Die meisten Räume des Hauses sind zu Anfang noch verschlossen und öffnen sich erst nach und nach mithilfe bestimmter Schlüssel und Werkzeuge. Abkürzungen zwischen den einzelnen Etagen lassen sich dabei praktischerweise ebenfalls freischalten, was uns das sonst so nervige Backtracking angenehm erleichtert. Wie sehr ihr euch bei den Rätseln helfen lassen wollt, könnt ihr zu Spielbeginn ganz nach euren eigenen Wünschen bestimmen. 

Suchen…
Die übersichtliche Karte zeigt uns je nach gewähltem Unterstützungsgrad, welche Räume wir bereits durchsucht haben, wo noch Geheimnisse zu holen sind und welche Rätsel gegenwärtig von uns gelöst werden können.
…und sammeln
Lagniappes fungieren nicht nur als Sammelobjekte im Spiel. Ein Teil schaltet als kompletter Satz auch alternative Enden frei. Vieles davon kann nur mit beiden Charakteren vervollständigt werden. | Alle Bilder: PlayStation 5, Leistungsmodus

Gleiches gilt für die Schwierigkeit der Kämpfe im Spiel, welche man leider als größten Schwachpunkt von Alone in the Dark bezeichnen muss. Die Anzahl verschiedener Monster im Spiel ist ziemlich überschaubar geraten und glänzt weder gerade durch Angriffsvielfältigkeit, noch durch große Schläue. Unter anderem Äxte, Vorschlaghämmer und Schaufeln dienen uns als Nahkampfwaffen, erweisen sich aufgrund der nicht vorhandenen Aufschaltfunktion aber als derart unpräzise, dass wir beim orientierungslosen Rumfuchteln damit oft mehr Schaden kassieren, als wir austeilen. Hilfreicher ist da schon das klassische Waffenarsenal bestehend aus Pistole und Schrotflinte, später können wir auch eine Tommy Gun nutzen. Munition gibt es gerade auf den leichteren Herausforderungsstufen im Überfluss, auch an Heilgegenständen besteht dann wahrhaft kein Mangel. Richtig frustrierend wird es auf höheren Stufen, wenn Ressourcen knapp sind und Gegner uns mit wenigen Treffern an den Rand des Ablebens befördern. 

Sieht aus wie Resident Evil, fühlt sich aber bei weitem nicht so gut an: Die Kämpfe in Alone in the Dark möchte man aus vielen Gründen meiden. | PlayStation 5, Leistungsmodus

Zwar lässt sich ein Großteil der Kämpfe in offenen Arealen einfach durch Wegrennen umgehen, eine befriedigende Lösung ist das aber nicht. Und auch die Schleichfunktion hat sich über weite Strecken als nutzlos erwiesen, weil sich Carnby und Hartwood dabei einerseits quälend langsam fortbewegen, andererseits keine Möglichkeit existiert, die Monster mit einem Schlag von hinten direkt ausschalten zu können. Wurfobjekte finden sich zwar fast überall, lassen sich aber nicht verstauen und müssen sofort geworfen werden. Selbst die Ausweichfunktion habe ich fast nie genutzt, weil sie einfach zu unpräzise ist und in engen Gängen regelmäßig darin resultiert, dass man sich ungewollt in eine Ecke rollt, aus der man nur schwer wieder entkommen kann. Kurzum: Hätte man auf Kämpfe komplett verzichtet und sich stattdessen noch eine Handvoll mehr Rätsel ausgedacht, wäre Alone in the Dark wahrscheinlich ein besseres Spiel geworden.  

Fluide Finsternis

Basierend auf der nicht mehr ganz taufrisch anmutenden, aber stellenweise immer noch sehr leistungsfähigen Unreal Engine 4, besticht der Titel vor allem mit stimmiger Beleuchtung und einer ansehnlichen Effektkulisse. Mit den Hollywoodstars Jodie Comer und David Harbour konnte man zwei prominente Schwergewichte als Hauptdarsteller gewinnen, die virtuellen Abbilder punkten mit einer hohen Ähnlichkeit und lassen sich den realen Vorbildern mühelos zuordnen. Dagegen wirkt der Rest der computergenierten Charaktere aufgrund hölzerner Animationen und allgemeiner Detailarmut fast wie eine Ansammlung von Fremdkörpern. Auf der Habenseite steht die Tatsache, dass das Spiel zwischen den Kapiteln komplett ohne Ladezeiten auskommt und selbst in größere Abschnitte nahtlos übergeht.  

Leistung Qualität
Weil der visuelle Unterschied zwischen Grafik- und Leistungsmodus aus annehmbarer Entfernung kaum wahrnehmbar ist, empfiehlt sich letzterer dank dramatischem Bildratenturbo mit weitem Abstand als beste Wahl. | PlayStation 5

Auf PlayStation 5 und XBOX Series X hat man die Wahl zwischen einem Leistungs- und einem Grafikmodus. Letzterer offeriert lediglich eine höhere Auflösung bei identischen Assets, beschränkt das Geschehen allerdings auf 30 Bilder pro Sekunde. Der Leistungsmodus sieht aus gut zwei Metern Entfernung betrachtet kaum schlechter aus und profitiert zusätzlich von der doppelten Bildrate, welche von beiden Konsolen überwiegend problemlos gehalten werden kann. Alleine die extrem ruckelige Kameraführung im Grafikmodus ist für mich Grund genug gewesen, nach der Anfertigung der obligatorischen Vergleichsbilder schnell wieder auf Leistung zu wechseln. Die PC-Version verlangt euch diese Kompromisse nicht ab, lässt sich dank ausreichender Optionen auch für Mittelklassehardware hervorragend konfigurieren und selbst mit Maus- und Tastatur noch brauchbar bedienen, unterstützt aber problemlos alle gängigen Gamepads für eine noch zugänglichere Steuerung. 

Abseits der beiden Hauptdarsteller lässt sich die grafische Qualität der Charaktere allenfalls als mittelmäßig bezeichnen. | PlayStation 5, Leistungsmodus

Einige kleinere Bugs sind uns über den Testverlauf noch begegnet, darunter sogar ein waschechter Gamebreaker. Ein entsprechender Patch dürfte zeitnahe veröffentlicht werden, solltet ihr allerdings gegenwärtig dennoch auf diesen Fehler stoßen, lässt der sich in der Regel mit einem erneuten Laden des letzten Kontrollpunktes problemlos beheben. Ob Alone in the Dark in seiner Gesamtheit den Vollpreis wert ist, muss jeder für sich entscheiden. Falls ihr jedoch meine bescheidene Meinung hören wollt: Hätte ich nicht das Privileg kostenloser Rezensionsmuster, würde ich warten, bis sich der Preis bei circa vierzig Euro einpendelt und dann zugreifen. Der kurzweilige Horrorspaß ist nämlich durchaus unterhaltsam, aber eben auch relativ schnell wieder vorbei, wenn man nicht auf den Kopf gefallen ist und erfindet das Rad zu keinem Zeitpunkt wirklich neu. Gegen weitere Ableger hätte ich allerdings gar nichts einzuwenden. 

„Das Original habe ich als Kind noch auf dem PC meines mittlerweile verstorbenen Großvaters gespielt – damals noch verteilt auf ein paar wenige Disketten. Die Neuauflage zu Alone in the Dark punktet mit derselben, guten Atmosphäre und einer durchgehend interessant geschriebenen Geschichte samt Charakteren, die spielerisch manchmal aber etwas zu viel von den offensichtlichen Vorbildern abkupfert. Das grundsolide Rätseldesign steht einem extrem frustrierenden Kampfsystem gegenüber, welches an sich sehr überschaubar ist, in der Umsetzung aber trotzdem komplett spaßbefreit ist. Wer damit leben kann und die Wartezeit auf das nächste Resident Evil überbrücken möchte, wird mit dem Ausflug nach Derceto Manor trotz Schwächen brauchbar bedient.“

  • Abwechslungsreiche Schauplätze
  • Stimmige Gruselatmosphäre ohne billige Effekthascherei
  • Hübsche Licht- und Partikelkulisse
  • Wendungsreiche Geschichte
  • …die sich erst nach beiden Durchläufen komplett erschließt
  • Mehrere Enden erhöhen Wiederspielwert zusätzlich
  • Sympathische Protagonisten
  • Stimmig designte Rätsel
  • Zahlreiche optionale Hilfen
  • Fair ausbalancierte Schwierigkeitsstufen
  • Gute deutsche Sprecher
  • Effektvolle Klangkulisse
  • Passender Soundtrack
  • Zugängliche Bedienung über sämtliche Plattformen
  • Abseits der Hauptdarsteller altbacken animierte Charaktere
  • Geschichten von Edward und Emily unterscheiden sich nur marginal voneinander
  • Insgesamt unausgegorenes, weil klobiges Kampfsystem
  • Frustrierender, unpräziser Nahkampf
  • Überschaubare Gegnervielfalt
  • Schleich- und Ablenkungssystem mehr Fluch als Segen
  • Gegenwärtig noch mehrere kleine und ein paar schwere Bugs 

Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von THQ Nordic zur Verfügung gestellt worden.

*Unsere Links werden nicht mit einer Monetarisierung versehen

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