Der Film
Ein paramilitärisches Trainingslager auf dem Land scheint da genau richtig zu sein. Dort hat allerdings ausgerechnet der kriegsversehrte und völlig verrückte Hauptmann Klenzendorf (Oscar©-Preisträger Sam Rockwell, Three Billboards Outside Ebbing, Missouri) das Kommando übernommen, was nur den Anfang einer anhaltend katastrophalen Erfahrung für Jojo darstellt. Der kann sich nämlich weder zum Mord an einem unschuldigen Hasen zur Abhärtung durchringen und muss sich von nun an als Feigling beschimpfen lassen (daher auch der englische Titel Jojo Rabbit), sondern erleidet bei einer fehlgeschlagenen Granatenübung auch noch schwere Gesichtsverletzungen. Gedemütigt und viel früher als erwartet kehrt Jojo schließlich nach Hause zurück und muss zu seiner großen Überraschung feststellen, dass seine Mutter bereits seit geraumer Zeit die junge Jüdin Elsa Knorr (Thomasin McKenzie, Der Hobbit: Die Schlacht der Fünf Heere) im Haus versteckt, die sich so gar nicht beeindruckt von den Versuchen des linientreuen Hitlerjungen zeigt, den ungebetenen Gast schnellstmöglich wieder loszuwerden.
Um seine Mutter nicht in Gefahr zu bringen, akzeptiert Jojo die „Besatzung“ zunächst notgedrungen. Durch Zufall kommt er auf die Idee, basierend auf Elsa ein Buch darüber zu schreiben, wie man Juden am besten erkennen kann. Was als antisemitisches Forschungsprojekt beginnt, resultiert mit der Zeit in eine seltsame Art gegenseitiger Zuneigung, die aber gleichzeitig stets von anhaltenden Vorurteilen und gegenseitigem Hass begleitet wird. Seltsam ist es aber doch: Sind die Juden etwa nicht die kinderfressenden Monster, als die sie immer bezeichnet werden? Haben Hitler und seine Schergen etwa die ganze Zeit gelogen? Das plötzliche Auftauchen der Gestapo sowie ein unverhoffter Schicksalsschlag erscheinen aber beinahe nebensächlich aufgrund der Tatsache, dass die Allierten längst mit Mann und Maschinen auf Falkenheim zurollen. Jojo muss sich endgültig zwischen Führer und Freundschaft entscheiden. Doch Kumpel Adolf denkt gar nicht daran, seinen Sprössling einfach ziehen zu lassen…
Die Rezension
Der Neuseeländer Taika Waititi ist schon ein Tausendsassa. Egal ob als Produzent, Drehbuchautor oder Schauspieler, dem Mann scheint gegenwärtig alles zu gelingen. So auch das satirische Drama Jojo Rabbit, welches auf dem erfolgreichen Buch Caging Skies aus der Feder von Christine Leunen basiert. In dem Werk geht es um einen fanatischen Hitlerjungen, der schließlich entdeckt, dass seine Eltern heimlich eine Jüdin im Haus verstecken. Aus Ablehnung wird Zuneigung und aus Zuneigung schließlich Besessenheit. Geblieben ist davon allerhöchstens die Grundidee. Die fertige Adaption geht ganz eigene Wege, funktioniert aber auf allen Ebenen ganz hervorragend. Zunächst sollte man sich darauf einstellen, dass der Film kein klassisches Bild vom durch und durch bösen Nazi zeigt. Figuren wie Hauptmann Klenzendorf, Fräulein Rahm, sein Adjutant Finkel und Fräulein Rahm erscheinen einem zunächst wie völlig überzeichnete Karikaturen, deren Ideen und Handlungen einen mehr amüsieren als verstören, weil sie sich einer Form von Fanatismus unterordnen, die man kaum ernst nehmen kann. Dadurch wird der Zuschauer in eine trügerische Sicherheit gewiegt, die früher oder später in einem tiefen emotionalen Fall resultiert.
Denn das diabolische Wesen des Nationalsozialismus und seiner Helfer wird mit einem brutalen Schlag entlarvt. Jedwedes Grinsen, jedwede Form von Leichtigkeit verfliegt binnen eines Augenblickes und offenbart einem die Schrecken des Krieges in all seiner Grausamkeit, Bitterkeit, Ungerechtigkeit. Das ist in meinen Augen die größte Meisterleistung von Taika Waititi und seinem Film. Ohne es zu merken sympathisiert man trotz besserem Wissen mit dem Bösen und erwacht erst aus der Illusion, wenn um die Akteure herum alles in Trümmer geschossen wird. So oder zumindest so ähnlich wird es wohl auch damals gewesen sein. In seinen vielen guten Momenten erinnert der Film sehr an Als Hitler das rosa Kaninchen stahl, bis heute Pflichtlektüre in jeder schulischen Unterstufe. Der Film hat das Zeug dazu, dieses Standardwerk über die kommenden Jahre maßgeblich zu ergänzen und hat mir persönlich sogar besser gefallen als die brandneue Adaption des Klassikers selbst. Gedreht wurde übrigens in der Tschecheslowakei, wo immer noch genügend Dörfer existieren, um ganz ohne viel Kulisse einen zeitgemäßen Look garantieren zu können.
Neben Drehbuch und Regie funktioniert Jojo Rabbit aber besonders wegen seiner Darsteller so gut. Alleine Nachwuchsschauspieler Roman Griffin Davis meistert seine allererste Leinwandrolle mit so viel Bravour, dass weitere Rollen in namhaften Projekten längst in trockenen Tüchern liegen. Das Zusammenspiel mit Thomasin Mackenzie als schlagfertiger Jüdin funktioniert hervorragend, während Scarlett Johansson als Mutter Rosie für die nötige Portion Herz sorgt. Die Lacher liegen aber stets auf der Seite der Schurken. Oscar©-Preisträger Sam Rockwell mimt den Hauptmann Klenzendorf mit einer perfekten Balance aus Wahnsinn und Wirrköpfigkeit, der erst zu spät sein Herz für die Unterdrückten entdeckt. In weiteren Rollen überzeugen Rebel Wilson und der aus Game of Thrones bekannte Alfie Allen. Schließlich ist da noch Taika Waititi, der sich als Maori die wohl konträrste Rolle seiner gesamten Karriere ausgesucht hat. Als Adolf Hitler ist er nicht nur Verführer, sondern auch Vaterfigur für den jungen Jojo und geht dadurch über die Rolle des klassischen Antagonisten weit hinaus. Er ist die allgegenwärtige Propaganda, die trotz zunehmend besserem Wissen der Hauptfigur (und des Zuschauers) alles daran setzt, die Linientreue und die Lügen aufrecht zu erhalten – und damit schlussendlich ebenso scheitert wie einst das Original.
Jojo Rabbit gelingt es, ein schweres Thema leicht verpackt, aber trotzdem unter der satirischen Oberfläche gewichtig darzustellen. Hitler war eine Art Popstar zu seiner Zeit und wird hier auch als solcher gezeigt. Davor sammeln sich die Fans und Groupies, die ihrem Idol bedingungslos und frei von eigener Identität folgen. Doch am Ende des Konzerts, wenn die Bühne leer ist, Kugeln und Panzergranaten die Musik spielen, bricht alles in sich zusammen. Was bleibt, ist ein mutiger Film für alle Altersklassen, an den man sich noch lange erinnern wird. Dafür regnete es zahlreiche Nominierungen und Preise, darunter einen Oscar© für das Beste Adaptiere Drehbuch. Über neunzig Millionen Dollar und damit über das Siebenfache seiner Kosten konnte man weltweit einnehmen. Die knappe Viertelmillion Zuschauer in den deutschen Kinos wird mir beipflichten wenn ich sage: Diesen Film muss man gesehen haben. In der aktuellen Zeit, wo Hass in all seinen Formen und Farben abermals auf dem Vormarsch ist, wahrscheinlich mehr als je zuvor.
UHD und Blu-Ray: Das Bild
Gedreht wurde vollständig digital unter Einsatz von ARRI Alexa Mini- und Alexa SXT mit einem maximalen Output von 3.4K. Entstanden ist daraus letztendlich ein 2K Digital Intermediate, welches für die UHD wieder auf 4K hochskaliert wird. Der Abgang von Twentieth Century Fox aus dem Heimkinomarkt ist also leider kein nativer geworden, glücklicherweise aber auch kein schlechter. Anders als die allermeisten Filme über bzw. um den Zweiten Weltkrieg präsentiert sich Jojo Rabbit nicht in der typischen düsteren Auswaschoptik, sondern stattdessen trotz erdiger Grundstimmung als überraschend farbenfroh. Obwohl Gelb- und Brauntöne das Geschehen über die meiste Zeit definieren, öffnet sich bereits das Bild der Blu-Ray immer wieder zugunsten kraftvoller Highlights. Besonders hervorzuheben kann man hier unter anderem das satte Rot der Armbinden bzw. Flaggen und die saftgrünen Wälder, aber auch der strahlend blaue Himmel kommt schon über SDR super zur Geltung. Gleiches gilt für die Kontraste. In Durchzeichnungsnot gerät der reguläre Silberling nie, auch Überstrahlungen sind nicht auszumachen. Dafür mangelt es vor allem in Nahaufnahmen immer wieder an Schärfe. Den positiven Gesamteindruck stört das aber nur wenig.
Die UHD dagegen wartet mit einem erweiterten Farbraum nach Rec.2020 auf und liefert zusätzlich Support für HDR10. Trotz höherer Definition hält sich der Zugewinn bei der Bildschärfe aber in Grenzen, die eben angesprochenen Unschärfen bekommt man auch in hochskaliertem 4K identisch präsentiert, was die Möglichkeit offeriert, dass das sogar so gewollt ist (warum auch immer). Dafür überzeugt die etwas höherpreisige Version mit der besseren Farb- und Kontrastgebung. Dank mehr Neutralität wirken Gelb- und Brauntöne nicht mehr ganz so dominant, was in einem homogeneren Gesamteindruck resultiert. Gleichzeitig werden sämtliche Highlights mit nochmals mehr Punch ausgegeben. Was die Blu-Ray schon sehr gut darstellt, wirkt über die Blu-Ray immer wieder schlicht sensationell. Kräftigere Schwarzwerte heben sämtliche Schattierungen besser hervor, was in wesentlich mehr Dreidimensionalität resultiert. Wer also die Wahl hat, wird mit der UHD vorteilhaft bedient. Alle anderen können aber ebenso beruhigt mit der Blu-Ray fahren, denn wirklich schlecht ist die natürlich auch nicht. Der Abschied vom Heimkinomarkt ist für Twentieth Century Fox so oder so ein gelungener.
UHD und Blu-Ray: Der Ton
Die gewohnte Ausstattung beim Sound ändert sich auch mit Jojo Rabbit nicht. Für beide Formate wird jeweils eine verlustfreie englische Masterspur angeboten, während Fans deutscher Synchronfassungen mit einer leicht komprimierten Fassung im Format DTS 5.1 Vorlieb nehmen müssen. Allerdings hat Fox schon in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass man damit einhergehend nicht zwangsläufig auch an Qualität einbüßt. Tatsächlich muss man schon ganz genau hinhören, um zwischen den beiden Formaten irgendwelche Unterschiede heraushören zu können. Und selbst dann vermisst man die Winzigkeit mehr Dynamik der Masterspur nicht. Das liegt hauptsächlich daran, dass der Film extrem dialoglastig geraten ist und generell nur sehr wenige Gelegenheiten für guten Raumklang bietet.
Zum Soundtrack am Anfang gehen sämtliche Lautsprecher noch mit, danach wird es lange Zeit frontlastig und ganz mit dem Fokus auf das gesprochene Wort. Verständlichkeitsprobleme gibt es dabei aber nie, auch Pegelanpassungen sind nicht notwendig gewesen (was sich mit der endgültigen Vermarktung zukünftiger Filme durch Disney aber sicher ändern dürfte). Selbst wenn am Ende die Panzer durch Falkenheim rollen und eine Explosion der anderen folgt, bleibt die Akkustik eher zahm. Jojo Rabbit ist ein Film der leisen Töne und klingt eben auch ganz bewusst so. Da wäre es seltsam unpassend, wenn in den wichtigsten Momenten plötzlich Bombast aufgefahren werden würde. So bekommt man als zahlender Kunde zwar kein Referenzmaterial geliefert, dafür aber sorgsam zum inhaltlichen Geschehen abgemischten Sound, der ganz einfach das tut, was er tun soll. Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist hier gegeben.
Die Extras
Absolutes Pflichtprogramm, egal ob über Blu-Ray oder UHD, ist der exzellente Audiokommentar von Regisseur, Drehbuchautor und Darsteller Taika Waititi. Man merkt einfach, dass der Mann ohne Ende kreativ ist und nur so voller Energie steckt. Dazu gibt es viele Anekdoten vom Dreh und zahlreiche Hintergrundinformationen, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Praktischerweise findet sich das Featurette auf beiden Formaten wieder. Alles andere wurde dagegen komplett auf die Blu-Ray ausgelagert. Dazu zählen ein gut halbstündiges Making Of sowie eine Handvoll Deleted Scenes, die den Film hier und da etwas ergänzen. Outtakes und der Trailer zu Film komplettieren das Set an Extras. Das ist dann für meinen Geschmack doch insgesamt etwas dünn, gerade weil man so viel mehr zu den geschichtlichen Hintergründen hätte bringen können.
Fazit
„So umfang- wie facettenreich der Themenkomplex Zweiter Weltkrieg ist, so zahlreich sind die vielen Ansätze, Teile daraus filmisch aufzubereiten stets gewesen. Jojo Rabbit versteht es eindrucksvoll, abseits aller Gefechtsschauplätze und ohne Bombast die Menschen dazwischen darzustellen und diese trotz satirischem Einschlag niemals ihrer Gewichtigkeit oder emotionalen Wirkung zu berauben. Hinter der kunterbunten Fassade versteckt sich eine Menge zum Nachdenken. Es darf gelacht werden, ebenso aber auch geweint. Unter der Verantwortung des Multitalents Taika Waititi ist ein bedeutsamer, wunderbarer Film enstanden. Toll gespielt, subtil erzählt und immer wieder imstande, einem von jetzt auf gleich den Boden unter den Füßen wegzureißen. Dank der soliden Blu-Ray, bzw. einer sehr guten UHD kann man den modernen Klassiker auch daheim bestens erleben. Dem finalen Gruß von FOX haftet lediglich die geringe Vielfalt an Bonusmaterial etwas negativ an. Sonst kann man aber bedenkenlos zugreifen.“
©2020 Wrestling-Point.de/M-Reviews