Der Film
Weil sich unter den gut sechzehnhundert Soldaten des II. Batallions auch der Bruder von Tom befindet, erhält der Auftrag für die jungen Freunde besondere Brisanz. Der Weg durch das fast menschenleere Hinterland des deutschen Reiches offenbart dabei nur ansatzweise, welchen Schaden der Krieg bereits verursacht hat. Auf verbrannter Erde befinden sich nur noch Ruinen, und eine unmenschliche Stille begleitet die Soldaten auf Schritt und Tritt. Die trügerische Ruhe endet spätestens, als beim Durchqueren eines verlassenen deutschen Bunkers eine Sprengfalle explodiert. Später geraten die Meldegänger in eine Auseinandersetzung mit einem Feindflieger, bei der Tom schließlich tödlich verwundet wird. Will ist gezwungen, die lebenswichtige Mission ganz auf sich gestellt zu einem erfolgreichen Ende zu bringen. Doch je tiefer er in Feindesland vorrückt, desto mehr Gefahren und menschliche Schicksale begegnen ihm dabei. Währendessen rückt der geplante Angriff des II. Batallions näher und näher…
Die Rezension
1917, das kann man ohne Zweifel feststellen, ist für den Ersten Weltkrieg das, was Der Soldat James Ryan seinerzeit für dessen noch viel verlustreicheren Nachfolger gewesen ist, nämlich ein komplett neuer Maßstab dafür, wie Krieg für das Kino erzählt und dargestellt wird. Statt einen mit Dauerfeuer aus dem Schützengraben in eine inhaltsarme Effektorgie reinzuziehen, zeigt der Film eindrucksvoll das stetige Gefühl der Bedrohung, dass immer dann am meisten präsent ist, wenn eben NICHT geschossen und bombardiert wird. Die quälende Ruhe vor dem Sturm überträgt sich aufgrund der Tatsache, dass man hier immer nahe an Einzelpersonen dran bleibt, meisterhaft auf den Zuschauer und lässt diesen über knapp zwei Stunden Spielzeit in jedem Moment die Angst der Hauptfiguren vor dem nächsten großen Knall teilen. Und das, obwohl der Film visuell alles andere als klaustrophobisch aufgebaut ist, sondern immer wieder mit weiten Panoramen aufwartet, hinter denen sich aber jederzeit ein gut getarnter Scharfschütze tummeln könnte.
Neben den hervorragenden Leistungen seiner beiden Hauptdarsteller Dean-Charles Chapman und George McKay, von denen man höchstwahrscheinlich noch einiges sehen und hören wird, konnte sich der bereits für American Beauty mit dem Oscar© ausgezeichnete Regisseur Sam Mendes aber vor allem auf die Arbeit seines Stammkameramannes Roger Deakins verlassen. Dank dessen strikter Bildchoreographie entsteht nämlich der Eindruck, dass der gesamte Film in nur einem Take entstanden ist, also ganz ohne Schnitte oder anderweitige Unterbrechungen abläuft. Dafür sorgt zwar am Ende lediglich der geschickte Schnitt, die entsprechende Wirkung verfehlt der Film aber auch mit diesem Wissen nie. Dadurch entsteht eine bisher ungekannte Immersion, die so kein anderer Genrevertreter bietet. Das Resultat ist eine packende Tour de Force, die es mit einem Minimum an Bombast schafft, in der Subtilität eine Sogwirkung entstehen zu lassen, der man sich einfach nicht zu entziehen vermag.
Das honorierten nicht nur die sonst so genremüden Zuschauer und Kritiker mit immensem Wohlwollen (bei knapp 100 Millionen Dollar Produktionskosten spielte der Film knapp das Vierfache ein), sondern auch die Verleiher der wichtigsten Filmpreise. Neben zahllosen weiteren Auszeichnungen und Nominierungen nahm 1917 in diesem Jahr jeweils einen Oscar© für Kamera, Effekte und Ton mit nach Hause und war gleichzeitig noch in sieben weiteren Kategorien nominiert. Ohne Frage nicht nur einer der besten Filme des letzten Jahres, sondern des ganzen Jahrzehnts ist Sam Mendes ein weiteres Meisterwerk gelungen, dass man unbedingt selbst gesehen haben muss, um es wirklich verstehen und erleben zu können. Derart in die Mitte des Geschehens katapultiert einen gegenwärtig kein anderer Kriegsfilm.
UHD und Blu-Ray: Das Bild
Um seine Vision bestmöglich umsetzen zu können, war Sam Mendes und Roger Deakins von Anfang an klar, dass man mit konventionellen Kamerasystemen nicht weit kommen würde, da diese einfach zu sperrig sind. Glücklicherweise gelang es ARRI gerade rechtzeitig vor Drehbeginn, sein neuestes Spielzeug fertigzustellen. Mit der Alexa Mini LF stand den Machern erstmals ein handliches Modell zur Verfügung, welches eine native Auflösung von satten 4.5K am Output anlegt. Dementsprechend liegt dem komplett digital entstandenen Film auch ein natives 4K Digital Intermediate vor, welches nun auch den jeweiligen Heimkinoveröffentlichungen als Basis dient.
Bereits die Blu-Ray liefert ein beinahe durchgehend gestochen scharfes Bild und muss lediglich bei der Detaildarstellung im Hintergrund einige Abstriche hinnehmen. Dazu gesellt sich eine fast makellose Laufruhe, lediglich in ganz dunklen Szenen kann man immer wieder eine feine Körnung wahrnehmen, während das Bild bei allen übrigen Szenen blitzsauber rüberkommt. Farblich hat man sich für eine überwiegend erdige Palette mit hoher Gelbdominanz entschieden, was sehr gut zum Setting passt und einen guten Kontrast zu den eher grüngrauen Einfärbungen der meisten Filme über den nachfolgenden Weltkrieg darstellt. Hier gerät die Blu-Ray dann aber doch regelmäßig an ihre Grenzen: Differenzierungen entstehen allenfalls durch die sattgrün dargestellten Wiesen, während Hauttöne sowie die restliche Umgebung im Gelb nur noch selten andere farbliche Highlights zulassen. Nicht ganz unproblematisch sieht es außerdem bei den Kontrasten aus. Während man den kräftigen Schwarzanteilen guten Gewissens Bestnoten aussprechen darf und selbst dunkle Szenen eindrucksvolle Durchzeichnung aufweisen, wirkt der Film bei Tag konsequent zu hell. Dadurch kommt es wiederholt zu unschönen Überstrahlungen bei Gesichtern und Horizont.
Um Welten besser präsentiert sich die UHD, die mit ihrem kleinen Bruder hemmungslos den Boden aufwischt. Universal hat sich bei der Heimauswertung nicht lumpen lassen und liefert neben dem obligatorischen Farbraum nach Rec.2020 kompletten Support für HDR10, HDR10+ und Dolby Vision. Alleine durch die native Auflösung entsteht ein nochmals detailreicheres Erlebnis als über die Blu-Ray. Nicht nur weit entfernte Hintergründe offenbaren plötzlich ungekannte Feinheiten, auch im Vordergrund sind die Verbesserungen deutlich sichtbar. So kann man nicht nur kleine Nähte an der Ausrüstung der Soldaten zählen, sondern sogar einzelne Baumwollfasern! Gleichzeitig beseitigt die UHD sämtliche weiteren Unzulänglichkeiten der Blu-Ray. Das Bild ist eine gute Ecke dunkler und agiert hier auf einem perfekten Balancegrad zwischen Homogenität und Kontrastdynamik. Keine Überstrahlungen mehr, stattdessen ein durch und durch homogenes Gesamterlebnis mit konsequent makelloser Durchzeichnung. Den erdigen Look erhält sich zwar auch die UHD, liefert aber dank ausgleichender Grünanteile wesentlich mehr Differenzierung zwischen den einzelnen Elementen. Dadurch kommt es zwar gelegentlich zu etwas unnatürlichen Einfärbungen eher farbneutraler Elemente, alles in allem ist das Ergebnis der Blu-Ray aber um Welten voraus.
Dolby Vision hat hier übrigens klar die Nase vor HDR10 und HDR10+, weil es Primärtöne etwas kraftvoller herausarbeitet und auch in Sachen Kontrastdynamik mehr überzeugen kann. Und wieder mal zeigt sich, dass HDR10+ als Gegenentwurf zur Konkurrenz keinerlei Mehrwert bietet. Unterschiede zwischen normalem HDR10 und dessen ebenfalls dynamisch berechnenden Gegenpart findet man auch bei eifrigstem Hinsehen nicht. HDR10+ ist der ganz große Fehlschlag dieser Mediengeneration und ganz einfach nichts anderes als Schaumschlägerei. Bringt nichts, braucht man nicht. Unter den richtigen technischen Vorraussetzungen jedoch kommt man nicht umher zu sagen, dass die UHD gemessen am Bild nicht nur als Referenzmaterial in jede gut sortierte Sammlung gehört, sondern sogar zu den besten Veröffentlichungen im 4K-Segment gehört, welche ich in all den Jahren auf meinem Schreibtisch liegen hatte. Und das will dann durchaus etwas heißen, nicht wahr?
UHD und Blu-Ray: Der Ton
Auch beim Klang geht Universal als verantwortliches Label mit Vorbildfunktion in die Vollen und liefert beide Formate mit einer deutschen und englischen Dolby Atmos-Spur aus, in deren Kern ein verlustfreier TrueHD-Kern werkelt. Gerade nach den letzten Wochen, die ich ja hauptsächlich mit Star Wars verbracht habe, stellt dieser Umstand eine wunderbare Erheiterung dar. Wie schon erwähnt ist 1917 ein Film, der sich mehr auf das Subtile konzentriert, statt es permanent krachen zu lassen. Unterstrichen wird das alleine durch den unaufdringlichen, aber trotzdem effektvoll zum Einsatz gebrachten Score von Thomas Newman. In den ersten zwanzig Minuten bleibt es vor allem dialoglastig bei stetig kritikbefreiter Stimmverständlich im Center, bis es dann zum ersten Mal im deutschen Bunker richtig kracht. Dann erwacht plötzlich die gesamte restliche Anlage aus dem Tiefschlaf und bombardiert einen von allen Seiten und auf FAST jeder Ebene mit so viel Kraft, dass es einen fast in den Sessel drückt. Fast deswegen, weil auch bei ähnlich imposanten Sequenzen wie dem Anflug des Flugzeugs oder der Bombardierung später im Film immer etwas mehr Bass wünschenswert gewesen wäre.
Aber das ist wirklich Nörgeln auf ganz hohem Niveau, denn dieses stetige Wecken des Zuschauers und die anschließende Beruhigung harmoniert perfekt mit der Immersion der Bilder und dem inhaltlichen Hauptaugenmerk auf das Nebensächliche. Es sind nicht die großen Sounds, die bei 1917 im Vordergrund stehen, sondern die kleinen. Schrittgeräusche im Gras oder auf steinigem Untergrund. Raschelndes Blattwerk. Selbst einzelne Schüsse werden so präzise und eindrucksvoll auf regulärer Ebene wiedergegeben, dass man sich gelegentlich angsterfüllt zur Seite bewegen muss. Aber auch die actionlastigen Momente verstehen die jeweiligen Tonspuren fantastisch wiederzugeben. Dreidimensionale Effekte setzt der Film eher sparsam ein, dafür aber immer in den richtigen Momenten und dann wieder so prägnant und atemberaubend gut, dass man Gänsehaut bekommt. Hier und da hätte es davon etwas mehr sein dürfen, denn gelegentlich erwartet man Höheneffekte, wo letztendlich doch keine kommen, das detailverliebte Hörvergnügen wird dadurch aber nicht beeinträchtigt. Auch beim Sound liefert 1917 eine grandiose Vorstellung im Heimkino ab.
Die Extras
Neben zwei Audiokommentaren von Regisseur Sam Mendes und Kameramann Roger Deakins liefern sämtliche Silberlinge noch fünf zusätzliche Featurettes, die einen näheren Einblick in die Produktion gewähren. Dort erklärt Sam Mendes nochmal gesondert, was ihn an der Geschichte so sehr gereizt hat und welche persönlichen Aspekte eine wichtige Rolle bei dessen filmischer Umsetzung gespielt haben. Im Anschluss daran kann man sich umfangreich über die Arbeit von Roger Deakins informieren und wie dieser es geschafft hat, mit 1917 den Eindruck einer einzigen großen Szene zu erwecken.
Es folgt ein Zwischenstopp bei Composer Thomas Newman und dessen nicht minder bedeutsamen Beitrag für die gelungene Immersion, ehe dann die beiden Hauptdarsteller nochmal näher beleuchtet werden. Das überschaubar umfangreiche Bonusmaterial beendet schließlich ein letztes Featurette zum Design des Films. Alles sehr informativ und dementsprechend sehr sehenswert, obwohl sicher noch Platz für ein paar umfassendere historische Hintergründe gewesen wären.
Fazit
„Wer geglaubt hat, dass die zahlreichen Labels sich allmählich von qualitativ hochwertigen physischen Medien zugunsten des Streamings verabschieden würde, wird spätestens mit 1917 nun eines Besseren belehrt. Denn nicht nur der Film selbst ist ein kleines Meisterwerk geworden, welches den Zuschauer dank seiner einzigartigen Inszenierung als (zugegeben getrickster) einziger Take sowie der Fokussierung auf das Nebensächliche abseits großer Massenschlachten mitten in den Ersten Weltkrieg katapultiert, sondern auch die dazugehörigen Heimkinoveröffentlichungen. Während die Blu-Ray bei Farbgebung und Kontrasten immer wieder an ihre Grenzen stößt, empfiehlt sich die UHD als eine der rundesten Veröffentlichungen der letzten Jahre. Ein klarer Anwärter für die Year End Awards, ein absoluter Pflichtkauf für Cineasten und Enthusiasten, ein fantastischer Film. Was will man mehr?“
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