Der Film
Obwohl sich Adelaide bei dem Gedanken an die anstehende Erholung aus unerfindlichen Gründen nicht wohl fühlt und am liebsten daheim bleiben möchte, gelingt es Gabe, ihre Zweifel zu zerstreuen und seine Frau zum Mitkommen zu überreden – alleine schon, um ein bisschen Eindruck bei den konsumorientierten Tyler´s zu schinden. Doch kurz nach dem Ankommen geschehen teils seltsame Ereignisse, die nur leise erahnen lassen, was noch folgen wird. Denn bereits in der ersten Nacht im Haus wird die Familie Wilson von vier Gestalten in roten Overalls heimgesucht, die erst regungslos in der Einfahrt verharren, sich dann aber mit Gewalt Zugang zum Haus verschaffen und sämtliche Familienmitgliedern als Geiseln nehmen. Mehr noch, die Gruselgestalten sind allesamt Doppelgänger, die den Wilson´s bis auf´s Haar gleichen, bis auf Adelaide´s Doppelgängerin Red aber nicht imstande sind, zu sprechen.
Erst nach langen Martyrium gelingt es Adelaide, sich und ihre Liebsten in Sicherheit zu bringen. Doch die Ruhe ist trügerisch, denn plötzlich tauchen überall Doppelgänger auf, die allesamt gnadenlos Jagd nach ihren Gegenstücken machen und bereits bergeweise Leichen produziert haben. Und auch die Doppelgänger der Familie Wilson haben dieses Ziel noch längst nicht aufgegeben. Nach einer halsbrecherischen Flucht kommt es zum finalen Showdown, den am Ende nur eine Familie überleben kann…
Die Rezension
Selten gingen die Meinungen unter den Kinobesuchern so weit auseinander wie bei Wir, denn was Jordan Peele uns hier präsentiert folgt nur bedingt klassischen Mustern des Horrorgenres. Denn trotz einiger derber Gewalteinlagen funktioniert der Film ähnlich wie sein Vorgänger eher auf subtiler, psychologischer Ebene. Der Überlebenskampf der Familie Wilson gegen ihre bösen Spiegelbilder ist auch als Abbild eines Kampfes der verschiedenen gegenwärtigen Gesellschaftsschichten zu verstehen, wie er gegenwärtig in den Vereinigten Staaten und generell überall in der heutigen Welt zu vernehmen ist. Reich und Arm sind in zwei komplett gegensätzlichen Lagern, leben komplett gegensätzliche Leben, ohne sich je Gedanken darüber zu machen, was man gemeinsam im Kollektiv alles erreichen könnte. Dabei ist Wir aber kein Plädoyer für den Kommunismus, sondern eher deutliche Kritik am Populismus unserer Zeit, dessen Vertreter den gezielten Zweck verfolgen, Menschen zu separieren und die eine Gruppe über die andere zu erheben.
Und exakt darin verbirgt sich auch der zentrale Kern des Film. Dass dieser aber erst entdeckt und ergründet werden muss, ist alles, nur kein Zeichen für einen schlechten Film. Sondern eher für einen überaus klug geratenen, der dem Zuschauer nunmal mehr mitgeben will als nur Nervenkitzel – wobei das alleine ebenfalls gelingt. Wer aber bereit ist, hinter die Oberfläche zu sehen, wird dort eine der raffiniertesten Formen von Gesellschaftskritik entdecken, die man erst viel später wirklich erfassen und würdigen können wird. Da erinnert Wir sehr an den Film Cable Guy, der von Fans als wohl miesester Jim Carrey-Film überhaupt betrachtet wird, bei genauer Analyse aber ebenfalls brillant auf die Missstände unserer Zeit aufmerksam macht. Guten Horror macht heutzutage sehr viel mehr aus, als nur das Aneinanderreihen von Schockmomenten. Wir spielt geschickt mit unseren eigenen, allgegenwärtigen Ängsten vor anders wirkenden Menschen und Sozialständen. Das macht ihn so wahnsinnig effektiv.
Lässt man das Analytische aber mal außer Acht, bleibt immer noch ein exzellent gefilmter, atmosphärischer und vor allem klasse gespielter Horrorflick. Man merkt, dass die Darsteller sichtlich Spaß an ihren Doppelrollen hatten, die allesamt ganz eigene Nuancen bieten. Allen voran überzeugt Lupita Nyong´o, welche die Dualität zwischen Adelaide und Red absolut packend zur Schau stellt und ihr Spiel alleine durch ihre Bewegungen völlig einnehmend gestaltet. Das hilft der Wirkung des Films massiv, denn als Zuschauer bekommt man so die Gelegenheit, beide Welten und Ansichten kennenzulernen, so dass man am Ende gar nicht mehr so sicher ist, wem eigentlich die Sympathien gelten. Von solchen Filmen darf es gerne mehr geben. Glücklicherweise steht es darum gar nicht mal schlecht, denn bei 20 Millionen Dollar Produktionskosten spielte Wir wie schon Get Out weit über 250 Millionen Dollar an den weltweiten Kinokassen ein und gilt damit aller Kritiken zum Trotz wieder als Hit. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, womit uns Jordan Peele wohl als nächstes konfrontieren wird. Eines ist aber ganz klar: Was immer folgen wird, man wird darüber reden.
UHD und Blu-Ray
Wir entstand vollständig digital, zum Einsatz kamen Arri ALEXA SXT- sowie ALEXA Mini – Kamerasysteme mit einem Maximaloutput von 3.4K bei der Auflösung. Da daraus am Ende abermals ein 2K Digital Intermediate entstand, bietet die UHD auch kein natives 4K, sondern wie so oft nur einen Upscale. Die Blu-Ray löst wie immer in regulärem Full HD auf, liefert aber bereits eindrucksvolle Ergebnisse ab. Das durchgehend scharfe Bild überzeugt vor allem in Close Up´s durch tolle Detailtiefe, die sämtliche Feinheiten wie kleine Falten, Hautporen oder Kratzer zur Schau stellt. Aber auch abseits davon bietet die Blu-Ray viel Zeigefreudigkeit bei den Texturen und erreicht immer mal wieder Referenzbereiche. Die Farbgebung präsentiert sich bereits hier durchgehend warm saturiert und setzt hauptsächlich auf erdige Töne, dazwischen erstrahlen aber auch Primärfarben wie das Rot der Overalls auf satte Weise. Das alles passt gut zum intendierten Look des Films und driftet zu keinem Zeitpunkt in unnatürliche Bereiche ab. Nicht ganz perfekt aber weit entfernt von miserabel lassen sich die Kontraste bewerten. Die Schwarzwerte sind zwar nicht überragend, aber immer noch in sehr guten Bereichen einzuordnen, eine gute Durchzeichnung ist gegeben, dafür mangelt es einfach ein wenig an Kraft. Bei hellen Szenen muss man dafür wie zuletzt häufig bei aktuellen Blu-Ray´s mit leichten Überstrahlungen Vorlieb nehmen. Dennoch kann man bereits hier mit gutem Gewissen zugreifen.
Die UHD profitiert hauptsächlich vom erweiterten Farbraum sowie dem Support für HDR10 und Dolby Vision. Gerade bei Filmen mit hohem Dunkelheitsanteil hat HDR10 zuletzt immer wieder für Enttäuschungen gesorgt und das ist letztendlich auch hier wieder der Fall. Das Format zeigt sich sichtbar überfordert mit der Dunkelheit, es mangelt an Durchzeichnung und Dynamik, was nichts weiter bedeutet als den Verlust von Bilddetails. Übergänge verschwimmen, auch die Farbdifferenzierung leidet darunter, plötzlich wirken die auf der Blu-Ray noch sattroten Overals unter HDR10 fast orange. Zumindest in hellen Bereichen wird aber bereits hier ein besseres Ergebnis geboten als bei der Blu-Ray, vor allem da die dort vorhandenen Überstrahlungen bereits restlos beseitigt werden. Der Sieg geht aber eindeutig an Dolby Vision, denn dank dynamischer Kontrastberechnung bekommt man mit entsprechendem Wiedergabegerät das wirklich beste Ergebnis geboten, nicht nur in hellen Einstellungen, sondern vor allem im Dunkeln. Sattere Schwarzwerte, bessere Farbnuancen und vor allem eine klasse Durchzeichnung arbeiten einmal mehr eindrucksvolle Unterschiede zwischen den beiden Kontrastformaten hervor und zeigen, dass 4K eben nicht einfach nur 4K ist, sondern das Ergebnis maßgeblich von der dafür genutzten Hardware abhängig ist, sofern diese denn auch seitens des Mediums unterstützt wird. Wem all das zu kompliziert ist: Wer über einen 4K-Fernseher ohne Dolby Vision verfügt, ist mit der Blu-Ray besser beraten als mit der UHD, zumal der Mehrwert an Bildschärfe dort eher gering ausgefallen ist, bedingt durch die schon sehr guten Werte der regulären HD-Veröffentlichung. Ist aber entsprechender Support vorhanden, bietet die hochskalierte 4K-Disc die gegenwärtig beste Möglichkeit, Wir zu erleben.
Das liegt auch daran, dass Universal sich einmal mehr vorbildlich bei der Ausstattung verhalten hat und sowohl UHD als auch Blu-Ray mit jeweils deutschem und englischem Dolby Atmos-Sound versehen hat. Und der ist für einen Horrorfilm definitiv eine Hausnummer für sich. Bei durchgehend hervorragender Dialogverständlichkeit hat mich vor allem die Einbindung des extrem hörenswerten Scores von Komponist Michael Abels sehr begeistert. Der kommt nämlich nicht nur stumpf aus einer Richtung, sondern verteilt sich mitsamt all seiner Instrumente über wirklich alle Seiten eindrucksvoll im Raum. Dadurch alleine entsteht eine so einnehmende und beklemmende Immersion, dass man das Gefühl hat, selbst in der Mitte eines Livekonzerts zu sitzen, auch weil die Deckenlautsprecher da kräftig mitwirken. Das ist natürlich gerade in den gruseligeren Momenten eine unheimlich effektive Möglichkeit, die Spannung auf ein Maximum zu steigern. Dabei belässt es die Abmischung aber nicht, denn natürlich lebt guter Horror auch von der klassischen Geräuschkulisse. Und auch die wird hier opulent ins Geschehen eingebettet. Mal intim, mal in größeren Maßstäben, aber immer überzeugend. Selbst der Subwoofer bekommt immer mal wieder richtig was zu tun. Auf der dreidimensionalen Ebene wird davon zwar nicht permanent etwas geboten, in den richtigen Momenten wird der tolle Gesamteindruck auf regulärer Ebene aber optimal abgerundet. Kurzum, ich kann mich nicht erinnern, wann ein Vertreter des Suspensegenres seine audioimmersiven Möglichkeiten je so brillant ausgenutzt hat. Klasse!
Die Extras
Einiges an Bonusmaterial erwartet den geneigten Käufer der Heimkinoveröffentlichung, zum Glück sind die Featurettes sogar durchweg interessant geraten und bieten mehr als nur schnöde Einblicke hinter die Kulissen. Die gibt es zwar trotzdem und befassen sich vor allem mit der Herangehensweise der Darsteller an ihre konträren Doppelrollen (mit besonderem Fokus auf die Hauptdarstellerin), ebenso aber auch mit der Art und Weise, wie man später beide Figuren in dieselbe Einstellung eingefügt hat. Zusätzlich gibt es drei Szenenbetrachtungen, welche das Ganze analytisch aufschlüsseln, eine amüsante Improvisation vom Set und auch ein paar unterschiedliche Varianten der Tanzszene im Film haben es mit an Bord geschafft. Wirklich interessant sind aber die Gespräche mit Regisseur Jordan Peele, der nicht nur Einblick in seine ganz persönlichen Inspirationsquellen bei der Herstellung von Wir gibt, sondern auch nochmal ausführlich erklärt, worum es im Subtext eigentlich geht. Wer also statt einer eigenen Interpretation der Geschehnisse lieber auf die offizielle Variante baut, wird hier gut bedient. Sechs kurze Deleted Scenes mit insgesamt etwas mehr als sechs Minuten Gesamtlaufzeit runden das facettenreiche Paket an Extras prima ab.
Fazit
“Wer in der Erwartung an kurzweiligen Horror an Wir herangeht, wird wie so mancher Kinogänger womöglich enttäuscht werden. Zwar bietet der Film genug grafische Gewalt- und Schockmomente, der optimale Wirkung entfaltet sich aber erst, wenn man die Message dahinter erkennt und sich damit konsequent auseinandersetzt. Visuell toll in Szene gesetzt, hervorragend gespielt und mit genialer Musik untermalt entführt uns Jordan Peele in eine Auseinandersetzung mit den eigenen, unterbewussten Ängsten. Und das zeigt Wirkung, denn kaum ein anderer Genrevertreter der letzten Jahre hat mich abseits von Get Out so nachdenklich und dabei so gut unterhalten zurückgelassen. Die Blu-Ray eignet sich vor allem für alle, die nicht über ein Wiedergabegerät mit Support für Dolby Vision verfügen. Erst damit lohnt die UHD, denn im Vergleich zu HDR10 gibt es das rundherum bessere Bild. Ein großes Kompliment auch für Ton (ein fantastischer Grund, sich ein entsprechendes Audiosystem anzuschaffen) und Sonderausstattung. So muss Heimkino sein.”
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