Der Film Als ihre junge Tochter Christine beim Spielen im heimischen Gartenteich auf tragische Weise ertrinkt, bricht für das Ehepaar Baxter eine Welt zusammen. Unfähig, daheim im ländlichen England mit der überwältigenden Trauer fertig zu werden, nimmt der als gefragter Restaurator arbeitende John (Donald Sutherland, Die Tribute von Panem) einen Auftrag in Venedig an, wo er die Restaurierung einer alten Kirche leiten soll. Gattin Laura (Julie Christie, Troja) begleitet ihren Mann in der Hoffnung, dort ebenfalls Ablenkung und vielleicht sogar etwas Seelenfrieden zu finden.
Die Rezension
Wenn die Gondeln Trauer tragen ist kein oberflächlich gehaltener Mix aus übernatürlichem Thriller und Drama, dessen zentrale Motive sich einem unmittelbar erschließen. Das zentrale Thema des Films, nämlich der Glaube an Dinge, die man nicht rational erfassen kann, zieht sich zwar von Anfang bis Ende durch sämtliche erzählerischen Aspekte und fällt doch erst auf, wenn man es wirklich bemerkt. Und das ist ein Kunststück, dass nicht nur einen brillanten Regisseur erfordert, wie es Nicholas Roeg zweifelsohne war, sondern eben auch einen immens talentierten Cast. Und genau mit einem solchen hat man es hier auch zu tun. Donald Sutherland und Julie Christie schaffen es, die Trauer über den Tod ihrer Tochter glaubhaft an den Zuschauer weiterzugeben, wodurch von der ersten bis zu letzten Sekunde Solidarität mit dem schicksalsgeplagten Ehepaar entsteht, die einen nur noch tiefer in die Geschichte und ihre Figuren hineinzieht. Gleichzeitig liefern sie eine der damals kontroversesten Sexszenen der Filmgeschichte ab, von der man bis heute nicht genau weiß, ob die nur gespielt war oder tatsächlich so vollzogen wurde. Besonders in den Vereinigten Staaten liefen die Zensoren Sturm. Dabei bietet jene Szene ein perfektes Gegengewicht zu dem bis dahin immer weiter distanzierten Paar und wertet den Film, ob nun echt oder gestellt, unwahrscheinlich auf.
Wenn man nach 105 Minuten und einem einprägsamen wie verstörenden Ende den Abspann über die Mattscheibe flimmern sieht und sich wenig später wieder in der Realität wiederfindet, in einem warmen und sonnigen Sommer, ist man tatsächlich froh, dieses düstere und albtraumhafte Venedig wieder verlassen zu haben. So enorm ist dessen Sogwirkung, dass man die schönen Dinge des Lebens in dieser Zeit nahezu vollständig vergessen hat. Zu verdanken ist das einem der tatsächlich besten Filme aller Zeiten, der es in wirklich jeder Hinsicht meisterhaft inszeniert versteht, seine Zuschauer auch noch über 35 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung das Fürchten zu lehren. Und das auf eine so subtile und beinahe puristische Art und Weise, dass es einem absolut unter die Haut geht. Wenn die Gondeln Trauer tragen ist kein Film, den man vergisst. Und das ist auch sehr gut so, selbst wenn der Preis dafür der ein oder andere Albtraum in den Folgenächten sein sollte.
UHD und Blu-Ray
Sagen wir, wie es ist: Sämtliche hierzulande bis dato herausgegebene Veröffentlichungen in High Definition, angefangen bei der 2013 unter dem Label KulturSpiegel veröffentlichten Blu-Ray, sind eine absolute Katastrophe. Bis zur Unkenntlichkeit mit Weichzeichnern zu Tode gefiltert, sorgte der Film in dem Fall nicht für einen cineastisch anspruchsvollen Albtraum, sondern wirklich nur für einen, der die Augen befällt. Zwar muss man dazu anmerken, dass bereits das auf 35mm gebannte Quellmaterial nie durchgehend gut war, aber schlimmer geht eben immer. Jahre später hat sich nun STUDIOCANAL die Vertriebsrechte an dem Film gesichert und geht für die Neuveröffentlichung in die Vollen. Neben einer kompletten Neuabtastung in nativem 4K vom Originalnegativ nahm man umfangreiche Restaurierungsarbeiten vor, um den Klassiker möglichst nahe an der Ursprungsversion für eine neue Generation und die neuen Medien zu konservieren. Das Ergebnis ist zwar keine Offenbarung im direkten Sinne (eben aufgrund besagter Masterschwächen), bietet jedoch ein um Welten besseres Ergebnis als sämtliche bisherigen Releases.
Bereits die Remastered Blu-Ray eliminiert alle Unzulänglichkeiten der alten Veröffentlichungen und bietet deutlich natürlichere Farben (wobei besonders die Primärtöne positiv herausstechen) und bessere Kontraste. Mit dem Filmkorn kommen dann auch wieder die damals komplett weggefilterten Details zurück, es kehrt Leben ein. Der Schärfegewinn ist entsprechend drastisch, auch wenn viele masterbedingte Unschärfen bleiben, insgesamt ist das ein Unterschied wie Tag und Nacht. Ein Musterbeispiel an Detailtiefe und Durchzeichnung wird der Film wohl nie sein, aber gemessen an dem, womit man arbeiten musste, hat man es hier definitiv mit einem absoluten Upgrade zu tun. Die UHD wartet mit erweitertem Farbraum und Support für HDR10 sowie Dolby Vision auf und präsentiert sich positiverweise auch in nativem 4K. Trotzdem ist der Unterschied zur Remastered Blu-Ray dann doch eher gering ausgefallen. Ein paar kleinere Mehrwerte werden aber dennoch geboten. Etwas mehr Details gibt es vor allem in Nahaufnahmen zu bewundern, was vor allem der viel feineren Körnung der UHD zu verdanken ist. Die Farben, vor allem das für den Film so bedeutsame Rot, bekommen nochmals mehr Punch. Der Sieg nach Punkten geht bei den Kontrasten einmal mehr an Dolby Vision. Zwar produziert man bereits unter HDR10 eindruckvolle Ergebnisse, da die Kontraste hier schon satter sind als bei der Remastered Blu-Ray, erst unter Dolby Vision wird aber ein Maximum an Differenzierung geboten, die Schwarzwerte wirken einfach knackiger als beim Konkurrenzformat und auch die Weißanteile sorgen fafür, dass das Bild nicht ganz so vernebelt wirkt. Kurzum, bereits mit der neuen Blu-Ray ist man bestens bedient, wer aber auch das letzte Quentchen Qualität aus der Neuabtastung herausholen will, kommt um die UHD nicht herum.
Der Ton ist ein zweischneidiges Schwert. Klar, wir haben es hier mit einem Film von 1973 zu tun, also einer Zeit, in der man noch in Mono gemastert hat. Dementsprechend findet sowohl der deutsche wie auch der englische Originalton nur in dieser Form Platz auf den jeweiligen Veröffentlichungen, hier als verlustfreie DTS 2.0 – Masterspur. Zumindest für die deutsche Tonspur hat man aber scheinbar noch ein paar kleine Anpassungen vorgenommen, denn die Gesamtlautstärke wirkt ausgeglichener und in lauten Szenen weniger überspitzt als bei den bisherigen Veröffentlichungen. Schlimme Absacker muss man aber nicht hinnehmen, denn die jeweiligen Tonspuren klingen durchgehend sauber, wobei die deutsche Synchronfassung wie nahezu sämtliche Relikte ihrer Zeit immer leicht dumpf klingt, während der Originalton vor allem in den Dialogen etwas klarer daherkommt. Dafür zeigt sich die englische Tonspur in der Effektwiedergabe dynamischer, selbst ohne Raumklang und Subwoofer werden dort die besseren Ergebnisse abgeliefert. Es war aber zu erwarten, dass unter den Bedinungen der damaligen Zeit für die deutsche Synchronfassung kaum eine Chance besteht, an den Originalton heranzureichen. Das hat sich auch mit dem Remaster nicht geändert, obwohl die kleinen Anpassungen natürlich zu begrüßen sind.
Die Extras
Dafür darf man sich mit der Neuauflage über einen ganzen Batzen Extras freuen, unter denen sich sogar einiges an neuem Material befindet, welches extra für das Remaster erstellt wurde. Die neuen Featurettes befinden sich sowohl auf der Blu-Ray als auch auf der UHD. Kernstück stellt die gut 40 Minuten lange Dokumentation „Pass the Warning“ dar, in der neben bedeutsamen Filmschöpfern der Gegenwart (unter anderem Oscar©-Preisträger Danny Boyle) auch der Originalkameramann des Films ausführlich zu Wort kommen und in Form einer Retrospektive persönliche Einflüsse und Deutung der filmischen Elemente diskutieren. Spannend ist das allemal und dazu noch sehr informativ, für Fans von Wenn die Gondeln Trauer tragen absoluter Pflichtstoff. Dazu gibt es noch Einblicke in den schwierigen Restaurationsprozess des Quellmaterials, die ebenfalls sehr sehenswert geraten sind.
Abgerundet wird das Set durch eine Bonus – Blu-Ray, auf der sich sämtliche Featurettes der alten Veröffentlichung wiederfinden. Die bestehen aus fünf umfangreichen Interviews mit Cast und Crew, auch hier kommt nochmals Danny Boyle zu Wort (der den Film WIRKLICH mag!). Komplettiert werden die Extras durch „Ein Blick zurück“, in dem der mittlerweile verstorbene Regisseur Nicholas Roeg dann endlich auch nochmal persönlich zu hören ist. Alles in allem also eine umfangreiche Palette an Analysen und Kommentaren, gepaart mit vielen guten Eindrücken zur Produktion. Viel mehr geht wohl nicht.
Fazit
„Wenn die Gondeln Trauer tragen ist einer dieser cineastischen Erfahrungen, für das Medium Film in erster Linie überhaupt erschaffen worden ist. Ein einzigartiges Setting, fantastische Darsteller und eine makellose Regie zeichnen den Kultklassiker von 1973 bis heute aus. Kein Gutelaunekino, sondern eine sogartige, vielschichtige Story im finsteren Venedig warten auf all jene, die sich dafür bereit zeigen. Wer sich ganz und gar auf darauf einlassen kann, wird garantiert belohnt werden. Dank umfangreicher Restauration und Neuabtastung in 4K hat man aus dem Quellmaterial herausgeholt, was möglich war. In diesem neuen Glanz und auch dank der tollen Extras kann man hier wirklich bedenkenlos zugreifen. Das ist Commitment, wie ich es liebe. Eine tolle Leistung, die nicht nur den Film feiert, sondern das Kino im Allgemeinen.“
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