Der Film
Während die Strelzyks sich bemühen, ihren gescheiterten Fluchtversuch so gut es geht zu vertuschen, ist die Staatssicherheit längst auf die Überreste des Ballons gestoßen. Der pädante Oberstleutnant Seidel (Thomas Kretschmann, Wanted) mobilisiert sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Mittel, um die Identität der Flüchtlinge aufzudecken – schließlich ist Republikflucht in der DDR ein schweres Vergehen. Problematisch werden für die Strelzyks dabei nicht nur die am Absturzort zurückgelassenen Spuren, sondern auch der für die Staatssicherheit tätige Nachbar Baumann, ein linientreuer Parteisoldat, an dessen Tochter ausgerechnet Mike sein Herz verloren hat. Um den Mühlen der unnachgiebigen DDR – Justiz zu entkommen, entschließt sich Familie Strelzyk zu einem weiteren Fluchtversuch, an dem dieses Mal auch die Wetzels teilnehmen sollen. Gerade mal wenige Wochen bleiben für Planung und Umsetzung, während sich die Schlinge immer weiter zuzieht. Eine Zeit, in der stetig zunehmende Paranoia und unterschiedliche Ansichten über den Sinn einer Flucht die Beteiligten fast zerreißen…
Die Rezension
Zur Hochzeit der staatlichen Überwachung beschäftigte das Ministerium für Staatssicherheit der DDR derart viele Spitzel, dass auf vier Bürger durchschnittlich ein inoffizieller Mitarbeiter entfiel. Somit konnte man also annehmen, dass sich in einer Gruppe von vier zusammenstehenden Menschen mindestens ein Stasi – Informant befand. Von diesem Fakt bezieht “Ballon” einen Großteil seiner Spannung und spielt immer wieder mit der Angst des Zuschauer vor einer Entdeckung der Familien. Ein neugieriger Blick alleine löst bei Peter Strelzyk bereits panische Angst und Albträume aus, wovon man als Zuschauer gleichermaßen eingenommen wird. Obwohl Regisseur Herbig dieses Prinzip viel zu oft für das Erzeugen von Spannung missbraucht und den Zuschauer durch überstrapaziert häufiges Einstreuen von Fallstricken später kaum noch überraschen kann (da der Ausgang der wahren Geschichte, auf welcher der Film basiert, ja längst bekannt ist), gelang dem eher für seine Komödien bekannten Münchener ein unglaublich nervenzerfetzender, hochgradig fesselnder Film, der einen von der ersten bis zur letzten Minute gespannt am Bildschirm kleben lässt.
Und das ist definitiv eine Leistung, denn gerade Filme mit eigentlich bekanntem Ausgang haben es oft extrem schwer, eben diese Spannung zu erzeugen. Da Herbig aber immer ganz nahe an den handelnden Figuren bleibt und man so permanent auch deren emotionalem Chaos und Stress ausgesetzt ist, gelingt das schier Unmögliche hier dennoch: Obwohl man das Ende kennt, will man doch keine Sekunde vom Weg dorthin verpassen. Zum Durchatmen bleibt nur wenig Zeit, gelegentlich darf auch mal kurz gelacht werden. All das sorgt zwischendrin immer wieder für eine nötige Verschnaufpause. Ballon funktioniert aber nicht nur deswegen so gut, denn einerseits kann sich Herbig zu jedem Zeitpunkt auf seine stark aufspielenden Darsteller verlassen, darunter einen wunderbar subtil-fiesen Thomas Kretschmann, zum anderen stimmt auch die Ausstattung: Von der Kleidung über Inneneinrichtung bis zu den Trabanten auf den Straßen, der Film versetzt einen vom ersten Moment an in die ehemalige DDR, zeigt dabei aber nicht nur Schatten, sondern auch Licht. Denn schließlich ist nicht jeder Bürger chronisch unglücklich hinter der Mauer, was gut herausgearbeitet wird. Herbig erlaubt sich keine aufdringliche Kritik am Unrechtsregime, sondern zeichnet ein eher neutrales Bild, welches jeder für sich selbst interpretieren kann. Auch das zählt zu den inszenatorischen Stärken des Films. Frei nach dem Motto: “Glück ist, was man daraus macht”. Wobei man sich natürlich trotzdem stets auf der Seite der Protagonisten und deren Fluchtplänen wägt.
Sechs Jahre lang hat Michael Bully Herbig seinen ersten Film abseits der mal mehr, mal weniger erfolgreichen Regiearbeiten mit eher humorvollem Einschlag akribisch vorbereitet. Dass dahinter viel Herz steckt, merkt man. Als Darsteller tritt Herbig hier übrigens nicht in Erscheinung, was definitiv eine gute Idee gewesen ist. Dafür aber als Produzent und auch als Teil der Drehbuchautoren. Das Ergebnis ist ein Paradebeispiel des deutschen Films, dessen forcierte Spannungshöhepunkte zwar nicht immer zünden und dass sich auch historisch einige Freiheiten erlaubt (so dauerte die Flucht deutlich länger als sechs Wochen, außerdem nahm noch eine dritte Familie daran teil), welches abseits davon aber wirklich alles richtig macht. Ganz großes Kino und einer der besten deutschen Kinoproduktionen der letzten Jahre. Die 125 Minuten Spielzeit vergehen passenderweise wie im Flug.
UHD und Blu-Ray
Ballon entstand komplett digital, zum Einsatz kamen Arri ALEXA Mini – Kamerasysteme. In der Postproduktion entstand anschließend ein 2K Digital Intermediate, dementsprechend liefert auch diese UHD kein natives 4K, sondern stellt lediglich einen Upscale dar. Die Blu-Ray kommt wie üblich in Full HD daher. Überraschend gering fallen die Unterschiede zwischen beiden Formaten aus, denn bereits die reugläre HD – Veröffentlichung liefert einen sehr sauberen Gesamteindruck ab. Für einen Film über die ehemalige DDR zeigt sich Ballon erstaunlich farbenfroh, obwohl gelegentlich trotzdem auffällt, dass viele Szenen mit Color Grading nachbearbeitet wurden. All das stellt die Blu-Ray aber sehr adäquat, der Mix aus vor allem in den Außenaufnahmen kräftigen Farbtönen und den hauptsächlich in den Innenräumen eher erdigen Brauntönen wirkt stimmig und stets natürlich. Die Bildschärfe bewegt sich zu jeder Zeit auf sehr hohem Niveau und offenbart zahlreiche Details. Ein leichtes, wohl nachträglich hinzugefügtes Filmkorn unterstreicht den nostalgischen Einschlag, ohne dabei je störend zu wirken. Der Film spielt abwechselnd bei Tag und bei Nacht und überzeugt in beiden Settings durch tolle Kontraste. Schon die Blu-Ray liefert hervorragende Schwarzwerte und bietet bei der Durchzeichnung immer mal wieder kleine Referenzmomente. Die Weißanteile sind ausgewogen und kräftig. Was hier in Sachen Bilddynamik geboten wird, kann absolut überzeugen.
Die UHD bietet bei einer so guten Leistung dann wenig überraschend nur noch einen sehr geringen Mehrwert. Der Detailzuwachs durch die höhere Auflösung ist verschwindend gering, auch in allen anderen Aspekten hält die UHD problemlos mit und bietet ein mindestens gleichgutes Bild. Der einzige Vorteil liegt im erweiterten Farbraum und dem HDR10 – Support, der die Kontraste nochmal verfeinert und besonders die Nachtszenen etwas stimmiger darstellt. Aber auch Szenen wie die Jugendweihe ganz zu Beginn punkten durch strahlenderes Weiß, die Primärfarben an den Uniformen bieten noch einen Ticken mehr Punch und auch die Aufnahmen im Thüringer Wald liefern das sattere, dynamischere Grün. Dafür kann man ein paar Euro mehr ausgeben, muss es aber nicht.
Nach einer gefühlt viel zu langen Durststrecke, die besonders gegen Ende 2018 für immer neue Ärgernisse beim Ton vieler Heimkinoveröffentlichungen gesorgt hat, scheint der März eine tolle Zeit für Audiophile zu sein, denn STUDIOCANAL spendiert dem Film in beiden HD – Formaten eine Dolby Atmos – Spur, liefert aber als kleines Gimmick zusätzlich noch eine Stereospur. Letztere will natürlich auch nicht mehr sein, weswegen wir uns hier auf den ´richtigen` Ton konzentrieren wollen. Was von Anfang an auffällt ist, dass der (hörenswerte) Score von Ralf Wengenmayr und Marvin Miller die ganze Zeit über extrem präsent durch den Raum klingt, was aber besonders bei den mehr auf Spannung getrimmten Stücken immer mal wieder etwas aufdringlich wirken kann. Glücklicherweise bleibt die Stimmverständlichkeit im Center dabei trotzdem gut, eine etwas subtilere Musikpräsenz wäre aber wünschenswert gewesen, zumal dadurch auch Nebengeräusche gelegentlich etwas untergehen können. Als ich den Namen Roland Emmerich im Abspann sah, dachte ich mir kurz: “Ah, der muss wohl für die Abmischung des Tons verantwortlich gewesen sein.” Dass der Soundtrack explizit dazu genutzt wird, die Spannungsmomente noch weiter zu steigern, merkt man.
Hier aber verhält es sich ähnlich wie bei den forcierten Höhepunkten in der Inszenierung: Weniger wäre mehr gewesen. Immerhin nimmt sich all das in den ruhigeren Momenten wieder sehr zurück und pendelt sich auf angenehmen Niveau ein. Die Deckenebene kommt besonders bei den Ballonflügen zum Einsatz, bietet aber auch nebenher das ein oder andere Highlight. Der primäre Fokus liegt aber auf Untermalung, nicht Dominanz. Wenn Seidel im Hubschrauber unterwegs ist, kommt der Sound der Rotorblätter wahrnehmbar von oben. Das wahre Spektakel findet aber über kurz oder lang eher auf der regulären Ebene statt, dank der 3D – Ebene werden wichtige Momente aber trotzdem glaubhaft aufgewertet. Nur große Highlights darf man aus der Richtung nicht erwarten.
Extras
Die Extras befassen sich hauptsächlich mit den Dreharbeiten, rücken aber auch die wahre Geschichte hinter dem Film und deren Zeitzeugen nochmal in den Vordergrund. Hier lässt sich viel Interessantes über die Begebenheiten in Erfahrung bringen, die Ballon inspiriert haben. Weitere Featurettes widmen sich der Ausstattung, darunter natürlich besonders dem Ballon selbst, eine B-Roll, ein zusätzliches Making Of und der Trailer zum Film runden die knappen, aber doch interessanten Extras optimal ab.
Fazit
“Wie definiert man Freiheit? Und was ist man bereit, dafür zu riskieren? In der vierzigjährigen Geschichte der DDR gab es viele spektakuläre Fluchten von Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen alles dafür riskiert haben, für sich und ihre Liebsten ein besseres Leben zu gewinnen. Ballon schildert, wenn auch mit einigen kreativen Freiheiten, einen der wohl unglaublichsten aber wahren Fälle von Republikflucht der DDR – Historie. Und das trotz gelegentlich aufdringlich erzwungenen Spannungsmomenten so fesselnd und mitreißend, dass man den Namen des dafür verantwortlichen Regisseurs mehrfach lesen muss, um es zu glauben. Nach meiner vernichtenden Kritik am Bullyparade – Film liefert Herbig hier weit mehr als nur Wiedergutmachung, sondern dank starker Darsteller, toller Ausstattung und viel Liebe zum Detail gleich einen der besten deutschen Filme der jüngeren Geschichte. Ballon muss man gesehen haben. Umso mehr, da STUDIOCANAL jeweils sehr saubere Heimkinoveröffentlichungen abgeliefert hat. Bitte mehr davon!”
Die hier veröffentlichte Meinung stellt lediglich die Meinung des Autors dar und muss nicht zwangsläufig auch die von Wrestling-Point.de, M-Reviews und allen unterstehenden Mitarbeitern sein.
©2019 Wrestling-Point.de/M-Reviews