Dunkle Pfade
Die Neugierde treibt Edward schließlich am späten Abend an den Stadtrand des verschlafenen Örtchens Dormont. Doch das Motel ist komplett verlassen, nur ein immer noch eingeschaltetes Radio an der Rezeption spielt leise Musik. Von Gästen und Personal fehlt dagegen jede Spur. Als kurz darauf Edward´s Wagen gestohlen wird, bleibt ihm keine andere Wahl, als zu Fuß nach Dormont zu laufen und dort nach Hilfe zu suchen. Doch bereits auf dem Weg dorthin begegnen ihm immer wieder schattenhafte Gestalten, die in der Dunkelheit auf Edward lauern und nur vom Licht vertrieben werden können. Was zunächst wie ein Hirngespinst erscheint, entpuppt sich schnell als sehr reale Bedrohung.
Mit der Zeit wird klar, dass die verschwundenen Bewohner von Dormont selbst nicht ganz unschuldig an der gegenwärtigen Situation sind. Im Kampf um das eigene Überleben und umzingelt von einer tödlichen Finsternis gerät Edward immer wieder an die Grenzen von Moral und Verstand. Es warten schwierige Entscheidungen. Und eine nicht enden wollende Nacht voller Schrecken, die nicht gewillt ist herzugeben, was sich einmal in ihrer nasskalten Umklammerung befindet…
Ein schwieriger Weg
Über zwei Jahre befand sich Those Who Remain in der Entwicklung. Programmiert wurde das Spiel mit kleinstem Budget von gerade einmal drei Personen, weshalb man eigentlich gewillt ist, den ein oder anderen qualitativen Schnitzer zu verzeihen. Leider steckt das Mystery-Adventure mit Horrorelementen derart voll davon, dass man bei allem Verständnis einfach nicht mehr darüber hinwegsehen kann. Zwar weiß die Story einen zumindest am Anfang neugierig zu machen und motiviert einen immer wieder, sich tiefer in die Finsternis zu wagen, wirklich neu ist das Dargebotene aber nicht. Man merkt schnell, dass sich die Macher relativ hemmungslos beim mittlerweile zehn Jahre alten Alan Wake bedient haben. Ein problemgeplagter Protagonist, eine verschwundene Frau und von Dunkelheit befallene Bewohner einer Kleinstadt…all dem und mehr begegnet man hier unverhohlen und mit nur minimalsten inhaltlichen Änderungen schlicht erneut. Mit dem gewichtigen Unterschied, dass das Vorbild seine Hommage selbst ein Jahrzehnt später immer noch in jeder Hinsicht überragt.
Während wir in der Rolle von Edward, der mit der markanten Stimme von Sascha Rothermund übrigens professionell aber nicht immer gänzlich passend synchronisiert wird nach einem Ausweg aus Durmont suchen, müssen wir immer wieder die Pfade der Realität verlassen und in einer Art Parallelwelt kleine bis größere Rätsel lösen, um das Weiterkommen zu ermöglichen. So stoßen wir beispielsweise an einer verbarrikadierten Tankstelle auf ein altes Fahrzeug, mit dessen Lichtanlage der von den Schattenwesen versperrte Weg zur Hintertür freigelegt werden soll. Erst in der Parallelwelt wird offensichtlich, dass der Oldtimer sich deswegen nicht öffnen lässt, weil er komplett von Unkraut überwuchert ist. Eine passende Sprühflasche mit Biozid findet sich wie durch Zufall nur wenige Meter entfernt. Was im Spiel selbst mit einer gewissen Selbstironie kommentiert wird, wirkt in einem solchen Adventure aber erzwungen und alles andere als logisch. Das ist aber nur ein Beispiel für die Inkonsequenz, an der noch viele Knobelaufgaben von Those Who Remain zu leiden haben. Manches ist extrem offensichtlich, anderes dagegen versumpft bis über die Frustgrenzen hinaus in nervigem Trial and Error. Es gibt gute Ideen, nur die Umsetzung lässt durchgehend zu wünschen übrig.
Anfangs lassen sich die noch unbeweglichen Schattenwesen auch recht simpel vertreiben. Hier ein angeworfener Generator, dort ein umgelegter Lichtschalter und der Weg zum nächsten Abschnitt ist frei. Im weiteren Spielverlauf kommt dann aber noch eine neue Gattung Gegner hinzu, die alles andere als immobil ist, was den Bedrohungsgrad deutlich erhöht. Was einen dann spätestens dann richtig nervt, sind die unfairen Rücksetzpunkte. Egal ob man nun während einer Rätselpassage in die Dunkelheit gerät oder in den Dunstkreis des eben erwähnten Gegners läuft, nicht selten findet man sich am Anfang des aktuellen Abschnitts wieder und muss sämtliche Schritte bis zum letzten Moment des Versagens wiederholen. Neben dem allgemeinen Ärger wird man dabei das Gefühl nicht los, dass dies nur der Spielzeitstreckung dient, denn ein sauberer Durchgang dauert allenfalls um die drei Stunden. Und obwohl Those Who Remain insgesamt drei verschiedene Enden anbietet, die abhängig von den getroffenen Entscheidungen von Gut bis Katastrophal reichen, hat man nach dem ersten Playthrough wahrscheinlich keine Motivation für zwei weitere Runden und ist bereit, jeden Ausgang zu akzeptieren, um diesem unausgegorenen Titel nur rasch entfliehen zu können.
Angst macht nur die Technik
Die uns vorab übermittelte Testversion für die XBOX One war gerlinde gesagt unspielbar. Massivste, völlig willkürlich auftretende Performanceprobleme ruinierten auch den letzten verbliebenen Spielspaß. Während das versprochene Update auf sich warten ließ, widmeten wir uns alternativ einfach der PC-Version. Die liefert zwar auf dem Papier unbegrenzte Bildraten und eröffnet damit ein deutlich geschmeidigeres Spielerlebnis als die auf nur 30 Frames pro Sekunde gesperrten Konsolenfassungen, wurde aber ebenfalls immer wieder von auffälligen Slowdowns begleitet. Ein Unding, denn Those Who Remain nutzt die eigentlich relativ unspektakuläre Unity Engine als Grundgerüst und sollte weder aktuelle Konsolen, noch leistungsfähige Computer groß an ihre Grenzen bringen. Immerhin liefern XBOX One X und PlayStation 4 PRO natives 4K. Ein Testmuster für die Switch lag uns leider nicht vor, weswegen wir diesbezüglich auch keine Informationen zu Auflösung und Performance anbieten können. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass es auf der Konsole für die Hosentasche kaum besser aussehen wird.
Nach erfolgtem Update wollten wir uns dann auch endlich der XBOX One zuwenden. Dabei offenbarte sich leider nur allzu schnell, dass man die drastischen Bildrateneinbrüche zwar verbessert, aber nicht komplett behoben hat. So kommt es weiterhin bereits nach den ersten Schritten zu schweren, spielflussstörenden Slowdowns. Hinzu kommt, dass Edward sich ohne die Maximierung des Sensibilitätsreglers auf allen Plattformen so langsam dreht, dass er gefühlt sogar vom Planeten Erde ab und an überrundet wird. Dabei sieht Those Who Remain nicht einmal schön aus. Allgemeine Texturarmut, klobige Charaktere und Animationen…das erinnert alles eher an die Anfänge der letzten Hardwaregeneration, niemals an das Ende jener danach. Was schon spielerisch nicht gerade zu überzeugen weiß, schreckt spätestens technisch vollkommen ab. Daran rettet auch die gelegentlich wunderbar atmosphärische Klangkulisse nichts. Those Who Remain wirkt selbst nach zwei Jahren Entwicklungsdauer so, als käme es zehn Jahre zu spät.
Fazit und Wertung
“Those Who Remain ist ein nahezu perfektes Paradebeispiel dafür, wie wenig man heutzutage noch Trailern vertrauen kann. Was sich nämlich als spannendes Mystery-Adventure ankündigte, entpuppt sich letztendlich als technisch wie mechanisch völlig veraltetes Spiel, dass sich inhaltlich viel zu sehr bei Alan Wake und Co. bedient und den wenigen eigenen Ideen viel zu wenig Raum gewährt. Selbst nach erfolgtem Update ist die Konsolenfassung immer noch ein Performancewrack, welche einem auch noch das letzte bisschen Spielspaß abverlangt. Die drei Stunden Aufenthalt in Durmont hatten am Ende wirklich albtraumhaften Charakter, nur sicher auf ganz andere Weise als von den Entwicklern erhofft. Dann lieber zurück nach Bright Falls. Dort gibt es wenigstens Taschenlampen.”
PRO:
+ Im Kern interessanter erzählerischer Ansatz
+ Immer wieder moralische Entscheidungen notwendig…
+ …die in drei verschiedenenen Enden resultieren können
+ Umgebung liefert zahlreiche Hinweise über die Geschichte von Durmont
+ Professionelle Vertonung
+ Atmosphärischer Soundtrack
CONTRA:
– Grafisch in jeder Hinsicht völlig veraltet
– Insgesamt nur sehr wenige eigene Ideen
– Sehr kurz
– Rätsel entweder zu leicht…
– …oder nur durch nerviges Trial and Error lösbar
– Unfaire Rücksetzpunkte
– Kein freies Speichern
– Erdward dreht sich ohne Nachjustierung wie in Zeitlupe
– Hauptfigur gelegentlich etwas zu cool synchronisiert
– Auch nach Update weiterhin massive Performanceprobleme (Konsolen)
GESAMTWERTUNG: 5.0/10
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