Star Ocean: The Divine Force

Star Ocean feiert seinen 25. Geburtstag und belohnt Fans der Sci-Fi-RPG-Reihe mit einem neuen Ableger. Das lange Zeit primär im japanischen Raum bekannte Franchise schart längst auch im Westen eine treue Anhängerschaft um sich und hat sich seit der Erstveröffentlichung auf PlayStation One über jede nachfolgende Konsolengeneration mit mal mehr, mal weniger gutem Erfolg gehalten. Star Ocean: The Divine Force richtet sich gleichermaßen an Fans und Neueinsteiger und erscheint erstmals auch für XBOX und PC. 

 
 
 
 
 
Entwickler: Square Enix, tri-Ace
 

Publisher: Square Enix

Plattform: PC | PS4 | PS5 | XB1 | XBS

Veröffentlichungsdatum: 27. Oktober 2022

Preis: ab 59.99€

Altersfreigabe: ab 12 Jahren


Ungeschnitten
Kostenloses Upgrade
Mikrotransaktionen


Eine folgenreiche Bruchlandung

Magie ist auf dem mittelalterlich anmutenden Planeten Aster IV bekannt, dass es aber hoch über den Wolken längst Raumfahrt und andere Wunder gibt, würde den Bewohner wohl in ihren kühnsten Träumen nicht einfallen. Entsprechend verwundert schauen eines Tages Prinzessin Leticia Aucerius und ihr treuer Begleiter Albaird drein, als in unmittelbarer Nähe plötzlich eine hochmoderne Rettungskapsel strandet. An Bord befindet sich der Frachtpilot Raymond, der zunächst für einen feindlichen Angreifer gehalten wird, da das Haus Aucerius gerade erbittert Krieg mit dem Haus Veyl führt. Das Missverständnis lässt sich zwar schnell aus der Welt schaffen, alle Probleme sind dadurch aber längst nicht gelöst, denn Ray vermisst einen Gefährten und vermutet, dass dieser ebenfalls irgendwo in der Nähe gestrandet sein muss. Kurzerhand bietet sich Leticia als Führerin an, verlangt dafür aber auch eine Gegenleistung. Der Beginn eines Abenteuers von intergalaktischen Ausmaßen…

Leticia und Ray schließen Bekanntschaft mit dem hochentwickelten Roboter D.U.M.A.

Rund vierzig Stunden dauert ein Durchgang durchschnittlich, wer neben der umfangreichen und durchgehend spannend geschriebenen Handlung jeden Winkel der zahlreichen Schauplätze im Spiel nach Sammelobjekten und seltenen Ressourcen abgrast, darf natürlich einiges mehr veranschlagen. Zu Beginn müsst ihr euch aber erstmal entscheiden, ob ihr das Spiel mit Raymond oder Leticia als Hauptcharakter absolvieren wollt. Zwar könnt ihr im Spiel grundsätzlich frei zwischen den beiden ungleichen Protagonisten wechseln, gelegentlich teilen sich deren Pfade aber auch und führen die Handlung unabhängig voneinander fort. Das ist erstmal nicht schlecht, um Spieler für einen zweiten Durchgang zu motivieren. Da der aber natürlich ebenfalls mit einer nicht geringen Investition an Zeit verbunden ist, entpuppt sich die Idee als eher schlecht durchdacht. Vieles, über das gesprochen wird, versteht man nämlich erst, wenn man beide Seiten der Geschichte erlebt. Kein Wunder also, dass man während der ersten Runde nach einigen Unterhaltungen oft mit einem dicken Fragezeichen über dem Kopf zurückgelassen wird. 

In privaten Gesprächen erfahren wir mehr über die Hintergründe der einzelnen Charaktere und vertiefen das Band untereinander.

Und auch die Rekrutierung neuer Charaktere erweist sich als unnötig kompliziert. Manche sind Teil der Story und daher in der Begegnung unvermeidbar, andere können sich komplett ohne Hinweise sonst wo verstecken und offenbaren sich nur, wenn man wirklich jede Ecke gründlich absucht und jede Möglichkeit zu einem Gespräch wahrnimmt. Für Entdecker mag das toll sein, wer aber eher auf strukturierteres Storytelling innerhalb eines JRPG steht, bekommt mit Star Ocean: The Divine Force wahrscheinlich seinen persönlichen Endgegner vorgesetzt. Die Suche lohnt sich aber, denn jeder Charakter im Spiel erzählt eine eigene Geschichte, die sich innerhalb optionaler persönlicher Gespräche stetig vertiefen lässt. Die sehr puppenhaft gestalteten Probanden des Spiels dürfen dafür nicht jeden Geschmack treffen. Und weil das überaus dialoglastige Spiel hierzulande ausschließlich mit wahlweise englischen oder französischen Untertiteln aufschlägt, sollten lesefaule Fremdsprachenmuffel sowieso einen großen Bogen um das Spiel machen. 

D.U.M.A., D.U.M.A., hey!

Das komplett überarbeitete Kampfsystem zählt zu meinen persönlichen Highlights des Spiels und punktet besonders mit seiner hohen Flexibilität. Gegnergruppen lassen sich wahlweise offensiv von Vorne angehen oder aus dem Hinterhalt überraschen, was für einen massiven Schadensbonus sorgt. Aber auch in laufenden Gefechten lohnt es sich, Gegner nach Möglichkeit außerhalb ihrer gegenwärtigen Sicht zu attackieren. Diese sogenannte Blindsight-Mechanik sorgt dafür, dass ihr euch innerhalb der vorgegebenen Kampfzone immer wieder wieder neu orientieren und bewegen müsst. Kombos sind jetzt nicht vorgegeben, sondern können komplett frei aus allen erlernten Fähigkeiten gebildet werden. Auch Items kommen so bequem zum Einsatz. Jeder Charakter verfügt über einen eigenen Talentbaum, in dem ihr nach erfolgtem Stufenanstieg Punkte in neue Moves investieren, ebenso aber auch Attribute stärken könnt. Leider erlaubt euch das Spiel nicht, die Talente zu resetten. Deshalb solltet ihr euch bereits im Vorfeld darüber informieren, in welche Richtung ihr leveln wollt und welche Talente für euch interessant sind. 

Die effekthaltigen Kämpfe gewinnen dank epischer Boostfertigkeiten zusätzlich an Gehalt.

Auch solltet ihr darauf vorbereitet sein, dass später auftauchende Gegner eurer Gruppe mit Elementarschäden einheizen und gegenüber normalen Angriffen resistent sind. Es empfiehlt sich grundsätzlich, das mitgeführte Inventar so aufzubauen, dass ihr für jede Situation gewappnet seid und die richtigen Rüstungen, Waffen und Accessoires mitführt. Praktischerweise könnt ihr auch während eines Kampfes jederzeit Anpassungen an der Ausrüstung vornehmen und müsst die laufende Auseinandersetzung deswegen nicht neu beginnen. Ray und Co. sind auch auf sich gestellt gute Kämpfer, aber genau zu wissen, was die einzelnen Teammitglieder können und diese gegebenenfalls auszutauschen, wenn sich andere Charaktere mitsamt deren Fähigkeiten situationsbedingt besser eignen, weil sie zum Beispiel starke Heil- oder Tankfertigkeiten besitzen, ist gerade auf höheren Schwierigkeitsgraden essentiell. Etwas besser ausbalanciert hätten die verschiedenen Kämpfer aber definitiv sein können, denn gerade Neuzugänge sind der bestehenden Gruppe oft sehr überlegen, selbst wenn diese schon einige Level mehr auf dem Konto hat. Dadurch wird man quasi gezwungen, das Setup immer an den aktuellsten Gruppenmitgliedern auszurichten, was einen in Sachen spielerischer Freiheit wieder unnötig einschränkt.

Marielle zerlegt Gegner bevorzugt mit Schusswaffen. Mit D.U.M.A. an ihrer Seite verwandeln sich die Geschosse in mächtige Laser.

Klares Highlight der effektreichen Fights ist aber der eigenwillige Roboter D.U.M.A., den Ray kurz vor seinem unfreiwilligen Absturz als Frachtgut transportieren sollte und zeitweise in einen übermenschlichen Streiter verwandelt. Geschickt eingesetzt, lassen sich dann ganze Gegnergruppen mit einem Schlag ausradieren, wahlweise sogar in der Luft. Die Dauer dieser Aktionen wird durch eine eigens dafür vorgesehene Leiste bestimmt, die wir durch reguläre Angriffe immer wieder aufladen können und die sich auch nach bestandenen Kämpfen nicht gleich wieder leert, was praktisch ist, weil man die nächste Gruppe mit der Restenergie von Anfang an kräftig beharken kann. Gleichzeitig können wir in der Luft schwebend besondere Schwachpunkte anvisieren, die vom Boden unerreichbar wären. Gleiches gilt für die vielen versteckten Areale im Spiel, wo sich nicht selten rare Kristalle einsacken lassen, mit denen wir D.U.M.A. ebenfalls neue Tricks beibringen können. Das ganze Drumherum hat mir besonders viel Spaß gemacht und sorgt dafür, dass Star Ocean: The Divine Force mit einem der besten Kampfsysteme innerhalb der Reihe aufwartet. 

Cyber-Samurai J.J. steht uns später im Spiel ebenfalls als Gefährte zur Verfügung.

Ausrüstung gibt es im Spiel übrigens mehr als genug. Jeder Charakter nutzt eigene Waffen und Rüstungen, die Accessoires teilen sich dagegen alle. Nachschub gibt es als Drops in der Spielwelt, beim Händler…oder ihr bastelt euch das Zeug einfach selbst. Solltet ihr aber nicht, denn die Händler haben oft massiv überlegene Güter im Angebot, die Spielwährung wird großzügig genug ausgegeben, dass ihr nicht lange sparen müsst. Dadurch gerät das ganze System natürlich minimal ad absurdum. Nicht einmal für Cosmetics taugen die hergestellten Gegenstände, weil die Charaktere trotz neuer Garderobe nach außen grundsätzlich ihre Standardkluft anbehalten. Höchstens wenn euch unterwegs mal die Heiltränke ausgehen, ist Crafting eine gute Idee, bleibt aber aufgrund der wesentlich besser sortierten Händler weitestgehend nutzlos. 

Zwischen Hui und Pfui

Gerade in den ersten Minuten sieht Star Ocean: The Divine Force richtig nett aus. Das aber auch nur solange, bis man seine Augen von der bildschönen gestalteten Skybox gen Boden richtet. Anfangs bewegt man sich noch relativ gerne durch Steppenlandschaften und Waldgebiete. Aber spätestens, wenn sich die Areale nach dem Prolog mehr und mehr öffnen, ist diese Motivation auch schon wieder Geschichte. Denn je größer die Landschaften werden, desto leerer kommen sie einem auch vor. Vereinzelte Gegnergruppen, ein paar Sammelobjekte und versteckte Truhen…bis auf wenige Ausnahmen fühlt sich die Welt des Spiels sehr generisch an, es mangelt ihr überwiegend an einer eigenen Identität. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, aber es bedarf eben mehr als ein-zwei imposanter Großstädte, um einem so großen Spiel wie diesem eine wahrnehmbare Identität zu verleihen. 

So schöne Areale mit Wiedererkennungswert gibt es im Spiel leider viel zu selten zu bestaunen.

Das Spiel offeriert einem abseits obligatorischer Nebenquests und einigen Partien Esowa – einer Art Variante des beliebten Brettspiels Othello –  einfach zu wenige Gründe, sich auf Erkundungsreise zu begeben. Die Reichweite des Umgebungsscans ist selbst auf höheren Leveln lächerlich klein und funktioniert nur, wenn man steht. Es gibt keine einzigartigen Bauten, die man aus der Ferne bestaut und sich anschließend denkt „Hey, das schaue ich mir auf jeden Fall näher an!“ Und weil Backtracking im Spiel keine Seltenheit ist, muss man sich über den gesamten Verlauf immer wieder durch dieselben drögen Landschaften durchbeißen. Effekte, Beleuchtung, Animationen…nichts in Star Ocean: The Divine Force fühlt sich visuell einfach nicht mehr zeitgemäß an. Und die katastrophal überladenen Menüs schießen den Vogel endgültig ab.

Die puppenartigen Charaktere dürften garantiert nicht jeden Geschmack treffen.

Und trotzdem hat jede Plattform Probleme, eine durchgehend geschmeidige Bildrate zu erzielen. Die Last-Gen-Konsolen sind allesamt auf maximal 30 Frames pro Sekunde beschränkt, können aber in besonders rechenlastigen Situationen gerne mal wahrnehmbar in den unteren Zwanzigerbereich einbrechen, auf XBOX One und PlayStation 4 wird die ohnehin schon schwache Grafikqualität durch die niedrige Auflösung nochmal mehr zum Lackluster und leidet an konstant aufpoppenden Bodenobjekten. PlayStation 5 und XBOX Series X|S haben damit insgesamt deutlich weniger drastisch zu kämpfen, werden diese Probleme aber auch nicht völlig los. Wahlweise 1440p bei 60 Frames pro Sekunde oder natives 4K bei 30 Frames pro Sekunde werden angeboten, die schwächere XBOX Series S muss sich mit einem brauchbaren Kompromiss aus beidem genügen. Dafür gehen die Ladezeiten selten über drei bis vier Sekunden hinaus. Selbst auf unserem Testrechner kam es immer mal wieder zu willkürlichen Bildrateneinbrüchen, die sich zur Mitte des Spiels mehr und mehr häufen. 

Mit Maus und Tastatur lassen sich Leticia und Co. nur bedingt gut durch die zahlreichen Areale manövrieren.

Mit Maus und Tastatur ist die Bedienung am PC alles andere als ein Vergnügen, die Tastenbelegung wirkt stellenweise willkürlich und allzu viel Präzision darf man sich im Kampfgetümmel damit auch nicht erhoffen. Mit Gamepad geht es eindeutig besser, besonders der DualSense passt das ausgegebene Feedback an den jeweiligen Untergrund an und gefällt mir damit richtig gut. So oder so: Ohne Gamepad solltet ihr die PC-Version gar nicht erst starten. Die wahlweise englischen und japanischen Sprecher leisten gute Arbeit, über die Abwesenheit deutscher Untertitel habe ich ja bereits berichtet. Drei Schwierigkeitsgrade stehen zur Auswahl, was das Spiel auch für Einsteiger attraktiv macht. Und der fantastische Soundtrack vom Stammkomponisten der Serie begleitet einen von Anfang bis Ende passend. 

„Fünfundzwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Ansprüche wachsen, etablierte Spielmechaniken wandeln sich hin zu moderneren Gewohnheiten und auch die Technik hat seitdem einen gewaltigen Satz nach vorne gemacht. Dass es Star Ocean gelungen ist, sich diesen Veränderungen stets anzupassen und über diese stattliche Zeitspanne zu bestehen, nötigt einem definitiv Respekt ab. Mit The Divine Force präsentieren die Macher ein rundum überarbeitetes, durchaus unterhaltsames Kampfsystem und eine gewohnt komplexe Story mit interessanten Charakteren, die sich über den Verlauf der umfangreichen Spieldauer angenehm konstant entfalten. Die Schattenseiten überwiegen leider, denn dank weitestgehend veralteter Grafik, anhaltenden Performanceschwierigkeiten, katastrophaler Menüführung und einigen ärgerlichen Mankos im Spieldesign gehen die Kerzen auf dem Geburtstagskuchen von Star Ocean: A Divine Force viel zu schnell wieder aus. Dass man gleichzeitig versäumt hat, dem Titel zumindest deutsche Untertitel zu spendieren, dürfte für viele ein weiterer Grund sein, das neuste Abenteuer innerhalb des langlebigen Franchise mit Vorsicht zu betrachten. Hardcore-JRPG-Fans können aber einen Blick riskieren.“

  • Effektreiche Gefechte
  • Tolles Artdesign
  • Sinnvoll überarbeitetes Kampfsystem
  • Überwiegend spannend geschriebene Geschichte
  • Viele spielbare Charaktere
  • …die allesamt mit einer eigenen Geschichte aufwarten
  • Mindestens vierzig Stunden Spielzeit
  • Umfangreiche Talentbäume
  • Features
  • Drei fair ausbalancierte Schwierigkeitsgrade
  • Gute englische und japanische Sprecher
  • Exzellenter Soundtrack
  • Gute Implementierung der DualSense-Features
  • Technisch insgesamt veraltet
  • Unausgegorene Performance
  • Viele Zusammenhänge werden erst im zweiten Durchgang mit dem verbliebenen Hauptcharakter wirklich klar
  • Unübersichtliche, arg verschachtelte Menüs
  • Crafting fast nie nützlich
  • Übermächtige Neuzugänge zwingen einen quasi, diese auch einzusetzen
  • Talente lassen sich nicht zurücksetzen
  • Keine deutsche Lokalisierung
  • Fummelige Maus- und Tastatursteuerung

Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Square Enix zur Verfügung gestellt worden.

©2022 M-Reviews.de

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