Sonic Frontiers

Von Höhen und Tiefen kann Sonic nicht nur Lieder singen, sondern wahrscheinlich ganze Langspielplatten damit füllen. Der ikonische Igel mit den roten Turnschuhen wurde Anfang der Neunziger Jahre zum Symbol einer ganzen Konsolengeneration. Drei Jahrzehnte später tummelt sich Sonic zwar überaus erfolgreich auf der Kinoleinwand, spielerisch sieht es dafür seit dem miesen Sonic Forces ziemlich mau im Kernkompetenzbereich aus. Fünf Jahre ist das jetzt her. Nun wagen Sonic Team abermals einen inhaltlichen, spielerischen und visuellen Neustart. Die gute Nachricht ist: Sonic Frontiers macht tatsächlich Spaß. Die schlechte Nachricht: Von Perfektion ist auch diese Neuauflage weit entfernt. 

 
 
 
 
 
Entwickler: Sonic Team
 

Publisher: SEGA

Plattform: PC | PS4 | PS5 | XB1 | XBS | NS

Veröffentlichungsdatum: 08. November 2022

Preis: 59.99€

Altersfreigabe: ab 12 Jahren


Ungeschnitten
Kostenloses Upgrade
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Gestrandet 

Am grundlegenden Konzept der langlebigen Reihe haben die Macher nicht gerüttelt, denn auch in Sonic Frontiers dreht sich wieder alles um die sogenannten Chaos Emeralds – sieben magische Juwelen, mit denen sich Erzschurke Eggman die Welt untertan machen will. Der verrückte Wissenschaftler wird beim Versuch, sich die Technologie einer antiken Kultur auf den Starfall Islands anzueignen, in den Cyberspace gesaugt und steckt nun im digitalen Raum fest. Gleichzeitig zieht es auch die reaktivierten Emeralds allesamt auf unerklärliche Weise ins Inselreich. Sonic macht sich gemeinsam mit seinen Freunden Tails und Amy auf den Weg, um der ganzen Sache auf den Grund zu gehen. Doch schon beim Anflug werden die Freunde ebenfalls in den Cyberspace verbannt und nur Sonic schafft es, in der Wirklichkeit zu verweilen. 

Viele Welten, noch mehr Möglichkeiten: Sonic Frontiers weiß den neuen Open-World-Ansatz gut auszunutzen. | PlayStation 5

Gestrandet in einer fremden Welt und nur von einer geheimnisvollen Stimme aus scheinbar längst vergangener Zeit begleitet, muss Sonic einen Weg finden, seine Freunde zu befreien und die Grenze zwischen Cyberspace und Wirklichkeit aufzulösen. Genau hier kommen die Chaos Emeralds ins Spiel, deren zusätzliche Kräfte wir dringend brauchen können, denn auf den einzelnen Inseln haben sich hünenhafte Maschinenwesen – die sogenannten Titanen – eingenistet, die ausgerechnet jene Türme bewachen, aus denen die Barriere zwischen den Welten ihre Energie bezieht. Doch Macht kommt nie ohne Preis und hinter den Kulissen arbeitet eine noch bösartigere Macht als Erzschurke Eggman daran, ihre finsteren Pläne endlich Realität werden zu lassen… 

Knuckles ist ebenfalls im Cyberspace gefangen und erscheint Sonic als fragmentierte Projektion in der Wirklichkeit. | PlayStation 5

Bedenkt man die schwierige Entwicklung des Spiels, welches eigentlich bereits pünktlich zum dreißigjährigen Jubiläum des blauhäutigen Flitzers in den Regalen stehen sollte und sich dann doch um ein ganzes Jahr verschoben hat, ist den Machern mit Sonic Frontiers tatsächlich einer der besten Ableger innerhalb der kaum mehr überschaubaren Reihe gelungen. Das will erstmal nicht viel heißen, weil die Qualität der Spiele über die Jahre (und besonders mit dem Beginn der voll dreidimensionalen Ära) immer mehr in den Keller gewandert ist. Umso besser, dass ich hier überwiegend Entwarnung geben kann, denn die Story um eine uralte Zivilisation wird durchaus spannend erzählt und die weitläufigen Areale präsentieren sich mindestens so abwechslungsreich wie das temporeiche Gameplay inklusive seiner zahlreichen Herausforderungen und Minispielen. Mit fünfzehn bis zwanzig Stunden Spielzeit verfügt das neueste Abenteuer von Sonic und seinen Freunden zudem über eine angemessene Länge. 

Sammeln, sammeln, sammeln!

In Sonic Frontiers wimmelt es nur so von Sammelobjekten. Und wenn ich „wimmeln“ sage, meine ich es auch. Zahnräder und Co. erfüllen jedoch nicht nur rein dekorative Zwecke, sondern werden benötigt, um unter anderem neue Portale zu öffnen, in denen es wieder andere Sammelobjekte gibt, die ihrerseits die Story vorantreiben. Das Ganze muss man sich wie eine Pyramide vorstellen, die man von unten bis oben abarbeitet. So brauchen wir beispielsweise Erinnerungsfragmente, um Tails und Amy aus ihren Gefängnissen im Cyberspace zu befreien, während die lilafarbenen Münzen bei Big the Cat für ein Angelspiel eingetauscht werden können. Bei so vielen verschiedenen Objekten fällt es einem schwer, nicht die Übersicht zu verlieren. Immerhin: Die Entwickler haben die Sammelhatz motivierend genug gestaltet, dass dabei nie ein Gefühl von Langeweile aufkommt. 

Egal ob wir die Gegend zu Fuß erkunden oder durch die Luft grinden: Überall gibt es etwas zu sammeln. | PlayStation 5

Ob am Boden oder in der Luft, ein Großteil der benötigten Objekte wurde homogen in die Spielwelt eingebunden, so dass man bereits auf regulären Pfaden eine ganze Menge mitnimmt, ohne groß danach Ausschau halten zu müssen. Und natürlich lassen auch besiegte Gegner immer wieder nützliche Materialien fallen. Generell fühlen sich die Kämpfe in Sonic Frontiers dank facettenreicher Gegnerdesigns- und Mechaniken nie eintönig an. Und das System zum Aufleveln und Erlernen neuer Fähigkeiten sorgt dafür, dass auch schwerere Kaliber irgendwann kein Problem mehr sind. Nur bei den Bosskämpfen kann immer mal Frust aufkommen, weil die Kamera sich dort gerne mal in nervigen Aussetzern verheddert, was sich ebenso negativ auf die sonst so gelungene – und auf Wunsch sogar umfangreich anpassbare – Steuerung auswirkt. Das sind dann genau die Momente, wo man dem Spiel anmerkt, dass es etwas überhastet auf den Markt geworfen wurde. Es ist zu hoffen, dass die Macher hier nochmal nachträglich Hand anlegen und einen Patch nachreichen.

Die gewaltigen Titanen lassen sich erst als Super Sonic effektiv bekämpfen. | PlayStation 5

So sehr es sich lohnt, jeden Winkel der abwechslungsreich gestalteten Inseln zu erkunden, so grausig sind die Zwischenstationen im Cyberspace, wo es eher klassisch zugeht: Statt offener Welten müssen wir uns dort durch wechselnde 2D-/3D-Areale manövrieren, vorgegebene Ziele erfüllen und können optional versuchen, am Ende perfekte Wertungen zu erzielen. Mit dem Unterschied, dass die eigentlichen Stärken des Spiels hier komplett in repetivem Leveldesign und physikbedingten Bedienungsschwierigkeiten absaufen. Da hat man gerade noch genossen, mit Hochgeschwindigkeit durch weitläufige Steppen zu düsen, nur um seine Minute später im Cyberspace an einige der schlimmsten spielerischen Ausfälle innerhalb der Reihe erinnert zu werden. Zwar machen diese Passagen nur einen sehr kleinen Anteil am großen Ganzen aus, trotzdem fühlt sich jede Reise in den Cyberspace bis zum Schluss wie der nahende Besuch eines verhassten Verwandten an, den man am liebsten auf Teufel komm raus meiden möchte. 

Tempo ist nicht alles

Auch auf technischer Ebene kann Sonic Frontiers nicht völlig überzeugen. Das auf Basis der hauseigenen Hedgehog Engine 2 erstellte Spiel punktet auf den ersten Blick mit malerischen Landschaften, toller Weitsicht und einer bunten Effektkulisse, offenbart aber spätestens beim zweiten Blick einige frappierende Schwächen, die besonders auf den Konsolenfassungen einen herben Nachgeschmack hinterlassen. Dass in einem weitläufigen Open-World-Titel ab und an mal Objekte nachträglich im Bild aufpoppen, ist quasi nicht zu vermeiden. In dieser Häufigkeit und oftmals auf kürzeste Distanz wie in Sonic Frontiers ist mir das bisher aber (zum Glück) nicht begegnet. Und das ist leider nicht nur ein plattformspezifisches Problem, sondern betrifft gegenwärtig wirklich jedes System vom PC bis zur PlayStation 5. 

Die gelegentlichen Ausflüge in den Cyberspace wecken unschöne Erinnerungen an einige der schlechtesten Sonic-Titel. | PlayStation 5

Auch die Beleuchtung fühlt sich bei weitem nicht mehr zeitgemäß an. Gerade aus den dynamischen Tag- und Nachtzyklen hätte man deutlich mehr herausholen können, gleiches gilt für die allenfalls mittelmäßige Texturauflösung. Gegen die immer noch atemberaubende Schönheit des gegenwärtigen Genreprimus Ratchet & Clank: Rift Apart kann es Sonic Frontiers zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise aufnehmen. Besonders die Nintendo Switch muss in Sachen Auflösung, Darstellungsqualität und besonders Performance derart heftige Kompromisse hinnehmen. Ein Gefühl von Geschwindigkeit kommt da nicht mehr auf, außerdem leidet die Präzision frappierend unter der unstetigen Bildrate. Leider kann man im Fall der Switch wirklich nur sagen: Finger weg! 

Die Kämpfe gehen gut von der Hand und profitieren vom unaufdringlichen Levelsystem samt durchdachten Fertigkeiten. | PlayStation 5

Auch auf PlayStation 4 und XBOX One sind maximal 30 Frames pro Sekunde bei 1080p möglich. Dort performt das Spiel zwar insgesamt etwas stabiler und damit frustfreier im Gameplay, trotzdem fühlt sich der Igel immer noch zu träge an weshalb ich auch dafür keine Empfehlung aussprechen kann. Die Reihe lebt maßgeblich von ihrem wahnwitzigen Tempo, wird aber konstant von der Hardware ausgebremst. Wie es richtig geht, zeigen XBOX Series X und PlayStation 5, die im Grafikmodus zwar auch „nur“ 4K bei gleichzeitig 30 Frames pro Sekunde anbieten, mit dem zusätzlichen Leistungsmodus dann aber endlich aufs Gaspedal drücken und die Bildrate auf Kosten der Auflösung verdoppeln. Alle Konsolen machen Gebrauch von dynamischer Skalierung, abseits gelegentlicher Einbrüche von nur wenigen Frames bieten die aktuellen Konsolen im Leistungsmodus aber mit Abstand die beste Spielerfahrung.

Mit Karacho durch das Inselreich – zumindest auf PC, PlayStation 5 und XBOX Series X|S. | PlayStation 5

Die Bedienung geht auch am PC am besten mit Gamepad von der Hand. Maus und Tastatur eignen sich absolut nicht für eine frustfreie Steuerung im Hochgeschwindigkeitsbereich. Sonic Frontiers wartet mit einer kompletten deutschen Lokalisierung auf, die deutschen Sprecher leisten allesamt gute Arbeit. Schade, dass der Soundtrack dabei weit hinter den Erwartungen zurückbleibt und sich abseits weniger Highlights überwiegend generisch anfühlt. 

„Sonic wagt einen weiteren Neuanfang, dieses Mal vor den Kulissen einer offenen Welt inklusive RPG-Mechaniken. Das Konzept geht überwiegend auf, denn mit Sonic Frontiers ist den Machern ein überwiegend geglückter Start in eine neue Ära gelungen. Eine gut erzählte Geschichte, die weitestgehend motivierende Jagd nach unzähligen Sammelobjekten sowie ein hohes Maß an spielerischer Freiheit und Abwechslung bei gleichzeitig guter Kontrolle über das Geschehen zeichnen das neueste Abenteuer des legendären Igels aus. Die insgesamt nicht mehr zeitgemäße Grafik und die vielen damit verbundenen Unzulänglichkeiten – allem voran die störenden Pop-Ins auf sämtlichen Plattformen – sowie die völlig missratenen Cyberspace-Passagen und nicht zuletzt die Kamera- und Orientierungsprobleme bei Bosskämpfen verwehren dem Sonic aber leider einmal mehr den Sprung in höhere Wertungen. Auf der Nintendo Switch performt das Spiel übrigens mit Abstand am schlechtesten, von Spaß kann man dort angesichts von Matschgrafik und verheerenden Bildraten wirklich nicht mehr reden. Und auch PlayStation 4 und XBOX One bremsen das Spieltempo unschön aus.“

  • Gut geschriebene Story
  • Abwechslungsreiches Inselund Gegnerdesign
  • Guter Mix aus Action-, Geschicklichkeits- und Rätselpassagen
  • Fantastisches Geschwindigkeitsgefühl (PC, PlayStation 5, XBOX Series X|S)
  • Hohe spielerische Freiheit
  • Spaßige Kämpfe
  • RPG-Mechaniken fügen sich gut ins Spielgeschehen ein
  • Jede Menge Nebenaufgaben
  • Mindestens fünfzehn bis zwanzig Stunden Spielzeit
  • Gute deutsche Sprecher
  • Zugängliche Bedienung via Gamepad
  • Technisch insgesamt nicht mehr zeitgemäß
  • Heftige Pop-Ins auf sämtlichen Plattformen
  • Katastrophale Cyberspace-Passagen
  • Nervige Kameraprobleme, besonders in Bosskämpfen
  • Unpräzise Maus- und Tastatursteuerung
  • Schwacher Soundtrack
  • Fast unspielbare Nintendo-Switch-Version
  • 30 Frames pro Sekunde auf Last-Gen-Hardware bremsen das Spielgefühl stark aus

Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von SEGA zur Verfügung gestellt worden.

©2022 M-Reviews.de

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