Sniper Elite 5

Zum mittlerweile fünften Mal lässt uns Rebellion in Gestalt des U.S.-Elitescharfschützen Karl Fairburne an die Fronten des Zweiten Weltkrieges reisen, um den Nazis hinter feindlichen Linien die Hölle heiß zu machen. Ob aus weiter Distanz mit dem Gewehr, oder aus der Nähe mit Heimlichkeit und Hinterlist, kämpfen wir und dieses Mal kurz vor Kriegsende durch Frankreich. Dabei erfindet Sniper Elite 5 das Rad allerdings nicht neu, sondern hat nur hier und da kleinere Neuerungen im Marschgepäck. Ob die der Reihe trotzdem genug frischen Wind einhauchen, um den Vollpreis zu rechtfertigen, oder ob trotz Killcam und Co. langsam die Luft aus dem Franchise raus ist, klärt unser Test direkt von der Front.

                        

Entwickler: Rebellion

Publisher: Rebellion

Plattform: PC, PS4, PS5, XB1, XBS

Veröffentlichungsdatum: 26. Mai 2022

Preis: ab 59.99€

Ein vertrauter Krieg

Hitler und seine Nazischergen stehen kurz vor der Niederlage, Hoffnung auf den Endsieg sollen neue Superwaffen machen, die in geheimen Labors von wahnsinnigen Wissenschaftlern entwickelt werden. Als die Allierten Wind von dem Vorhaben kriegen, muss sich der Kommandosoldat Karl Fairburne einmal mehr auf ein Himmelfahrtskommando hinter feindliche Linien begeben, um die Pläne der diabolischen Hakenkreuzjünger zu vereiteln. Hilfe erhalten wir vom lokalen Widerstand, der natürlich ebenfalls stark daran interessiert ist, die Oberschurken vom heimischen Grund und Boden zu fegen. Das klingt irgendwie vertraut? Ist es auch. Gefühlt haben sich die Schreiberlinge bei Rebellion bei der Story nämlich aus jedem Kriegsfilm- und Shooter der letzten fünfundzwanzig Jahre bedient…und dabei auch die Prequels der eigenen Reihe munter wiederverwertet. Weder die Charaktere noch die eigentliche Handlung fühlen sich zu irgendeinem Zeitpunkt wirklich frisch an, sämtliche vorstellbaren Klischees werden bedient.

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Zu wenig für den veranschlagten Preis, zumindest wenn ihr nicht kostenlos über den Game Pass ins Spiel schnuppert, wo der Titel direkt zum Launch in den Katalog aufgenommen worden ist. Und selbst dann hat man das berechtigte Gefühl, sich sich einmal mehr durch eine allzu bekannte, überwiegend generische Geschichte zu daddeln, die kaum mehr als einen Blankoschein zum Abschlachten gegnerischer Soldaten und dem Hochjagen immer gleicher Zielobjekte offeriert. Die Qualitäten eines Wolfenstein mitsamt deren erinnerungswürdiger Protagonisten und Antagonisten wird zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise erreicht. Sniper Elite 5 richtet sich daher primär an Spieler, die auch im fünften Anlauf mehr vom Selben wollen oder sich um die Story grundsätzlich nicht scheren, solange man weiterhin möglichst spektakulär in Szene gesetzte Kills landen kann. Nach guten zwölf Stunden Spielzeit wartet dann auch schon der Abspann. Mehr Content gibt es nur gegen bare Münze: Ein Season Pass mit neuen Inhalten ist bereits in Arbeit, als Zusatzmission darf man Hitler einmal mehr persönlich das Licht ausknipsen. Letzteres ist für Vorbesteller kostenlos, Nachzügler müssen dagegen auch hier erneut in den Geldbeutel greifen.

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Dank weitläufig gestrickter Areale und zahlreichen verschiedenen Möglichkeiten, die angegeben Missionsziele zu erreichen, lohnt sich nach erstmaligem Abschluss definitiv ein zweiter Durchgang. Noch mehr Spaß macht´s zusammen mit einem Kumpel via KoOp. Als Team darf man sich nun endlich Munition und heilende Items teilen, auch missionsrelevante Objekte wie beispielsweise Schlüssel können getauscht werden, um die Herangehensweise flexibler zu planen. Ganz neu ist dagegen das sogenannte Invasion-Feature, welches ihr jederzeit optional im Menü ein- und ausschalten könnt. Dann nämlich kann es vorkommen, dass sich plötzlich ein echter Spieler in den feindlichen Reihen wiederfindet und Jagd auf uns macht. Richtig ausgenutzt kommt mit dieser Komponente eine ganz neue Dynamik ins Spielgeschehen. Fairerweise muss man aber sagen, dass auch diese Idee nicht neu ist, sondern schlichtweg bei Dark Souls und Co. abgekupfert wurde. Und natürlich darf auch die obligatorische Mehrspielerkomponente nicht fehlen, wo bis zu acht Spieler in diversen Modi mit- und gegeneinander ihre Fähigkeiten messen dürfen. Für mich kaum mehr als einige Stunden Zusatzmotivation, dürfte es Sniper Elite 5 damit angesichts der mächtigen Konkurrenz im Genre sehr schwer haben, dauerhaft eine größere Spielerschar an sich zu binden.

Die neue Freiheit

Wie schwer es euch das Spiel machen soll, könnt ihr wie immer ganz nach euren persönlichen Vorlieben selbst entscheiden. Von der Häufigkeit auffindbarer Hilfsobjekte über Ziel-/Atemhilfen bis zur Aufmerksamkeit der Gegner gibt es quasi kein Element, dass sich nicht präzise am eigenen Können ausrichten lässt. So eignet sich Sniper Elite 5 nicht nur für alle, die sich wie Superman mit Röntgenblick mühelos durch die feindlichen Reihen mähen wollen, sondern auch wunderbar für anspruchsvollere Spieler, die es komplett ohne Hilfe mit überaus wachsamen Feinden aufnehmen möchten und wo wirklich jede Kugel zählt. Zum Glück hat Karl seit seinem letzten Abenteuer ein paar neue Tricks gelernt und kann jetzt an Seilrutschen enttlanggleiten, schnell über kleinere Hindernisse hechten, Ranken erklimmen und auch offene Fenster stellen nun keine unüberwindbare Herausforderung mehr dar. Mithilfe des praktischen Bolzenschneiders sägen wir uns mühelos durch Maschendrahtzäune und können uns damit zusätzlich zu den bereits vorhandenen Möglichkeiten weitere Zugangspunkte zum Feindgebiet schaffen.

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Der spielerische Mix aus Splinter Cell und Hitman geht insgesamt auf, kann dabei aber deren jeweils einzigartige Stärken nie erreichen. Besonders die mittelmäßige Feind-K.I. sorgt für unfreiwillige Komik. In einer klaren Kampfsituation sind die Nazis zwar schnell auf dem Weg zum nächsten Alarmknopf und rufen Verstärkung zu ihrer Hilfe, halbwegs gefährlich sind die Grauhelme aber tatsächlich nur in großer Anzahl. Und selbst dann neigen sie dazu, Karl wie Kanonenfutter ins offene Visier zu laufen oder scheitern auf der Suche an einfachen Wegfindungsmechaniken – Probleme, die selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad nerven und die Reihe schon seit Jahren störend begleiten. Mit einer komplexeren K.I., wo bereits ein einzelner Soldat eine spürbare Bedrohung darstellt, wären die Missionen sehr viel spannender ausgefallen. Davon lenkt auch die nochmals detailliertere Killcam mit ihren fiesen Hodentreffern nicht mehr gänzlich ab. Die Häufigkeit von deren Auftreten bleibt weiterhin konfigurierbar, so oder so hat man sich an den gezeigten Zeitlupenmomenten aber bereits nach kurzer Zeit sattgesehen.

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Und dann gibt´s da noch das neue Feature, an Werkbänken Aufsätze an das überschaubare Arsenal anbringen zu können. Was zunächst nach einer guten Idee klingt, entpuppt sich in der Praxis aber als spielerisch kaum wahrnehmbare Bastelei, die damit ähnlich nutzlos bleibt wie die abermals implementierten Talentbäume. Und gerade das beispielhaft für das große Problem von Sniper Elite 5: Die ohnehin schon wenigen Neuerungen sind viel zu zaghaft implementiert worden, während man bereits bestehende Baustellen wie die unterdurchschnittlich schlauen Gegner und das Storytelling weiterhin komplett vernachlässigt hat. Wer also schon beim Vorgänger Mühe hatte, sich bis zur letzten Sequenz zu motivieren, sollte den Nachfolger lieber gar nicht erst anfassen. Für ein weiteres Sequel müssen Rebellion definitiv zurück zu den Basics und sich überlegen, inwieweit sich das komplette Konzept modernisieren lässt – oder es alternativ einfach dabei belassen. Denn ein sechster Teil ohne signifikante Verbesserungen dürfte selbst den hartgesottensten Fan kaum mehr hinter der Deckung hervorlocken.

Kampf der Generationen

Obwohl PlayStation 5 und XBOX Series X|S bereits seit weit über einem Jahr in den Regalen stehen, werden auch die Vorgängermodelle weiterhin von den allermeisten Entwicklern unterstützt. Kein Wunder, bei der sich nur langsam verbessernden Verfügbarkeit und der Tatsache, dass weltweit immer noch mehr als dreihundert Millionen Last-Gen-Konsolen im Umlauf sind. Bei Rebellion sah man sich wohl ebenfalls der schwierigen Aufgabe gegenüber, Sniper Elite 5 nicht nur auf PlayStation 4, XBOX One und deren jeweils erweiterten Modellen lauffähig zu machen, sondern auch Besitzern der neuen Generation einen ansprechenden Mehrwert zu bieten. Als Grundgerüst dient dabei einmal mehr die hauseigens entwickelte Asura-Engine. Maximal 1440p sind bei den alten Konsolen je nach Modell bei festgelegten 30 Frames pro Sekunde drin, die neue Hardware schafft bis zu 4K bei doppelter Bildrate, wobei bei der Auflösung grundsätzlich dynamische Skalierung zum Einsatz gelangt.

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Klingt also alles wie gehabt, wäre da nicht die Tatsache, dass die Macher dieses Mal sehr viel stärker auf den Einsatz von Photogrammetrie setzen, was die Kulissen im Vergleich zum Vorgänger wesentlich detaillierter und lebendiger erscheinen lässt. Die überwiegend knackscharfen Texturen, stimmige Beleuchtung und ansehnliche Partikeleffekte können es die meiste Zeit über mit der Konkurrenz aufnehmen, nur ganz selten ist mir im Test die ein oder andere Matschtextur aufgefallen. So richtig spürbar sind die Neuerungen aber nur auf starken PC´s und Konsolen der aktuellen Generation. PlayStation 4 und XBOX One lösen einfach zu niedrig auf, um sich visuell merklich vom Vorgänger abzuheben, erst ab den verbesserten Modellen werden die Unterschiede richtig sichtbar. Erfreulich ist dort zudem, dass die angepeilte Bildrate bis auf kleinere Ruckler in besonders dichten Momenten stets konstant gehalten wird – gleiches gilt auch für PlayStation 5 und XBOX Series X|S, wo man sich zusätzlich über drastisch verkürzte Ladezeiten freuen darf.

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Wer komplett ohne Kompromisse spielen will, kommt um die PC-Version nicht herum. Der umfangreiche Launcher alleine offeriert bereits die Wahl zwischen mehreren Grafikschnittstellen und Qualitätseinstellungen, die im Spiel nochmals um zahlreiche Optionen ergänzt worden sind. Hinzu kommt Support für AMD´s FidelityFX, was aber auch auf Karten von Nvidia anstandslos funktioniert und durch intelligentes Supersampling bei etwas schwächerer Hardware noch einen ordentlichen Performancezuwachs ohne große Verluste bei der Bildqualität bietet. Eigentlich eine perfekte Portierung, würde die PC-Version nicht dasselbe Schicksal wie alle Konsolen teilen und wie schon beim Vorgänger durch schlechte Kantenglättung negativ auffallen. Mehr als veraltetes FXAA hat Sniper Elite 5 nämlich nicht an Bord, selbst bei Auflösungen ab 4K wird die Treppchenbildung nicht komplett verhindert. Aber nicht nur da merkt man, dass die Engine nicht mehr die frischeste Stute im Stall ist, denn im Vergleich zu den hübschen Umgebungen fallen die Charaktere bzw. deren Animationen qualitativ merklich ab.

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Auf eine speziell für den hiesigen Markt angepasste Fassung wurde dieses Mal dankbarerweise verzichtet. Die neue Gesetzgebung macht möglich, dass auch deutsche Spieler nicht auf Hakenkreuze und Hitler verzichten müssen – sofern man dies denn unbedingt braucht. Statt passender Synchro gibt´s dafür nur englische Sprachausgabe, was angesichts der guten Originalsprecher aber nicht störend ist, im Gegenteil. Immerhin hat man sich die Mühe gemacht, für die Nazis native deutsche Sprecher vor das Mikrofon zu zerren und nicht wie seinerzeit Call of Duty: WWII mit einem starkem englischen Akzent für unfreiwillige Lacher zu sorgen. Deutsche Untertitel garantieren aber auch weniger sprachbegabten Spielern, sich in der Welt des Spiels zurecht zu finden. Die Steuerung geht sowohl via Maus- und Tastatur als auch Gamepad prima von der Hand und erfordert kaum Eingewöhnungszeit. Besonders auf PlayStation 5 hat mich die gute Einbindung des DualSense zusätzlich begeistert.

“Wer sehnsüchtig auf gewichtige Innovation gehofft hat, dürfte mit Sniper Elite 5 eine herbe Enttäuschung erleben. Dafür baut Rebellion insgesamt zu sehr auf altbewährte Ideen und Recycling, während die wenigen neuen Ideen zu zaghaft in ihrer Umsetzung sind, um wirklich frischen Wind ins Gameplay zu bringen. Handlung und Charaktere hat man schnell wieder vergessen, an der Killcam zu rasch sattgesehen. Der verbesserte kooperative Modus, das bei Dark Souls entliehene Invasion-Feature und der für Einsteiger als auch Profis gleichermaßen zugängliche Mix aus Schleichen und Schießen weiß immer noch für kurzweiligen Spaß zu sorgen. Dass sich die altbekannte Formel aber zunehmend abnutzt, kann Sniper Elite 5 zu keinem Zeitpunkt verbergen. Als Teil des Game Pass durchaus für ein-zwei Nachmittage brauchbar, wird Vollpreiskäufern überwiegend nur mehr vom Selben geboten – und das ist einfach zu wenig.” 

PRO:

+ Überwiegend hübsch und abwechslungsreich in Szene gesetzte Schauplätze
+ Insgesamt gelungene Einer-Gegen-Alle-Atmosphäre
+ Stimmige Beleuchtung
+ Ansehnliche Wettereffekte
+ Effektvolle X-Ray-Kills
+ Lautlose, heimtückische oder offensive Vorgehensweise möglich…
+ …dadurch ordentlicher Wiederspielwert
+ Funktionelles Invasion-Feature
+ Sinnvoll verbesserter KoOp-Modus
+ Brauchbare Auswahl an kurzweiligen Mehrspieler-Modi
+ Schwierigkeit für wirklich jeden Anspruch konfigurierbar
+ Faire Checkpoints und freies Speichern/Laden
+ Gute (englische Sprecher)
+ Passender Soundtrack
+ Zugängliche Bedienung
+ Gut genutzte DualSense-Features (PlayStation 5)

CONTRA:

– Handlung und Figuren komplett uninteressant…
– …und in ähnlicher Form schon unzählig oft dagewesen
– Mittelmäßig animierte Charaktere
– Gelegentlich etwas schwache Texturen
– Repetive Missionsziele
– Schwache Kantenglättung auf sämtlichen Plattformen
– K.I. nur knapp über Kanonenfutterqualität
– Waffenmodifikationen und Talente wirken sich kaum auf das Gameplay aus
– Insgesamt kaum echte Neuerungen
– Kundenunfreundliche DLC-Politik
– Kleinere Bugs

Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Rebellion zur Verfügung gestellt worden.

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