Die Story von Sifu ist schnell erzählt: Während einer regnerischen Nacht greift eine fünfköpfige Schurkentruppe unter Führung des geheimnisvollen Yang eine Kampfsportschule im fernen China an und massakriert dabei gnadenlos alle Schüler, ehe der Sifu (quasi der oberste Meister der Schule) nach einem kurzen aber brutalen Gefecht ebenfalls von Yang – der sich als ehemaliger Schüler entpuppt – ermordet wird. Ein Schicksal, welches den noch jungen Sohn des Sifu und einzigen Augenzeugen der Gräueltat nur Augenblicke später ebenfalls erwartet. Doch wie durch ein Wunder erwacht der Junior dank der Kraft eines uralten Talisman wieder zum Leben – und ist fest entschlossen, Rache für den Mord an seinem Vater zu nehmen. Acht Jahre später ist der namenlose Waise selbst zu einem Meister der Kampfkünste herangewachsen und nun endlich bereit, seinen Schwur in Tat umzusetzen…
Alter schützt vor Torheit nicht
Die Macher gehen diesbezüglich aber noch einen Schritt weiter und mischt zusätzlich Roguelike-Elemente ins Gameplay. Haut es uns im Kampf gegen die unzähligen Schergen der fünf Anführer mal aus den Puschen, dürfen wir mit dem Talisman zwar erneut ins Leben zurückkehren, altern dabei aber auch gleich um acht Jahre. Der Tod lässt sich also auch mit Magie nicht ewig austricksen. Habt ihr circa siebzig Lenze auf der Lebensuhr angesammelt, sagt das Wiedererweckungsamulett beim nächsten Ableben „Bye-Bye“ und das Spiel beginnt von vorne. Mit steigendem Alter werden zudem eure Lebenspunkte immer geringer, dafür steigt im Gegenzug die Angriffskraft. Eine gute Balance zwischen Jugend und Alter zu halten ist absolut essentiell, was in einer stetig fluktuierenden Dynamik resultiert, an die man sich als Spieler jederzeit anpassen muss, anderenfalls droht der sichere Tod. Das macht gleichermaßen Reiz und Herausforderung von Sifu aus, bietet dabei aber auch jede Menge Potenzial für einen mentalen Meltdown der Güteklasse A!
Auf Checkpoints oder einen Talismanreset nach abgeschlossenem Leben verzichtet das Spiel komplett, Trefferpunkte regenerieren sich nur durch das Besiegen von Gegnern oder an einem Schrein. Besonders der Einstieg ins Spiel entpuppt sich als absolut gnadenlos, denn die Lernkurve von Sifu ist verdammt hoch angesetzt. Wer sich mit Mühe und Not dennoch gleich beim ersten Versuch zum Endboss durchschlägt, ist dann wahrscheinlich schon so greise, dass es einen spätestens beim Start des nächsten Kapitels endgültig ins Jenseits katapultiert. Verhindern lässt sich das nur, indem ihr bereits absolvierte Missionen erneut durchspielt und euch darüber ein bisschen von eurer kostbaren Jugend zurückholen. Das hilft einerseits zwar dabei, über Zeit besser und besser in die Mechaniken zu finden, verkommt andererseits aber schnell zu einem ausufernden Grind, welcher aufgrund der Tatsache, dass euch dabei spielerisch abseits einiger freischaltbarer Abkürzungen nichts neues geboten wird, extrem schnell nervt – auch, weil es keinen Weg gibt, die selbst nach dem zehnten Versuch noch lächerlich schweren Bosskämpfe zu überspringen.
Die bereits erwähnten Schreine haben noch einen weiteren praktischen Zweck, denn nur hier lassen sich neue Fähigkeiten für den Charakter freischalten. Ganz im Sinne klassischer Roguelike-Mechaniken könnt ihr nach Belieben in Fähigkeiten investieren, die ihr im Worst Case mit in euren nächsten Durchgang nehmen wollt. Ihr startet also immer ein bisschen stärker als beim letzten Mal. Und dieses einfache Prinzip macht Sifu mindestens so motivierend wie ein klassisches Soulslike: Aus Fehlern lernen, aufmerksam zu beobachten und es beim nächsten Mal besser machen, all das funktioniert mit Fuß und Faust ebenso gut wie sonst mit Schwert und Schild. Die Umgebung nutzen, im richtigen Moment kontern und die geschwächten Feinde dann mit rabiaten Finishern abfertigen…je mehr Zeit ihr mit Sifu verbringt, desto weniger oft stellt sich das Gefühl ein, dass das Spiel mit seiner kompromisslos hohen Schwierigkeitsstufe gegen euch arbeitet. Das daraus resultierende Erfolgsgefühl ist grandios, aber der Weg dorthin eignet sich wie so oft in diesem Genre nur für eine erlesene Spielerschar. Schade nur, dass er dabei gleichzeitig auch so verflixt repetiv geraten ist.
BÄM!
Visuell setzen die Macher eher auf Minimalismus, so dass man auf den ersten Blick kaum wahrnehmen würde, dass hier die Unreal Engine 4 unter der Haube werkelt. Atmosphärisch ist das Spiel trotzdem, alleine die geschmeidig umgesetzten Animationen zeugen von der immensen Liebe der Entwickler zum Kampfsport. Im comicartigem Look präsentieren sich viele Areale sehr hübsch ausgeleuchtet und auch die ausschließlich englischen Sprechern leisten gute Arbeit. Sauber lokalisierte deutsche Untertitel gibt´s obendrauf und der Soundtrack passt einfach richtig gut zum Geschehen. Dass das Werk angesichts seiner spartanischen Visuals auch einen entsprechend geringen Hardwarehunger aufweist, erweist sich besonders für die Konsolen als vorteilhaft. Dort ist Sifu gegenwärtig ausschließlich auf PlayStation 4 und PlayStation 5 erhältlich.
1080p bei einer angepeilten Bildrate von 60 Frames für geschmeidiges Gameplay liefert bereits das Standardmodell der letzten Generation, auf PlayStation 4 PRO wird sogar bereits natives 4K bei sonst gleichen Spezifikationen angeboten. Kleinere Einbrüche sind auf beiden Plattformen gelegentlich zu beobachten gewesen, störend sind die aber nicht. Die Version für PlayStation 5 ist bei gleicher Auflösung und Bildrate wie auf der PlayStation 4 PRO nicht nur stabiler, sondern liefert vor allem sichtbar schönere Schattendarstellungen. Nur gelegentlich sind uns im Test auf allen Konsolen ab und zu ein paar Glitches bei den Schatten aufgefallen, abseits davon ist Sifu technisch eine runde Sache, zumal sich alle Versionen dieselben Assets teilen. Ein funktionsreicher Fotomodus ermöglicht es euch zusätzlich auf jeder Plattform, epische Kämpfe auf Knopfdruck für eure Freunde festzuhalten.
Auf dem PC sieht das Spiel daher zwar nicht besser, aber auch nicht schlechter aus. Selbst in niedrigeren Auflösung bleibt der grafische Charme durchgehend erhalten, zahlreiche Presets mit dazugehöriger Bildvorschau auf die zu erwartenden Auswirkungen erlauben es auch problemlos, selbst auf betagter Hardware euren inneren Kämpfer zu entfesseln. Großes Herumjustieren dürfte in den allermeisten Fällen aber gar nicht nötig sein, weil Sifu in seinen Anforderungen so genügsam ist, dass selbst ältere Mittelklasserechner auf 1080p wahrscheinlich locker mit Ultra-Settings spielen können, ohne dass die Performance darunter leiden muss. Das spart euch das Herumrechnen mit Ressourcen…und mir ausnahmsweise eine Menge Vergleichsarbeit. Yippieh! Trotzdem solltet ihr auch am PC unbedingt mit Gamepad spielen. Bei der gelegentlich etwas bockig agierenden Kamera ist das träge Spiel mit Maus und Tastatur nur eine zusätzliche Belastungsprobe. Auf PlayStation 5 wusste die gelungene Einbindung des DualSense mitsamt seines haptischen Feedback sogar nochmal ein Stückchen mehr zu begeistern.
Fazit
„Als ich mich dazu entschied, das Rezensionsangebot zu Sifu anzunehmen, habe ich das zunächst als kurzweiliges Aufwärmtraining zum kommenden Elden Ring betrachtet. Oh Junge, wie sehr man sich doch irren kann. Denn was die Macher hinter Absolver mit ihrem neuesten Werk an Gnadenlosigkeit auffahren, stellt selbst die härtesten Werke von Miyazaki-san locker in den Schatten. Es ist den Franzosen erfolgreich gelungen, ihr bockschweres Konzept nicht nur atmosphärisch, sondern auch spielerisch überwiegend klasse zu verpacken. Technisch ist Sifu auf allen Plattformen eine gute Erfahrung, in Sachen Balancing und Langzeitmotivation bleiben aber Wünsche offen. Wer genug Zeit, Geduld (und Geld für Ersatzcontroller) mitbringt, dürfte in Sifu aber trotzdem die ultimative Herausforderung finden – und ganz nebenbei eine tolle Hommage an klassische Hongkong-Klopper, die längst überfällig gewesen ist!“
PRO:
+ Toller Grafikstil
+ Hübsch ausgeleuchtete Kulissen
+ Abwechslungsreich gestaltete Areale
+ Sehr umfangreiches Fähigkeitenarsenal
+ Glaubwürdige Schurken
+ Gute englische Sprecher
+ Sauber lokalisierte deutsche Untertitel
+ Passender Soundtrack
+ Zugängliche Bedienung via Gamepad
+ Leicht zu bedienender Fotomodus
– Hintergrundgeschichte hat allenfalls Alibicharakter
– Teils lächerlich schwere Bosskämpfe
– Besonders zu Beginn brutal hohe Lernkurve
– Alterungssystem mit großem Frustpotenzial
– Spielzeit wird durch übermäßigen Zwang zum Grinding unnötig gestreckt
– Unbefriedigende Maus- und Tastatursteuerung
– Störungsanfällige Kamera
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