Schon dem direkten Vorgänger war anzukreiden, dass er seine Karriere nicht gerade in motivierende Gewänder zu verpacken wusste. Zwei Jahre später hat sich daran leider nichts geändert, denn auch dieses Mal wird stur Event um Event abgefahren, ohne dass es dazwischen irgendwelche Puffer oder gar eine kleine Handlung rund um den zuvor im rudimentären Tool erstellten Fahrer gibt. Drei Grundligen müssen zunächst in beliebiger Reihenfolge absolviert werden, ehe es im Anschluss neuen Herausforderungen in der Weltliga und danach zusätzlichen Finalligen entgegengeht. Diese beinhalten Zeitherausforderungen, Überholungen und natürlich ganz klassische Rennen gegen die K.I. Je nachdem, wie gut ihr in diesen Kategorien abschneidet, belohnt euch das Spiel mit Punkten. Habt ihr davon genügend angesammelt, schalten sich weitere Events frei. Wenn es also einmal nicht reicht, bleibt lediglich der Blick in bereits absolvierte Events und die Hoffnung, hier und da noch ein paar Extrapunkte rausholen zu können.
Neben Punkten verdient ihr euch auch stetig Erfahrungspunkte und Credits, letztere könnt ihr jederzeit beim Händler in neue Untersätze investieren. Die Ausschüttung der Ingamewährung ist fair genug geraten, um nicht allzu viel Zeit auf nervigen Grind verschwenden zu müssen. Glücklicherweise haben die Macher dabei auf zusätzliche Echtgeldoptionen zur Aufstockung des Guthabens verzichtet, weshalb ihr wirklich nur auf das zugreifen könnt, was ihr euch im Schweiße eures Angesichts auch selbst verdient habt. Früher oder später ist der Besuch beim Händler sowieso Pflicht, denn je nach Event stellt das Spiel auch Anforderungen an euer Motorrad. Erfüllt die keines eurer gegenwärtig im Besitz befindlichen Rennboliden, geht es solange nicht weiter, bis eine entsprechend kompatible Anschaffung getätigt wurde. Nur im freien Spiel offeriert man euch die Möglichkeit, die nötigen Motorräder kostenlos auszuleihen, damit ihr umgehend und im besten Sinne eines freien Spiels ohne finanzielle Hürden loslegen könnt.
Wie lange hältst du durch?
Gänzlich neu in RIDE 4 ist die Implementierung des sogenannten Ausdauermodus. Hier fahrt ihr mit besonderem Fokus auf Reifenabnutzung und Treibstoffverbrauch gegen die K.I. – ein leerer Tank oder das Aufziehen neuer Straßenschläuche zwingt euch früher oder später in die Box. Hier zählt nicht nur Timing, um den Gegnern immer eine Nasenlänge voraus zu sein, sondern auch korrektes Handling eures Motorrades, wobei nur eine Handvoll Modelle mit dem Modus kompatibel sind. Bremst ihr zu häufig zu hart ab, verschleißen eure Reifen wesentlich schneller, was zusätzliche Stopps notwendig macht und der Konkurrenz Zeit gibt, an euch vorbeizurauschen.
Alles in allem gefällt mir der neue Modus auf dem Papier recht gut, in der Praxis dagegen gerät schon der Start zum Ärgernis, da es hier keinerlei Qualifying gibt, sondern alle Fahrer beim Start erst zu ihren Maschinen sprinten müssen. Weil man aber auch das nicht selbst kontrollieren kann, erscheint einem die Startplatzierung nicht ohne Grund verdammt willkürlich. Im allgemeinen Chaos fällt man dann auch noch oft hinter den Gegnern zurück. Zudem wäre es schön gewesen, diesen Modus auch im Rahmen der Mehrspielerkomponente ausprobieren zu können. Dort wird allerdings nicht mehr geboten als gewöhnliche Rundrennen, ohne Turnierfunktion oder andere Optionen. Und wer glaubt, die Startschwierigkeiten im Ausdauermodus wären schon alles, liegt mit seiner Annahme gründlich falsch.
Der schmale Grat zwischen Frust und Fairness
RIDE 4 ist eine waschechte Rennsimulation und stellt dementsprechend auch einen gewissen Anspruch an seine Spieler. Denn obwohl die Anzahl frei konfigurierbarer Hilfen auch dieses Mal wieder vorbildlich ist und sich für nahezu jeden Aspekt in mehreren Stufen komplett nach den eigenen Bedürfnissen regulieren lassen, kommt es immer wieder zu nervigen Frustmomenten. Die zeigen sich in der Karriere bereits im allerersten Event, denn bereits eine hauchfeine Übertretung der Streckenbegrenzung führt dort zur kompletten Negierung der aktuellen Rundenzeit. Weil die Zweiräder selbst unter Aktivierung sämtlicher Hilfen teilweise immer noch wie Blei in den Kurven legen, hat es selbst dann fast eine gute halbe Stunde gedauert, bis ich endlich mit einer gewerteten Zeit ins Ziel fahren konnte.
Manchmal ärgern einen die Macher aber durch schlichte Nachlässigkeiten beim allgemeinen Spieldesign. Bei Regen zu lenken ist so schon schwer genug, aber sich dann mit einem vorgegebenen Tempo noch durch unfair platzierte Punkte schlängeln zu müssen, grenzt quasi an Masochismus. Für solche Probleme gibt es in den meisten Genrevertretern mittlerweile Rückspulfunktionen, mit denen man sich auf komfortabelste Weise erneut an kniffligen Stellen versuchen kann, ohne gleich den kompletten Event neustarten zu müssen. Deren Nutzung verweigert einem RIDE 4 aber ausgerechnet bei jenen Herausforderungen, in denen man ihn am dringendsten benötigt.
Dadurch gerät das Spiel selbst bei kompletter Unterstützung zu einem in Sachen Anspruch extrem unausgegorenen Erlebnis, dass selbst lächerlich kleine Fehler drakonisch bestraft. Nicht nur, dass Einsteiger dadurch gleich von Anfang an abgeschreckt werden, auch Veteranen dürften sich unter Aufbringung all ihrer Fertigkeiten immer wieder ungerecht behandelt fühlen. Balance ist das Zauberwort, an dem RIDE 4 leider auch dieses Mal wieder konsequent scheitert. Dazu trägt auch die immer noch viel zu aggressiv auftrende K.I. einiges bei, die einen in Rennen oft grundlos attackiert und alles aus der Bahn drängt, was der Ideallinie im Weg steht. Wenigstens dann ist Rückspulen erlaubt. Den Ärger darüber, wieder mal ohne Eigenverschulden vom Bike geschleudert worden zu sein, wird dadurch aber leider nicht behoben.
Form und Farbe
Wo die Macher dagegen richtig geklotzt haben, ist das Angebot an Motorrädern, deren gestalterische Liebe zum Detail und nicht zuletzt die Unmengen an Möglichkeiten, den eigenen Fahrer samt Untersatz optisch nach Belieben anpassen zu können. Bis zu satte 175 Vehikel sind editionsabhängig im Spiel enthalten, darunter nicht nur Klassiker von Honda, Triumph und Co., sondern auch erfreulich viele aktuelle Modelle, die teilweise erst im letzten Jahr in den Handel gelangt sind. Jedes bis in die kleinste Schraube den Originalen nachempfunden und mit einem ganz eigenen Motorensound samt Handling versehen. Wem die Standardmodelle nicht schnell genug sind, darf gegen Credits aus einer umfangreichen Palette von Tuningteilen nachrüsten. Das alles geht dank der aufgeräumten Menüs ebenso gut von der Hand wie die Bedienung des Editors für Lackierungen und Decals.
Mit nur wenigen Handgriffen lässt sich das Outfit eurer Wahl nach persönlicher Präferenz verschönern. Dafür wird euer Overall in verschiedene Schichten eingeteilt, die sich problemlos einzeln anvisieren und dann bearbeiten lassen. Ob Muster, Sticker oder Buchstaben, die Auswahl ist sehr umfangreich geraten. Im Anschluss könnt ihr eure Kreationen auf Wunsch mit der gesamten Community teilen und natürlich im Gegenzug auch die kreativen Schöpfungen anderer Spieler herunterladen. All das ebenfalls ohne Mehrkosten. Generell wird Customization in RIDE 4 ganz groß geschrieben. Was das Spiel an Optionen dafür offeriert, ist mehr als vorbildlich. Lediglich die Gesichter eures Avatars können nicht modifiziert werden. Da sich diese aber ohnehin permanent hinter einem Helm befinden, ist das kein großer Verlust.
Etwas weniger experimentierfreudig zeigt man sich beim Streckenaufgebot. Zwar muss man auch dieses Mal loben, mit welcher Akribie das Lizenzpaket von Nürburgring, Lacuna Seca und Co. umgesetzt worden ist, alles in allem fehlen mir abseits der Vielfahrern längst blind vertrauten Kurse Eigenkreationen, wie sie beispielsweise ein Gran Turismo seit jeher bietet. Abseits visuell etwas abwechslungsreicherer Strecken wie Japan und Frankreich bleibt es bieder. Mit allen Variationen kommt man somit nur auf dreißig verschiedene Kurse, denen ein großes Aha-Erlebnis aber längst abhandengekommen ist. Bei allen Editoren, die RIDE 4 mitliefert, wäre ein Streckentool dementsprechend eine sehr willkommene Zugabe gewesen. Simulation bedeutet ja schließlich in erster Linie Fahrgefühl und zwingt einen deswegen nicht unbedingt an ausschließlich reale Strecken. Lediglich die gelungenen Tag- und Nachtzyklen sowie dynamisches Wetter sorgt immerhin noch für ein bisschen Abwechslung auf den altbekannten Routen.
Was machbar war
Die hauseigene Engine von RIDE wurde für den aktuellen Ableger nochmals gründlich aufgemotzt. Das Ergebnis kann sich auch abseits der hochdetaillierten Zweiräder sehen lassen, besonders die Wettereffekte sind neben der hohen Texturqualität bei Straßenbelag und Co. positiv hervorzuheben. Damit ist aber auch ein gewisser Leistungshunger verbunden, dem selbst die erweiterten Modelle der gegenwärtigen Konsolengeneration kompromisslos gewachsen sind.
1080p bei immerhin stabilen 30 Frames pro Sekunde wird auf den Standardmodellen geboten. Letzteres ist für ein Rennspiel einfach zu wenig. Dazu gesellen sich teilweise Ladezeiten weit über eine Minute, was besonders hinsichtlich der häufig alternativlosen Neustarts im Rahmen der Karriere schnell unangenehm wird. Selbst auf PlayStation 4 PRO und XBOX One X kommt man um die Warterei nicht herum, hier bekommt man aber zumindest zwei verschiedene Grafikmodi angeboten. Im aktivierten Performancemodus gelingt der Sprung auf die für so ein Spiel eigentlich mindestens notwendigen 60 Frames pro Sekunde, was das Fahrgefühl spürbar verbessert, dafür schraubt das Spiel dann die allgemeine Detailqualität zurück. Matschigere Texturen und aufploppende Objekte sind der zu entrichtende Preis. Im Qualitätsmodus werden Auflösung und Darstellungsqualität im Vergleich zu den Standardmodellen angehoben, das geht dann aber wieder auf Kosten der Bildrate. So richtig ideal ist nichts davon. Immerhin produziert der mitgelieferte Fotomodus auf sämtlichen Plattformen tolle Ergebnisse. Kostprobe gefällig?
Natürlich tröstet die Knipserei nur wenig über die Tatsache hinweg, dass RIDE 4 abseits des PC´s momentan seinen eigenen technischen Ansprüchen unterliegt. Andererseits glaube ich, dass dies auch auf mangelnde Optimierung zurückzuführen ist. Denn bedenken wir, dass ein Forza Horizon 4, Gran Turismo Sport und selbst das wesentlich ältere Drive Club auf den aktuellen Systemen noch immer wunderschön aussehen und tolle Grafik ohne Performancekompromisse bieten, wären ähnliche Ergebnisse auch auf PlayStation 4 PRO und XBOX One X sicher möglich gewesen. Stattdessen soll es nun die kommende Generation richten, für die Milestone neben zahlreichen Gameplayverbesserungen auch dynamisches 4K bei sauberen 60 Frames pro Sekunde verspricht. Wir bleiben natürlich dran und werden bei Zeiten in Form eines kurzen Nachtests von sämtlichen Erweiterungen berichten. Dazu zählt dann hoffentlich auch eine fairer agierende K.I. und das Beseitigen gegenwärtig frusttrierender Herausforderungshürden.
Die Bedienung geht wenig überraschend mit Gamepad deutlich besser von der Hand als mit der Tastatur. Nur dann lassen sich die Motorräder im Rahmen ihrer Beschaffenheit optimal lenken. Nicht ganz so nutzerfreundlich verhält es sich dagegen mit den Tutorials. Die existieren nämlich schlichtweg nicht, was manche Fachbegriffe und Abkürzungen gerade für Einsteiger unverständlich gestaltet und diese dazu zwingt, all das bei Google nachzuschlagen, was mit simplen Texteinblendungen auch intern hätte umgesetzt werden können. Abseits der tollen Motorengeräusche ist RIDE 4 übrigens ein ziemlich stilles Spiel. Ein bisschen balanes Hintergrundgedudel in den Menüs, das ist letztendlich alles, was man auf die Ohren bekommt.
Fazit und Wertung
“Über die letzten Monate wurde RIDE 4 immer wieder mit Next Gen-Features beworben, von denen man aber abseits der wunderschön detaillierten Modellen gegenwärtig nicht viel merkt. Lediglich auf dem PC kann man mit entsprechend leistungsstarker Hardware immerhin schon mal einen visuellen Vorgeschmack auf das bekommen, was im Konsolensegment erst ab Januar nachgereicht werden wird. XBOX One und PlayStation 4 müssen augenblick zuviele technische Kompromisse eingehen, denn keiner der angebotenen Grafikmodi stimmt so richtig glücklich. Abseits davon bleiben der langweilig inszenierte Karrieremodus und anhaltende K.I.-Probleme die großen Baustellen der Reihe, welche zusätzlich weiterhin unter gravierenden Balancingproblemen leidet. Alles Schwächen, die auch der gewohnt riesige Umfang nicht zu mindern vermag.”
PRO:
+ Wunderschön in Szene gesetzter Fuhrpark
+ Ansehnliche Tag- und Nachtübergänge
+ Hübsche Wettereffekte
+ Weit über hundert Motorräder aus unterschiedlichsten Epochen…
+ …mit jeweils einzigartigem Handling und Klang
+ Praktische Leihfunktion in schnellen Rennen
+ Extrem umfangreiche Karriere…
+ …mit fairen Progressmechaniken
+ Ausdauermodus mit guten Ansätzen
+ Detailgenau umgesetzte Strecken
+ Gut implementierte Tuningkomponente
+ Mächtige Editoren für Motorrad- und Outfitgestaltung…
+ …mit kostenloser Funktion für Communitysharing
+ Zahlreiche, flexibel konfigurierbare Fahrhilfen
+ Gute Bedienung via Gamepad
CONTRA:
– Massive Balancingschwächen sorgen für viel Frust über nahezu jedes Event
– K.I. agiert grundlos viel zu aggressiv
– Teils unfair harte Penalties, die selbst kleinste Fehler drakonisch bestrafen
– Rückspulfunktion wird genau dort gesperrt, wo man sie am ehesten benötigt
– Schwierigkeitsgrad in der Karriere schwankt stark…
– Karriere langweilig inszeniert
– Alles in allem wieder nur Standardkost beim Streckenpaket
– Selbst unter Aktivierung aller Hilfen kaum einsteigerfreundlich
– Minimalistische Mehrspielerkomponente
– Lange Ladezeiten, besonders auf Konsolen
– Belangloser Soundtrack
– Bildratenbedingt kein wirkliches Geschwindigkeitsgefühl auf Standardkonsolen…
– …während im Performancemodus der erweiterten Modelle die Bildqualität zu sehr leidet
– Fummelige Tastatursteuerung (PC)
GESAMTWERTUNG: 6.2/10