Dimensionschaos
Ratchet und Clank folgen Nefarious ohne Zögern, werden aber kurz nach ihrer Ankunft in einer düsteren Metropole voneinander getrennt. Während Ratchet sich notgedrungen alleine mit dem lokalen Widerstand zusammentut, gerät Clank in die Hände der kessen Lomaxdame Rivet, die als wichtiges Rebellenmitglied ganz weit oben auf der Abschussliste des Imperators steht. Nach einigen haarsträubenden Ereignissen finden die drei Kämpfer für das Gute schließlich zusammen. Den Abschaum der Galaxis im Nacken plant das Trio nun, den Dimensionator zu reparieren, das Ende des Universums abzuwenden und Nefarious von seinem Thron zu verjagen. Keine leichte Aufgabe, denn auch in dieser Dimension wachsen die nötigen Bastelmaterialen nicht auf Bäumen. Die Geschichte wird auf Kinoniveau erzählt, ist aber leider viel zu schnell zuende. Je nach Schwierigkeitsstufe und Komplettierungsgrad bei Nebenaufgaben und Sammelobjekten flimmert der Abspann bereits nach guten zwölf Stunden über die Mattscheibe. Gemessen am happigen Preis von gegenwärtig knapp achtzig Euro ist das leider ziemlich wenig.
Diese zwölf Stunden zählen dafür mit zum Besten, was Gamer momentan für Geld bekommen können. Temporeiche Action, abwechslungsreiche und wunderschön designte Welten, erinnerungswürdige Charaktere und jede Menge Witz machen Ratchet & Clank: Rift Apart zu einem absoluten Pflichttitel für die PlayStation 5. Wer die bisherigen Abenteuer der Beiden nicht kennt, muss sich übrigens nicht sorgen: Zwar warten auf Kenner zahlreiche Anspielungen und Referenzen, aber auch absolute Neueinsteiger dürften keine Probleme haben, der Story zu folgen. Die präsentiert sich gewohnt linear, trotzdem hat man im Anschluss an den ersten Durchgang sofort Lust, nochmal loszulegen. Dies wahlweise im New Game Plus mit allen zuvor freigeschalteten Waffen und Verbesserungen, oder komplett von vorne auf einer höheren Schwierigkeitsstufe. Die Einsteigerfreundlichkeit geht hier tatsächlich soweit, dass man das Spiel auf Wunsch sogar mit Unverwundbarkeit daddeln darf, während man auf höheren Herausforderungsstufen alleine schon aufgrund der überraschend taktischen Bosskämpfe ordentlich gefordert wird. Jeder Anspruch wird also optimal bedient.
Risse im Universum
Momentan kann man es den treuen Anhängern der PlayStation irgendwie nicht so richtig recht machen. Veröffentlicht Sony Exclusives Jahre nach der Erstveröffentlichung für den PC, schreit die Community Verrat. Erscheint ein neuer Titel sowohl für die neue als auch für die alte Plattform wird gemeckert, dass sowas die neue Technik zurückhält. Bringt man Spiele ausschließlich für die PlayStation 5, wird über die mangelnde Verfügbarkeit der Hardware geschimpft. Auch im Falle von Ratchet & Clank: Rift Apart wurde Geschrei laut, dass man das Spiel mit einigen Anpassungen doch sicher auch auf die PlayStation 4 hätte bringen können. Nein. Hätte man nicht. Grafische Abstriche wären sicherlich möglich gewesen, aber das komplett auf nahtloses Reisen zwischen den Dimensionen ausgelegte Gameplay hätte sich mit Last Gen-Technik unmöglich realisieren lassen. Die schnelle SSD der PlayStation 5 ermöglicht diese Übergänge komplett ohne Ladezeiten und liefert damit genau den einzigartigen Flow, der maßgeblich für den gewaltigen Spielspaß verantwortlich ist.
Via Knopfdruck können Ratchet und Rivet an vordefinerten Punkten immer wieder kleine Portale öffnen, um sonst unerreichbare Areale erreichbar zu machen – gelegentlich auch unter Zeitdruck, beispielsweise beim Railgrind oder im Rahmen der zahlreichen Rennevents. Weil man auf den jeweiligen Strecken aber immer erst ein gewisses Orientierungsgefühl finden muss, kann es in solchen Momenten schonmal zu klassischem Trial and Error kommen. An anderer Stelle sind die Dimensionsrisse essentieller Bestandteil der zahlreichen Rätsel. So finden wir uns irgendwann in den Trümmern eines zerstören Planeten wieder. Wo reguläres Weiterkommen unmöglich ist, können wir mithilfe eines Kristalls in die Parallelwelt wechseln, wo sich der Planet noch in bestem Zustand befindet. Und wir reden hier nicht von kleinen Umgebungen, stattdessen wird auf diese Weise ein riesiger Level transformiert, ohne dass zwischendurch geladen werden müsste oder es gar zu Rucklern kommt.
Das ist definitiv ein Achievement, dass in dieser Form nur auf aktueller Hardware zu erlangen ist. So bitter das auch für alle sein mag, die immer noch verzweifelt nach einer PlayStation 5 suchen. Sicher würde auch ohne das ganze Konzept noch genug für ein gutes Spiel bleiben. Nur herausragend wäre es eben nicht. Und darüber würden am Ende doch auch nur wieder alle maulen. So begrüße ich die Entscheidung der Entwickler und Sony, das neue Ratchet & Clank nicht noch auf die PlayStation 4 portiert zu haben. Damit wäre auf Dauer niemand glücklich geworden, weder die Macher mit ihrer Vision, noch die Spieler.
Witz und Waffen
Fans der Vorgänger wissen es bereits: Das Universum rettet sich nicht alleine mit Schraubenschlüssel und gutem Willen. Damit Ratchet und Rivet es auch dieses Mal wieder erfolgreich mit ihren zahlreichen Feinden aufnehmen zu können, steht den Lombaxen einmal mehr ein gewaltiges Arsenal an kreativer Feuerkraft zur Verfügung – zumindest, solange genug Bolzen auf dem Konto sind. Vom einfachen Blaster bis zu ausgefallenen Waffen wie der Blackhole Storm steht euch eine angenehm umrangreiche Palette von Schießprügeln und Granaten für jeden Anlass zur Verfügung. Das Upgradesystem mithilfe der seltenen Komponente Raritanium hat man dabei aus dem Remake übernommen. Munitionskapazität, Radius und Co. werden über einfache Felder freigeschaltet. Habt ihr jedes Hexagon um eine der mächtigen Bonusfertigkeiten aktiviert, wird auch diese freigeschaltet. Zusätzlich erhalten Waffen nach jedem Einsatz Erfahrungspunkte und richten mit höheren Leveln mehr Schaden an. Auf der Höchsstufe darf man sich über besonders mächtige Upgrades freuen, so schießt beispielsweise der Blaster statt einem Schuss gleich drei ab. Schade nur, dass im permanent hoch auf Ballerei gehaltenen Fokus des Spiels alle Formen von Hüpf- und Geschicklichkeitseinlagen arg in den Hintergrund rücken.
Das Arsenal fügt sich jedoch prima ins verrückte Setting ein und motiviert, jeden Schießprügel bis auf das Maximum hochzurüsten. Auch die Währungsausschüttung ist mehr als fair geraten, weshalb es sich lohnt, nach jedem Areal beim Händler des Vertrauens im Nachschub zu stöbern. Nicht ganz so gelungen ist die Implementierung von Kleidung. Das Absolvieren bestimmter Challenges belohnt euch zwar mit Stiefeln, Helm und Brust, welche als Set angelegt ein paar zusätzliche Boni bieten, die fallen aber so verschwindend gering aus, dass man sie sich genauso gut komplett sparen kann. Sammelfreaks können sich auf die Suche nach goldenen Bolzen machen, mit denen neue Waffenskins freigeschaltet werden. Einfluss auf das Gameplay haben diese Cosmetics aber nicht. Andere überall verstreute Artefakte liefern Informationen zu versteckten Arealen oder schalten kombiniert sogar die mächtigste Waffe im Spiel frei. Es lohnt sich also, die Augen offen zu halten. Praktisch: Sämtliche Fundorte sind von Anfang an auf den Levelkarten vermerkt, nur Erreichen lässt sich nicht immer alles sofort. Weil man aber alleine für die Nebenmissionen nochmal zu bereits bewältigten Planeten zurückkehren muss, ist das nicht allzu schlimm.
Aber selbst wenn einen all das nicht interessiert: Die einzelnen Welten wurden mit so viel Liebe zum Detail geschaffen und strotzden nur so voller Leben, dass man eigentlich gar keinen besonderen Grund benötigt, um einen erneuten Abstecher zu wagen. Ob Sumpflandschaft, Großstadt oder Planetenwrack, schönere Landschaften findet ihr momentan in keinem anderen Genrevertreter. Mit dem umfangreichen Fotomodus könnt ihr jeden einzelnen dieser Momente festhalten. Filter, Posen und zahlreiche weitere Optionen lassen das Herz eines jeden Hobbyfotografen höher schlagen, auch wenn es beim Austesten gelegentlich zu kleineren Bugs gekommen ist, wo das System nicht auf das Umschalten der Posen reagieren wollte. Da müssten die Entwickler eventuell nochmal drüberschauen.
Kein schöner Land
Ratchet & Clank: Rift Apart nutzt das gleiche hauseigene Grafikgerüst wie schon Marvel´s Spider-Man und dessen Spinoff Miles Morales. Beides hat schon auf der betagten PlayStation 4 eindrucksvolle Grafik geboten, während letzteres auf der PlayStation 5 mit zusätzlichem, aber nicht auf ganzer Linie überzeugendem Ray Tracing einige Pluspunkte extra sammeln durfte. Es war also spannend abzuwarten, wie denn ein Spiel aussehen würde, dass mit gleicher Engine kompromisslos für die neue Hardware entwickelt werden würde. Die Antwort ist nun da und sie lautet: Wahnsinnig schön. Tatsächlich gibt es momentan auf der gesamten Next Generation keinen schöneren Titel, was die Messlatte für zukünftige Veröffentlichungen angesichts der Tatsache, dass wir uns gerade erst am Anfang eines neuen Konsolenzyklus befinden, bereits extrem hoch anlegt. Alleine die Animationen inklusive Mimik könnten genauso gut aus einem topaktuellen Pixar-Film stammen und harmonieren perfekt mit der lebendigen Welt des Spiels. So lassen sich Emotionen wie Freude, Trauer und Neugierde problemlos aus den Gesichtern ablesen, die in Echtzeit gerenderten Zwischensequenzen sind einfach eine Augenweide! Selbst kleinere Kreaturen wie Sumpffliegen offenbaren bei näheren Hinsehen eine Detailtreue, wie man sie so kaum zu sehen bekommt.
Am eindrucksvollsten sieht Ratchet & Clank: Rift Apart im Grafikmodus aus. Natives 4K trifft hier auf die schönstmöglichen Effekte sowie Raytracing vom Feinsten. Letzteres liefert nicht nur opulente Echtzeitreflektionen bei dafür tauglichen Oberflächen (vor allem der Opener ist ein tolles Showcase dafür), sogar in den Augen spiegeln sich dann Blasterfeuer und Co. All das kommt aber nicht ohne einen Preis daher: Wer das Spiel so nahe wie nur möglich an kinoreifer Optik genießen will, muss bei der Bildrate mit 30 Frames pro Sekunde Vorlieb nehmen. Die werden zwar konstant gehalten, dem Pacing des eher auf rasante Geschicklichkeits- und Gefechtseinlagen ausgelegten Gameplay tut das aber alles andere als gut. Der Grafikmodus eignet sich also eher für Visualfetischisten, denen Optik über Spielspaß geht. Der zweite von insgesamt drei möglichen Modi bietet dagegen einen ausgeglichenen Mix aus Leistung und Raytracing bei 60 Frames pro Sekunde. Um das zu ermöglichen, werden aber sowohl Auflösung als auch die Qualität von Effekten, Schatten und Objektdichte kräftig reduziert.
In diesem Modus sieht das Spiel trotz Abstrichen immer noch gut aus, leidet aber unter einem besonders aus der Nähe merklich matschigeren Bild. In meinen Augen ein zu hoher Preis für aktivertes Raytracing, welches so ohnehin weit weniger eindrucksvoll rüberkommt. Die für mich optimale Wahl ist der dritte und letzte Modus um Angebot. Hier wird Raytracing zugunsten einer dynamisch skalierten Auflösung bei gleichzeitig hoher Bildrate deaktiviert, stattdessen kommen ausschließlich statische Reflektionen zum Einsatz, die sich aber ebenfalls sehenlassen können. Die Schönheit von nativem 4K wird abermals nicht erreicht, das deutlich schärfere Bild bei konstanten 60 Frames pro Sekunde ist aber der ideale Kompromiss. Sämtliches Bildmaterial wurde übrigens in diesem Modus aufgezeichnet, was mehr als aussagekräftig sein dürfte. Am Ende muss aber jeder wie immer selbst darüber entscheiden, was sich für ihm am ehesten ideal anfühlt. Dass Insomniac Games von Anfang an drei verschiedene Modi anbietet, ist definitiv lobenswert, zeigt aber auch, dass die hochmodernen Echtzeitspiegelungen in dieser Konsolengeneration noch ein zu teures Feature ist, welches zwangsläufig Einbußen in allen anderen technischen Aspekten bedeutet.
Ohne Abstriche loben muss man dafür die vorbildliche Einbindung des DualSense-Controllers sowie der gegenwärtig exklusiv auf der PlayStation 5 verfügbaren Technologie für dreidimensionalen Sound über die eigens dafür angedachten Kopfhörer. Bei der Waffennutzung hat man dank der Widerstände im rechten Trigger immer das Gefühl, einen echten Abzug zu betätigen, betreten wir im Verlauf der Story eine Disco, bummert der Bass elegant abwechselnd in der linken und rechten Hand. Was für andere Spielereien sein mögen, ist für mich ein nicht geringer Beitrag zur Immersion, den man so (leider) gegenwärtig auf keiner anderen Plattform geboten bekommt. Gleiches gilt eben auch für das Headset, dass hier mit hervorragend platzierten Effekten aufwartet und das Mittendringefühl nochmals steigert, auch wenn das Spiel natürlich auch über reguläres Heimkino sensationell klingt. Der Soundtrack aus der Feder von Mark Mothersbaugh, der seinen experimentiellen Stil bereits in Thor: Ragnarok exzellent zur Schau stellen durfte, liefert auch hier viel musikalische Abwechslung. Allerdings bleiben die – wenngleich immer noch guten – deutschen Sprecher qualitativ etwas hinter der englischen Originalbesetztung zurück. Ein Wechsel ist aber wie immer bei Sony jederzeit problemlos möglich.
„Ich gebe es zu: Seit den glorreichen Tagen eines Banjo-Kazooie hatte ich mit einem Vertreter dieses alterwürdigen Genres nicht mehr so viel Spaß wie mit Ratchet & Clank: Rift Apart. Zwar wussten auch die zahlreichen Vorgänger und Ableger stets gut zu unterhalten, das gewisse Etwas hat mir dabei aber immer gefehlt. Diese Lücke haben die Macher von Insomniac Games mit der Idee der nahtlosen Dimensionsreisen bis zum Morphen ganzen Welten nun endlich gefüllt. Eine filmreife, toll erzählte Geschichte mit liebenswerten Charakteren in Traumgrafik gibt es obendrauf. Und obwohl mir über die zahlreichen Feuergefekte ein bisschen zu sehr die Geschicklichkeitskoponente abhanden kommt, macht das Gameplay irre viel Fun. Umso betrüblicher, dass der große Spaß bereits nach gut zwölf Stunden bereits zuende ist. Trotz kleiner Schwächen ist der Einstand des Trios ein durch und durch beeindruckender und damit absolutes Pflichtprogramm.“
PRO:
+ Traumhaft schöne Grafik mit Zwischensequenzen auf Kinoniveau
+ Toll animierte Charaktere mit glaubhafter Mimik
+ Abwechslungsreiche Welten mit immenser Liebe zum Detail
+ Spannende Story ohne Leerlauf
+ Viele optionale Nebenbeschäftigungen
+ Gut platzierter Humor, der seine Wirkung nie verfehlt
+ Nahtloser Übergang zwischen Dimensionen
+ Portale und Co. wurden optimal ins Spielgeschehen eingebunden
+ Insgesamt gelungenes Gameplay mit sinnvoll gestalteten Rätselpassagen
+ Große Auswahl an abgefahrenen Waffen…
+ …mit motivierendem Upgrade- und Levelsystem
+ Fünf Schwierigkeitsgrade für jeden Anspruch
+ New Game Plus
+ Umfangreicher Fotomodus
+ Passender, facettenreicher Soundtrack
+ Erstklassige englische Sprecher
+ Exzellente Einbindung des DualSense-Controllers
+ Ladezeiten quasi nicht vorhanden
+ Zugängliche Bedienung
– Relativ kurz
– Ausrüstungs- und Setboni quasi bedeutungslos
– Nur noch sehr wenige Geschicklichkeitspassagen
– Deutsche Sprecher schwächeln mitunter etwas
GESAMTWERTUNG: 9.1/10
©2021 Wrestling-Point.de/M-Reviews