Getestet und verfasst von General M
Der Erstling „Schatten von Mordor“, welcher vor kaum mehr als drei Jahren erstmals für die Last Gen erschien und später dann auch für aktuelle Systeme sowie den PC ein weiteres Mal aufbereitet wurde, erwies sich sowohl für Entwickler Monolith („No One Lives Forever, Alien vs. Predator“) als auch Publisher WB Games (unter anderem für den Vertrieb der „Arkham“ – Reihe verantwortlich) als Überraschungserfolg, der von Spielern und Presse gleichermaßen gut aufgenommen wurde. Besonders das Nemesis – System wusste zu überzeugen, ein wenig Leerlauf im Spiel und manch andere Ungereimtheit verwehrte dem Titel jedoch Wertungen jenseits der magischen 90. Drei Jahre später steht nun die Fortsetzung in den Startlöchern. Hat Monolith die drei Jahre genutzt, oder steht der virtuelle Untergang Mittelerdes unmittelbar bevor?
Spinnendame Kankra erscheint als Verbündete. Kann man ihr wirklich trauen?
Ob ihr nun Kenntnisse des Vorgängers habt oder nicht, Teil II bringt auch mit einem kurzen Film vor Spielbeginn auf den aktuellsten Stand und befördert euch unmittelbar an den Punkt, wo der neue Ring am Schicksalsberg geschmiedet wurde. Dabei hat Celebrimbor allerdings eine ganze Menge seiner Lebensenergie verbraucht, was seiner ohnehin recht distanzierten Persönlichkeit nicht wirklich zugute kommt. Und auch den Ring verliert das Gespann schon kurz darauf an die Riesenspinne Kankra (hier in attraktiver Frauengestalt), deren dadurch vorhandene Gabe der Vorhersehung für den gefallenen Gondorianer zwar höchst nützlich ist, den Keil zwischen ihm und den Geisterelfen aber nur weiter vertieft. Auf welcher Seite die Spinnendame letztendlich steht, erschließt sich erst im Verlauf der Geschichte, vorerst jedoch scheint die Zusammenarbeit fruchtbar zu sein: Kankra schickt Talion und Partner nach Minas Ithil, eine von Saurons Armee belagerte Menschenstadt nicht weit entfernt von Minas Tirith und der von allgemeinem Unglück geplagten Hafenstadt Osgiliath.
Die Ansichten von Talion und Celembrimbor gehen zunehmend auseinander.
Dort kämpfen die Truppen nicht nur um´s Überleben, sondern auch um ihren größten Schatz, einen Palantir, jenes Werkzeug, welches seinem Besitzer zeigt, was immer er zu sehen verlangt. Klar, dass diese mächtige Waffe nicht in Saurons Hände gelangen darf. Im Verlauf der mit knapp 40 Stunden sehr umfangreich ausgefallenen Einzelspielerkampagne gilt es, neue Verbündete um sich zu scharren, den Palantir zu ergattern und letztendlich die Tore von Saurons Festung zu stürmen. Dafür benötigt Talion allerdings eine Armee…und die Rekruten kommen nicht nur aus den Reihen der Verbündeten. Dafür schickt Sauron jetzt seine mächtigsten Diener aus dem Tolkien – Universum in die Schlacht, darunter auch der Hexenkönig von Angmar, sogar einem Balrog darf man sich stellen. An manchen Punkten weicht das Spiel allerdings recht krass von der Vorlage ab, was Kennern der Bücher sicherlich einigen Ärger bereiten wird.
Nemesis 2.0
Monolith hat die Entwicklungszeit dafür genutzt, das Nemesis – System massiv zu erweitern. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Abermals greifen wir in die Hierarchie der unter einander konkurrierenden Orks ein, die im Rang von einfachen Muskelprotzen bis zu legendären Häuptlingen alles ins Feld werfen, was eine gute Armee eben braucht. Im Gegensatz zum Vorgänger wurden die jeweilen Orks weiter personalisiert und verfügen zwar wie gewohnt allesamt über eigene Stärken und Schwächen, die es sowohl im Kampf als auch im späteren Einsatz geschickt zu nutzen gilt, ferner begegnet man nun aber auch ganz neuen Klassen, die in Stämme unterteilt noch mehr Persönlichkeit entfalten und allesamt nützliche Kriegswerkzeuge darstellen, sofern es gelingt, sie zu unterwerfen.
Durch Verhöre decken wir Identitäten der Eliten auf und erfahren auch ihre Schwächen.
Ist das erstmal gelungen, darf man guten Gewissens die erste Belagerung planen. In mächtigen Festungen verbarrikadieren sich die elitären Häuptlinge und werden dort von einer ganzen Herde an Gefolge bewacht. Hier hat man nun die freie Wahl, wie man sich das Herrschaftsgebiet zu eigen machen möchte. Stellt man sich einfach schwer bewaffnet vor die Tore und haut solange Orks auf die Mütze, bis der Chef selbst aus seinen Hallen kommt? Oder rekrutieren wir Spione aus den Reihen der Orks, welche dem Anführer im denkbar ungünstigsten Moment in den Rücken fallen? ODER schalten wir vorher taktisch sämtliches Gefolge aus und stellen uns dann mit unserer Armee auf eine Belagerung ein? Schatten des Krieges bietet hier wesentlich mehr Möglichkeiten, als noch im Vorgänger. Und das Konzept geht exzellent auf! Zum einen liegt in der Zusammenstellung einer möglichst schlagkräftigen Armee viel taktische Tiefe, zum anderen motiviert die Jagd nach möglichst legendären Orks ungemein. Hat man erstmal einen guten Kandidaten ausgemacht, leistet der allerdings zuvor massiven Widerstand und bietet all sein Können auf, um Talion zu bezwingen. Gelingt dieses Vorhaben, gewinnt der Ork weiter an Stärke und kann je nach Stand sogar weiter im Rang aufsteigen, was einen erneuten Versuch natürlich weiter erschwert, da sich dann umso mehr Leibwächter zum Ork gesellen. Und überhaupt, warum nicht lieber einen etwas schwächeren Ork versklaven und diesem dann durch Intrige und das Ausschalten seiner Konkurrenten nach oben verhelfen? Auch das geht! Generell gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die Hierarchie der Mordor – Orks ordentlich durcheinander zu bringen und dabei gleichzeitig seine eigenen Vorteile aus dem Chaos zu ziehen. Durch diese Vielzahl an Variationen entsteht eine grandiose spielerische Freiheit, die alleine schon eine drastische Verbesserung gegenüber dem Erstling darstellt. Nervig bleibt jedoch, dass jeder besondere Ork sich erstmal vorstellen muss. Diese Sequenzen sind nicht überspringbar und werfen einen selbst in Momenten der Flucht einfach mal zurück. Besonders ärgerlich wird das, wenn man einer Gruppe mehrerer Elites gegenübersteht, bzw. gegenüberstand. Allgemein lässt einem das Spiel nur wenig ruhige Momente, um die Umgebung entspannt erkunden zu können. Etwas mehr dieser Momente wäre wünschenwert gewesen.
Der Fähigkeitenbaum wurde massiv aufgewertet und bietet viele sinnvolle Upgrades.
Natürlich muss das Duo Talion/Celebrimbor aber ebenfalls gut gerüstet sein. Zu diesem Zweck wurde nicht nur der Fertigkeitenbaum deutlich erweitert und zusätzlich mit weiteren Perks versehen, auch die Ausrüstung selbst bietet nun deutlich mehr Anpassungsmöglichkeiten. Wo man im ersten Teil lediglich Runen in verschiedener Qualität farmen konnte, um so Schwert, Dolch und Bogen mit zusätzlichen Effekten zu versehen, lassen sich nun ganze Rüstungssets und neue Waffen erbeuten, deren Qualität ebenfalls von gewöhnlich bis legendär reicht und abgesehen von den durch Nebenaufgaben und Collectibles erlangten Teilen immer auch von Gegnern gleicher Kampfqualität verloren wird, sind diese erst bezwungen. Auch hier motiviert die Jagd nach neuen Items, zumal Sets mächtige Boni verleihen können und durch das Absolvieren bestimmter Challenges weiter an Stärke gewinnen. Insgesamt darf man den Entwicklern ein großes Lob für die zahlreichen Verbesserungen und Erweiterungen machen, welche in Schatten des Krieges eingezogen sind und der Reihe deutlich mehr Eigenständigkeit und Profil verleihen, als noch der sehr stark an Titel wie Assassin´s Creed und Co. erinnernde Erstling bieten konnte. Hinzu kommt, dass die zahlreichen, überall in Mordor verstreuten Collectibles sich nicht als Zeitstrecker anfühlen, sondern jedes für sich die Geschichte und deren Charaktere vertieft und in Form von Teilsammlungen auch mächtige Rüstungsgegenstände offeriert. Nebenbei gibt es auch einige Abstecher in Celebrimbors Vergangenheit, wo teilweise knackige Challenges auf den Spieler warten.
Die Sache mit den Lootboxen
Wer sich durch das epische Finale der Geschichte geschlachtet hat, darf als nette (aber keineswegs überragende Dreingabe) seine Armeen online gegen die Festungen anderer Spieler antreten lassen und seine eigenen dabei stets gegen menschliche Angreifer aus aller Welt verteidigen. Dazu führt das Spiel entsprechende Ranglisten und unterhält auch nach Spielende über einige zusätzliche Stunden. Speziell für die Mehrspielerkomponente (aber keineswegs nur dafür zu gebrauchen) hat man Lootboxen ins Spiel integriert, welche je nach Qualität weitere legendäre Orks in die eigenen Reihen befördern. Bezahlt werden diese Boxen ausschließlich mit Ingame – Währung und stellen für die besonders ungeduldigen Spieler durchaus eine gute Gelegenheit dar, ihre Armee schnell aufzupäppeln. Wirklich nötig ist diese Mechanik jedoch nicht, da man qualitativ hochwertige Orks ebenso auch so aufspüren kann, das kostet aber natürlich Zeit.
Die Lootboxen gibt es in verschiedenen Qualitätsstufen und sind rein optional.
Das gesamte System muss sich dennoch einige Kritik gefallen lassen, da Lootboxen im Grunde nichts in nahezu reinen Einzelspielertiteln verloren haben und von vielen als reine Geldmacherei empfunden werden, umso mehr, wenn man sich dadurch spielerische Vorteile (also Pay-2-Win) verschaffen kann. Dies ist hier jedoch nicht wirklich der Fall, da momentan auch kein Echtgeld für diese Lootboxen ausgegeben werden kann, dennoch muss der Sinn dieser Mechanik doch stark hinterfragt werden. Der Spielspaß leidet jedoch nicht darunter, weswegen ausnahmsweise auch keine Abwertung erfolgen wird, zumal auch die Währungsausschüttung im Spiel sehr fair gehalten ist.
Hübsches Mordor
Zwar hat sich die Technik in den drei Jahren nur sehr marginal weiterentwickelt, überzeugt aber immer noch durch hübsche Panoramen, einen dynamischen Tag- und Nachtwechsel sowie geschmeide Animationen. Während die Konsolenfassungen sich bei den üblichen, dafür aber stabilen 30 Frames pro Sekunde noch immer sehen lassen können, trumpft der PC neben ungebegrenzter Bildrate mit zahlreichen Feineinstellungen auf und bietet überdies ein kostenloses, knapp 10 GB großes Paket mit High – Res – Texturen. Große Unterschiede waren jedoch im direkten Vergleich nicht festzustellen. Die Schwächen liegen insgesamt in stellenweise etwas matschigen und detailarmen Texturen, die erst in nativem 4K deutlich an Schärfe gewinnen, dann aber wenigstens auf dem PC bei maximalen Settings auch aktuelle High End – Systeme ins Schwitzen bringen können. Auf dem PC wird lediglich die kommende XBOX One X in der Lage sein, das Spiel in dieser Auflösung darzustellen, dann aber eben auch bei festen 30 Bildern pro Sekunde.
Cirith Ungol bietet hübsche Panoramen. Auffallend sind die detailarmen Bodentexturen.
Die Atmosphäre ist jedoch im Kern extrem gelungen und bietet einen spielerischen Einblick in die Welt Mittelerdes, wie er so bisher noch nicht vorhanden war. Die vorgerenderten Zwischensequenzen wirken hierbei aber mitunter störend, da sie qualitativ etwas unter Spielgrafik liegen und Talion zudem immer mit seiner Startrüstung präsentieren, ganz gleich was er momentan angelegt hat. Der Qualität wird auf dem PC mit einem weiteren Gratis – Pack ausgeholfen, welches die Videos in nativem 4K ausgibt, aber weitere 20GB verschlingt, womit der ingesamte Umfang des Spiels bei knapp 100GB angelangt. Leute mit lahmer Internetverbindung werden sich freuen! Die Ladezeiten dagegen sind auf allen Systemen im sehr akzeptablen Bereich, ist man erstmal im Spiel, muss man sich nur bei Gebietswechseln auf weitere Ladezeiten einstellen. Weiteres Lob darf der Deutschen Synchronisation zugesprochen werden, sämtliche Sprecher machen einen guten Job, Talion selbst wurde abermals mit Dennis Schmidt-Foß (leiht sonst unter anderem Captain America seine Stimme) prominent und professionell besetzt, auch Erich Räuker ist wieder als Celebrimbor dabei. Diverse Influencer – Schauerauftritte sucht man hier zum Glück vergeblich, auch die Orks klingen fantastisch, wenngleich sich viele hier eine Stimme zu teilen scheinen. Abgerundet wird das ganze mit einem monumentalen, unaufdringlichen Soundtrack, der immer im richtigen Moment anzuziehen weiß und der Filmarbeit von Howard Shore in nichts nachsteht.
Die stellenweise unpräzise Steuerung sorgt bei vollem Bildschirm oft für Chaos.
Kleines Manko bleibt die Bedienung, für die dringend ein Gamepad empfohlen wird. Aber auch dann gibt es viele hakelige Momente, die für Frust sorgen können, da das Kampfsystem, welches aus den Arkham – Spielen entliehen wurde, stark auf Komboketten und makelloses Parieren setzt. Dafür sind zwar nur wenige Knöpfe nötig, diese sind aber oftmals doppelt belegt und können im schlechtesten Moment die falsche Bewegung ausführen oder aber dazu führen, dass man versehentlich auf Verbündete einschlägt. Damit ist die Kombokette dann natürlich weg, Exekutionen und besondere Moves müssen erst neu aufgebaut werden. Ein gewisses Maß an automatischer Zielerfassung hätte dem Spiel sehr gut getan.
Fazit und Wertung
„TL;DR: Schatten des Krieges ist eine mehr als würdige Fortsetzung, die einiges besser macht als der Erstling und darüber hinaus erzählerisch trotz einiger etwas dreister Freiheiten sehr gut zu unterhalten weiß. Das stark erweiterte Nemesis – System sorgt mehr als je zuvor dafür, dass die Jagd auf legendäre Orks und Ausrüstung stets zu motivieren weiß, auch taktische Tiefe und die Persönlichkeiten und Fähigkeiten der Orks wurden stark verbessert. So muss das sein. Die Lootboxen verbleiben jedoch ebenso als störendes Element wie die bereits nicht mehr ganz zeitgemäße Technik und die immer mal wieder für Ausfälle sorgende Bedienung. Trotzdem, das Positive überwiegt bei weitem und ich möchte sagen, dass Schatten des Krieges dank starker Lizenz, frischer Ideen, professioneller Vertonung sowie eines gewaltigen Gesamtumfans definitiv zu den Titeln gehört, die man sich im Jahr 2017 zulegen sollte.“
PRO:
+ Effektiv überarbeitetes Nemesis – System
+ Feinde mit eigenen Stärken und Schwächen
+ Lustvolles Ränkespiel in den Reihen der Orks
+ Enorme spielerische Freiheit
+ Taktischer Armeeaufbau sorgt für mehr spielerische Tiefe…
+ …auch dank der verfeinerten Feindklassen
+ Motivierende Jagd nach neuen Orks und Ausrüstungsgegenständen
+ …ebenso nach Collectibles
+ Sinnvoll erweiterter Fähigkeitenbaum
+ Umfangreiche Kampagne
+ Auch für Neueinsteiger bestens geeignet
+ Hübsche Panoramen, atmosphärische Umgebungen
+ Durch die Bank professionell vertont
+ Belagerungen als nette Dreingabe
+ Atmosphärischer Soundtrack
CONTRA:
– Bedienung mit frustrierenden Aussetzern
– Technisch ingesamt nicht mehr ganz zeitgemäß
– Im Kern fragwürdige Lootbox – Mechanik
– Vorgerenderte Videos fallen eher negativ auf (ohne 4K – Paket auf dem PC)
– Mit der Zeit nervige Vorstellungs – Einspieler, die sich nicht überspringen lassen
– Mitunter etwas zu große Abkehr von tolkien´schen Fakten
– Online – Modus nur verfügbar, wenn Zustimmung zur Datennutzung erteilt wird
GESAMTWERTUNG: 89%
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