Jumanji!
Zwar ahnt Mario beim Anblick einer absenderlos zugestellten Spielekonsole bereits, dass damit irgendwas faul sein muss, trotzdem wird der nostalgisch anmutende Apparat aktiviert und saugt Mario, Toad und Sonic samt den beiden verantwortlichen Erzschurken mitten in die 8 Bit – Videospielära vor der Kulisse der Olympischen Spiele von 1964 (die wurden damals nämlich am gleichen Ort ausgetragen). Während sich die unfreiwillig Gefangenen unter den Wirren zeitgenössischer Pixelgrafik nach einem Ausgang umsehen, müssen auch die verbliebenen Charaktere der Gegenwart eine Möglichkeit finden, Freunde und Feinde zurück in die Realität zu bringen. Begleitet wird das Unterfangen natürlich von allerlei sportlichen Herausforderungen und einer Menge trivialem Wissen rund um die Geschichte der Olympischen Spiele, während man nebenbei die Olympischen Dörfer von Vergangenheit und Gegenwart erkundet.
Der erzählerische Ansatz der Story, die sich mit gutem Gesamtumfang durch zwei gänzlich verschiedene Epochen der Videospielgeschichte zieht, weiß wunderbar zu unterhalten und geht angenehm über die übliche Kost hinaus, die einem die übliche Riege der Sportspielvertreter seit Jahren immer wieder auftischt – auch wenn man einmal mehr vergeblich nach Sinn und Anspruch sucht. Wenigstens treffen Fantasy und Fiktion harmonisch abgemischt auf alte und neue Wettkampfarten. Vorangetrieben wird die Handlung allerdings ausschließlich durch Volltextdialoge, eine vollwertige Sprachausgabe gibt es leider nicht. Stattdessen wird die Textflut von Lauten begleitet, die aber spätestens nach den ersten paar Malen extrem nervig wirken. Wer also zu den Spielern gehört, denen man am besten noch die Texte in den Menüs vorlesen muss, wird beim Design zumindest in der Hinsicht auf einen furchterregenden Nemesis treffen, welche die generell sehr ereignisarme wie vorhersehbare Story zu einer extrem zähen Angelegenheit verkommen lässt.
Sport ist Mord
Der gelungene Mix aus moderner Comicgrafik und klassischem Pixellook samt passender Vertonung weiß nicht nur optisch zu gefallen, sondern erfüllt auch spielerisch einen wichtigen Zweck. Insgesamt 34 verschiedene Disziplinen stehen zur Auswahl, von denen manche aber exklusiv nur in der Retrowelt verfügbar sind. Ganz neu dabei sind dafür Skateboarden, Klettern, Karate und Surfen. Und obwohl es sich bei der umfangreichen Auswahl nicht ausschließlich um Olympische Disziplinen handelt (oder wenigstens nicht mehr), fügt sich das Angebot doch gut in den Geist des Wettkampfs ein. Dabei haben die Retroversionen nicht nur einen ganz eigenen visuellen Stil, sondern steuern sich auch gemessen am damaligen Anspruch wesentlich einfacher. Bewegungssteuerung und Co. gab es in den guten alten Zeiten schließlich noch nicht, stattdessen liegt der Eingabefokus hier ausschließlich auf einfachsten Mechaniken.
Sämtliche Disziplinen stehen euch natürlich auch abseits der Story über alle Modi zur Verfügung und lassen sich auch mit Mitspielern bewältigen. Der Haken an der Sache ist allerdings, dass das Spiel lokal nie mehr als vier Spieler erlaubt, verdoppelt wird dieses Limit nur im Onlinemodus. Die Retrospiele dagegen lassen sich maximal mit einem weiteren Mitspieler absolvieren. Hier bleibt Mario & Sonic bei den OIympischen Spielen: Tokio 2020 leider etwas hinter seinen Möglichkeiten zurück. Man of Medan beispielsweise hat erfolgreich vorgemacht, dass man auch mehr Spieler an einem Bildschirm unterbringen kann als die Norm gebietet, indem man dort einfach das Gamepad an den entsprechenden Spieler weitergibt. So hätte man auch in diesem Fall noch mehr Mitspieler in einem Turnier unterbringen können und hätte gleichzeitig eine tolle Alternative zum klassisch-forcierten Split Screen gehabt.
Dazu gesellt sich übrigens noch eine ganze Handvoll besonderer Minispiele, die man im Storyverlauf freischalten kann. Aber egal ob Moderne oder nicht, das umfangreiche Angebot von Disziplinen macht im Kern wieder eine Menge Spaß und punktet nicht nur mit einer abwechslungsreichen Umsetzung, sondern auch mit guter Zugänglichkeit. Viel zu lernen gibt es nicht, was man wissen muss verraten einem vor Spielbeginn passend eingeblendete Tutorials. Allerdings fühlt sich das Spiel oft etwas zu automatisiert an und lässt Spielern in einigen Disziplinen nur noch ein Minimum an Eigeninitiative, was die ohnehin schon sehr kurzen Durchgänge recht unmotivierend gestalten kann. Daran ändern weder die insgesamt drei verschiedenen Schwierigkeitsgrade viel, noch die Möglichkeit, teilweise selbst die Anzahl der Durchgänge festlegen zu können. Und selbst an einer Option, eigene Turniere auf die Beine stellen zu können, mangelt es.
Grafikgold
Rein technisch liefert Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen: Tokio 2020 mehr als solide ab und inszeniert das aufeinandertreffende Universum über sämtliche Modi trotz typischem Comiclook angenehm atmosphärisch. In den großen Stadien tummeln sich Goomba´s, Pilzköpfe und Co., die mit ihrem Jubel für eine ansehnliche Wettkampfkulisse sorgen. Die zwanzig verfügbaren Charaktere sehen ebenfalls hübsch aus und haben für jede Disziplin passende Klamotten mitgebracht. Wer sich also immer schon gefragt hat, wie Prinzessin Peach im Karateoutfit aussieht, bekommt hier eine passende Antwort darauf. Egal ob unterwegs oder im heimischen Dock, auch in Sachen Performance gibt es wenig zu meckern. Das Spiel läuft durchgehend flüssig und leistet sich keine störenden Einbrüche. Auch online funktioniert das Geschehen reibungslos. Alles andere hätte einen bei einem waschechten First Party – Titel für die Nintendo Switch auch gewundert.
Nicht ganz so überzeugt hat mich dafür unter anderem der Soundtrack. Während die Retroklänge toll zum Geschehen passen und klassisches Gedudel liefern, setzt man in der Moderne etwas zu sehr auf repetive, uninspirierte Untermalung, an der man sich viel zu schnell sattgehört hat. Und auch bei der allgemeinen Bedienung stößt man immer wieder auf kleine Ärgernisse. Generell empfiehlt es sich, das Spiel mit dem Controller anzugehen. Die Joy Con´s schließen einen zwar nicht zwangsläufig von einer Platzierung auf dem Treppchen aus, erschweren aber dank Form und Größe vor allem das viele Tastenhämmern ungemein. Und das ist selbst mit Gamepad schon gleichermaßen fordernd wie unverzeihlich. Das ist eines der großen Probleme des Spiels, denn einerseits verlangt es dem Spieler oft zu wenig ab, ein anderes Mal dafür viel zu viel.
Fazit und Wertung
“Eigentlich hätte Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen: Tokio 2020 eine Menge Potenzial dazu gehabt, sich dank seiner vielen Disziplinen und dem kongenialen Mix aus aktueller und bewusst nostalgischer Optik als großer Konkurrent zu Super Mario Party und Co. zu platzieren. Die Grundzutaten für ein besonders im kompetiven Modus unterhaltsames Partyspiel rund um das älteste Turnier der Welt sind alle da, dazu gibt es sogar noch eine kreative Story für Solisten. Dort nagt aber vor allem die immense Flut an Volltext für entnervtes Aufstöhnen, während der Rest gerade in Sachen Anspruch stark schwanken kann und auch die Einbindung mehrer Mitspieler im lokalen Modus viele Möglichkeiten verschenkt. Spaß macht der vorzeitige Ausflug nach Tokio in jedem Fall. Aber für Bewertungsgold reicht es dann am Ende leider für mich nicht.”
PRO:
+ Herrlicher Mix aus Moderne und klassischem Pixellook…
+ …der sich gut umgesetzt in die Handlung einfügt
+ Atmosphärische Wettkampfkulisse
+ Zwanzig schön in Szene gesetze Charaktermodelle
+ Durchgehend saubere Performance
+ Angenehm viele und abwechslungsreiche Disziplinen
+ …plus zehn zusätzlicher Minispiele
+ Umfangreiche Story
+ Gute Tutorials
+ Online bis zu acht Spieler erlaubt
+ Toller Retrosoundtrack
+ Eingängige Bedienung
CONTRA:
– Story wird ausschließlich durch Volltext vorangetrieben…
– …und entpuppt sich trotz guter Grundidee als ereignislos und vorhersehbar
– Schnell nervige Charakterlaute
– Spielerischer Anspruch schwankt von zu leicht bis zu fordernd teilweise stark
– Besonders via Joy Con´s unfair schweres, weil fummeliges Tastenhämmern
– In der Moderne allenfalls generischer Soundtrack
– Lokal maximal vier Spieler möglich…
– …die dann auch ausschließlich im Split Screen gegeneinander antreten können
– Durchgänge meistens sehr kurz
– Keine Optionen zur eigenen Turniergestaltung vorhanden
GESAMTWERTUNG: 7.3/10
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