Mattscheibenkoller
Was nach einem kurzen Überblick über die Geschehnisse des Spiels klingt, deckt die Handlung des mit knapp sechs Stunden Spielzeit leider abermals sehr knapp geratenen Sequels bereits über weite Strecken ab. Zwar darf man sich im Rahmen der insgesamt fünf Kapitel durch abwechslungsreiche und wieder einmal sehr stimmig in Szene gesetzte Areale rätseln, worum es im Kern eigentlich geht, bleibt weiterhin eine Frage der Interpretation. Wer also bevorzugt einem klar definierten Handlungsfaden folgt und sich nicht selbst alles zusammenreimen will, wird mit Little Nightmares II genauso wenig glücklich werden wie mit dem Vorgänger. Gerade essentielle Fragen wie zum Beispiel die, wer Mono und Six eigentlich sind, bleiben komplett unbeantwortet. In der ohnehin knapp bemessenen Zeit irgendeine Form der Bindung zu den schweigsamen Protagonisten aufzubauen ist damit quasi unmöglich.
Mehr Zweckgemeinschaft als Teamwork
Ein Problem, dass sich auch über das gemeinsame Bewältigen immer neuer Rätsel nicht lösen lässt. Obwohl die Macher hier auch dank der gemeinsamen Komponente wesentlich mehr Abwechslung auffahren, hat man nie wirklich das Gefühl, dass Six und Mono mit allen gelösten Schwierigkeiten auf irgendeine Weise näher zueinanderfinden. Verschlossene Pfade öffnen sich meistens nur über Umwege und erfordern nicht nur Geschicklichkeit, sondern auch den Einsatz des Spielerverstandes. Mit immer neuen Mechaniken steigt natürlich auch der allgemeine Anspruch, wobei die Lernkurve aber sehr fair gestaltet ist und einen nicht gleich mit allem erschlägt. Abseits regulärer Zieh-, Schiebe- und Kletterrätsel bekommen wir es dabei auch mit immer gefährlicheren Gegnertypen zu tun, darunter auch eine Handvoll neuer Bosse, denen es im Rahmen besonders spektakulär inszenierter Encounter beizukommen gilt.
Da ist es ganz praktisch, dass unsere Helden sich nun nicht mehr ausschließlich mit Weglaufen behelfen müssen, sondern gelegentlich auch selbst zu den Waffen greifen. Weil die dank ihres Gewichts aber nicht dauerhaft durch die Areale geschleppt werden können, stehen einem Instrumente wie der Vorschlaghammer nur in speziell dafür vorgesehenen Situationen zur Verfügung. Dann macht es aber unglaublich viel Spaß, die fiesen Widersachen zu zertrümmern. Ein paar mehr dieser Segmente wären wünschenswert gewesen, insgesamt fokussiert sich Little Nightmares II aber weiterhin auf Kopfarbeit. Dass es dabei aber immer wieder zu extrem nervigen Trial-and-Error-Passagen kommt, schmeckt weniger. Denn obwohl die Checkpoints extrem fair gesetzt sind und man sich deswegen um verlorenen Progress nicht sorgen muss, hat man immer wieder das Gefühl, dass einen die Entwickler aus purer Schadenfreude erstmal ganz bewusst ein paar Mal sterben lassen, bis man eine passende Bewältigungsstrategie ausgeknobelt hat.
Als besonders knifflig erweisen sich dabei die optionalen Aufgaben, welche meist abseits regulärer Wege warten und bei Erfolg neue Kopfbedeckungen bieten, die man anschließend jederzeit über ein Menü ausrüsten kann. Auf das Gameplay hat das allerdings keine Auswirkungen, weshalb die Motivation, sich überhaupt auf die Suche danach zu machen, relativ begrenzt ist. Dazu trägt auch die situationsbedingt immer wieder etwas unpräzise Steuerung einen nicht unbedeutenen Teil bei. Zum Glück verzichtet das Spiel anders als noch der Vorgänger darauf, Trophäenjäger zu einem Durchgang ohne ein einziges Ableben zu nötigen. Anderenfalls würden Komplettisten hier wahrscheinlich mehr Leid erfahren, als sämtliche Soulslike-Titel kombiniert versprechen. Trotz seiner Schwächen und Defizite hat es mir aber Spaß gemacht, mich mit Mono und Six durch ein neues Abenteuer zu rätseln. Alles in allem fühlt sich das Spiel aber wie mehr vom selben an, wagt an den wichtigen Stellen keinen Mut zur Innovation und lässt einen einmal mehr mit zahlreichen offenen Fragen zurück.
Burton lässt grüßen
Little Nightmares II nutzt die Unreal Engine 4 und damit quasi einen Garanten für stimmige Visuals als Grafikmotor. Deren Stärken, besonders hinsichtlich Beleuchtung und Partikeleffekten wissen die Entwickler geschickt einzusetzen. Ob nun schwummriges Kerzenlicht die mit viel Liebe zum Detail erschaffenen Kulissen einhüllt oder gruselig designte Kreaturen Jagd auf uns machen, rein optisch ist den Tarsier Studios ein atmosphärisch dichter Puzzle-Platformer gelungen, der auch dank seines fantastischen Geräuschkulisse sämtliche Voraussetzungen eines gelungenen Horrorsettings gekonnt zu erfüllen weiß. Letztere kommen besonders in Kombination mit einer potenten Heimkinoanlage toll zur Geltung, während man für den optischen Genuss idealerweise in einem abgedunkelten Raum spielt.
Die gute Nachricht ist, es bedarf nicht zwangsläufig einer PlayStation 5, einer XBOX Series X|S oder einem Hochleistungsrechner, um das all erleben zu können. Bereits die vorliegende, primär für Konsolen der Last Generation programmierte Version sieht klasse aus und liefert eine saubere Performance. 30 Frames peilt Little Nightmare II gegenwärtig auf allen Konsolen an und kann diese auch selbst auf den Basismodellen von PlayStation 4 und XBOX One mit Ausnahme kleinerer Einbrüche halten, hier aber natürlich mit Abstrichen bei der Auflösung. Die erweiterten Modelle bieten dagegen stabilere Bildraten und auflösungsbedingt mehr Bildschärfe. Um ähnliche Werte abseits der Konsolen zu erreichen, genügt übrigens bereits ein PC im etwas gehobeneren Mittelklassesegment.
Auch dort darf man sich dann über eine gelungene Portierung freuen. Die Nintendo Switch dagegen muss besonders im Portable Modus einiges an Federn lassen, dementsprechend matschig präsentiert sich das Spiel dort. Im heimischen Dock ist es nur wenig besser, dort empfiehlt sich das Spiel wirklich nur als letzte Alternative zu sämtlichen anderen Systemen. Man merkt einfach, wie sehr die Switch in ihrer aktuellen Hardwarerevision mit dem Leistungshunger der Engine zu kämpfen hat. Dank der Abwärtskompatibilität lässt sich Little Nightmares II problemlos auf Konsolen der aktuellen Generation spielen und profitiert dort bereits ohne spezielle Optimierungen von blitzsauberen Bildraten und nochmals höherer Auflösung. Ein demnächst kostenlos nachgereichtes Update soll dann die Power der neuen Systeme adäquat entfesseln, wir sind wie immer gespannt.
Fazit und Wertung
„So sehr mich die düstere Atmosphäre des Spiels auch einfängt, so sehr mich das herrlich skurril-gruselige Design fasziniert, am Ende lässt mich Little Nightmares II mit sehr gemischten Gefühlen zurück. Mono und Six finden als Team nie so richtig zusammen und bleiben von Anfang bis Ende nicht viel mehr als leere Hüllen, welche einen ebenso wie die undurchsichtige Handlung selbst mit vielen offenen Fragen zurücklassen. Der relativ kurzen Spielzeit steht zwar ein angemessen niedriger Preis gegenüber, dass man diese dennoch etwas reichhaltiger hätte füllen können, ist unbestreitbar. Gelegentliche Präzisionsprobleme und viele nervige Passagen kommen da nur noch erschwerend hinzu. Daran wird auch das angekündigte Update für Konsolen der Current Generation wohl nichts ändern.“
PRO:
+ Fünf abwechslungsreich gestaltete Kapitel
+ Detailverliebtes Artdesign im besten Stile eines Tim Burton
+ Allgegenwärtig bedrohliche Gruselatmosphäre
+ Ansehnliche Beleuchtung
+ Stimmiger Mix aus Knobeln, Geschicklichkeit und Kampf
+ Neue Mechaniken entfalten sich erst nach und nach
+ Viele optionale Aufgaben
+ Fair gesetzte Rücksetzpunkte
+ Extrem gelungene Effektkulisse
CONTRA:
– Blasse Protagonisten
– Viel verschenktes Potenzial bei der Teamkomponente
– Finale etwas unbefriedigend inszeniert
– Zahlreiche Fragen bleiben unbeantwortet
– Relativ kurz
– Lösungen stets streng linear…
– …dementsprechend sehr geringer Wiederspielwert
– Übermäßige viele Trial-and-Error-Momente
– Selbst via Gamepad nicht immer präzise Steuerung
GESAMTWERTUNG: 7.0/10
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