Event Horizon
Habt ihr euch erst durch ein Event zum Finale vorgekämpft, wartet zum Abschluss eine besondere Herausforderung. Allerdings bietet die im Rahmen der jeweiligen Rennserie auch nicht mehr Abwechslung als die vorherigen Etappen. Tatsächlich halten sich die Variablen sehr in Grenzen. Wirkliche Challenges sucht man vergeblich und auch abseits davon ähneln sich Etappen untereinander viel zu sehr, als dass man wirklich durchgehend motiviert wäre, wirklich jedes Event in seiner Gänze zu absolvieren. Durchschnittlich drei Runden gilt es zu fahren, wer sich gegen die optionale Qualifikationsrunde vor Beginn entscheidet, startet stets vom letzten Platz und muss sich den Weg an die Spitze erst recht erkämpfen, verpasst ohne all das aber eine Menge Spielspaß und nicht zuletzt auch wertvolle Erfahrungspunkte. Überschaubar ist auch die Anzahl der verfügbaren Kurse, die fiktive und reale Strecken miteinander mischen. Da sich die Kurse aber über zahlreiche Unteretappen teilen, kommt am Ende durchaus einiges zusammen, der Mix aus Stadtstrecken und Traditionskursen weiß zu gefallen.
Abseits der Karriere könnt ihr via Quickplay eure eigenen Events erstellen oder euch mit maximal vierzehn Mitspielern im Multiplayermodus messen. Zeitfahren ist ebenfalls vorhanden, dafür fehlen aber die beliebten Sponsorenevents und ausreichend detaillierte Bestenlisten, um sich anschließend genauestens mit dem Rest der Welt vergleichen zu können. Schmerzlich vermisst wird auch eine Splitscreen – Option, die locker hätte integriert werden können. Sehr viel mehr als nackte Basics weiß GRID in Sachen Modi leider nicht zu bieten und bleibt damit deutlich hinter der Konkurrenz zurück.
Teammanagement Light
GRID lässt aber auch abseits seines grundlegenden Umfangs vieles missen, was eigentlich längst zum guten Ton im Rennspielgenre gehört. Es gibt keine Vertragsoptionen, Anpassungsoptionen für den eigenen Fahrer oder irgendwelche Einblicke hinter die Kulissen. Die einzigen Teamfunktionen sind jene, auf die ihr während der Rennen via Steuerkreuz zugreifen könnt. Beispielsweise könnt ihr die Anweisung geben, dass euer Teamkollege aggressiver fahren soll, ebenso aber auch ordern, dass er seine gegenwärtige Position hält. Das alles ist wirklich sehr rudimentär geraten und bringt einem zudem kaum einen brauchbaren Nutzen ein.
Auch beim Tuning setzt GRID ganz auf Minimalismus. Feineinstellungen lassen sich nicht vornehmen, vor dem Beginn eines Events kann man lediglich über wenige Regler Aspekte wie Bremskraftverteilung und Getriebeübersetzung versetzen, kann deren Ergebnisse aber nicht vor dem Rennen austesten und gegebenfalls nachjustieren. Wer also mit der gewählten Konfiguration nicht zurecht kommt, merkt das erst im Rennen selbst – und muss das Event notfalls komplett neustarten. Lediglich kosmetische Veränderungen lassen sich durchführen, zur Auswahl stehen neben kompletten Lackierungen auch zahlreiche Decals, mit denen ihr euer Fahrzeug nach Belieben verschönern könnt. Die schaltet ihr unter anderem beim Levelaufstieg frei. Weil das alles aber völlig optional ist, macht das Aufleveln nicht wirklich Spaß.
Ähnlich inkonsequent agiert das Spiel beim Wagenkauf. Detaillierte Informationen über Leistung und Gewicht gibt es nämlich nicht, Probefahren darf man auch nicht und Umtausch ist sowieso ausgeschlossen. So muss man seine hartverdiente Währung auf gut Glück investieren und steht gegebenenfalls am Ende wieder vor dem gleichen Problem wie beim Tuning: Unpassendes Auto, unpassierbarer Event, eine Menge Frustration. Immerhin schüttet das Spiel ausreichend Währung aus, weshalb man in regelmäßigen Abständen zurück ins Autohaus wandern kann. Sauberes Fahren und hohe Platzierungen werden mit zusätzlichen Boni belohnt und füllen zudem euer Erfahrungspunktekonto schneller auf. Wer seinen Rennboliden aber halb schrottfreif über die Ziellinie bringt, bekommt auf der anderen Seite auch direkt Abzüge verpasst. Übrigens: Pro Rennkategorie steht euch immer ein Leihfahrzeug zur Verfügung, dessen Nutzung kostet aber 10% euer Gesamteinkünfte, wie hoch die am Ende auch immer ausfallen mögen.
Der Nemesis lauert
So richtig gut kommt GRID bisher abseits der Strecke also nicht weg, aber wie verhält es sich denn nun auf der Strecke? Hier haben die Genreveteranen von Codemasters tatsächlich einige gute Ideen einfließen lassen. Zuallererst: Das Spiel hat nicht den Anspruch, ein waschechter Simulator zu sein, dafür sind ja schon die Features nicht gegeben. Stattdessen liegt der Fokus einmal mehr auf arcadigem, möglichst zugänglichen Gameplay. Und weil sich das auch dann nur wenig ändert, wenn man die vielen optionalen Fahrhilfen deaktiviert, eignet sich GRID tatsächlich eher für den schnellen, anspruchslosen Spaß zwischendurch und richtet sich weniger an absolute Puristen, die in ihren teuren Rennsesseln und umgeben von Lenkrad und Gaspedal eine beinharte, realistische Herausforderung suchen. Allerdings werden selbst Einsteiger nur selten gefordert. Und wenn doch mal etwas schiefgeht, kann man via Rückspulfunktion komfortabel zurück zum Anfang des Problems wandern und es dann besser machen. Fehler und unfaires Fahrverhalten wie zum Beispiel Abkürzen werden generell bestraft, allerdings auch erst nach vielen gutmütigen Warnungen.
Was GRID dennoch ein bisschen vom Rest abhebt, ist das neue Nemesis-System. Beharkt ihr eure Kontrahenten nämlich zu sehr über erträglichen Maßen, wird der genervte K.I. – Gegner für den Rest des Events zu eurem Erzfeind und geht fortan genauso aggressiv gegen Euch vor. Die Idee dahinter ist gut, denn Rivalitäten entstehen schließlich immer direkt auf der Strecke. Weil die aber nach Eventende wieder zurückgesetzt werden, verschwendet das Spiel massiv Potenzial in der Umsetzung. Wie schön wäre es gewesen, dauerhafte Rivalitäten mit den anderen Fahrern auszutragen? Knapp 400 von denen hat man für das Spiel erschaffen, den eigenen Teampartner darf man aus dem umfangreichen Pool frei wählen, was praktisch ist, da allesamt mit ganz eigenen Fahrweisen glänzen. Die machen sich aber erst auf höheren Schwierigkeitsgraden bemerkbar: Dann kämpft die K.I. auch untereinander gnadenlos um jede Platzierung, was nicht selten zu herumfliegenden Karosserieteilen führt. In diesen Momenten macht das Spiel dann auch meisten Spaß, auch wenn solche Ereignisse oft absichtlich herbeigeführt wirken, um den Spieler ein bisschen aus dem Trott zu reißen.
Davon abgesehen geht es auf den Strecken aber angenehm fair zu. Grobe Aussetzer in der K.I. sind mir nicht aufgefallen, erfreulich ist außerdem, dass jeder Fahrer eine eigene Dynamik an den Tag legt und Gummibandmomente höchstens dann entstehen, wenn uns der eigene Nemesis wieder mal auf den Fersen ist. Wo man höchstens noch nachbessern könnte ist beim Kollisionsverhalten der Gegner. Wenn man nämlich grundlos von hinten gerammt wird und in Folge einmal mehr von der Rückspulfunktion Gebrauch machen muss, nervt das mit der Zeit definitiv – auch, weil das System des erneuten Versuchens nicht immer ganz sauber funktioniert. Davon abgesehen gibt es allerdings in dem Bereich wenig zu bemängeln, denn dank je nach Wetterlage unterschiedlicher Traktion und einem angenehm abwechslungsreichen Fahrgefühl zwischen den einzelnen Fahrzeugklassen bietet GRID in vielerlei Hinsicht auch ganz klassische Simulationsmechaniken. Dynamisches Wetter gibt es allerdings nicht, entweder regnet es oder es bleibt trocken. So hätte man aber auch Boxenstopps ins Spiel integrieren müssen und die gibt es, wenig überraschend, ebenfalls nicht.
Zum Glück Allianzversichert
Womit sich Rennspiele meistens immer etwas schwer tun, ist ein waschechtes Schadensmodell. Das liegt oft auch an den Lizenzgebern, die ihre kostbaren Fahrzeuge nur ungerne auseinanderfliegen sehen. GRID bietet aber zum Glück genau das, auch wenn Totalschäden wirklich nur dann herbeiführbar sind, wenn man wie der Ghost Rider über die Piste brettert und kein Hindernis mit Vollgas auslässt. Die Option dafür lässt sich aber nach Wunsch auch deaktivieren und generell greift das Schadensmodell auch nur bis zu einem bestimmten Grad. Trotzdem, wenn Motorhauben, Heckspoiler und Co. durch die Lüfte fliegen, sieht das gar nicht mal schlecht aus. Nun ja, außer vielleicht im Rahmen der Wiederholungen am Rennende, die in Sachen Inszenierung weit hinter den Konkurrenten zurückbleiben.
Die Faszination eines Forza 7, wo man das Gefühl hat, durch ein echtes Autohaus zu wandern und in fast jeden noch so kleinen Winkel der zahlreichen Fahrzeuge blicken kann, lässt GRID mehr als nur vermissen. Dafür sehen die Außenareale sehr hübsch aus, vor allem die kunterbunten Stadtkurse sehen richtig nett aus. Blickt man aus der Fahrerperspektive in Rück- oder Außenspiegel, bekommt man nicht mehr zu sehen als eine unfreiwillig komisch wirkende Ruckelorgie. Übertrieben hat man es dafür aber bei der Belichtung, denn manchmal überstrahlen Scheinwerfer und natürlicher Lichteinfall die Szenerie so übertrieben, dass es einem fast in den Augen wehtut.
GRID klingt am Ende aber insgesamt besser, als es aussieht, auch wenn das nur für die satten Motorensounds und die herrlich krachende Klangkulisse bei den Kollisionen gilt. Davon abgesehen überschüttet sich der Arcaderacer nämlich einmal mehr nicht gerade mit Lob. Der Soundtrack in den Menüs könnte generischer und belangloser nicht sein, die Kommentatoren klingen wie aus dem Laufrad geworfen und auch sonst wird den Ohren nicht viel geboten. Dafür stimmt die Bedienung, denn bereits mit dem einfachen Gamepad geht die Steuerung der Rennwagen gut von der Hand, eine breite Palette an Lenkrädern wird ebenfalls unterstützt. Lediglich von der Nutzung der Tastatur ist wie immer abzuraten, denn die für ein Rennspiel notwendige Präzision, egal ob Arcade oder Simulation, erreicht man damit natürlich nicht. PC – Spieler sollten also ebenso mindestens mit einem anständigen Gamepad an den Start gehen.
Fazit und Wertung
“GRID fokussiert sich ganz und gar auf die Essentials und will hauptsächlich auf der Strecke punkten. Das gelingt in weiten Teilen auch, denn in Sachen Fahrphysik und Gegnerverhalten gibt es kaum nennenswerte Kritikpunkte. Die warten aber abseits davon quasi an jeder Ecke und Kante. Das Nemesis-System verschenkt viel Potenzial, weil es eben nach jedem Event wieder zurückgesetzt wird. Tuning und Teamverwaltung dümpeln auf einem Minimum daher und die vielen Events im Rahmen der Karriere bieten nur wenig Abwechslung. Und warum Aufleveln, wenn man doch eh nur mit Cosmetics belohnt wird? Der Multiplayermodus ist solide, lässt aber ebenso wie der Rest Abwechslung vermissen. Ein gelungenes Schadensmodell und wuchtige Motorensounds stehen einer insgesamt veralteten Gesamtpräsentation gegenüber. Und wer auf umfangreiche, hochdetaillierte Fuhrparks und tonnenweise Strecken steht, sucht hier ebenfalls vergebens. Wer sich als absoluter Genreneuling explizit für die gebotenen Events und deren Fahrzeuge interessiert, kann durchaus einen Blick riskieren. Alle anderen sind mit einem Forza Horizon 3 aber deutlich besser (und billiger) bedient.”
PRO:
+ Saubere Performance über alle Plattformen
+ Hübsche Regeneffekte
+ Gemessen am Arcadefokus gelungenes Fahrgefühl
+ Umfangreicher Eventpool
+ Vielseitiger Fuhrpark
+ Enormer Pool aus K.I. – Fahrern und Kollegen, die allesamt eigene Fahrstile besitzen
+ Abwechslungsreiche Strecken, die sich in zahlreiche Subetappen unterteilen
+ Pro Etappe immer ein Leihwagen verfügbar
+ Faire Ausschüttung an Ingamewährung
+ Gutes Schadensmodell
+ Weitestgehend faires K.I. – Verhalten
+ Im Kern interessantes Nemesis-System
+ Fahrzeuge fühlen sich angenehm verschieden im Handling an
+ Satte Motoren- und Kollisionssounds
+ Zahlreiche, optional zuschaltbare Fahrhilfen
+ Mehrere allgemeine Schwierigkeitsgrade
+ Funktionelle Mehrspielerkomponente
+ Zugängliche Bedienung via Gamepad und Lenkrad
CONTRA:
– Gemessen an der Konkurrenz sehr wenige Strecken und Fahrzeuge
– Vor allem in den Fahrzeuginnenräumen schwache Texturen
– Unfreiwillig komische Ruckelorgien in den Rückspiegeln
– Kein dynamisches Wetter bzw. Tag- und Nachtsystem
– Teilweise übertriebene Beleuchtung
– Überschaubare Auswahl an Modi
– Events ohne große Abwechslung
– Nemesis-System wird dank fortlaufender Resets nicht konsequent eingesetzt…
– …und sorgt für gelegentliches Rubberbanding
– Nur rudimentäre Team- und Tuningfunktionen
– Wenig motivierendes Aufleveln
– Keine Probefahrten möglich, man kauf die Katze im Sack
– Rückspulfunktion ist immer mal wieder anfällig für Aussetzer
– K.I. rammt gelegentlich ohne Grund
– Selbst für Einsteiger ohne Fahrhilfen insgesamt zu wenig fordernd
– Sehr nachsichtiges Strafsystem
– Aussagearme Bestenlisten
– Keine Split Screen – Funktion
– Dröger, generischer Soundtrack in Fahrstuhlqualität
– Furchtbare deutsche Sprecher
GESAMTWERTUNG: 7.3/10
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