Im Wald des Schreckens
Der grundlegenden Formel ähnlich gestrickter Titel bleibt auch Evil Dead: The Game treu. Auf Basis von Filmen und Serie müsst ihr euch entweder als einer von fünf Überlebenden innerhalb einer weitläufigen Karte gegen Dämonen und Untote erwehren und bestimmte Ziele erfüllen, um dem Horror vor Ablauf des Zeitlimits erfolgreich zu entkommen. Alternativ schlüpft ein Spieler selbst in die Haut des Bösen und nutzt geschickt ein ganzes Arsenal voller fieser Tricks, um die Flüchtigen aus dem Leben zu befördern – oder zumindest lange genug davon abzuhalten, den Quell ihrer Macht zu zerstören.
Der simplen Grundformel steht durchaus komplex gestricktes Gameplay gegenüber, welches mit einem Klassensystem inklusive besonderer Spezialfähigkeiten für ausreichend Dynamik im Spielablauf sorgen soll. Auf Seiten der Überlebenden findet sich mit dem Charakter Annie zum Beispiel eine mächtige Anführerin, deren Spezialfähigkeit nahe Verbündete inspirieren und so kurzzeitig deren Fernkampfschaden erhöhen kann. Dann gibt es noch den auf Nahkampf spezialisierten Krieger, den bevorzugt aus der Distanz mit Schusswaffen aller Art agierenden Jäger, ergänzt wird das Setup durch eine Unterstützungsklasse mit guten Heilfertigkeiten. Teamplay und das geschickte Kombinieren aller Fähigkeiten sind essentiell im Kampf gegen die untoten Horden und deren Befehlshaber, wobei jeder Charakter eigene Statuswerte und Fähigkeiten verfügt. Bei den Kandarischen Dämonen könnt ihr dagegen zwischene Kriegsherr, Puppenspieler und Nekromant wählen, die sich ebenso komplett unterschiedlich spielen und für ihre Angriffe stetig neue Energie auf der Karte einsammeln müssen.
Absolvierte Partien belohnen euch mit Erfahrungspunkten, die beim Erreichen bestimmter Stufen automatisch neue bzw. verbesserte Fähigkeiten für alle Klassen freischalten. Statt sich in umfangreichen Talentbäumen zu verirren (was ich z.B. in Friday, the 13th immer extrem gehasst habe) oder immer nur die Klasse pushen zu können, die man gerade spielt, werden all eure Charaktere im Laufe der Zeit konstant mächtiger. Das ist fair und angenehm einsteigerfreundlich gelöst, weil ihr je nach Teambedarf so jederzeit bequem die Klasse switchen könnt, ohne dabei auf irgendwelche Vorteile verzichten zu müssen. Komplett überzeugt hat mich die Spielbalance aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Besonders die Dämonen sind mir zum Finale etwas zu übermächtig. Gegen zufällig zusammengewürfelte Überlebende mit wenig Kommunikationsfreude haben die fiesen Höllenbewohner in der chaotischen Endphase einer Partie oft leichtes Spiel. Zwar können verstorbene Spieler an einem Altar wiederbelebt werden, im unnachgiebigen Ansturm der Gegner stellt das jedoch allerhöchstens eine sehr geringe Chance dar.
Alles in allem ist Evil Dead: The Game eine brauchbare Alternative zu Dead by Daylight und Konsorten, mit deutlich größerem Fokus auf Kämpfe, der ständigen Furcht davor, dass einen die außerhalb von Mitspielern und sicheren Lichtquellen steigende Angstanzeige anfällig für die kurzzeitige Übernahme durch das Böse macht – was strategisch extrem spaßig sein kann, wenn man die unfreiwillig Übernommenen gegen die eigenen Leute hetzt oder einfach weiter von diesen isoliert – und nicht zuletzt der starken Lizenz mitsamt der atmosphärischen Kulisse. Am meisten Spaß macht das Spiel aber mit Freunden. Und selbst dann hängt die Langzeitmotivation stark davon ab, wie oft man sich bei der Erfüllung immer gleicher Ziele auf repetive Fight-and-Seach-Einlagen einlassen kann. Trotz effektiver Finisher mit Kettensäge und Co.: Etwas mehr Abwechslungs beim Missions- und Gefechtsdesign hätte dem Spiel auf lange Sicht wirklich gutgetan.
Viel zu sehen, viel zu fürchten
Im Gegensatz zu den Mitbewerbern im Genre setzt Evil Dead: The Game ausschließlich auf eine große Karte mit zahlreichen verschiedenen Subarealen, die dafür aber sehr viel abwechslungsreicher ausgefallen ist. Von verlassenen Werkstätten bis zu gefährlichen Wäldern und Feldern wird quasi alles aufgefahren, was das Horrorsetting zu bieten hat. Willkürlich verteile Kisten enthalten Waffen aller Art und Qualitätsstufen, wobei die legendären Varianten selbstredend am meisten Schaden anrichten. Heilitems in Form von Coladosen sind angemessen großzügig verfügbar, auch Munition gibt es ausreichend und hier und da geparkte Autos sind eine praktische Möglichkeit, um im Team schnell größere Entfernungen zu überwinden. Abnutzungserscheinungen beim Inventar muss man glücklicherweise nicht befürchten, dafür entfallen jedoch auch sämtliche Optionen, selbst Ausrüstung bauen zu können. Praktisch: Stoßen Spieler auf einen besonders nützlichen Gegenstand, den sie aber selbst nicht mehr mitnehmen können, lässt sich die kostbare Beute per Ping für alle Mitstreiter auf der Karte offenlegen.
Das Spiel kann man wahlweise online im PvP angehen, aber auch als PvE-Variante gegen die K.I., die bereits eine sehr ordentliche Herausforderung offeriert. Alternativ kann man sein Können natürlich auch als Kandarischer Dämon gegen eine Gruppe computergesteuerter Überlebender austesten. Zusätzlich zu den bereits recht gut strukturierten Tutorials für sämtliche Klassen ist das eine gute Gelegenheit, noch etwas mehr praktische Erfahrung zu sammeln. Ebenso ist es möglich, ein privates Match für sich und seine Freunde zu starten. Mindestens ein Spieler pro Seite ist dafür erforderlich. Zu guter letzt enthält das Spiel auch noch sechs Solomissionen auf Basis der Vorlage, wo ihr euch komplett alleine gegen die K.I. erwehren und dabei komplett neue Missionsziele in der Rolle des legendären Titelhelden Ash (gesprochen von Darsteller Bruce Campbell höchtselbst) erfüllen müsst. Als Belohnung erhaltet ihr insgesamt vier neue spielbare Charaktere für die restlichen Modi. Das ist ganz nett umgesetzt worden, bietet aber nur sehr wenig zusätzliche Beschäftigung.
Tanz der Technik
Evil Dead: The Game fußt auf Basis der Unreal Engine 4, was zwar grundsätzlich keine Garantie für gute Qualität sein muss, sich in diesem Fall aber definitiv als gutes Fundament entpuppt. Besonders die schaurig-gute Beleuchtung samt Partikeleffekten kann sich sehen lassen. Die Charaktere haben gemessen an ihren realen Abbildlern sehr hohen Wiedererkennungswert und auch die Regeneffekte haben mich überzeugt. Auf PlayStation 4, XBOX One und XBOX Series S muss man dafür mit einer Bildrate von maximal 30 Frames pro Sekunde zurechtkommen, was angesichts des allgemeinen Pacings aber absolut ausreicht. Besonders im Finale, wenn sich viele Gegner und Effekte gleichzeitig auf dem Bildschirm tummeln, ebenso aber auch bei der Autofahrt kann es auf den etwas schwächeren Konsolen schonmal zu merklichen Einbrüchen kommen.
Bessere Performance und eine deutlich höhere Auflösung liefern PlayStation 5 und XBOX Series X bei maximal 4K und 60 Frames pro Sekunde. Kleinere Einbrüche kann es dort ebenfalls geben, allerdings in wesentlich geringerem Ausmaß. Dank Crossplay könnt ihr unabhängig von eurer gewählten Plattform mit Spielern auf allen anderen Systemen zusammenspielen, was in unserem Test auch problemlos funktioniert hat. Gemessen an den jeweiligen technischen Möglichkeiten der einzelnen Konsolen hat das überschaubare Team aber gute Arbeit geleistet, die Liebe zum Franchise spiegelt sich überall wieder, schwerwiegende Bugs sind uns nirgendwo aufgefallen. Zum anständigen Preis von knapp unter vierzig Euro kann man sich im Gesamtpaket nicht beschweren, zumal die Soundkulisse und die englischen Sprecher ebenfalls einen guten Eindruck hinterlassen. Dazu gibt´s sauber lokalisierte Untertitel für viele weitere Sprachen, darunter natürlich auch Deutsch.
Am ehesten enttäuscht hat die gegenwärtig exklusiv im Epic Store erhältliche PC-Version, welche im Vollbildmodus nur wenig aussagekräftige Renderoptionen statt der eigentlich obligatorischen Auswahl zwischen verschiedeneen Auflösungen anbietet. Insgesamt fünf Stufen stehen zur Auswahl und es scheint, dass dort bei maximal 2K Schluss zu sein scheint, selbst wenn das System deutlich höhere Auflösungen unterstützt. Schaltet man dagegen in den Fenstermodus um, lässt sich 4K zwar problemlos auswählen, wird aber vom Spiel trotzdem nicht so umgesetzt. Auf entsprechenden Displays sieht das Spiel dann entsprechend matschig aus. Selbst die im Netz kursierenden Workarounds hinsichtlich manueller Eingriffe in die Konfigurationsdateien des Spiels brachten nicht die gewünschte Wirkung. Und selbst wenn: Es kann einfach nicht sein, dass ein Spiel aus dem Jahr 2022 ohne anständige Möglichkeit zur direkten Auflösungseinstellung in den Optionen aufschlägt. Hier müssen die Entwickler DRINGEND via Update nachbessern. Support für DLSS mit mehreren Qualitätsstufen ist ebenfalls vorhanden, funktioniert aber ausschließlich mit passenden Grafikkarten von Nvidia.
Die Steuerung geht sowohl mit Maus und Tastatur als auch über diverse Controller hervorragend von der Hand. An den vorgefertigen Eingabeschamata gibt es nichts auszusetzen, wer will kann die Steuerung auf allen Systemen aber problemlos an den persönlichen Geschmack anpassen. Bei den allgemeinen Ladezeiten liegen PC´s mit SSD sowie die aktuellen Konsolen übrigens deutlich vor den älteren Modellen. Auf PlayStation 4 und XBOX One muss man dagegen deutlich geduldiger sein, ehe man ins Spiel gelangt. Wo PC, PlayStation 5 und XBOX Series X|S in unter fünf Sekunden komplett durchladen, kann auf betagteren Plattformen dafür schon einmal eine gute Minute vergehen.
Fazit und Wertung
“Evil Dead: The Game ist für mich – auch als Fan des Franchises – ein hoffnungsvoller Lichtblick im alljährlichen Sommerloch gewesen. Nach zahlreichen Stunden, die ich nun gleichermaßen solo als auch mit anderen Mitspielern auf Seiten von Gut und Böse verbracht habe, kann ich sagen: Erwartungen erfüllt, aber nicht übertroffen. Die starke Lizenz macht kombiniert mit dem zugänglichen Klassensystem so manches besser als Dead by Daylight und Co., revolutioniert das Genre andererseits auch nicht. Denn obwohl die unterschiedlichen Kombinationen aus Überlebenden und Kandarischen Dämonen anfangs echt Laune machen, rollen die Würfel irgendwann zwangsläufig wieder in ihre Ausgangsposition zurück. Repetive Kämpfe, einige Ungereimtheiten beim Balancing und die abseits der Mehrspielerpartien schnell abgefrühstückten Missionen tragen zusätzlich dazu bei, dass der kurzweilige Spaß nur so lange anhält, wie die Formel zu motivieren weiß.”
PRO:
+ Starke, gut genutzte Lizenz
+ Große Karte mit vielen unterschiedlichen Arealen…
+ …die sich dank viel Liebe zum Detail nie generisch anfühlt
+ Charaktere auf Basis von Filmen und Serie mit hohem Wiedererkennungswert
+ Jede Klasse und jeder Charakter mit eigenen nützlichen Fähigkeiten
+ Atmosphärische Beleuchtung, hübsche Partikeleffekte
+ Faires, einfach strukturiertes Levelsystem
+ Simples, aber effektives Spielprinzip mit (anfänglich) hoher Dynamik
+ Gut implementierte Angst-Mechanik
+ Umfangreiches Waffenarsenal mit mehreren Qualitätsstufen
+ Bietet sowohl für Mehrspielerfans als auch für Solisten ausreichend Inhalte
+ Fordernde K.I.
+ Brauchbare Tutorials
+ Gute (englische) Sprecher
+ Effektvolle Klangkulisse
+ Zugängliche Bedienung über sämtliche Plattformen
+ Fairer Preis
CONTRA:
– Sehr geringe Langzeitmotivation
– Überschaubare Anzahl freischaltbarer Inhalte
– Immer gleiche Aufgabenstellung
– Kämpfe fühlen sich schnell repetiv an
– Kandarische Dämonen besonders zum Rundenfinale zu stark
– Einzelspielermissionen allerhöchstens nette Dreingabe
– Eher klobige Fahrzeugsteuerung
– Gelegentliche Aussetzer bei Physik und Kollisionsverhalten
– PC-Version mit unzureichenden Möglichkeiten zur Auflösungskonfiguration
GESAMTWERTUNG: 7.5/10 (Konsolen)
7.0/10 (PC)
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