Divinity: Original Sin™ 2 – Definitive Edition – „Der König ist tot! Es lebe der König!“

                                                 Getestet und verfasst von General M

                                  Ab sofort erhältlich für PC, PlayStation 4 und XBOX One

Man nehme: Zahlreiche Elemente aus Baldur´s Gate, kombiniere mit der Zugänglichkeit von Diablo III, rühre kräftig um und schmecke mit tonnenweise eigenen Ideen und einer epischen Geschichte ab. All das geben wir auf einen Datenträger, lassen es im Presswerk mit Hülle und Cover versehen und voilá, wir erhalten Divinity: Original Sin 2! Das wohl höchstprämierte isometrische RPG aller Zeiten war bereits in seiner PC – exklusiven Fassung absolutes Pflichtprogramm für Genrefans. Mit der Definitive Edition überarbeitet und erweitert Entwickler Larian den modernen Klassiker nun nicht nur teilweise drastisch, sondern ermöglicht auch erstmals Konsoleros, Hand an den Titel zu legen. Wie gut das klappt, haben wir ausgiebig geprüft.

Zusätzlicher Hinweis: Besitzer der originalen PC – Version dürfen sich freuen: Das Upgrade auf die Definitive Edition ist absolut kostenlos. Konsoleros müssen für das Spiel allerdings den vollen Preis auf den Tisch legen.

Magie? Nein Danke! 

Die grundlegende Story der Originalversion hat sich in der Definitive Edition nicht geändert. Wer bisher keine Ahnung hatte, worum es im Spiel überhaupt geht und auch den nicht zwingend für das Verständnis notwendigen Vorgänger von 2014 verpasst hat, braucht sich aber nicht sorgen – das umfangreiches Intro hat es auch in die Neuauflage geschafft und bietet umfangreichen Zugang zur Welt von Rivellon. Als die von dunklen Kreaturen aus der Leerenwelt angegriffen wird, die sich an der Energie der sogenannten Quelle laben wollen, sieht es ohne den längst verstorbenen Göttlichen schlecht aus. Damit sich diese uralte Macht überhaupt schützen kann, versieht sie manche Bewohner mit besonderen Kräften, die ihnen das Wirken uralter Magie ermöglichen. Was an sich gesehen eine tolle Idee ist, erweist sich in der Praxis als wenig erfolgreich, denn die Leerenkreaturen werden von den Quellenkräften angelockt wie Fliegen vom Rotwein und sorgen entsprechend mit Vorliebe genau dort für Ärger, wo gerade ein Quellenmagier zugegen ist. Egal ob diese nun helfen wollen oder nicht, diese Tatsache macht sie im gemeinen Volk so beliebt wie Angela Merkel in Chemnitz. Der radikale Orden der Magister sieht nur einen Weg zum Frieden: Kurzerhand treibt er die Quellenmagier zusammen, um sie allesamt via Schiff zur Freudenfestung zu schaffen. Was auf den ersten Blick wie ein Erholungsressort klingt, entpuppt sich aber schnell als übergroße Kombination aus Gefängnis, Rattenloch und Folterparadies (und auch die besten Gefängnisse wollen keine leeren Zellen).

Unser Charakter, den wir uns zu Beginn aus einer Vielzahl verschiedener Rassen und Klassen frei zusammenstellen dürfen, ist einer dieser Quellenmagier und als solcher im Begriff, das gleiche Schicksal zu erleiden wie viele seiner Eidgenossen zuvor, schafft aber zum Glück mit einigen Gleichgesinnten rechtzeitig die Flucht. Doch damit beginnt das wahre Abenteuer erst, denn ein neuer Göttlicher muss her, um die Barriere zwischen der Leere und der Welt der Sterblichen wiederherzustellen. Dabei spielt unsere Gruppe wenig überraschend eine gewichtige Rolle.

Finessen der Freiheit

Öffnet sich Rivellon erst für den Spieler und seine Gefährten, die auch auf den Konsolen übrigens jederzeit von bis zu drei Mitspielern am selben Bildschirm gesteuert werden können, offenbart sich erst die wahre Größe und die damit verbundene Freiheit der Spielwelt. Denn wie ihr die Dinge von diesem Punkt angeht, bleibt zumeist vollständig euch überlassen. Alleine die immense Hülle englischsprachig vertonter Dialoge bieten nicht selten ein halbes Dutzend fertigkeitsbasierter Antwortmöglichkeiten, die alle ganz unterschiedliche Auswirkungen auf das weitere Geschehen haben können und somit auch dafür sorgen, dass nicht jeder Konflikt zwingend mit Gewalt gelöst werden muss. Die gegebenenfalls daraus entstehenden Konsequenzen bleiben dabei deutlich spürbar und können später hilfreich sein – oder auch nicht. 

Da sich das Spielprinzip sehr an bekannten Pen & Paper – Rollenspielen orientiert und entsprechend komplex in seinen Auswahlmöglichkeiten ist, werden besonders Einsteiger eine Vielzahl von Stunden damit zubringen, überhaupt erstmal mit den Mechaniken warm zu werden. Ist das aber erstmal gelungen, bekommt man mit Divinity: Original Sin 2 das wohl gegenwärtig beste Rollenspielerlebnis in der Geschichte der Videospiele geboten. Die Geschichte ist durchgehend spannend und bietet mit allen Nebenaufgaben genug Stoff für viele Wochen Spaß. Neu mit der Definitive Edition sind die sogenannten Origin Stories dazugekommen. Die bieten vordefinierte Hintergrundgeschichten zu vordefinierten Charakterkombinationen, was im Spielverlauf für einige zusätzliche Nebenquests sorgt, die sich spezifisch mit der persönlichen Geschichte des Charakters beschäftigen. Wer mehr Kontrolle über all das wünscht, kann natürlich auch ganz nach eigenem Geschmack an den Reglern schrauben, die Zusatzaufgaben bleiben einem dann für die eigene Spielfigur verwehrt. Dafür lassen sich manche Begleiter mit entsprechenden Hintergrundgeschichten für die eigene Gruppe rekrutieren – ganz darauf verzichten muss man also glücklicherweise nicht. 

Wie ihr Divinity: Original Sin 2 letztendlich spielen wollt, obliegt ganz eurem persönlichen Geschmack. Denn nicht nur euer Verhalten im Rahmen der Dialoge hat Auswirkungen auf eure Entwicklung oder gar die Beziehung zu euren Gruppenmitgliedern, auch Aufgaben lassen sich meistens auf vielen verschiedenen Wegen bewältigen. Einen komplett richtigen Lösungsweg gibt es dabei jedoch grundsätzlich nicht. Ob sadistischer Meuchelmörder oder engelsgleicher Diplomat, alles hat Vor- und Nachteile. Der Trick ist, zu seinen Entscheidungen zu stehen und mit den Konsequenzen zu leben. Das gilt natürlich auch auf lange Sicht. Denn selbst wenn die gegenwärtig getroffene Entscheidung zufriedenstellend erscheint, können die Nachwirkungen später unangenehm sein. Das Prinzip funktioniert natürlich auch umgekehrt. Statt also dauernd zu speichern und neu zu laden, lohnt es sich, einfach mal nachzudenken und dann für seine Entscheidungen einzustehen. Dadurch entfaltet sich eine so hohe Dynamik, dass man alleine angesichts der Komplexität in diesem Bereich schon in Staunen versetzt wird. Dazwischen wartet eine so abwechslungsreiche und detailverliebte Welt, wie sie selbst Blizzard im Rahmen seiner Diablo – Reihe in dieser Form bisher nicht erschaffen konnte. Überall gibt es etwas zu entdecken, überall etwas zu erleben. Wirklich nichts wirkt überflüssig oder dient der bloßen Streckung. Was das kleine Entwicklerstudio aus Belgien hier abgeliefert hat, bewegt sich so nahe an der immersiven Perfektion, dass es kaum besser geht. Zumindest mit der Definitive Edition, die den von Fans oft kritisierten dritten Akt fast komplett umbaut und damit für ein deutlich runderes Erlebnis sorgt, welches sich sehr viel besser in das Geschehen davor und danach immigriert. Dafür haben die Entwickler nach eigenen Angaben nicht nur knapp 150.000 Zeilen neuen Dialog geschrieben, sondern diesen auch gleich vertonen lassen. Respekt! 

Die Definitive Edition

Nun wollen wir uns aber auch mal im Detail mit den Veränderungen der erweiterten Edition auseinandersetzen. Neben Origin Stories und dem alternativen, wesentlich besseren dritten Akt gibt es nämlich noch zahlreiche weitere Veränderungen, wenngleich die allermeisten davon mehr Änderungen im Detail darstellen, weniger große Overhauls. Dazu zählt auch einer der bisher größten Kritikpunkte der Originalversion, nämlich das unübersichtliche Inventar. Dieses musste sich bisher die gesamte Gruppe teilen, was es extrem unübersichtlich und fummelig machte, die jeweils mitgeführten Gegenstände zu verwalten oder unter der Party aufzuteilen. In der Definitive Edition hat man sich diesem Problem erfolgreich angenommen, indem nun jeder Charakter ein eigenes, fest definiertes Inventar erhalten hat. Nicht nur, dass alles damit wesentlich übersichtlicher wird, auch der Itemtransfer wird durch merklich vereinfacht. Auch das Questlog ist nun viel aufgeräumter, was das Abenteuer viel komfortabler gestaltet – das dortige Chaos der Originalversion gehört endgültig der Vergangenheit an. 

Ebenfalls neu ist das kurze Tutorial ganz zu Beginn, welches den Spieler zumindest mit den Grundmechaniken erfolgreich vertraut macht, aber natürlich kaum einen guten Ersatz zur tatsächlichen Spielerfahrung bietet. Dafür freuen sich vor allem Einsteiger über erste Einführungen in das rundenbasierte Kampfsystem, die Interaktion mit Objekten sowie den Vor- und Nachteilen von liquiden Stoffen. Wer das alles aber nicht braucht, kann das natürlich auch komplett überspringen und direkt loslegen. Alle, die lediglich die Geschichte des Spiels genießen wollen, können das nun mit dem neuen Easy Mode machen. Der sorgt zwar hin und wieder doch noch für fordernde Kämpfe, ist aber insgesamt um einiges einfacher zu bewältigen als die bisher leichteste Schwierigkeitsstufe. Masochisten und alle, die es werden wollen, dürfen sich entgegengesetzt aber ebenso am Taktiker – Modus versuchen, der sogar die zusätzliche Option des Permadeath beinhaltet. Aber auch dazwischen sind die Schwierigkeitsgrade solide ausbalanciert und bieten für Jedermann die richtige Herausforderung. Ersatzlos aus der Konsolenfassung gestrichen wurde dafür der Game Master – Modus. Die komplette Eigengestaltung der Welt und allen dort vorkommenden Ereignissen übersteigt in Sachen Komplexität einfach die Möglichkeiten der Gamepads. Dafür wird auch dort ein verbesserter Arena – Modus geboten, der zudem mit zahlreichen Charakteren aus älteren Titeln der Reihe aufwartet. Also immerhin etwa. PC – Besitzer dürfen übrigens bei Spielstart entscheiden, ob sie lieber die überarbeitete oder die originale Spielerfahrung erleben möchten. 

Das Thema Gamepad bringt uns erwartungsgemäß zu einem der wichtigsten Aspekte der Konsolen: Der Steuerung. Die haben die Macher von Larian trotz der immensen Komplexität überraschend gut für die Bedürfnisse des Konsolenspielers angepasst. Drop Down – Menüs dienen als Hub, von dem sich der gewünschte Menüpunkt mühelos erreichen lässt. Das hat auch bei Skyrim schon gut funktioniert und das tut es jetzt ebenso. Klar, anders als bei der PC – Version muss man hier dennoch kleine Abstriche hinnehmen, da man gelegentlich erst über Umwege dorthin gelangt, wo man mit der Maus viel gradliniger hingelangt, das ist aber ein sehr akzeptabler Kompromiss, muss man davon abgesehen doch so gut wie keine Kompromisse bei der Gamepad – Bedienung hinnehmen. Dafür klappt es dort mit der Präzision bei der Interaktion mit der Welt nicht immer ganz glatt. So bewegen sich die Charaktere nicht immer genau dorthin, wo man sie eigentlich hinbeordert hat, auch das bewusste Interagieren mit besonders kleinen Objekten wie Kerzenleuchtern und Co. wird damit manchmal zur Fummelprobe. Und doch muss man ein Lob dafür aussprechen, wie gut all die Eingabemechaniken insgesamt auf der Konsole funktionieren. 

Konsolentechnik

Auch auf den Konsolen sieht das Spiel fantastisch aus. Die wahre Grafikpracht entfaltet sich aber erst auf PlayStation 4 PRO und der XBOX One X. Die bieten nämlich nicht nur HDR – Support, sondern auch natives 4K. Trotz der Hardwareleistungen kommt es bei 4K aber dennoch besonders bei großem Effektfeuerwerk in den Kämpfen zu spürbaren Einbrüchen der Bildrate, die bei der PlayStation 4 PRO noch einen Ticken stärker wahrnehmbar sind. Auf der SONY – Konsole ist uns das Spiel während des Tests übrigens auch gerne mal einfach so abgestürzt. 

Aber auch die Standardmodelle müssen sich optisch nicht vor den großen Brüdern verstecken, auch hier sieht das Spiel sehr hübsch aus, leidet dort aber auch ohne Auflösungsupgrade unter besagten FPS – Problemen. Alles in allem sichert sich die XBOX One X aber den ersten Platz unter den Konsolen, während die PC – Fassung für sich gesehen auch aufgrund des besser gelösten User – Interface die allerbeste Wahl darstellt, das Spiel zu erlebe, zumal man hier bei entsprechender Hardware auch nicht mit Bildeinbrüchen zu kämpfen hat. 

Fazit und Wertung

„Definitiv besser, aber definitiv nicht perfekt präsentiert sich die Definitive Edition zu Divinity: Original Sin 2. PC – Besitzer dürfen sich über ein kostenloses Upgrade freuen, Konsoleros dagegen über die Möglichkeit, das wohl beste RPG auf dem Markt in einer bis auf wenige Mankos hervorragenden Portierung auch abseits der Rechenknechte genießen zu können. Besonders der völlig neu gestaltete dritte Akt bereichert das Geschehen ungemein, aber auch das bessere Inventar und das übersichtliche Questlog sorgen für mehr Komfort. Mit den Origin Stories kann man tiefer in die Geschichten einzelnen Charaktere eintauchen, auch die Arena hat viel Neues zu bieten. Die Entwickler haben ein ohnehin schon fantastisches Spiel also an vielen zentralen Punkten sinnvoll verbessert. Dafür bleiben manch lästiger Bug, Präzisionsprobleme und teilweise noch immer sehr unübersichtliche Menüs erhalten. Dennoch sollten Fans komplexer Rollenspiele hier bedingungslos zugreifen. Wenn diese dann nach Wochen wieder das Tageslicht erblicken, ist man womöglich um einige verpasste Feten ärmer, hat dafür aber eine fantastische Story erlebt, an die man sich auch später noch gerne erinnern wird.“ 

Mikrotransaktionen/Pay-2-Win:
Divinity: Original Sin 2 enthält keinerlei Möglichkeiten, spielerische Vorteile gegen Echtgeld zu erwerben, auch fragwürdige Lootbox – Mechaniken gibt es nicht. Eine Abwertung findet diesbezüglich nicht statt. 

PRO:

+ Toll in Szene gesetzte Spielwelt, die detailverliebter und abwechslungsreicher kaum sein kann
+ Immense, unerreichte spielerische Freiheit
+ Fast jede Herausforderung lässt sich auf vielseitige Art und Weise lösen…
+ …dadurch enorm hoher Wiederspielwert
+ Unmengen optionaler Nebenaufgaben
+ Spannende Story
+ Toll überarbeiteter dritter Akt

+ Fast jede Handlung hat spürbare Konsequenzen
+ Schön erzählte Hintergrundgeschichten
+ Komplett (englisch) vertonte Dialoge
+ Spannende, rundenbasierte Kämpfe
+ Unterschiedliche Völker mit eigenen Stärken und Schwächen
+ Jede Klasse spielt sich ganz eigen
+ Dank neuer einfacher Schwierigkeit auch für Einsteiger tauglich
+ Umfangreiche Crafting – Komponente

+ Gelungene Deutsche Untertitel
+ Exzellenter Soundtrack
+ Unkomplizierter 4 Spieler – KoOp
+ Erweiterte Arena – Komponente

+ Sinnvoll verbessertes Inventar 
+ Wesentlich übersichtlicher gestaltete Quest – Logs

CONTRA:

– Gelegentlich auftretende Bugs
– Nicht immer präzise Gamepad – Bedienung
– Manche Menüs verbleiben unübersichtlich…
– …gleiches gilt für das User Interface
– Absturzanfällige PS4 – Version
– Konsolenfassungen mit Bildrateneinbrüchen
– Game Master – Modus fehlt in Konsolenfassungen

                      GESAMTWERTUNG:     93% (PC)
                                                90% (Konsolen)

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