Dishonored 2™ – Das Vermächtnis der Maske


                                               Getestet und verfasst von General M

Dishonored entwickelte sich Ende 2012 zu einem Überraschungserfolg für Entwickler Arkane und Publisher Bethesda. Die leicht comichafte, vom Steam Punk durchzogene Welt mitsamt ihren Gefahren und Feinden wusste Spieler und Kritiker ebenso zu überzeugen wie die Geschichte um den in Ungnade gefallenen königlichen Schutzherrn Corvo Attano, der nach einem Attentat auf die Kaiserin nicht nur deren Tochter Emily retten, sondern auch die verantwortlichen Verschwörer auf kreative Weise unter die Erde bringen musste. Der Clou lag in der großen Entscheidungs- und Bewegungsfreiheit des Spiels. Man konnte das Spiel entweder als Schlächter beenden und dann am Ende die Konsequenzen dafür erfahren, oder aber das Spiel abschließen, ohne einen einzigen Gegner zu töten. Dishonored 2 spielt 15 Jahre nach diesen Ereignissen und verfeinert das Gameplay nicht nur in jeder Hinsicht, es bietet mit der Insel Karnaca auch eine ganz neue Welt, die es zu erkunden gilt.

Familienbande 

Die letzten 15 Jahre sind an Corvo beinahe spurlos vorübergegangen. Gut, der Meisterspion des königlichen Hofs von Dunwall und gleichermaßen Ziehvater und Schutzherr der mittlerweile erwachsenen Regentin Emily ist vielleicht ein bisschen ergraut und trauert der ermodeten Kaisern immer noch nach, zumal gerade dem Jahrestag des Attentats gedacht wird, was für ihn nie ganz leicht ist. Dennoch hat er sein Handwerk keineswegs verlernt. Das wird spätestens dann deutlich, als plötzlich Delilah, die Schwester der toten Königin auftaucht, die entsprechend auch die Tante von Emily ist und kurzerhand durch einen Putsch den Thron an sich reißt. Grund: Angeblich ist Emily selbst für das Ableben ihrer Mutter vernantwortlich. Ab diesem Punkt muss man sich entscheiden: Möchte man den Rest des Spiels mit Corvo spielen, oder in die Haut von Emily schlüpfen, um den Thron zurückzuerobern? Wie die Entscheidung auch ausfällt, der verbliebene Charakter wird kurzerhand in Marmor verwandelt und aus dem Spiel genommen. 

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Im Laufe des Spiels begegnen wir natürlich auch wiederholt dem geheimnisvollen Outsider, über den es endlich auch mehr Hintergrundwissen zu erfahren gibt. Der stellt uns am Anfang vor die Wahl: Greifen wir erneut auf das Geschenk der Magie zurück und stürzen uns mit mächtigen Fähigkeiten ins Gefecht, oder lehnen wir die Gabe ab und spielen ganz puristisch? Tatsächlich ist es wie im Vorgänger möglich, das Spiel ganz ohne Extras zu beenden. Die Entwickler haben versprochen, dass es sich dabei nicht um ein einfaches Gimmick handelt, sondern um eine wohl durchdachte Alternative, welche tatsächlich aufgeht. Andererseits macht gerade der Einsatz von Magie eine Menge Spaß. Es bleibt jedem Spieler selbst überlassen, wie er spielen möchte – ein Fakt, der die Reihe auszeichnet, definiert und in der Fortsetzung konsequenz verfeinert wurde. Wer sich für die Magie entscheidet, darf sich bei Corvo auf ein Arsenal bekannter Fähigkeiten, wie beispielsweise Teleport, Nachtsicht oder das Beschwören einer Rattenarmee, verlassen. Emily dagegen hat eigene Fähigkeiten, darunter zum Beispiel die Fähigkeit „Domino“, die sämtliche Gegner im Umfeld mit einer Attacke ausschalten kann, oder der „Shadow Walk“, mit den sich die gestürzte Regentin in eine nur schwer entdeckbare Entität verwandeln kann. Verbesserungen besagter Fähigkeiten lassen sich durch die überall in der Welt versteckten Runenartefakte freischalten. Toll: Anstelle eines Talentbaums kann man direkt zu Beginn seine Fähigkeiten frei wählen. Zugleich sind auch die Knochenartefakte wieder im Spiel, die dem Charakter besondere Perks verleihen und jetzt auch mithilfe diverser Materialien selbst erstellt werden können. Beide Charaktere bieten letztendlich eine harmonische und abwechslungsreiche Reihe an Skills, die sowohl für offensive als auch für heimliche Manöver geeignet sind und daher für ein gutes Balancing sorgen, ganz egal, welcher Spielweise man folgen möchte.

Das Juwel des Südens 

Karnaca ist im Gegensatz zu Dunwall eine wesentlich freundlichere und hellere Stadt, in der tatsächlich auch mal die Sonne scheint. Gleich bei der Ankunft stellt sich ein Hauch von mediterranem Feeling ein. Ein Paradies sollte man aber auch hier nicht erwarten. Die Straßen sind voller Dreck und Armut, der Hafen voller toter Wale und die Einwohner sind alles, nur keine Heiligen. An jeder Ecke lässt sich etwas über die Spielwelt lernen, was vorallem Neulingen helfen kann, die Gegebenheit der Welt besser zu verstehen. Überall liegen Bücher herum, Briefe und Zeitungen. Sogar das Belauschen von Gesprächen kann viel offenbaren. Das ist am Ende beinahe schon zu viel Information, da man stellenweise von Wissen nahezu erschlagen wird. Trotzdem ist die Welt überaus lebendig gestaltet. Die Gegend wird von zahlreichen Passanten und Wachen durchstreift, die allesamt ihren Tätigkeiten nachgehen. Das detailverliebte Art Design trägt dazu bei, dass Dishonored 2 wie sein Vorgänger Wiedererkennungswert besitzt – und ebenso Wiederspielwert. Auch das Missionsdesign ist abwechslungsreich und bietet erneut zahlreiche Möglichkeiten, das Spiel zu bewältigen.

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Endlich hat sich Entwickler Arkane auch der K.I. angenommen, die von vielen Kennern des Erstlings als zu leicht befunden wurde. Die vier zu Beginn verfügbaren Schwierigkeitsgrade sind nun ausgewogener gestaltet und bieten jeweils exakt die Herausforderung, die sie versprechen. Die Wachen sind klüger und aufmerksamer geworden. Auf höheren Schwierigkeitsgraden ist ihre Sichtweite sogar erschreckend hoch, genau die richtige Herausforderung für Profis. Zum Glück darf man frei speichern und laden und so eventuelle Fehlschläge schnell korrigieren. Der spielerische Anspruch steigt übrigens angenehm an, so dass auch Einsteiger gut ins Spiel finden können. Auch hier hat man alles richtig gemacht. 

Glänzend auf Konsole, ärgerlich am PC

Während der Vorgänger noch auf einer modifizierten Version der Unreal Engine 3 aufbaute, hat man für den Nachfolger basierend auf der id – Tech 5 – Engine eine eigene Technik entwickelt. Die nennt sich Void – Engine und bietet Vor- und Nachteile. Zwar wird die Welt von Dishonored durch Detailverliebtheit und unverkennbaren Stil bemerkenswert zum Leben erweckt, hat aber im Vergleich zum vier Jahre alten Erstling kaum große Sprünge gemacht. Noch immer begegnet man teilweise dem bekannten Stil geschuldeten schwachen Texturen und auch die Charakteranimationen wirken recht steif. Die Konsolenfassungen machen trotzdem eine gute Figur und unterscheiden sich abgesehen von kleinen Abstrichen bei Kantenglättung und Schattenauflösung kaum von der PC – Fassung. Letztere leidet unter teilweise starken Performance – Einbrüchen, die sich teilweise weit unter der Spielbarkeit befinden. Die aktuellen Steam – Reviews fallen daher nicht gerade gut aus. Bei manchen läuft das Spiel problemlos, andere klagen über massive Probleme. Der Entwickler hat sich jedoch bereits dazu geäußert und versichert, die Probleme zu untersuchen. Auf meinem Testsystem waren diese Einbrüche hin und wieder festzustellen, hatten jedoch nicht die tiefgreifenden Auswirkungen auf die Framerate, die andere Spieler beklagen. Die Konsolenfassungen haben diese Probleme nicht und halten die dortige Bildrate von 30 Frames nahezu stets mühelos. 

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2016 war ein gutes Beispiel dafür, dass man mit Vorbestellungen manchmal lieber etwas warten sollte. Die PC – Version von Dishonored 2 ist dafür leider augenblicklich ein weiteres gutes Beispiel, zumindest nach Meinung der meisten Spieler. Konsolenspieler können augenblicklich aber bedenkenlos zugreifen, müssen sich aber auf einen knapp 9GB großen Day One – Patch gefasst machen. 

Besser sieht es in Sachen Vertonung aus. Mit Manfred Lehmann, den wahrscheinlich jeder als Feststimme von Bruce Willis kennt und der zu den profiliertesten Synchronsprechern im deutschsprachigen Raum gehört, bietet die Deutsche Version von Dishonored 2 als Stimme von Corvo eines der Highlights des Spiels. Da trifft es sich gut, dass Lehmann’s Tochter Dascha, ebenfalls erfolgreiche Sprecherin, Emily ihre Stimme leiht. Das Vater – Tochter – Gespann weiß stimmlich zumeist absolut zu überzeugen, lediglich Emily wirkt manchmal etwas emotionslos. Verstärkt wird das Sprechergespannt von Hans-Georg Panczak, bekannt als Stimme von Luke Skywalker alias Mark Hamill, Kim Hasper als Outsider und anderen namhaften Sprechern, die ihre Arbeit durch die Bahn allesamt hervorragend erledigen. Dafür ein großes Lob, alle Sprecher wurden bis in die Nebenrollen toll besetzt und tragen wunderbar zur Atmosphäre des Spiels bei. Auch der dezente, aber eindrucksvolle Soundtrack weiß zu überzeugen.

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Die mit angenehmen Umfang aufwartende Geschichte lebt von Atmosphäre und Charakteren und bietet abseits der nicht mehr ganz zeitgemäß wirkenden Grafik eine rundum gelungene Spielerfahrung, die sowohl mit Tastatur und Maus, aber ebenso auch mit dem Controller eingängig und zugänglich bedienbar ist. Für Anfänger gibt es noch ein kurzes Tutorial, welches sämtliche Grundmechaniken gut erklärt. Alles weitere erläutert das Spiel dann später selbst. So sollte sich jeder Spieler schnell in der Welt zurechtfinden können.

Fazit und Wertung  

ava2 „Arkane hat das beinahe Unmögliche geschafft. Es hat die Mechaniken des Vorgängers verbessert, viele von dessen Unzulänglichkeiten ausgemerzt und präsentiert eine erneut stimmige Geschichte in einem abwechslungsreichen und lebendigen Setting, die sich aber dennoch ganz auf die Stärken des Vorgängers besinnt. So und nicht anders müssen Fortsetzungen sein. Zwar hätte ich mir technisch doch etwas mehr Fortschritt gewünscht, das Gesamtwerk fesselt dennoch durch seine Detailverliebtheit und die grandiose Atmosphäre. Mit all seinen Möglichkeiten bietet Dishonored 2 daher nicht nur unglaublich viel Wiederspielwert, sondern macht auch verdammt viel Spaß. Jetzt noch die PC – Version fixen und ihr habt mit Dishonored 2 einen ganz heißen Anwärter auf das Spiel des Jahres vor euch, den ihr euch nicht entgehen lassen solltet!“

PRO:

+ Lebendige, atmosphärische Spielwelt
+ Enormer Wiederspielwert durch zahlreiche Herangehensweisen
+ Spielweise beeinflusst die Umgebung und das Ende
+ Zwei Charaktere mit unterschiedlichen Fähigkeiten
+ Tolles Art – Design
+ Viele Nebenaufgaben
+ Aufmerksame Gegner
+ Klasse erzählte Story
+ Hervorragende Deutsche Sprecher
+ Kann auch ganz ohne Magie und gespielt werden
+ Angenehm kurze Ladezeiten
+ Zugängliche Bedienung
+ Auch für Neueinsteiger geeignet
+ Stabile Performance (Konsolen)

CONTRA:

– Technisch nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit
– PC – Version mit stellenweise starken Performance – Problemen
– Kämpfe insgesamt etwas zu leicht
– Charaktere zum Ende hin etwas zu mächtig
– Stellenweise zu viel Informationsflut

                     GESAMTWERTUNG:          91% (PS4/XB1)
                                                   89% (PC)

Die hier veröffentlichte Meinung stellt lediglich die Meinung des Autors dar und muss nicht zwangsläufig auch die von Wrestling-Point.de, M-Reviews und allen unterstehenden Mitarbeitern sein.
 
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