Aller Anfang ist schwer
Für Kenner und Genreprofis wird dafür das serientypisch volle Paket geboten. Um die 40 lizensierten Rennboliden stehen euch aufgeteilt in über 10 Klassen zur Auswahl, die neben klassischen Herstellern von Golf bis BMW auch richtige Kraftgranaten anbieten, die man sonst eher auf Asphaltstraßen suchen würde. Mit dem Porsche 911 über Schotterpisten düsen ist hier absolut möglich, auch wenn sich das in der praktischen Umsetzung als kaum händelbar entpuppt. Über eine WRC – Lizenz verfügt DiRT Rally 2.0 übrigens nicht, dafür hat immerhin die FIA ihr Siegel hergegeben. Dank des umfangreichen Fuhrparks stört das aber nicht, denn selbstverständlich bietet das Spiel auch ohne WRC – Aufkleber fordernde Kost mit besonderem Fokus auf Realismus. Schade nur, dass die Autos bei der grafischen Inszenierung nicht ganz die Klasse der Konkurrenz erreichen: Trotz vieler schöner Details und aktibisch nachgebauten Cockpits schneiden Titel wie Forza und Gran Turismo: Sport hier optisch besser ab.
Dafür wird hier von Anfang an eine motivierende Karriere geboten, die euch ausnahmsweise einmal typisch Codemasters nicht als erfolgshungrigen Rookie in eine dynamische Spielewelt voller Events á la Formel 1 wirft, sondern stattdessen einfach die Autos in den Vordergrund stellt. Knapp 50 Jahre Rallysportgeschichte gilt es zu erleben, begleitet von schön gemachten Videosequenzen und vielen Hintergrundinformationen weiß der Modus zu unterhalten. Manchmal ist es einfach besser, sich auf das Essentielle zu konzentrieren, anstatt wieder und wieder versuchen, ein Erlebnis á la FIFA´s Journey halbgar kopiert auf ein anderes Genre zu übertragen. Der Verzicht auf diesen Versuch zahlt sich hier aus, zumal auch der Umfang stimmt. Weniger gut sieht es dafür beim Balancing aus, denn manche Ausflüge in die Welt der Motorsportgeschichte entpuppten sich im Test als bockschwer und häufig an der Grenze zur Unfairness und/oder darüber hinaus.
Von Furchen, Frust und fiesen Fahrern
Wer damit durch ist, kann sich in den FIA – RallyCross – Modus stürzen. Auf kleineren Rundkursten kämpft man hier erbittert um den ersten Platz der Fahrer – WM. Und erbittert ist eigentlich gar kein Ausdruck wenn man bedenkt, wie viel Nerven mich dieser Modus letztendlich gekostet hat. Dafür sorgen die computergesteuerten Gegner, die sofort vom Start an erbarmungslos alles aus dem Weg rammen, was ihnen im Weg steht. Das wird in DiRT Rally 2.0 deswegen zu einem frustrierenden Problem, weil das Spiel anders als viele eher auf Arcade ausgerichtete Genrevertreter über ein sehr umfangreiches Schadensmodell verfügt. Nicht selten kam es deshalb vor, dass man bereits nach kurzer Zeit fahruntüchtig im Straßengraben liegt oder zumindest derart stark beschädigt ist, dass ein Vorankommen kaum noch möglich ist. Dann bleibt nur noch ein kompletter Neustart des Events, der aber meistens in gleichen Ergebnissen resultiert.
Immerhin, der FIA – Lizenz sei Dank bekommt ihr es hier zumindest nicht mit fiktiven Settings zu tun, sondern dürft euch auf echten Strecken mit originalen Teams und deren bekannten Fahrern messern, darunter DiRT – Dauergast Sebastien Loeb. Trotzdem stößt die Umsetzung des Modus sauer auf, denn Fairness sieht nun wirklich ganz anders aus. Ohnehin wirkt die gesamte Komponente eher unpassend für das sonst so auf sportlichen Wettkampf ausgerichtete Spiel. Klar ist es gut, dass man dem Spiel abseits von Karriere und Co. etwas mehr Umfang verpasst hat, dummerweise hat man dafür an anderer Ecke wieder mal gespart.
Die Rede ist hier, dass werden DiRT – Veteranen bereits geahnt haben, der leider abermals mangelhafte Streckenumfang. Dafür, dass die sechs enthaltenen Strecken zumindest beim Umfang punkten können und sich Karten wie Spanien angenehm vom gestalterischen Einheitsbrei klassischer Schotterpisten abheben, fehlen nun auch Berg- und Eispisten vollständig – zumindest vorerst, denn Codemasters hat bereits angekündigt, entsprechende Strecken nachliefern zu wollen, ob kostenlos oder im Rahmen der kostenpflichtigen Season Pass – Inhalte bliebt zumindest bis Redaktionsschluss offen. Eigentlich gehören die Schlitterpartien zur Reihe wie Pommes zu einem Cheeseburger. Auch glänzen die einzelnen Etappen eher durch Masse, weniger durch Klasse. Bekannte Kurse variieren hier lediglich in kleinen Teilen, mal ist eine Kurve anders, mal wird die Standardstrecke einfach in umgekehrter Richtung abgeklappt. Dass sich die Kurse von Argentinien bis Polen dafür dynamisch verändern und beispielsweise Schlaglöcher und Furchen, die uns Gegner vor uns hinterlassen, zum realen Hindernis werden können, kaschiert die Mängel beim Kartenumfang nur unzureichend.
Onlinezwang zum Abgewöhnen
Den dritten wichtigen Modus stellt wieder mal der Mein Team – Modus dar, der hier nicht zum ersten Mal in einem DiRT – Titel auftaucht. Neben den jeweiligen Meisterschaften der beiden bereits genannten Modi finden sich hier auch wöchentlich neue Community – Herausforderungen, die teils offline, teils online absolviert werden können. In Sachen Umfang stellt diese Komponente die Größte im Spiel dar, nervt aber dafür mit konsequentem Zwang zu einer aktiven Internetverbindung. Wer also gerade dank Providerproblemen oder einem ausgedehnten Landurlaub ohne Netz unterwegs ist, wird von Codemasters konsequent aus dem kompletten Modus und damit der Hauptkomponente des Spiels ausgesperrt. Die Entwickler begründen diesen Schritt damit, dass diese Maßnahme Betrugsversuchen in den Onlineranglisten vorbeugen soll.
Da aber durch solche Manipulationen auch nicht mehr zu gewinnen ist als ein armseliger Push für das Betrüger – Ego, scheint diese Aussage doch eher fadenscheinig zu sein. Zumindest der Preis für mogelsichere Ranglisten ist viel zu hoch geraten, denn viele Spieler sind entweder mit ihren Konsolen unterwegs oder wenigstens einem Laptop, sind dann aber eben nur auf die übrigen Modi beschränkt. Aber selbst mit aktiver Verbindung leidet der Modus an vielen Problemen. Sicher, die wechselnden Challenges sollen die Spieler bei Laune halten und auch den kompetiven Geist fördern, wenn man zwischendurch aber warten muss, bis sich der Autoshop serverseitig wieder neu aufstellt, nur um das Auto seiner Wahl endlich in den Angeboten zu finden, nervt das ebenso wie die aufgesetzt wirkende Teamverwaltung mit ihrem generischen Upgradesystem. Zu guter letzt bietet der Editor für den dort genutzten Avatar nur sehr wenige Vorlage, aber keinerlei Möglichkeiten für wirklich individuelle Schöpfungen. Auch lokale Mehrspieleroptionen lässt der Titel vermissen.
Das gute, alte Fahrgefühl
Worin DiRT Rally 2.0 dagegen kompromisslos überzeugt, ist das Fahrgefühl. Kein Spiel fordert dem Spieler gegenwärtig eine nahezu perfekte Kontrolle über das gewählte Fahrzeug ab, kein Spiel zeigt sich bei Fehlern so unverzeihlich. Sehr positiv fällt auf, dass jedes Fahrzeug sich ganz eigen fährt und klingt, Aspekte wie Gewicht, Traktion und Bodenbelag wirken sich spürbar auf die Fahrdynamik und Bedienung aus. Um all diese und mehr Aspekte meistern zu können, sollte man mindestens auf ein Gamepad zurückgreifen, besser aber noch auf ein hochwertiges Lenkrad, von denen DiRT Rally 2.0 eine ganze Palette nativ unterstützt, inkl. Unmengen an Optionen zur Feinkalibierung für das bestmögliche Spielerlebnis. Ein Mindestmaß an Tuningmöglichkeiten sorgt außerdem dafür, dass sich jedes Fahrzeug individuell den Anforderungen an die jeweilige Strecke anpassen lässt. Die umfangreichen Möglichkeiten eines Gran Turismo gibt es zwar nicht, aber auch mit den grundlegenden Möglichkeiten lässt sich eine Menge machen. Mit Maus- und Tastatur ist allerdings kein Blumentopf zu gewinnen, viel mehr als Frust über die unpräzise Steuerung kommt hier nicht auf.
Für die passende Atmosphäre sorgt der unverzichtbare Beifahrer, der euch über die Hindernisse vor euch informiert. Während im englischen Originalton der Brite Phil Mills zu hören ist, der hier einen tollen Job abliefert, wurde für die deutsche Sprachfassung die Copilotin Tanja Geilhausen angeheuert. Das Timing stimmt auch hier, ebenso die Sprachqualität. Der Mischmasch aus deutschen und englischen Ansagen irritiert jedoch ebenso wie sich ständig wiederholende Standardansagen in immer gleicher Sprechweise. So hat man hier öfter das Gefühl, dass die Anweisungen von einer Maschine ausgegeben werden, weniger von einem Menschen mit Dynamik und Abwechslung im Klang. Dann besser bei Mills bleiben, denn hier halten sich diese unschönen Aussetzer deutlich in Grenzen. Zu sehr auf die Ansagen verlassen darf man sich aber wie immer nicht, denn trotz Hilfen fordert auch DiRT Rally 2.0 vom Spieler entsprechende Streckenkenntnisse. Das dynamische Wetter, besonders natürlich plötzlich einsetzender Regen, erfordert selbstverständlich eine komplett andere Abstimmung des Fahrzeugs und dessen Handling auf rutschigem Untergrund. Das macht die Rennen jeweils angenehm unvorhersehbar, zumindest jene, die ihr nicht in speziell nach euren Bedürfnissen voreingestellten Quick Races fahrt. Hier kann man ähnlich gelungen wie in Project C.A.R.S. 2 auch kleinste Einstellungen wie die Gegnerstärke feinjustieren. Vorbildlich! Enttäuschend fallen dafür die Lackierungen aus, denn Tools zur individuellen Gestaltung eigener Designs gibt es nicht – dafür immerhin viele vorgefertigte Muster. Besser stehen PC – Nutzer dar: Dank Steam – Workshop lässt sich hier deutlich mehr anstellen.
Auto. Motor. Technik.
Überraschung, ausnahmsweise präsentieren wir euch heute seit langer Zeit mal wieder ein Spiel, welches nicht Gebrauch von der Unreal Engine 4 macht. Stattdessen setzt DiRT Rally 2.0 wie seine direkten Vorgänger abermals auf die hauseigene Ego Engine. Die hat zwar im Vergleich zum letzten Ableger hier und da in Sachen grafischer Opulenz ein wenig zulegt, zeigt aber trotzdem an vielen Ecken und Enden allmählich einige Alterserscheinungen. Gelegentlich sind schlappe Texturen wahrnehmbar, auch die Darstellungsqualität der Schatten bewegt sich weit hinter gegenwärtigen Technikstandards. Dafür können sich Wetter- und Lichteffekte sehen lassen, auch Kleinigkeiten wir aufgewirbelter Staub sorgt eine tolle Atmosphäre. Der Vorteil der leicht betagten Technik: Sämtliche Konsolenmodelle, egal ob Standard oder Erweitert, peilen 60 Frames pro Sekunde für ein flüssiges Spielerlebnis an. Während dieses Ziel auf der regulären PlayStation 4 mit kleineren Abstrichen fast durchgehend erreicht wird, kann die Bildrate bei der XBOX One wesentlich stärker einbrechen. Verluste bis zu 15 Bildern sind hier keine Seltenheit. Die Konsequenz: Spürbare Slowdowns.
Zudem leiden die Standardkonsolen an gelegentlich auftretendem Tearing und auch Randunschärfen sind wahrnehmbar. 1080p, also natives Full HD, ist bei beiden Modellen Standard. Gleiches gilt leider auch für die PlayStation 4 PRO, der keine höhere Auflösung spendiert wurde. Dafür ist die Bildrate hier deutlich stabiler. Natives 4K bei gleichbleibend guter Performance bietet nur die XBOX One X, die sich hier dementsprechend auch an die Wertungsspitze setzt. Darüber bewegt sich qualitativ nur noch der PC, der die gleiche Auflösung unterstützt, aber bei voll aufgedrehten Reglern nochmal optisch zulegt. Nicht um Welten, aber genug, um den Unterschied sehen zu können. Selbst in dem Bereich halten sich die Hardwareanforderungen in Grenzen, bereits mit einer GTX 1080 lassen sich absolut flüssige Ergebnisse erzielen, der angegrauten Engine sei Dank. Ein Umstieg auf ein neues Grafikgerüst ist zwar noch nicht überfällig, aber dennoch dringend eine Überlegung wert. Übrigens, zum Testzeitpunkt war der zuvor angekündigte VR – Modus noch nicht verfügbar, soll aber später kostenlos via Update nachgereicht werden.
Fazit und Wertung
„DiRT Rally 2.0 bietet im Kern genau das, was sich langjährige Fans der Reihe erhofft haben, nämlich eine abermals kompromisslos anspruchsvolle Rallysimulation mit großem Fuhrpark, wie er vielseitiger nicht sein könnte. Geblieben sind aber viele Altlasten, besonders die wenigen Strecken fallen negativ ins Gewicht und die mit Onlinezwang verbundene Mein Team – Komponente präsentiert sich veraltet und uninspiriert in ihrer Umsetzung. Auch technisch gibt es längst schönere (und einsteigerfreundliche) Genrevertreter. All das ändert aber nichts daran, dass DiRT Rally 2.0 und damit die Reihe an sich weiterhin an der Spitze des Genres steht. Dafür sorgt primär das weiterhin fantastische Fahrgefühl, das gelungene Schadensmodell sowie der hohe spielerische Tiefgang. Und das ist uns neben einer sehr guten Wertung definitiv auch einen Award wert.“
Pay-2-Win/Mikrotransaktionen: DiRT Rally 2.0 bietet lediglich einen Season Pass für weitere Inhalte an, die aber allesamt keinen Einfluss auf das Spielgeschehen haben. Da das Spiel so oder so keinerlei Möglichkeiten bietet, sich gegen Echtgeld spierlische Vorteile zu verschaffen, sehen wir von einer Abwertung ab.
PRO:
+ Hübsche Licht- und Partikeleffekte
+ Dynamisches, glaubhaft in Szene gesetztes Wettersystem…
+ …welches sich deutlich auf das Handling auswirkt
+ Fantastisches Fahrgefühl
+ Umfangreicher Fuhrpark…
+ …mit vollständigem Schadensmodell
+ Volle FIA – Lizenz
+ Motivierende Karriere durch 50 Jahre Rallygeschichte
+ Forderndes, aber realitätsnahes Handling
+ Fahrzeuge fühlen sich allesamt angenehm unterschiedlich an
+ Satte Motorensounds
+ Hervorragender (englischsprachiger) Copilot
+ Vielseitig konfigurierbare Quick Races
CONTRA:
– Einige schwache Texturen
– Insgesamt sehr wenige Strecken…
– …die momentan noch ohne Eisrennen auskommen müssen
– Uninspirierter Mein Team – Modus…
– …inkl. kaum nochvollziehbarem Onlinezwang
– Nerviges Shop – System
– Aufgesetzter Talentbaum für Teamaufwertung
– Extrem frustrierendes Gegnerverhalten im RallyCross
– Kein lokaler Mehrspielermodus
– Deutsche Beifahrerin nervt durch Sprachmischmasch
– Gegenwärtig kein VR – Support
– Teil stark schwankender Schwierigkeitsgrad
– Keine Tutorials
– Kein Designtool für eigene Lackierungen (Konsolen)
– Schwankende Performance (XBOX One)
– Fummelige Maus- und Tastatursteuerung (PC)
GESAMTWERTUNG: 8.0/10
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