Spiel´s noch einmal, Sam
Das Warten hat sich aber definitiv gelohnt, denn statt das Spiel lediglich mit höherer Auflösung und Bildraten zu portieren, nutzt Death Stranding sämtliche Möglichkeiten aktueller Hardware gekonnt aus. Und das stellenweise sogar so weit, dass selbst die bereits wunderschöne Konsolenversion auf der PlayStation 4 PRO ihren Hut nehmen muss. Dabei ist zunächst besonders der Umstand spannend, dass der Titel der erste seiner Art ist, der die bisher exklusiv für die Konsole von Sony geschaffene Decima-Engine auf den PC bringt. Ursprünglich von Guerilla Games entwickelt, hat sich das Technikgerüst spätestens mit Horizon: Zero Dawn zu einem mehr als konkurrenzfähigen Motor entwickelt. Und weil das weltweit gefeierte Abenteuer mit Rotschopf Aloy in ganz wenigen Wochen ebenfalls endlich auf dem PC aufschlagen wird, fungiert Death Stranding gleichzeitig auch als erster Einblick in die damit verbundenen technischen Möglichkeiten. Die große Frage lautet also: Können Heimcomputer Decima? Die Antwort lautet: Ja. Und wie!
Als 505 Games vor einiger Zeit erste Informationen zur PC-Version veröffentlichte, war die Verwunderung zunächst groß. Die minimalen Hardwareanforderungen erschienen für ein Spiel dieser Größe und Schönheit viel zu optimisch zu sein. Selbst die empfohlenen Spezifikationen hielten sich eher in Grenzen. Bereits acht Gigabyte Arbeitsspeicher und eine Geforce GTX 1060, bzw. Radeon RX 590 seien genug, um die einzigartige Vision von Kojima-San in hoher Qualität bei gleichzeitig geschmeidiger Performance lauffähig zu machen. Und es stimmt, mehr als solide Mittelklassehardware ist tatsächlich nicht erforderlich, damit Norman Reedus alias Sam „Porter“ Bridges bei einer Auflösung von 1080p und maximalen Grafiksettings in wenigstens 60 Frames pro Sekunde über euren Bildschirm kraxelt. Noch viel überraschender ist allerdings, dass man in diesem Leistungsbereich sogar auf 2K noch absolut spielbare Bildraten erhält, ohne dabei die Qualitätsregler runterschrauben zu müssen. Dann ist man zumindest dem Basismodell der PlayStation 4 visuell bereits ein ordentliches Stück voraus. Wer dennoch auf etwas stabilere Bildraten wert legt, hat mithilfe der umfangreichen Feineinstellungsmöglichkeiten mehr als genug Optionen dafür zur Hand.
Upgrade mit kleinen Schwächen
Wo die PlayStation 4 selbst auf dem erweiterten Modell 4K lediglich über Checkerboardrendering ausgeben konnte, liefert die PC-Version die Option zu echtem 4K. Spätestens damit steigen die Anforderungen an euren Rechenknecht aber massiv an. Erst ab einer RTX 2060 Super sind dann halbwegs flüssige Bildraten möglich, was aber für sich genommen schon eine echte Leistung darstellt. Wer mit dem aktuellen Flaggschiff von Nvidia, nämlich der RTX 2080ti zockt, braucht sich über Leistungseinbrüchen auch bei allerhöchsten Auflösungs- und Qualitätseinstellungen keine Gedanken mehr machen. Bei stabilen 60 Frames und einem messerscharf aufgelösten Bild kann selbst die PlayStation 4 PRO längst nicht mehr mithalten. Aber ihr müsst nicht über eine weit über tausend Euro teure Grafikkarte verfügen, um Death Stranding auf diese Weise erleben zu können. Möglich macht das Implementierung neuester durch K.I. gestützte Algorhythmen, nämlich Nvidias DLSS 2.0 auf der einen und CAS von Konkurrent AMD auf der anderen Seite. Die stellen kurz und knapp intelligente Scaler dar, welche jeweils ganz eigenständig funktionieren, dafür aber mehr oder weniger den gleichen Zweck erfüllen, nämlich auch schwächerer Hardware visuelle Erlebnisse im 4K-Bereich zu ermöglichen.
Was bisher aber hauptsächlich in verwaschenen Bildern resultierte, wird in DLSS 2.0 und CAS endlich so zum Einsatz gebracht, wie es seitens der Hersteller eigentlich von Anfang an versprochen worden ist: Performance und Qualität stehen sich nun nicht mehr als Feinde gegenüber, sondern arbeiten Hand in Hand miteinander. Dabei hat DLSS 2.0 im direkten Vergleich ein wenig die Nase vorne, setzt aber mindestens eine RTX 2060 voraus, um überhaupt zu funktionieren, währen CAS als universelle Hardwarelösung zwar keinen Kompatibilitätsbeschränkungen unterliegt, dafür aber nicht ganz so gut nachschärft wie das supercomputergestützte Processing von Nvidia. So oder so lassen sich aber einige ordentliche Verbesserungen ausmachen, von denen besonders Besitzer von gehobener Mittelklassehardware ordentlich profitieren können. Aber selbst in nativem 4K und zugeschaltetem DLSS 2.0 mit Präferenz auf Qualität lassen sich nochmals kleinere Zugewinne ausmachen. Da ist es beinahe schade, dass Death Stranding so vieles unterstützt, nur kein Ray Tracing. Wie gerne hätte ich gesehen, ob es den neuen technischen Errungenschaften gelingt, auch unter Einsatz der hardwarezerfleischenden Echtzeitspiegelungen und Co. eine stabile Performance aufrecht zu erhalten.
Die Gelegenheit, einige Unzulänglichkeiten der Konsolenfassung nachträglich auszumerzen, haben die Macher aber nicht genutzt. Allem voran die teils schwachen Texturen hätte man überarbeiten können. Besonders in höheren Auflösungsgefilden fallen die nur noch extremer auf. Ebenso verblieben sind Probleme bei der Kollionsabfrage, deren Opfer Sam beim Besteigen besonders unebener Gefilde ebenso wie bei Hängepartien wird. Viel mehr kann man der sonst sauberen Portierung aber nicht ankreiden. Die Ladezeiten sind wesentlich kürzer ausgefallen als auf der PlayStation 4, wobei SSD´s selbst den großen verbliebenen Ladeblock vor dem ersten Betreten der Welt massiv verkürzen. Danach spielt es aber keine große Rolle mehr, auf welcher Festplatte ihr das Spiel installiert habt. Gute 65 Gigabyte freien Speicher müsst ihr für das Spiel aber freiräumen. Bei der Bedienung empfehlen wir übrigens ausdrücklich ein Gamepad, denn mit Maus- und Tastatur bewegt sich Sam nicht nur sehr unpräzise durch den letzten Rest der Vereinigten Staaten, sondern kommt auch beim Halten der Balance viel häufiger ins Straucheln.
Fazit und Wertung
„Auch über ein halbes Jahr nach seiner Erstveröffentlichung spaltet Death Stranding sämtliche Gemüter. Für die einen ist das Spiel von Hideo Kojima ein gewohnt vielschichtiger, botschaftbeladener Trip mit philosophischem Einschlag im cineastischen Gewand, andere sehen darin nicht mehr als einen visuell opulenten Walking Simulator. Mit der PC-Version können sich nun endlich auch alljene ein eigenes Bild vom Spiel machen, die keine PlayStation 4 besitzen oder am Ende ihres Zyklus zumindest keine mehr anschaffen wollen. Abseits ein paar verpasster Gelegenheiten für das Ausmerzen kleinerer Animations- und Grafikunzulänglichkeiten hat mich die Portierung rundherum überzeugt. Erst auf höchsten Auflösungs- und Qualitätsstufen wird die Decima-Engine hungrig und verlangt nach leistungsstarker Hardware, bis 2K reicht dagegen Mittelklassetechnik. Dank DLSS 2.0 und CAS kann man aber selbst dann mehr aus dem Spiel holen, als so manch anderes es einem ermöglicht. Wem solche Aspekte grundsätzlich egal sind, kann aber guten Gewissens bei der Konsolenfassung bleiben. Inhaltlich gibt´s bis auf ein paar kosmetische Extras nämlich nichts Neues zu erleben.“
+ Weitläufige, wunderschön in Szene gesetzte Areale…
+ …die Entdecker stets mit vielen Fundsachen belohnen
+ Schöne Wetter- und Beleuchtungseffekte
+ Enorme Weitsicht mit vielen erinnerungswürdigen Panoramen
+ Filmreife, umfangreiche Zwischensequenzen
+ Fantastisch animierte Charaktere
+ Spannende, geheimnisvolle Antagonisten
+ Ungewöhnliche, aber stimmige sowie wendungsreiche Geschichte…
+ …die wunderbar mit dem Gameplay harmoniert
+ Saubere Performance bereits ab Mittelklassehardware möglich
+ Tolle Einbindung von DLSS 2.0 und CAS
+ Vielschichtige, klug durchdachte Transportmechaniken…
+ Durch die Bank spannend geschriebene Charaktere
+ Unaufdringliches, aber höchst effektives Communityfeature
+ Hoher Gesamtumfang mit bis zu 100 Stunden Spielzeit
+ Zahlreiche Nebenmissionen und besonders fordernde Aufträge
+ Vier verschiedene Schwierigkeitsgrade für jeden Anspruch…
+ …zwischen denen jederzeit bequem hin- und hergewechselt werden kann
+ Exzellente Vertonung
+ Atmosphärischer Soundtrack
+ Zugängliche Bedienung (Gamepad)
+ Gut ins Spiel integrierte Tutorials
CONTRA:
– Sehr unstetiges Erzähltempo, vor allem im zweiten Drittel des Spiels
– Motorrad abseits der Straßen quasi unbrauchbar
– Kein Betreten der Städte möglich
– Nerviges Product Placement
– Nur rudimentäre Kampfmechaniken…
– …die im Kampf meistens rasch zur Flucht zwingen
– Gelegentlich schwache Texturen und Kollisionsprobleme
– Für ein über ein halbes Jahr altes Spiel ohne großer neuer Inhalte zu teuer
– Fummelige Maus- und Tastatursteuerung
GESAMTWERTUNG: 8.8/10
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