Call of Duty: Modern Warfare II

Nachdem Sledgehammer Games im letzten Jahr mit Call of Duty: Vanguard einen Ausflug zurück zu den Wurzeln der Reihe wagten und die Spieler einmal mehr an die Fronten des Zweiten Weltkrieges beförderte, geht es nun wieder in die aktuellere Gefilde. Call of Duty: Modern Warfare II verspricht eine filmreife Kampagne, packende Mehrspieleraction und eine rundherum erneuerte Warzone (letztere erscheint erst im November) – alles in zeitgemäßem Gewand. Ob Infinity Ward die zahlreichen Versprechungen erfüllen konnte, oder Spieler nach dem enttäuschenden Vorjahresableger wieder nur Durchschnittskost erwartet, klärt unser Test für sämtliche Plattformen. 

 
 
 
 
 
Entwickler: Infinity Ward
 

Publisher: Activision Blizzard

Plattform: PC | PS4 | PS5 | XB1 | XBS

Veröffentlichungsdatum: 28. Oktober 2022

Preis: ab 69.99€

Altersfreigabe: ab 18 Jahren


Ungeschnitten
Kostenloses Upgrade
Mikrotransaktionen


Aufgewärmt schmeckt nicht immer besser

Die Story von Modern Warfare II ist relativ schnell erklärt: Nachdem das Pentagon in einer streng geheimen Mission einen iranischen Waffenhändler über den Jordan geschickt hat, schwört dessen Nachfolger Hassan Rache und will auf dem Grund der Vereinigten Staaten Raketen zur Detonation bringen. Besonders brisant: Die todbringenden Waffen sind allesamt Made in U.S.A.! Um eine Katastrophe von apokalyptischem Ausmaß zu verhindern, mobilisiert General Shepherd die Taskforce 141 rund um die Elite-Soldaten „Soap“ MacTavish, den angsteinflößenden Ghost und den raubeinigen Veteranen Captain Price. Die folgen den Spuren Hassans vom Nahen Osten bis über Amsterdam, Mexiko und Spanien. Dabei mischen auch ein paar Mitglieder eines mexikanischen Sonderkommandos mit, die in Hassan einen Komplizen des berüchtigten Drogenbarons El Sin Nombre vermuten und hoffen, über den Terrorfürsten Hinweise auf dessen Identität zu erlangen.

General Shepherd und Kate Laswell kennen Fans bereits aus früheren Teilen der Reihe.

Was folgt, ist ein mit gut sechs bis sieben Stunden Spielzeit für ein Call of Duty überraschend lang ausgefallenes Actionfeuerwerk, welches wie immer keinen Stein auf dem anderen lässt. Die auf siebzehn Missionen aufgeteilte Geschichte ist im Kern alles andere als neu, deren Ausgang inklusive dem obligatorischen Verrat aus den eigenen Reihen vorhersehbar – trotzdem zählt die Kampagne zu den besseren im Franchise. Das liegt primär daran, dass die Macher sich spielerisch und auch in Hinsicht auf die einzelnen Schauplätze sehr um Abwechslung bemüht haben. Mal müssen wir heimlich ein kleines Hafengelände infiltrieren, mal eine längere Flucht auf Rädern absolvieren und selbst die mittlerweile kultgewordenen Missionen mit Scharfschützengewehr oder als Schütze an Bord einer AC-130 bekommen in Modern Warfare II ein Revival spendiert. Zum Finale hin wagt das Spiel sogar einen kleinen Abstecher in Survival-Gefilde und lässt uns komplett ohne Waffen, dafür aber mit einem Rucksack voller Herstellungsmaterialien durch feindliches Gebiet schleichen. 

Eine legendäre Mission aus dem ursprünglichen Modern Warfare bekommt jetzt eine (überlange) Neuauflage spendiert.

Bei aller Abwechslung (und den gewohnt toll gerenderten Zwischensequenzen) leidet die Kampagne aber immer wieder an ihrem unausgegorenen Pacing. Das wunderschöne Amsterdam mit seinen Grachten und Altbauten verlässt man bereits nach wenigen Minuten wieder zugunsten generischerer Schauplätze, Missionen wie der Scharfschützeneinsatz und die Lufteskorte ziehen sich dagegen elendig in die Länge. Man merkt, dass die Macher viel Wert auf Fanservice gelegt haben und Spieler mit dem Comeback der Klassiker an einige der denkwürdigsten Missionen samt dazugehöriger Charakter innerhalb des Franchise anknüpfen lassen wollen. Wenn sich diese im Vergleich zu ihren Vorbildern aber so quälend überstrapaziert anfühlen und einfach kein zeitiges Ende finden, kann das auch nicht im Sinne des Erfinders sein. Deshalb muss man die angesprochenen sechs bis sieben Stunden Spielzeit auch vorsichtig betrachten und darf dabei nicht gleich in grenzenlose Euphorie ausbrechen. Kurz und knackig fühlt sich letztendlich nämlich immer besser an als lang und quälend. 

Die fast volle Ladung Multiplayer

Obwohl es immer auch genügend Spieler gibt, die sich ein Call of Duty ausschließlich wegen der Kampagne zulegen, liegt die Langzeitmotivation des Spiels natürlich in der umfangreichen Mehrspielerkomponente verborgen. Modern Warfare II bildet da keine Ausnahme und fügt zu der ohnehin schon umfangreichen und bekannten Liste aus Team Deathmatch, Hardpoint und Co. zwei brandneue Modi hinzu. In Gefangenenrettung wagt sich die Reihe auf das Territorium von Rainbow Six: Siege vor und stellt ein Team vor die Aufgabe, auf der Karte platzierte Geiseln in Sicherheit zu eskortieren, während die Gegner genau das verhindern müssen. Pro geretteter Geisel winken hundert Punkte, eine erfolgreiche Verteidigung belohnt einen immerhin noch mit fünfzig Punkten. Ein Wiedereinstieg ist in diesem Modus nicht möglich, dafür könnt ihr von euren Mitstreitern über ein kurzes Zeitfenster reanimiert werden. Und in Knockout gewinnt, wer zum Ende der Runde im Besitz einer Geldtasche ist, oder vorher alle Gegner ausgeschaltet hat. Auch hier könnt ihr nach einem erfolgten Ableben nicht einfach erneut ins Spiel einsteigen, sondern seid der Gunst (oder dem Können) eurer Teamkameraden ausgeliefert. 

Drei der neuen Operator verteidigen den gerade eroberten Punkt gegen das anrückende Gegnerteam.

Gleichzeitig feiert mit Modern Warfare II auch Bodenkrieg eine Rückkehr. Auf einer von mehreren großen Karte stehen sich insgesamt bis zu vierundsechzig Spieler aufgeteilt auf zwei Teams um die Vorherrschaft über einzelne Punkte gegenüber. Je mehr davon ihr gleichzeitig in eurem Besitz habt, desto schneller füllt sich euer Punktekonto. Wer zuerst zweihundertfünfzig Punkte generiert hat, gewinnt. Dabei kommen natürlich auch wieder Fahrzeuge aller Art zum Einsatz. Der damalige Versuch der Macher, dem ewigen Konkurrenten Battlefield damit etwas Fahrwasser abzugraben, erreicht aber auch im zweiten Aufguss nie dessen epische Qualität, ist aber ähnlich wie der Third-Person-Moshpit-Modus eine nette Ergänzung. Invasion fußt auf einem ganz ähnlichen Grundkonzept, verzichtet aber auf Punkteroberungen und fokussiert sich stattdessen auf Abschüsse. Zweitausend Punkte gilt es hier für den Sieg zu erreichen, wobei das Geschehen zusätzlich mit zahlreichen computergesteuerten Gegnern bereichert wird. Weil die aber ähnlich doof agieren wie das Kanonenfutter in der Kampagne, fällt die Langzeitmotivation auch in dieser großflächig angelegten Komponente eher dünn aus. Schuster, bleib bei deinen Leisten! 

In der Waffenkammer lassen sich die bevorzugen Schießprügel immer weiter aufmotzen.

Nebenbei bietet Modern Warfare II abermals die Möglichkeit, das umfangreiche Waffenarsenal nach Belieben für seine persönlichen Bedürfnisse anzupassen. Sturmgewehre, Maschinenpistolen, Scharfschützengewehre und Co. sind zuhauf vorhanden und werden euch mit jedem Levelanstieg nach und nach zugänglich gemacht. Gleiches gilt für die zahlreichen passiven Perks, Gadgets und Killstreaks. Das sorgt für eine gewohnt angenehme Lernkurve, innerhalb deren sich alles mal ausprobieren lässt, ohne dass man gleich von zu viel Auswahl erschlagen fühlt. Dank mehrerer Loadouts könnt ihr euch auf jede Situation optimal vorbereiten und bei Bedarf bequem zwischen den vorgefertigten Konfigurationen hin- und herwechseln. In der Waffenkammer lassen sich eure zahlreichen freigespielten Visiere, Magazine und vieles mehr anbringen, auch bei den Lackierungen und Stickern wird eine immense Anzahl von Design angeboten. Aber auch all das muss man eben erst freispielen. Ärgerlich: Anders als noch in Vanguard und Black Ops: Cold War müsst ihr euch jetzt in den dazugehörigen Menüs von links nach rechts orientieren, statt wie bisher von oben nach unten. So dauert es besonders auf Konsolen deutlich länger, sich durch das stetig wachsende Angebot von optischen und praktischen Hilfen zu manövrieren. 

In einer der drei kooperativen Missionen müssen wir einen Forschungskomplex erobern und im Anschluss verteidigen.

Und noch eine Tatsache stößt sauer auf, nämlich die gegenwärtige Abwesenheit der beliebten Hardcore-Playlist. Die soll unter neuem Namen Tier-1 zwar sehr bald nachgereicht werden und dürften zeitnahe mit der ebenfalls noch nicht aktiven Warzone 2.0 und der ersten Season freigeschaltet werden, für viele Spieler (inklusive mir) sind die knallharten Gefechte aber eine wichtige Kernkomponente des Spiels, die eigentlich ab dem ersten Tag an verpflichtend im Spiel enthalten sein sollte. Einen Vorgeschmack auf die neue Warzone bekommt ihr mit den insgesamt drei KoOp-Missionen, die ihr wahlweise lokal an einem Bildschirm oder Online absolvieren könnt. Denn auch dort verdient ihr mit euren Kills und anderen Aktionen Geld, rüstet am Shop auf, oder nutzt an Waffen, was gerade in der Gegend herumliegt – nur eben auf Basis von einsatzzielbasiertem Gameplay. Der Modus macht besonders mit einem Kumpel bei gleichzeitiger Absprache viel Spaß, kann aber auch relativ gut mit einem zufällig reingewürfelten Mitspieler relativ problemlos absolviert werden. Sonst gilt: Wo „Neu“ draufsteht, muss nicht zwangsläufig auch „Neu“ drin sein. So spaßig die meisten Kernmodi des Mehrspielerteils auch sein mögen, wirklich neue Ideen hat Modern Warfare II diesbezüglich nicht anzubieten. 

Mal schön, mal hässlich

Mit dem Vorgänger Modern Warfare von 2019 haben Infinity Ward den visuellen Standard für die Reihe auf ein neues Level gehoben, sogar Raytracing war mit an Bord. Umso enttäuschender, dass die nachfolgenden Black Ops: Cold War und vor allem Vanguard aufgrund des dreijährigen Entwicklerzyklus nicht zu diesem Standard aufschließen konnten. Modern Warfare II wird als das schönste Call of Duty aller Zeiten beworben, wird dieser Behauptung aber nur selten gerecht. Bedingt dadurch, dass das Spiel immer noch für Konsolen der letzten Generation veröffentlicht wird, sind massive Sprünge sowieso nicht möglich, aber eigentlich überfällig. In seinen besten Momenten, besonders innerhalb Kampagne, sieht das Spiel wirklich gut aus – und das, obwohl man dieses Mal wieder auf den Einsatz von Raytracing verzichtet hat, dafür aber wirklich schönes Cubemapping verwendet und auch bei Beleuchtung und Effekten weitestgehend überzeugende Arbeit abliefert. Nur gibt es mittlerweile längst schönere Spiele auf dem Markt, auch im Shootergenre. 

Amsterdam zählt zu den wenigen visuellen Höhepunkten des Spiels.

Neben visuellen Highlights wie Amsterdam sehen die übrigen Schauplätze inklusive Mehrspielerkarten ziemlich altbacken aus. PC, PlayStation 5 und XBOX Series X|S offerieren zwar überwiegend detaillierte, hochaufgelöste Texturpakete, alles andere wirkt aber längst nicht mehr zeitgemäß, wobei Besitzer einer PlayStation 4 und/oder XBOX One zusätzlich mit niedrigerer Auflösung, einer qualitativ schlechteren Gesamtdarstellung und unstetigen Bildraten leben müssen. Natives 4K schaffen zwar auch die Spitzenmodelle der Gegenwart nicht ohne temporäre Rekonstruktion, liefern dafür aber fast durchgehend geschmeidige 60 Frames pro Sekunde und sogar eine sehr stabile Option für 120 Hertz bei gleichzeitig erneut niedrigerer Auflösung knapp über dem 2K-Bereich, wo sich die schwächere XBOX Series S übrigens maximal einpendelt und bei 120 Hertz auf 1080p runtergeht. 

Ghost und Serienneuzugang Alejandro müssen sich auf der Flucht vor dem Militär durch unstetes Gebirge kämpfen.

Auch kann man momentan keineswegs von einem fehlerfreien Release sprechen. Auf dem PC stürzt der Titel besonders in der Mehrspielerlobby gerne mal komplett ab, die aktuellen Grafikkartentreiber von Nvidia produzieren Bildflackern und Darstellungsfehler und im KoOp gibt es einen reproduzierbaren Fehler bei der erneuten Aufnahme der Sentry Turret, der einen anschließend keine Waffen mehr abfeuern lässt und einen dadurch zum vorzeitigen Spielabbruch zwingt. Und wenn man momentan am PC versucht, die rechte Seite der Operatorliste aufzurufen, kickt einen das Spiel inklusive aller gegenwärtigen Gruppenmitglieder direkt zurück ins Hauptmenü. Das ist nur ein kleiner Anteil vieler nerviger Unzulänglichkeiten, dank denen sich Modern Warfare II zusätzlich zu allen anderen angesprochenen Mankos einfach zu keinem Zeitpunkt wie eine runde Erfahrung anfühlt. Auch lässt sich das Crossplay zwischen den drei Hauptplattformen PC, XBOX und PlayStation nicht deaktivieren. Die deutschen Sprecher klingen ziemlich generisch, der eigentlich stimmige Soundtrack kommt viel zu selten zur Geltung. Dafür geht die Bedienung sowohl mit Gamepad als auch mit Maus und Tastatur gewohnt gut von der Hand, wobei der DualSense dank seiner haptischen Trigger auf Konsolen einmal mehr für die beste Spielerfahrung sorgt. 

„Die großen Hoffnungen, die ich nach dem eher durchwachsenen Vanguard in Modern Warfare II gesetzt habe, haben sich leider allenfalls teilweise erfüllt. Die immerhin um spielerische Abwechslung bemühte Kampagne leidet unter ihrer vorhersehbaren Story, schlechtem Pacing und ist etwas zu sehr darauf aus, bekannte Momente der Vorgänger zu reproduzieren. Und dem Mehrspielermodus mangelt es trotz stattlichem Gesamtumfang an wirklich wahrnehmbaren frischen Impulsen. Die wenigen neuen Modi fühlen sich allesamt zu vertraut an und das gegenwärtige Fehlen der Hardcore-Playlist stößt mir persönlich extrem sauer auf. Die KoOp-Missionen sind eine nette Dreingabe, bieten aber nur wenig Langzeitmotivation. Und selbst auf technischer Ebene hinkt das Spiel einem mittlerweile sechs Jahre alten Battlefield 1 in nahezu jeder Hinsicht weit hinterher, hinzu kommt viel Nachholbedarf beim Bugfixing. Wenn 2023 wirklich erstmals kein Nachfolger erscheinen soll, stehen Fans der Reihe zwei ziemlich durchwachsene Jahre bevor.“

  • Abwechslungsreiches Gameplay innerhalb der Kampagne
  • Schauplätze unterscheiden sich angenehm voneinander
  • Teils filmreife Skriptevents
  • Gut gemachte Zwischensequenzen
  • Umfangreicher Mehrspielermodus
  • Motivierende Levelmechanik mit fairen Freischaltbedingungen für Waffen, Zubehör, Operator und Co.
  • Elf komplett neue Mehrspielerkarten
  • Fünf Schwierigkeitsgrade für jeden Anspruch
  • Sehr gute englische Sprecher
  • Atmosphärischer Soundtrack
  • Zugängliche Bedienung
  • Schwache, vorhersehbare Story…
  • …die sich stellenweise brutal in die Länge zieht…
  • …und zu sehr darum bemüht ist, die Highlights der Vorgänger zu reproduzieren
  • Checkpoints liegen manchmal zu weit auseinander
  • Crossplay nicht abschaltbar
  • KoOp bietet wenig Langzeitmotivation
  • Bodenkrieg bleibt Battlefield Light
  • Tier-1-Playlist fehlt gegenwärtig
  • Insgesamt kaum neue Ideen
  • Generische deutsche Sprecher
  • Soundtrack kommt am ehesten in den Menüs zur Geltung
  • Stellenweise suboptimale Menüführung
  • Technisch bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr zeitgemäß
  • Bei weitem nicht fehlerfrei ausgeliefert

Entsprechende Rezensionsmuster sind uns freundlicherweise vorab von Activision zur Verfügung gestellt worden.

©2022 M-Reviews.de

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*